Perchten: Unterschied zwischen den Versionen
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Hinter dem Namen P(B)ercht verbergen sich drei unterschiedliche Gestalten und Bräuche, denn nachweislich seit dem 17. Jh. wurde das Wort »P(B)erchte« als Synonym für Maske verwendet. 1) Seit dem frühen Mittelalter ist »Frau Berchte« (meist mit B geschrieben) archivarisch nachweisbar; sie tritt am Vorabend des Dreikönigstages (5. 1., kirchl. Hochfest Epiphanie, Erscheinung des Herrn, bis zum 4. Jh. einer der Termine für das Weihnachtsfest, in der Ostkirche bis heute) dem »P/Berchtenabend« auf. Darstellungen als vermummte Frau mit der langen Nase in mittelalterlichen Codices, häufig unter den Arbeiten der Mönche, in Sebastian Francks Weltbuch und als Beispiel der »Frau Sünde« in Schriften der Gegenreformation. Populär haben sich verschiedene Formen der weiblichen Bercht als Brauch und Sage erhalten: ihnen wird die Kontrolle über Haus und Hof zugewiesen, und sie gelten als die Führerinnen ungetauft verstorbener Kinder (ein Hinweis auf die katholische Fegefeuer-Lehre). D. R. Moser versteht die Bezeichnung »Bercht« (wie verwandte europäische Gestalten und Namen, z. B. ital. »Befana«) als Verballhornungen von Epiphanie und sieht darin frühe katechetische Gestalten. Verwandtschaft mit den »Luzeln« in ganz Zentral- sowie SO-Europa. Berchten erscheinen im Lungau (wie in Stmk., Ktn., Bgld.) paarweise, eine schwarz, eine weiß, in alte Fetzen gekleidet, das Gesicht vermummt. Sie kehren die Stuben und tragen eine Schere bei sich, um unsauberen Frauen den gefundenen Kehricht in den Bauch zu stopfen. Eine schwarzweiße Fellperchte aus Golling befindet sich in der →Kuenburg-Sammlung (18.Jh.). Die Rauriser »Schnabelperchten«, in bunte Altkleider gewandet, mit Buckelkorb, Schere und Besen, tragen schnabelartige Gesichtsmasken aus Holz und Tuch, die an mittelalterliche Pestmasken erinnern. Im Pinzgau betteln und drohen die (Piesendorfer) »Brotperchten«. Im Rauriser Tal bestanden 1909 noch »Perchtenkreuze« zu welchen Marie Andrée-Eysn dämonologische Sagen aufzeichnete. Verbote zwischen dem 17. und 19. Jh. zeigen, dass Maskenläufe auch Elemente der sozialen Kontrolle wie der Widerständigkeit aufwiesen. In Kriegs- und Krisenzeiten sowie zur Wahrung von Moral und Ordnung wurden Perchtenläufe häufig von der Obrigkeit verboten. Über die nächtlichen Umzüge der weiblichen Bercht existieren viele erzieherische "Dämonen"- wie "Frevel-Sagen". Das 19. Jh. und besonders die NS-Zeit machten Perchtenbräuche und Perchtensagen zum Thema völkischer Auslegung und Indoktrination. | Hinter dem Namen P(B)ercht verbergen sich drei unterschiedliche Gestalten und Bräuche, denn nachweislich seit dem 17. Jh. wurde das Wort »P(B)erchte« als Synonym für Maske verwendet. 1) Seit dem frühen Mittelalter ist »Frau Berchte« (meist mit B geschrieben) archivarisch nachweisbar; sie tritt am Vorabend des Dreikönigstages (5. 1., kirchl. Hochfest Epiphanie, Erscheinung des Herrn, bis zum 4. Jh. einer der Termine für das Weihnachtsfest, in der Ostkirche bis heute) dem »P/Berchtenabend« auf. Darstellungen als vermummte Frau mit der langen Nase in mittelalterlichen Codices, häufig unter den Arbeiten der Mönche, in Sebastian Francks Weltbuch und als Beispiel der »Frau Sünde« in Schriften der Gegenreformation. Populär haben sich verschiedene Formen der weiblichen Bercht als Brauch und Sage erhalten: ihnen wird die Kontrolle über Haus und Hof zugewiesen, und sie gelten als die Führerinnen ungetauft verstorbener Kinder (ein Hinweis auf die katholische Fegefeuer-Lehre). D. R. Moser versteht die Bezeichnung »Bercht« (wie verwandte europäische Gestalten und Namen, z. B. ital. »Befana«) als Verballhornungen von Epiphanie und sieht darin frühe katechetische Gestalten. Verwandtschaft mit den »Luzeln« in ganz Zentral- sowie SO-Europa. Berchten erscheinen im Lungau (wie in Stmk., Ktn., Bgld.) paarweise, eine schwarz, eine weiß, in alte Fetzen gekleidet, das Gesicht vermummt. Sie kehren die Stuben und tragen eine Schere bei sich, um unsauberen Frauen den gefundenen Kehricht in den Bauch zu stopfen. Eine schwarzweiße Fellperchte aus Golling befindet sich in der →Kuenburg-Sammlung (18.Jh.). Die Rauriser »Schnabelperchten«, in bunte Altkleider gewandet, mit Buckelkorb, Schere und Besen, tragen schnabelartige Gesichtsmasken aus Holz und Tuch, die an mittelalterliche Pestmasken erinnern. Im Pinzgau betteln und drohen die (Piesendorfer) »Brotperchten«. Im Rauriser Tal bestanden 1909 noch »Perchtenkreuze« zu welchen Marie Andrée-Eysn dämonologische Sagen aufzeichnete. Verbote zwischen dem 17. und 19. Jh. zeigen, dass Maskenläufe auch Elemente der sozialen Kontrolle wie der Widerständigkeit aufwiesen. In Kriegs- und Krisenzeiten sowie zur Wahrung von Moral und Ordnung wurden Perchtenläufe häufig von der Obrigkeit verboten. Über die nächtlichen Umzüge der weiblichen Bercht existieren viele erzieherische "Dämonen"- wie "Frevel-Sagen". Das 19. Jh. und besonders die NS-Zeit machten Perchtenbräuche und Perchtensagen zum Thema völkischer Auslegung und Indoktrination. | ||
− | 2) Die zweite Gruppe sind die »Schönperchten«, die heute zwischen Silvester und Aschermittwoch in geordneten Umzügen auftreten. In Gastein, Bischofshofen, Radstadt, St. Johann und Altenmarkt (Pongauer | + | 2) Die zweite Gruppe sind die »Schönperchten«, die heute zwischen Silvester und Aschermittwoch in geordneten Umzügen auftreten. In ihnen vereinen sich Weihnachtsbräuche mit solchen des Faschings. Ihre Figurenpaare und Masken lassen sich - als ländliche eigenständige Rezeption - vielfach mit den ritualisierten höfischen Faschingsfesten in Renaissance und Barock in Beziehung bringen. In Gastein, Bischofshofen, Radstadt, St. Johann und Altenmarkt (Pongauer »Tafel- oder Kappenperchten«, seit 1850 in dieser Form belegt, Kappen heute bis zu 2 m hoch) bestehen die P. aus zwölf Tafelperchten, zwei Tierperchten, Wild-, Jagd- und Fetzenperchten, jede mit einer Gesellin bzw. Nachtänzerin (von Männern verkörpert). Nach archivalischen Berichten stellen sie Umformungen und Umdeutungen einstiger Karnevalsgruppen dar, die starke Einflüsse aus dem italienischen Theater und Karneval, dem mittelalterlichen Predigttheater, dem Lehrtheater der Renaissance, vermischt mit alpenländischen Spielen, Sagen und Vorstellungen, aufweisen. Noch im frühen 19. Jh. bestanden solche als »Berchtenlauf« bezeichneten Volksspektakel aus theatralischen, grotesken und »fremden« Figurenpaaren, darunter: Schönperchten mit Larven, Flitter- und Spiegelmasken, »Schiache« und »Wilde« in Moos-, Werch-, Zapfen-, Fell-, Leder- und Holzmasken, Hexe bzw. »altes Weib«, Hanswurst, »Pater mit seiner Gretl«, Bauer und Sennerin, Jäger und Wilderer, Bär und Bärentreiber, »Arzt und Kropfeter«. Sie besuchen bis heute die Höfe, was als Segenswunsch verstanden wird. Sie tanzen, präsentieren sich und führen scherzhafte Spiele und »Hochzeiten« in Interaktion mit dem Publikum vor. Zu ihren Sonderformen zählen auch die »Sprungperchten« (Abb. in der Kuenburg-Sammlung), die Pinzgauer »Tresterer«, Unkener »Stelzentänzer« und Piesendorfer »Brotperchten«. Genaue Schilderungen geben uns Akten der Pflegschaftsgerichte bei Ahndung von Verstößen gegen die Verbote im 18. Jh. Vergleichbare Maskengruppen finden sich im ganzen europäischen Alpen- und Voralpengebiet mit kath. Katechese zur Zeit der Gegenreformation bzw. an den alten Saumhandelsstraßen zwischen Nord und Süd. |
− | Das jüngste Genre sind die »Krampusperchten«, männliche Teufelsgestalten, die zwischen dem 5. und 23. Dezember auftreten. Schafffelle, Ledergürtel mit einer Kuhglocke und große, mit Tierhörnern verzierte Holzmasken mit teuflischen oder animalischen Zügen sind ihr Kostüm. Mit Ketten und Peitschen bewaffnet rasseln die Perchten, schlagen wild um sich, sie tauchen unerwartet auf. Heute präsentiert sich dieser Brauch zwischen Traditionspflege und Kommerz, dazwischen liegen atavistische Sehnsüchte, Vergnügen der Jugendlichen, Publikumsbelustigung und touristisches Spektakel, getragen von Vereinen. Früher war das Auftreten der Krampusse an den hl. Nikolaus gebunden, die Masken überschritten kaum die natürliche Körpergröße, die Kostüme waren aus Stoff, Fell, Papier und Pappmaché. Einst waren die »Perchten« Teufel im kirchlichen Nikolausspiel, das sich auf den Dorfplatz und in die Häuser bewegte und dabei volkstümlicher wurde, besonders in der Gegenreformation. Ein schöner barocker Theaterteufel ist als »Brixentaler Teufel« (Tiroler Anteil der Diözese Salzburg) im Innsbrucker Volkskunstmuseum erhalten. Ab 1785 wurden Volksbräuche von kirchlicher und weltlicher Obrigkeit als Anlass für ungehörige Späße, Streitigkeiten und Unmoral verboten. Bereits im 17. Jh. bezeichnete der Ausdruck »B/Percht« jede Maske. Zwischen dem 17. Jh. und dem 19. Jh. langsame Übertragung des Namens und Vermischung der Formen. Zwischen nationaler Romantik und NS-Zeit Suche nach naturkultischen und germanischen Wurzeln, Umdeutungen, Veränderungen. K.→Brandauer bemühte sich um die Begründung von Perchtenpassen, Instrumentalisierung in der NS-Zeit. In Stadt und Land Salzburg existieren derzeit über 180 eingetragene Krampuspassen. | + | 3) Das jüngste Genre sind die »Krampusperchten«, männliche Teufelsgestalten, die zwischen dem 5. und 23. Dezember auftreten. Schafffelle, Ledergürtel mit einer Kuhglocke und große, mit Tierhörnern verzierte Holzmasken mit teuflischen oder animalischen Zügen sind ihr Kostüm. Mit Ketten und Peitschen bewaffnet rasseln die Perchten, schlagen wild um sich, sie tauchen unerwartet auf. Heute präsentiert sich dieser Brauch zwischen Traditionspflege und Kommerz, dazwischen liegen atavistische Sehnsüchte, Vergnügen der Jugendlichen, Publikumsbelustigung und touristisches Spektakel, getragen von Vereinen. Früher war das Auftreten der Krampusse an den hl. Nikolaus gebunden, die Masken überschritten kaum die natürliche Körpergröße, die Kostüme waren aus Stoff, Fell, Papier und Pappmaché. Einst waren die »Perchten« Teufel im kirchlichen Nikolausspiel, das sich auf den Dorfplatz und in die Häuser bewegte und dabei volkstümlicher wurde, besonders in der Gegenreformation. Ein schöner barocker Theaterteufel ist als »Brixentaler Teufel« (Tiroler Anteil der Diözese Salzburg) im Innsbrucker Volkskunstmuseum erhalten. Ab 1785 wurden Volksbräuche von kirchlicher und weltlicher Obrigkeit als Anlass für ungehörige Späße, Streitigkeiten und Unmoral verboten. Bereits im 17. Jh. bezeichnete der Ausdruck »B/Percht« jede Maske. Zwischen dem 17. Jh. und dem 19. Jh. langsame Übertragung des Namens und Vermischung der Formen. Zwischen nationaler Romantik und NS-Zeit Suche nach naturkultischen und germanischen Wurzeln, Umdeutungen, Veränderungen. K.→Brandauer bemühte sich um die Begründung von Perchtenpassen, Instrumentalisierung in der NS-Zeit. In Stadt und Land Salzburg existieren derzeit über 180 eingetragene Krampuspassen. |
Literatur: | Literatur: | ||
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* H. Schuhladen: Zur Geschichte der Berchtenbräuche im Berchtesgadener Land, in Tirol und Salzburg vom 16. bis zum 19. Jh. In: Bayer. Jb. f. VK, 1983/84, S. 1-29. | * H. Schuhladen: Zur Geschichte der Berchtenbräuche im Berchtesgadener Land, in Tirol und Salzburg vom 16. bis zum 19. Jh. In: Bayer. Jb. f. VK, 1983/84, S. 1-29. | ||
* D. R. Moser: Bräuche und Feste im christlichen Jahreslauf. Brauchformen der Gegenwart in kulturgeschichtlichen Zusammenhängen, Graz 1983. | * D. R. Moser: Bräuche und Feste im christlichen Jahreslauf. Brauchformen der Gegenwart in kulturgeschichtlichen Zusammenhängen, Graz 1983. | ||
+ | * U. Kammerhofer-Aggermann / G. Dohle: Maskenverbote im 17. und 18. Jahrhundert. In: Bräuche im Salzburger Land. Zeitgeist – Lebenskonzepte – Rituale – Trends – Alternativen. Hrsg.: L. Luidold / U. Kammerhofer-Aggermann, CD-ROM 1, Im Winter und zur Weihnachtszeit (= Salzburger Beiträge zur Volkskunde 13) Salzburg 2002, 20 Seiten. | ||
+ | * U. Kammerhofer-Aggermann: Masken im Lande Salzburg – Ein Überblick über einige Schwerpunkte einer Kooperation | ||
+ | In: H. L. Cox / D.-M. Haverkamp (Red.): Kleidung oder Verkleidung – Brauch oder Tradition? (= Rhein. Jahrbuch f. Volkskunde, 36). Bonn 2006, S. 155–183. | ||
+ | * U. Kammerhofer-Aggermann: Salzburger Karneval unter Erzbischof Markus Sittikus - ein Gesamtkunstwerk. In: Mitteilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde 154/155, 2015, 241-278. | ||
U.K. | U.K. |
Version vom 7. Juni 2017, 16:05 Uhr
Perchten.
Hinter dem Namen P(B)ercht verbergen sich drei unterschiedliche Gestalten und Bräuche, denn nachweislich seit dem 17. Jh. wurde das Wort »P(B)erchte« als Synonym für Maske verwendet. 1) Seit dem frühen Mittelalter ist »Frau Berchte« (meist mit B geschrieben) archivarisch nachweisbar; sie tritt am Vorabend des Dreikönigstages (5. 1., kirchl. Hochfest Epiphanie, Erscheinung des Herrn, bis zum 4. Jh. einer der Termine für das Weihnachtsfest, in der Ostkirche bis heute) dem »P/Berchtenabend« auf. Darstellungen als vermummte Frau mit der langen Nase in mittelalterlichen Codices, häufig unter den Arbeiten der Mönche, in Sebastian Francks Weltbuch und als Beispiel der »Frau Sünde« in Schriften der Gegenreformation. Populär haben sich verschiedene Formen der weiblichen Bercht als Brauch und Sage erhalten: ihnen wird die Kontrolle über Haus und Hof zugewiesen, und sie gelten als die Führerinnen ungetauft verstorbener Kinder (ein Hinweis auf die katholische Fegefeuer-Lehre). D. R. Moser versteht die Bezeichnung »Bercht« (wie verwandte europäische Gestalten und Namen, z. B. ital. »Befana«) als Verballhornungen von Epiphanie und sieht darin frühe katechetische Gestalten. Verwandtschaft mit den »Luzeln« in ganz Zentral- sowie SO-Europa. Berchten erscheinen im Lungau (wie in Stmk., Ktn., Bgld.) paarweise, eine schwarz, eine weiß, in alte Fetzen gekleidet, das Gesicht vermummt. Sie kehren die Stuben und tragen eine Schere bei sich, um unsauberen Frauen den gefundenen Kehricht in den Bauch zu stopfen. Eine schwarzweiße Fellperchte aus Golling befindet sich in der →Kuenburg-Sammlung (18.Jh.). Die Rauriser »Schnabelperchten«, in bunte Altkleider gewandet, mit Buckelkorb, Schere und Besen, tragen schnabelartige Gesichtsmasken aus Holz und Tuch, die an mittelalterliche Pestmasken erinnern. Im Pinzgau betteln und drohen die (Piesendorfer) »Brotperchten«. Im Rauriser Tal bestanden 1909 noch »Perchtenkreuze« zu welchen Marie Andrée-Eysn dämonologische Sagen aufzeichnete. Verbote zwischen dem 17. und 19. Jh. zeigen, dass Maskenläufe auch Elemente der sozialen Kontrolle wie der Widerständigkeit aufwiesen. In Kriegs- und Krisenzeiten sowie zur Wahrung von Moral und Ordnung wurden Perchtenläufe häufig von der Obrigkeit verboten. Über die nächtlichen Umzüge der weiblichen Bercht existieren viele erzieherische "Dämonen"- wie "Frevel-Sagen". Das 19. Jh. und besonders die NS-Zeit machten Perchtenbräuche und Perchtensagen zum Thema völkischer Auslegung und Indoktrination.
2) Die zweite Gruppe sind die »Schönperchten«, die heute zwischen Silvester und Aschermittwoch in geordneten Umzügen auftreten. In ihnen vereinen sich Weihnachtsbräuche mit solchen des Faschings. Ihre Figurenpaare und Masken lassen sich - als ländliche eigenständige Rezeption - vielfach mit den ritualisierten höfischen Faschingsfesten in Renaissance und Barock in Beziehung bringen. In Gastein, Bischofshofen, Radstadt, St. Johann und Altenmarkt (Pongauer »Tafel- oder Kappenperchten«, seit 1850 in dieser Form belegt, Kappen heute bis zu 2 m hoch) bestehen die P. aus zwölf Tafelperchten, zwei Tierperchten, Wild-, Jagd- und Fetzenperchten, jede mit einer Gesellin bzw. Nachtänzerin (von Männern verkörpert). Nach archivalischen Berichten stellen sie Umformungen und Umdeutungen einstiger Karnevalsgruppen dar, die starke Einflüsse aus dem italienischen Theater und Karneval, dem mittelalterlichen Predigttheater, dem Lehrtheater der Renaissance, vermischt mit alpenländischen Spielen, Sagen und Vorstellungen, aufweisen. Noch im frühen 19. Jh. bestanden solche als »Berchtenlauf« bezeichneten Volksspektakel aus theatralischen, grotesken und »fremden« Figurenpaaren, darunter: Schönperchten mit Larven, Flitter- und Spiegelmasken, »Schiache« und »Wilde« in Moos-, Werch-, Zapfen-, Fell-, Leder- und Holzmasken, Hexe bzw. »altes Weib«, Hanswurst, »Pater mit seiner Gretl«, Bauer und Sennerin, Jäger und Wilderer, Bär und Bärentreiber, »Arzt und Kropfeter«. Sie besuchen bis heute die Höfe, was als Segenswunsch verstanden wird. Sie tanzen, präsentieren sich und führen scherzhafte Spiele und »Hochzeiten« in Interaktion mit dem Publikum vor. Zu ihren Sonderformen zählen auch die »Sprungperchten« (Abb. in der Kuenburg-Sammlung), die Pinzgauer »Tresterer«, Unkener »Stelzentänzer« und Piesendorfer »Brotperchten«. Genaue Schilderungen geben uns Akten der Pflegschaftsgerichte bei Ahndung von Verstößen gegen die Verbote im 18. Jh. Vergleichbare Maskengruppen finden sich im ganzen europäischen Alpen- und Voralpengebiet mit kath. Katechese zur Zeit der Gegenreformation bzw. an den alten Saumhandelsstraßen zwischen Nord und Süd.
3) Das jüngste Genre sind die »Krampusperchten«, männliche Teufelsgestalten, die zwischen dem 5. und 23. Dezember auftreten. Schafffelle, Ledergürtel mit einer Kuhglocke und große, mit Tierhörnern verzierte Holzmasken mit teuflischen oder animalischen Zügen sind ihr Kostüm. Mit Ketten und Peitschen bewaffnet rasseln die Perchten, schlagen wild um sich, sie tauchen unerwartet auf. Heute präsentiert sich dieser Brauch zwischen Traditionspflege und Kommerz, dazwischen liegen atavistische Sehnsüchte, Vergnügen der Jugendlichen, Publikumsbelustigung und touristisches Spektakel, getragen von Vereinen. Früher war das Auftreten der Krampusse an den hl. Nikolaus gebunden, die Masken überschritten kaum die natürliche Körpergröße, die Kostüme waren aus Stoff, Fell, Papier und Pappmaché. Einst waren die »Perchten« Teufel im kirchlichen Nikolausspiel, das sich auf den Dorfplatz und in die Häuser bewegte und dabei volkstümlicher wurde, besonders in der Gegenreformation. Ein schöner barocker Theaterteufel ist als »Brixentaler Teufel« (Tiroler Anteil der Diözese Salzburg) im Innsbrucker Volkskunstmuseum erhalten. Ab 1785 wurden Volksbräuche von kirchlicher und weltlicher Obrigkeit als Anlass für ungehörige Späße, Streitigkeiten und Unmoral verboten. Bereits im 17. Jh. bezeichnete der Ausdruck »B/Percht« jede Maske. Zwischen dem 17. Jh. und dem 19. Jh. langsame Übertragung des Namens und Vermischung der Formen. Zwischen nationaler Romantik und NS-Zeit Suche nach naturkultischen und germanischen Wurzeln, Umdeutungen, Veränderungen. K.→Brandauer bemühte sich um die Begründung von Perchtenpassen, Instrumentalisierung in der NS-Zeit. In Stadt und Land Salzburg existieren derzeit über 180 eingetragene Krampuspassen.
Literatur:
- H. Schuhladen: Zur Geschichte der Berchtenbräuche im Berchtesgadener Land, in Tirol und Salzburg vom 16. bis zum 19. Jh. In: Bayer. Jb. f. VK, 1983/84, S. 1-29.
- D. R. Moser: Bräuche und Feste im christlichen Jahreslauf. Brauchformen der Gegenwart in kulturgeschichtlichen Zusammenhängen, Graz 1983.
- U. Kammerhofer-Aggermann / G. Dohle: Maskenverbote im 17. und 18. Jahrhundert. In: Bräuche im Salzburger Land. Zeitgeist – Lebenskonzepte – Rituale – Trends – Alternativen. Hrsg.: L. Luidold / U. Kammerhofer-Aggermann, CD-ROM 1, Im Winter und zur Weihnachtszeit (= Salzburger Beiträge zur Volkskunde 13) Salzburg 2002, 20 Seiten.
- U. Kammerhofer-Aggermann: Masken im Lande Salzburg – Ein Überblick über einige Schwerpunkte einer Kooperation
In: H. L. Cox / D.-M. Haverkamp (Red.): Kleidung oder Verkleidung – Brauch oder Tradition? (= Rhein. Jahrbuch f. Volkskunde, 36). Bonn 2006, S. 155–183.
- U. Kammerhofer-Aggermann: Salzburger Karneval unter Erzbischof Markus Sittikus - ein Gesamtkunstwerk. In: Mitteilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde 154/155, 2015, 241-278.
U.K.