Untersbergsagen: Unterschied zwischen den Versionen

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'''Untersbergsagen'''. Zwei Sagenkomplexe werden gemeinhin als U. bezeichnet: die eigentliche »Untersbergsage« vom schlafenden Kaiser (Kaiser Karl d. Gr., Friedrich Barbarossa u. a.) im Berg, der auf die Endzeitschlacht beim →Birnbaum auf dem Walserfeld wartet, so lange die Raben den Berg umkreisen. Sowie die »Sagen rund um den Untersberg«, die fallweise in die Kaisersage einfließen, aber anderen Sagenkomplexen zuzuordnen sind. Die »Untersbergsage« steht in vermuteter Abhängigkeit von der Kyffhäusersage (Beginn im 14. Jh.) in Deutschland. Älteste Salzburger Hs. zw. 1560 und 1582, 20 Hs. aus dem 18. Jh. erhalten. Politische Instrumentalisierung der Sage und des Berges während der NS-Zeit. Zur Untersbergsage gehört auch die Sage vom (dürren!) Birnbaum auf dem Walserfeld: sobald dieser Baum wieder grünt, wird der erwachte Kaiser seinen Schild an diesen Baum hängen und die Endzeitschlacht beginnen. Teile der Untersbergsage, oder auch deren Ausschmückung und Verbindung mit der Kyffhäusersage, tauchen in den Handschriften zur Sage von Lazarus Gitschner (hs ab 1523)auf. Dieser soll im Berg mit dem Hofstaat des Kaisers 100 Jahre gelebt und dort eine ideale katholische Welt erfahren haben. Sagen von Zwergen und Bergmännlein sind ebenfalls mit dieser Sage über das Leben im Berg verquickt. Auch heute noch entstehen über angeblich verschwundene Bergwanderer und Schmuggler Sagen von im Berg verschwundenen Personen, als Formen der modernen »Stadtsage«  (R.W. Brednich); nicht nur vom Kaiser im Berg, sondern auch von UFO-Landungen ist darin gerne die Rede, denn der Untersberg wird von Esoterikern und Geomanten als ein ganz besonderer Kraftpunkt gesehen. Die »Sagen rund um den Untersberg« sind bereits im Brixener Volksbuch von 1782 erfasst und haben vielfach Wandlungen erfahren, ihre Elemente gleichen anderen alpinen Sagen. Zu nennen sind die Sage von der →Wilden Jagd (Weiterleben ab 1943 bzw. 1947/49 als inszenierter und mit weiteren Sagen- und Perchtengestalten angereicherter Brauch am 2. Donnerstag im Dezember), vom gütigen Riesen Abfalter, von den Zwergen und Schätzen im Berg (u. a. Holzmeistersage), von den wilden Frauen, die Sehnsucht nach einem Leben als Menschen haben und von der Entstehung der moorigen Ebene. Reiches Fortleben der Sagenmotive und -gestalten in populärer lokaler Ästhetik und »Airport-art« , darunter Notgeldscheine, Schnitzereien, Lüftlmalerei an Häusern, etc.  
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'''Untersbergsagen'''. Zwei Sagenkomplexe werden gemeinhin als U. bezeichnet: die eigentliche »Untersbergsage« vom schlafenden Kaiser (Kaiser Karl d. Gr., Friedrich Barbarossa u. a.) im Berg, der auf die Endzeitschlacht beim →Birnbaum auf dem Walserfeld wartet, so lange die Raben den Berg umkreisen. Sowie die »Sagen rund um den Untersberg«, die fallweise in die Kaisersage einfließen, aber anderen Sagenkomplexen zuzuordnen sind. Die »Untersbergsage« steht in vermuteter Abhängigkeit von der Kyffhäusersage (Beginn im 14. Jh.) in Deutschland. Älteste Salzburger Hs. zw. 1560 und 1582, 20 Hs. aus dem 18. Jh. erhalten. Politische Instrumentalisierung der Sage und des Berges während der NS-Zeit. Zur Untersbergsage gehört auch die Sage vom (dürren!) Birnbaum auf dem Walserfeld: sobald dieser Baum wieder grünt, wird der erwachte Kaiser seinen Schild an diesen Baum hängen und die Endzeitschlacht beginnen. Teile der Untersbergsage, oder auch deren Ausschmückung und Verbindung mit der Kyffhäusersage, tauchen in den Handschriften zur Sage von Dr. Pegius sowie von Lazarus Gitschner (hs ab 1523)im Untersberg auf. Dieser soll im Berg mit dem Hofstaat des Kaisers 100 Jahre gelebt und dort eine ideale katholische Welt erfahren haben; die Sagen sind daher auch katholisch-didaktischer Natur. Sagen von Zwergen und Bergmännlein sind ebenfalls mit dieser Sage über das Leben im Berg verquickt. Auch heute noch entstehen über angeblich verschwundene Bergwanderer und Schmuggler Sagen von im Berg verschwundenen Personen, als Formen der modernen »Stadtsage«  (R.W. Brednich); nicht nur vom Kaiser im Berg, sondern auch von UFO-Landungen ist darin gerne die Rede, denn der Untersberg wird von Esoterikern und Geomanten als ein ganz besonderer Kraftpunkt gesehen. Die »Sagen rund um den Untersberg« sind bereits im Brixener Volksbuch von 1782 erfasst und haben vielfach Wandlungen erfahren, ihre Elemente gleichen anderen alpinen Sagen. Zu nennen sind dämonologische Sagen, darunter die Sage von der →Wilden Jagd (Weiterleben ab 1943 bzw. 1947/49 als inszenierter und mit weiteren Sagen- und Perchtengestalten angereicherter Brauch am 2. Donnerstag im Dezember), vom gütigen Riesen Abfalter, von den Zwergen und Schätzen im Berg (u. a. der Holzmeistersage), von den wilden Frauen, die Sehnsucht nach einem Leben als Menschen haben. Die Abfaltersage, ebenso wie jene von der Entstehung der moorigen Ebene zählt zu den Ursprungs- bzw. Ätiologischen Sagen. Reiches Fortleben der Sagenmotive und -gestalten in populärer lokaler Ästhetik, darunter Notgeldscheine, Schnitzereien, Lüftlmalerei an Häusern sowie in Tourismusprogrammen und der »Airport-art« (Andenkenindustrie).  
  
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* W. Herzog: Die Untersbergsage. Nach den Handschriften untersucht. (= Veröff. d. histor. Seminars d. Univ. Graz 6) Graz 1929.  
 
* W. Herzog: Die Untersbergsage. Nach den Handschriften untersucht. (= Veröff. d. histor. Seminars d. Univ. Graz 6) Graz 1929.  

Version vom 6. August 2018, 14:15 Uhr

Untersbergsagen. Zwei Sagenkomplexe werden gemeinhin als U. bezeichnet: die eigentliche »Untersbergsage« vom schlafenden Kaiser (Kaiser Karl d. Gr., Friedrich Barbarossa u. a.) im Berg, der auf die Endzeitschlacht beim →Birnbaum auf dem Walserfeld wartet, so lange die Raben den Berg umkreisen. Sowie die »Sagen rund um den Untersberg«, die fallweise in die Kaisersage einfließen, aber anderen Sagenkomplexen zuzuordnen sind. Die »Untersbergsage« steht in vermuteter Abhängigkeit von der Kyffhäusersage (Beginn im 14. Jh.) in Deutschland. Älteste Salzburger Hs. zw. 1560 und 1582, 20 Hs. aus dem 18. Jh. erhalten. Politische Instrumentalisierung der Sage und des Berges während der NS-Zeit. Zur Untersbergsage gehört auch die Sage vom (dürren!) Birnbaum auf dem Walserfeld: sobald dieser Baum wieder grünt, wird der erwachte Kaiser seinen Schild an diesen Baum hängen und die Endzeitschlacht beginnen. Teile der Untersbergsage, oder auch deren Ausschmückung und Verbindung mit der Kyffhäusersage, tauchen in den Handschriften zur Sage von Dr. Pegius sowie von Lazarus Gitschner (hs ab 1523)im Untersberg auf. Dieser soll im Berg mit dem Hofstaat des Kaisers 100 Jahre gelebt und dort eine ideale katholische Welt erfahren haben; die Sagen sind daher auch katholisch-didaktischer Natur. Sagen von Zwergen und Bergmännlein sind ebenfalls mit dieser Sage über das Leben im Berg verquickt. Auch heute noch entstehen über angeblich verschwundene Bergwanderer und Schmuggler Sagen von im Berg verschwundenen Personen, als Formen der modernen »Stadtsage«  (R.W. Brednich); nicht nur vom Kaiser im Berg, sondern auch von UFO-Landungen ist darin gerne die Rede, denn der Untersberg wird von Esoterikern und Geomanten als ein ganz besonderer Kraftpunkt gesehen. Die »Sagen rund um den Untersberg« sind bereits im Brixener Volksbuch von 1782 erfasst und haben vielfach Wandlungen erfahren, ihre Elemente gleichen anderen alpinen Sagen. Zu nennen sind dämonologische Sagen, darunter die Sage von der →Wilden Jagd (Weiterleben ab 1943 bzw. 1947/49 als inszenierter und mit weiteren Sagen- und Perchtengestalten angereicherter Brauch am 2. Donnerstag im Dezember), vom gütigen Riesen Abfalter, von den Zwergen und Schätzen im Berg (u. a. der Holzmeistersage), von den wilden Frauen, die Sehnsucht nach einem Leben als Menschen haben. Die Abfaltersage, ebenso wie jene von der Entstehung der moorigen Ebene zählt zu den Ursprungs- bzw. Ätiologischen Sagen. Reiches Fortleben der Sagenmotive und -gestalten in populärer lokaler Ästhetik, darunter Notgeldscheine, Schnitzereien, Lüftlmalerei an Häusern sowie in Tourismusprogrammen und der »Airport-art« (Andenkenindustrie).

Literatur:

  • W. Herzog: Die Untersbergsage. Nach den Handschriften untersucht. (= Veröff. d. histor. Seminars d. Univ. Graz 6) Graz 1929.
  • Sagenhafter Untersberg. Die Untersbergsage in Entwicklung und Rezeption, mit Beiträgen von Y. Weber-Fleischer, K. Krenn, U. Kammerhofer, St. Fuchs (=SbzVK 5, hg. v. U. Kammerhofer), Salzburg 1992.
  • B. Hell, E. Wallnöfer, P.M. Kubelka: Untersberg. Geschichten, Grenzgänge, Gangsteige.Salbzurg 2012.
  • U. Höllhuber: Der Birnbaum auf dem Walserfeld. Wals-Siezenheim 2016, 10-52.

U.K.