Steinbockhorn: Unterschied zwischen den Versionen

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'''Steinbockhorn'''.
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Seit dem Ende des 17. Jahrhunderts wurde in Salzburg das '''Horn des Steinwilds''', v.a. aus den erzbischöflichen Gehegen im Tiergarten von [[Schloss Hellbrunn|Hellbrunn]], zu kunstvoll gestalteten Gegenständen verarbeitet. Erste Zuchtversuche mit Steinböcken wurden hier unter Erzbischof [[Markus Sittikus von Hohenems]] zu Beginn des 17. Jahrhunderts unternommen und um 1700 unter Erzbischof [[Johann Ernst Graf von Thun und Hohenstein]] sowie von späteren Erzbischöfen bis zum Ende des 18. Jahrhundert fortgesetzt. Aus der freien Wildbahn war Steinwild bereits im 16. Jahrhundert infolge klimatischer Einflüsse (Kleine Eiszeit) und übermäßiger Bejagung mit Feuerwaffen weitgehend verschwunden. Im ostalpinen Bereich konnte sich lediglich im hinteren Zillertal – damals Teil des Salzburger Erzstifts – eine letzte Population unter dem Schutz der Salzburger Erzbischöfe (u.a. durch strenge Wildereimandate) bis ins 18. Jahrhundert halten; spätestens 1710/11 war der Bestand zusammengebrochen.
  
Seit dem Ende des 17. Jh.s wurde in Salzburg das Horn des Steinwildes aus den eb. Gehegen - vermutl. auf Anregung von Eb. →Johann Ernst Thun - zu kunstvoll gestalteten Gegenständen verarbeitet und damit auch das Steinwild erheblich dezimiert. Wiewohl sich die Eb. →Markus Sittikus, Guidobald, Max Gandolf und Johann Ernst bemühten die Tierart zu erhalten. Für das Zillertal gilt bereits 1706 die letzte Erwähnung eines Steinbock-Bestandes. Schuld an der Ausrottung dieser Spezies war v. a. der Glaube an die besondere Heilkraft und Abwehrwirkung, die dem Steinbockhorn zugeschrieben wurde (daher z. B. Fingerringe für Gichtleidende). F. M. →Vierthaler schreibt in seiner „Salzburgischen Geographie“,1796: „nicht nur ihr Horn ist sehr geschätzt, sondern auch ihre Augensteine, Lunge, Herz, Leber, als „vortreffliche Arzneimittel“. Die Wilderei war für die arme bäuerliche Bevölkerung, trotz höchster Strafen eine willkommene Einnahmequelle und trug ebenfalls zur Dezimierung des Tierbestandes bei. Erst 1847 kamen durch Erzherzog Ludwig wieder Steinböcke aus Savoyen nach →Hellbrunn.
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Zuvor hatte Erzbischof Johann Ernst von Thun zur Gründung einer neuen Kolonie im Tennengebirge und zu Zuchtzwecken bereits mehr als 100 Steinböcke im Zillertal einfangen lassen; schließlich führte der Starkwinter 1708/09 zum vollständigen Zusammenbruch der Population. Begehrlichkeiten weckte das Steinwild v.a. aufgrund eines ausgeprägten Volksglaubens an magische Abwehr- und Heilwirkungen, die allen Körperteilen der Tiere zugeschrieben wurden. Im Barockzeitalter wurden diverse Tinkturen, Tränke und Präparate in eigenen Steinbockapotheken verkauft, in Salzburg z.B. in der Alten fürsterzbischöflichen Hofapotheke am Alten Markt. Im Kunsthandwerk manifestierte sich der Glaube an die magischen Kräfte des Steinwildes u.a. in der Herstellung von Amuletten, Talismanen oder anderen Schmuckstücken (z.B. Fingerringe für Gichtleidende) sowie Trinkgefäßen oder Dosen aus Steinbockhorn.
Zur Bearbeitung musste das Horn eingeweicht, bzw. gekocht werden, wodurch auch scharf reliefierte Zierformen auf den Gegenständen möglich wurden. Erst seit dem ausgehenden 18.Jh. werden auch mechanische Hilfsmittel verwendet, wie z.B. Prägestempel.
 
Im 17.Jh. werden in Salzburg vorzüglich kunstvolle Trinkschalen, Trinkhörner, Pestsegen und Bestecke aus Steinbochhorn hergestellt, erst das 18.Jh. spezialisierte sich auf Dosen, Becher und Tabletts, die wiederum mit kostbaren Silber- oder Goldfassungen versehen werden. Es sind nur wenige einschlägige Künstler namentlich bekannt, da z.B. die sog. „hofbefreiten“, jene, die für den eb. Hof arbeiteten und deshalb keine Steuern zahlten, aber auch nicht signieren durften. So wird für die Frühzeit aus der Salzburger Hofwerkstatt der Name des Simon Fries (1652–1722 Sbg) genannt, ein in Salzburg ansässiger „Steinbockhornschnitzer in der Gstätten“, Lorentz Härmbler (= Hermbler, zw.1743 u.1782 gen.), der Bildhauer Leopold Ehgasser (= Egasser, Ehegasser, Inzell 1710–1771 Reichenhall) und bereits im ausgehenden 18.Jh. Joseph Glarer (1772–1833), der wohl ident ist mit J. Klarer, der zahlreiche, einander sehr ähnliche und regelmäßige Steinbockhorndosen unter Zuhilfenahme mechanischer Mittel verfertigte Die dzt bekannte größte und aufwendigste Arbeit ist eine Steinbockhorn-Prunkkanne von Martin Gitzl (= Gizl, 1707–1786, Sbg) aus dem Jahr 1758 mit einer Höhe von 32,5 cm. Und einem zugehörigen Becken von 44 x 38 cm!
 
  
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Zur Bearbeitung musste das Horn eingeweicht bzw. gekocht werden, wodurch auch scharf reliefierte Zierformen auf den Gegenständen möglich wurden. Im 17. Jahrhundert wurden in Salzburg vorzüglich kunstvolle Trinkschalen, Trinkhörner, Pestsegen und Bestecke aus Steinbockhorn hergestellt, erst das 18. Jahrhundert spezialisierte sich auf Dosen, Becher und Tabletts, die man wiederum mit kostbaren Silber- oder Goldfassungen versah. Es sind nur wenige einschlägige Künstler namentlich bekannt. Für die Frühzeit wird aus der Salzburger Hofwerkstatt der Name Simon Fries (1652–1722) in Salzburg genannt, ein in Salzburg ansässiger „Steinbockhornschnitzer in der Gstätten“, Lorentz Härmbler (= Hermbler, zwischen 1743 und 1782 genannt), der Bildhauer Leopold Ehgasser (= Egasser, Ehegasser, Inzell 1710–1771 Reichenhall) und im ausgehenden 18. Jahrhundert Joseph Glarer (1772–1833), der zahlreiche, einander sehr ähnliche und regelmäßige Steinbockhorndosen unter Zuhilfenahme mechanischer Mittel verfertigte. Die derzeit bekannteste, größte und aufwendigste Arbeit ist eine Steinbockhorn-Prunkkanne von Martin Gitzl (= Gizl, 1707–1786, Salzburg) aus dem Jahr 1758 mit einer Höhe von 32,5 cm und einem zugehörigen Becken von 44 x 38 cm.
  
 
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* Erhard Koppensteiner: Gefäße aus Steinbockhorn – eine Salzburger Spezialität. In: Bischof.Kaiser.Jedermann Jahresschrift des Salzburg Museums Bd.58/1 u.2 Landesausstellung 200 Jahre Salzburg bei Österreich, Salzburg 2016
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* E. Koppensteiner: Gefäße aus S. – eine Salzburger Spezialität. In: Bischof. Kaiser. Jedermann. Salzburg 2016.
* N. v. Watteck: Geschnitztes Steinbockhorn. Ein vergessener Zweig des Salzburger Kunsthandwerks, in: AMK 1962, S. 27 ff.
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* A. Zechner: Als die „Stainpöckh“ sich verloren hatten. Neue Erkenntnisse zum Ende der letzten autochthonen Steinbockpopulation der Ostalpen im Zillertal zu Beginn des 18. Jahrhunderts. In: Siedlungsforschung. Archäologie – Geschichte – Geographie 32, 2015, S. 311–328.
* Steinböcke, in: Jahr SMCA, 1851, 41.
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* J. Neuhardt (Hg.): Geschnitztes S. Salzburg 1990.
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* N. v. Watteck: Geschnitztes S. Ein vergessener Zweig des Salzburger Kunsthandwerks. In: AMK 1962, S. 27ff.
  
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Ch.S., A.Z.
  
 
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Aktuelle Version vom 23. Mai 2021, 13:44 Uhr

Seit dem Ende des 17. Jahrhunderts wurde in Salzburg das Horn des Steinwilds, v.a. aus den erzbischöflichen Gehegen im Tiergarten von Hellbrunn, zu kunstvoll gestalteten Gegenständen verarbeitet. Erste Zuchtversuche mit Steinböcken wurden hier unter Erzbischof Markus Sittikus von Hohenems zu Beginn des 17. Jahrhunderts unternommen und um 1700 unter Erzbischof Johann Ernst Graf von Thun und Hohenstein sowie von späteren Erzbischöfen bis zum Ende des 18. Jahrhundert fortgesetzt. Aus der freien Wildbahn war Steinwild bereits im 16. Jahrhundert infolge klimatischer Einflüsse (Kleine Eiszeit) und übermäßiger Bejagung mit Feuerwaffen weitgehend verschwunden. Im ostalpinen Bereich konnte sich lediglich im hinteren Zillertal – damals Teil des Salzburger Erzstifts – eine letzte Population unter dem Schutz der Salzburger Erzbischöfe (u.a. durch strenge Wildereimandate) bis ins 18. Jahrhundert halten; spätestens 1710/11 war der Bestand zusammengebrochen.

Zuvor hatte Erzbischof Johann Ernst von Thun zur Gründung einer neuen Kolonie im Tennengebirge und zu Zuchtzwecken bereits mehr als 100 Steinböcke im Zillertal einfangen lassen; schließlich führte der Starkwinter 1708/09 zum vollständigen Zusammenbruch der Population. Begehrlichkeiten weckte das Steinwild v.a. aufgrund eines ausgeprägten Volksglaubens an magische Abwehr- und Heilwirkungen, die allen Körperteilen der Tiere zugeschrieben wurden. Im Barockzeitalter wurden diverse Tinkturen, Tränke und Präparate in eigenen Steinbockapotheken verkauft, in Salzburg z.B. in der Alten fürsterzbischöflichen Hofapotheke am Alten Markt. Im Kunsthandwerk manifestierte sich der Glaube an die magischen Kräfte des Steinwildes u.a. in der Herstellung von Amuletten, Talismanen oder anderen Schmuckstücken (z.B. Fingerringe für Gichtleidende) sowie Trinkgefäßen oder Dosen aus Steinbockhorn.

Zur Bearbeitung musste das Horn eingeweicht bzw. gekocht werden, wodurch auch scharf reliefierte Zierformen auf den Gegenständen möglich wurden. Im 17. Jahrhundert wurden in Salzburg vorzüglich kunstvolle Trinkschalen, Trinkhörner, Pestsegen und Bestecke aus Steinbockhorn hergestellt, erst das 18. Jahrhundert spezialisierte sich auf Dosen, Becher und Tabletts, die man wiederum mit kostbaren Silber- oder Goldfassungen versah. Es sind nur wenige einschlägige Künstler namentlich bekannt. Für die Frühzeit wird aus der Salzburger Hofwerkstatt der Name Simon Fries (1652–1722) in Salzburg genannt, ein in Salzburg ansässiger „Steinbockhornschnitzer in der Gstätten“, Lorentz Härmbler (= Hermbler, zwischen 1743 und 1782 genannt), der Bildhauer Leopold Ehgasser (= Egasser, Ehegasser, Inzell 1710–1771 Reichenhall) und im ausgehenden 18. Jahrhundert Joseph Glarer (1772–1833), der zahlreiche, einander sehr ähnliche und regelmäßige Steinbockhorndosen unter Zuhilfenahme mechanischer Mittel verfertigte. Die derzeit bekannteste, größte und aufwendigste Arbeit ist eine Steinbockhorn-Prunkkanne von Martin Gitzl (= Gizl, 1707–1786, Salzburg) aus dem Jahr 1758 mit einer Höhe von 32,5 cm und einem zugehörigen Becken von 44 x 38 cm.

Lit.:

  • E. Koppensteiner: Gefäße aus S. – eine Salzburger Spezialität. In: Bischof. Kaiser. Jedermann. Salzburg 2016.
  • A. Zechner: Als die „Stainpöckh“ sich verloren hatten. Neue Erkenntnisse zum Ende der letzten autochthonen Steinbockpopulation der Ostalpen im Zillertal zu Beginn des 18. Jahrhunderts. In: Siedlungsforschung. Archäologie – Geschichte – Geographie 32, 2015, S. 311–328.
  • J. Neuhardt (Hg.): Geschnitztes S. Salzburg 1990.
  • N. v. Watteck: Geschnitztes S. Ein vergessener Zweig des Salzburger Kunsthandwerks. In: AMK 1962, S. 27ff.

Ch.S., A.Z.