Jugendkulturen: Unterschied zwischen den Versionen

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'''Jugend heute - Jugendforschung'''
 
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Die Definition dessen, was „Jugend“ gegenwärtig ist, kann vielfältig ausfallen. Sichtweisen einzelner Disziplinen decken, so Barbic et al. 2015 nur Teilaspekte ab. Viel eher ist heute von mehreren, parallel laufenden "Jugenden" auszugehen, die jeweils von unterschiedlichen Einflusssphären geprägt werden. So ist Jugend in der westlichen Moderne einerseits als Übergangszeit zwischen Kind- und Erwachsensein (Sichtbarkeit von biologischen Reifekriterien, Initiationsrituale) zu sehen, wobei keine strikten Altersgrenzen für den Beginn des Erwachsenenalters existieren. Eine soziale Schwelle hin zum Erwachsensein, die sich aus den Elementen Aufnahme von (zumindest Teilzeit)- Berufstätigkeit, Gründung eines Hausstandes, evtl. Gründung einer Familie und evtl. Hochzeit zusammensetzt, schiebt sich seit den 1960er-Jahren immer mehr ins dritte Lebensjahrzehnt (sofern sie nicht durch Narrative wie „lebenslanges Lernen“ aufgeweicht wird) und somit dehnt sich die „soziale“ Jugendphase aus. Begriffe wie "Junge Erwachsene" zeigen, dass sich eindeutige Grenzziehungen auflösen, Jugend entgrenzt und entstrukturiert wird. Jugend heute ist "fragmentiert, ungleichzeitig, wenig(er) planbar, widersprüchlich und partiell umkehrbar geworden […]". Jugendforschung in Österreich passiert, so eine Diagnose von Salzburger Jugendforscherinnen und -forschern 2015, relativ unkoordiniert und zersplittert und könnte bei entsprechender Ressourcenausstattung und Bündelung schlagkräftiger sein und ihr Potenzial besser ausschöpfen. Sie könnte dann "gute Jugendforschung" werden, wenn sie die Aspekte von Teilhabe Jugendlicher an der Gesellschaft stärker in den Fokus rückte und Jugend stärker als "Seismograph" von gesellschaftlichen Entwicklungen und Veränderungen betrachtet. "Individuelle, soziale und gesellschaftliche Verantwortungszuweisungen" für Probleme und Bewältigungsmuster von und in „Jugend“ lassen sich so besser begründen. Neben den Jugendforscherinnen und -forschern am Institut für Erziehungswissenschaften und am Institut für Kommunikationswissenschaften der Universität Salzburg ist das Institut für Jugendkulturfoschung in Wien ein bekanntes österreichisches Jugendforschungsinstitut. Jugendforschung kann einerseits klassisch „top-down“ ohne Beteiligung der Beforschten erfolgen, andererseits auch partizipativ ,wie in verschiedenen, durch das Netzwerk „Citizen Science“ geförderten, oder mehreren „Sparkling-Science“-Forschungsprojekten im Schwerpunkt " Wissenschaft und Kunst" (Forschungsplattform der Universitäten Mozarteum und Paris-Lodron), mit Salzburger Schulen.
 
Die Definition dessen, was „Jugend“ gegenwärtig ist, kann vielfältig ausfallen. Sichtweisen einzelner Disziplinen decken, so Barbic et al. 2015 nur Teilaspekte ab. Viel eher ist heute von mehreren, parallel laufenden "Jugenden" auszugehen, die jeweils von unterschiedlichen Einflusssphären geprägt werden. So ist Jugend in der westlichen Moderne einerseits als Übergangszeit zwischen Kind- und Erwachsensein (Sichtbarkeit von biologischen Reifekriterien, Initiationsrituale) zu sehen, wobei keine strikten Altersgrenzen für den Beginn des Erwachsenenalters existieren. Eine soziale Schwelle hin zum Erwachsensein, die sich aus den Elementen Aufnahme von (zumindest Teilzeit)- Berufstätigkeit, Gründung eines Hausstandes, evtl. Gründung einer Familie und evtl. Hochzeit zusammensetzt, schiebt sich seit den 1960er-Jahren immer mehr ins dritte Lebensjahrzehnt (sofern sie nicht durch Narrative wie „lebenslanges Lernen“ aufgeweicht wird) und somit dehnt sich die „soziale“ Jugendphase aus. Begriffe wie "Junge Erwachsene" zeigen, dass sich eindeutige Grenzziehungen auflösen, Jugend entgrenzt und entstrukturiert wird. Jugend heute ist "fragmentiert, ungleichzeitig, wenig(er) planbar, widersprüchlich und partiell umkehrbar geworden […]". Jugendforschung in Österreich passiert, so eine Diagnose von Salzburger Jugendforscherinnen und -forschern 2015, relativ unkoordiniert und zersplittert und könnte bei entsprechender Ressourcenausstattung und Bündelung schlagkräftiger sein und ihr Potenzial besser ausschöpfen. Sie könnte dann "gute Jugendforschung" werden, wenn sie die Aspekte von Teilhabe Jugendlicher an der Gesellschaft stärker in den Fokus rückte und Jugend stärker als "Seismograph" von gesellschaftlichen Entwicklungen und Veränderungen betrachtet. "Individuelle, soziale und gesellschaftliche Verantwortungszuweisungen" für Probleme und Bewältigungsmuster von und in „Jugend“ lassen sich so besser begründen. Neben den Jugendforscherinnen und -forschern am Institut für Erziehungswissenschaften und am Institut für Kommunikationswissenschaften der Universität Salzburg ist das Institut für Jugendkulturfoschung in Wien ein bekanntes österreichisches Jugendforschungsinstitut. Jugendforschung kann einerseits klassisch „top-down“ ohne Beteiligung der Beforschten erfolgen, andererseits auch partizipativ ,wie in verschiedenen, durch das Netzwerk „Citizen Science“ geförderten, oder mehreren „Sparkling-Science“-Forschungsprojekten im Schwerpunkt " Wissenschaft und Kunst" (Forschungsplattform der Universitäten Mozarteum und Paris-Lodron), mit Salzburger Schulen.
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'''Wodurch zeichnen sich Jugendkulturen aus?'''
 
'''Wodurch zeichnen sich Jugendkulturen aus?'''
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Das Leben Jugendlicher heute spielt sich großteils in „Szenen” ab. Großmann/Heinzlmaier bezeichnen Jugendszenen als "heiße" gesellschaftliche Zonen, die ständig in Bewegung, auf der Suche, in Entwicklung sind, sich an der Bruchkante zwischen Alten und Neuem in einer Gesellschaft ereignen. Hitzler/Niederbacher bezeichnen Szenen als "lockeres Netzwerk", indem sich unbestimmt viele Personen oder Personengruppen vergemeinschaften. Eine Szene ist eine "globale Mikrokultur", die zwar lokale Ausprägungen aufweist, ist aber prinzipiell weltumspannend aufgestellt. Es gibt keine formalen Mitgliedschaften, man/frau sucht sich eine Szene aus, Ein- und Austritt geschehen formlos. Trotzdem lässt sich innerhalb der Szenen eine gewisse Hierarchie bezüglich der Intensität der Szene-Beteiligung erkennen. Im Zentrum stehen die eine Szene weiterentwickelnden und prägenden Organisationshierarchien, um diese ihre Freunde, während die eher randständigen Szenegänger der Szene angehören, aber jederzeit zu einer anderen abwandern können. Eine Eigenschaft von Jugendkulturen oder -szenen ist ihre Funktion als Gegenkulturen. Gegen dominierende Erwachsenenkulturen und gegen gesellschaftliche Mainstream-Tendenzen. Im Jugendkultur-Guide beschreiben Großegger/Heinzlmaier Musikszenen, Funsport-Szenen, den digitalen Szenenbereich sowie jugendliche Subkulturen. Funsport-Szenen wären Skater/Skateboarder, Beach-Volleyballer, Snowboarder oder Anhänger des Parkour (kreative Überwindung von Hindernissen in der Stadt). Musikszenen sind z.B. Hip-Hop, Hardcore, Black Metal, Indie oder Techno. Digitale Szenen sind z.B. LAN-Gamer (Computerspiele) oder Warez (Software-Piraterie im Internet). Als Subkulturen lassen sich z.B. Skinheads, Punks oder Fans des Gothic („schwarzer“, abenteuerlich-romantischer Lebensstil) interpretieren.  
 
Das Leben Jugendlicher heute spielt sich großteils in „Szenen” ab. Großmann/Heinzlmaier bezeichnen Jugendszenen als "heiße" gesellschaftliche Zonen, die ständig in Bewegung, auf der Suche, in Entwicklung sind, sich an der Bruchkante zwischen Alten und Neuem in einer Gesellschaft ereignen. Hitzler/Niederbacher bezeichnen Szenen als "lockeres Netzwerk", indem sich unbestimmt viele Personen oder Personengruppen vergemeinschaften. Eine Szene ist eine "globale Mikrokultur", die zwar lokale Ausprägungen aufweist, ist aber prinzipiell weltumspannend aufgestellt. Es gibt keine formalen Mitgliedschaften, man/frau sucht sich eine Szene aus, Ein- und Austritt geschehen formlos. Trotzdem lässt sich innerhalb der Szenen eine gewisse Hierarchie bezüglich der Intensität der Szene-Beteiligung erkennen. Im Zentrum stehen die eine Szene weiterentwickelnden und prägenden Organisationshierarchien, um diese ihre Freunde, während die eher randständigen Szenegänger der Szene angehören, aber jederzeit zu einer anderen abwandern können. Eine Eigenschaft von Jugendkulturen oder -szenen ist ihre Funktion als Gegenkulturen. Gegen dominierende Erwachsenenkulturen und gegen gesellschaftliche Mainstream-Tendenzen. Im Jugendkultur-Guide beschreiben Großegger/Heinzlmaier Musikszenen, Funsport-Szenen, den digitalen Szenenbereich sowie jugendliche Subkulturen. Funsport-Szenen wären Skater/Skateboarder, Beach-Volleyballer, Snowboarder oder Anhänger des Parkour (kreative Überwindung von Hindernissen in der Stadt). Musikszenen sind z.B. Hip-Hop, Hardcore, Black Metal, Indie oder Techno. Digitale Szenen sind z.B. LAN-Gamer (Computerspiele) oder Warez (Software-Piraterie im Internet). Als Subkulturen lassen sich z.B. Skinheads, Punks oder Fans des Gothic („schwarzer“, abenteuerlich-romantischer Lebensstil) interpretieren.  
 
Institutionelle Jugendarbeit und -förderung „Jeder junge Mensch hat ein Recht auf den Schutz seines Lebens, die Sicherung seiner körperlichen und seelischen Gesundheit, die Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit und auf Förderung der Entwicklung seiner körperlichen, seelischen und geistigen Kräfte“, so der 1. Absatz im §1 des Salzburger Jugendgesetzes 1998. Innerhalb der Salzburger Landesverwaltung kümmert sich das Referat Jugend, Generationen, Integration um Jugendagenden. Darunter fallen die Förderung von Jugendorganisationen, Jugendzentren und -projekten das Büro für Mädchenförderung makeit, die juristische Jugendberatung sowie der Landesjugendbeirat. Der Landesjugendbeirat berät laut Salzburger Jugendgesetz die Landesregierung in „grundsätzlichen Angelegenheiten junger Menschen“. Das Büro für Mädchenförderung beteiligt sich, gemeinsam mit vielen anderen Organisationen aus dem Beratungs- und Sozialbereich, an der Arbeitsgemeinschaft gegen Zwangsverheiratung sowie der Salzburger Watchgroup gegen sexistische Werbung. In der Stadt Salzburg veranstaltet und koordiniert die Jugendbeauftragte diverse Jugendprojekte wie das mobile Jugendförderprojekt "Streusalz" des Vereins Spektrum (Stadtteilarbeit), die Gestaltung von Freizeitflächen und Graffitiwänden, oder einer sommerlichen DJ-Lounge im Freien. Mobile Jugendberatung, u.a. mit einem Jugendcafé leisten die MitarbeiterInnen von bivak.mobil in Salzburg, die als SozialarbeiterInnen alle Mitarbeiter des Stadtjugendamtes sind. Alle Jugendzentren, Jugendtreffs, mobile Beratungsangebote, Skateranlagen sowie Beachvolleyballplätze in der EuRegio Salzburg–Berchtesgadener Land–Traunstein befinden sich samt Übersichtskarte auf der Homepage EuRegio-Juzi gelistet. Auf der Jugendinfo-Homepage des Vereins "Akzente" sind alle Jugendorganisationen der politischen Parteien Salzburgs sowie jener Jugendorganisationen mit einem gemeinnützigen Schwerpunkt zu finden. Auch die Sozialpartner (Wirtschaftskammer, Bundesarbeitskammer, Gewerkschaftsbund, Landwirtschaftskammer) haben eigene Jugendsektionen und Jugendprojekte zu den jeweiligen Kernthemen wie Praktika/Bildungs-/Berufsberatung, geschlechtsspezifische Unterstützung in Lehre und Beruf, Vertrauenspersonen im Betrieb, Zweiter Bildungsweg, Weiterqualifizierung, Unterstützung in Konflikten, Beihilfen oder Freizeitangeboten. In rechtlichen Angelegenheiten Jugendlicher kümmert sich die Kinder- und Jugendanwaltschaft Salzburg, kija. Viele →Sportvereine in Salzburg betreiben eine zunehmend professionalisierte Jugendarbeit.
 
Institutionelle Jugendarbeit und -förderung „Jeder junge Mensch hat ein Recht auf den Schutz seines Lebens, die Sicherung seiner körperlichen und seelischen Gesundheit, die Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit und auf Förderung der Entwicklung seiner körperlichen, seelischen und geistigen Kräfte“, so der 1. Absatz im §1 des Salzburger Jugendgesetzes 1998. Innerhalb der Salzburger Landesverwaltung kümmert sich das Referat Jugend, Generationen, Integration um Jugendagenden. Darunter fallen die Förderung von Jugendorganisationen, Jugendzentren und -projekten das Büro für Mädchenförderung makeit, die juristische Jugendberatung sowie der Landesjugendbeirat. Der Landesjugendbeirat berät laut Salzburger Jugendgesetz die Landesregierung in „grundsätzlichen Angelegenheiten junger Menschen“. Das Büro für Mädchenförderung beteiligt sich, gemeinsam mit vielen anderen Organisationen aus dem Beratungs- und Sozialbereich, an der Arbeitsgemeinschaft gegen Zwangsverheiratung sowie der Salzburger Watchgroup gegen sexistische Werbung. In der Stadt Salzburg veranstaltet und koordiniert die Jugendbeauftragte diverse Jugendprojekte wie das mobile Jugendförderprojekt "Streusalz" des Vereins Spektrum (Stadtteilarbeit), die Gestaltung von Freizeitflächen und Graffitiwänden, oder einer sommerlichen DJ-Lounge im Freien. Mobile Jugendberatung, u.a. mit einem Jugendcafé leisten die MitarbeiterInnen von bivak.mobil in Salzburg, die als SozialarbeiterInnen alle Mitarbeiter des Stadtjugendamtes sind. Alle Jugendzentren, Jugendtreffs, mobile Beratungsangebote, Skateranlagen sowie Beachvolleyballplätze in der EuRegio Salzburg–Berchtesgadener Land–Traunstein befinden sich samt Übersichtskarte auf der Homepage EuRegio-Juzi gelistet. Auf der Jugendinfo-Homepage des Vereins "Akzente" sind alle Jugendorganisationen der politischen Parteien Salzburgs sowie jener Jugendorganisationen mit einem gemeinnützigen Schwerpunkt zu finden. Auch die Sozialpartner (Wirtschaftskammer, Bundesarbeitskammer, Gewerkschaftsbund, Landwirtschaftskammer) haben eigene Jugendsektionen und Jugendprojekte zu den jeweiligen Kernthemen wie Praktika/Bildungs-/Berufsberatung, geschlechtsspezifische Unterstützung in Lehre und Beruf, Vertrauenspersonen im Betrieb, Zweiter Bildungsweg, Weiterqualifizierung, Unterstützung in Konflikten, Beihilfen oder Freizeitangeboten. In rechtlichen Angelegenheiten Jugendlicher kümmert sich die Kinder- und Jugendanwaltschaft Salzburg, kija. Viele →Sportvereine in Salzburg betreiben eine zunehmend professionalisierte Jugendarbeit.
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'''Ungleichzeitigkeiten und Einflüsse'''
 
'''Ungleichzeitigkeiten und Einflüsse'''
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Die erste Jugendstudie in Österreich führte das Fessel-Institut 1955 durch. Seither wird dieses Feld Jahr für Jahr professioneller bearbeitet. Für die Erfindung neuer und die Fortentwicklung bestehender Jugend-„Szenen“ sind (groß)städtische Umfelder von Bedeutung. In den ländlichen Regionen Salzburgs wirken neben den Szenen auch traditionelle Sozialisationsinstanzen wie kirchliche, gemeinnützige sowie politische Jugendorganisationen oder Einsatzorganisationen wie Feuerwehr, oder (Berg)-Rettung. Jugendliche heute spiegeln auch Werte der Mainstream-Gesellschaft, in der sie aufwachsen, wider. Sie sind den Anforderungen einer spätkapitalistischen Leistungsgesellschaft mit ihren materiellen Versprechen genauso ausgesetzt, wie den Verlockungen der Event- und Erlebnisgesellschaft und ihrer Glückssuche über das Erlebnis, so Bernhard Heinzlmaier. Auch den Auswirkungen neoliberaler Politik (Spar-Narrative; Privatisierungen; Deregulierungen) mit den Anforderungen an ein „unternehmerisches Selbst“ sowie die Individualisierungsanforderungen können sich Jugendliche nicht entziehen. In einem Vortrag 2015 in Salzburg konnte Jugendforscher Heinzlmaier zeigen, dass sich die Gehirne der „digital-natives“ tatsächlich anders entwickelten, als die der Generationen davor, dass es für Jugendliche zunehmend schwierig ist, eine „deep-attention“ (Katherine Hayles) zu erreichen, sie aber dafür eine multi-tasking-geschulte „hyper-attention“ verfügen, eine anders geartete Aufmerksamkeit, die durch schnellen Wechsel und die Konsumation mehrerer Informationsströme entgegen der Konzentration auf eine Informationsquelle geprägt ist. Dabei wird ein Maximum an sinnlicher Stimulation und ein Minimum an Langeweile gesucht. Zwei Jugend-Milieus, die sich aus diesen Einflüssen gleichzeitig entwickeln können, sind z.B. der/die „digitale IndividualistIn“ (ca. 20% der gegenwärtigen Jugendlichen; offen für Neues, wenig Bindungsbedürfnis, flexibel, unverbindlich) sowie der/die „Postmaterielle“ (Ethik, alternative Werte, bewusstes Leben, Engagement für Andere). Insgesamt konnte die SINUS-Jugendstudie 2016 neben den genannten vier weiteren Milieus, „Performer“, „Adaptiv-Pragmatische“ (umfassen jetzt mit den Digitalen IndividualistInnen schon ca. 40% und werden bis 2020 um weitere 20% steigen), „Konservative“ sowie „HedonistInnen“.  
 
Die erste Jugendstudie in Österreich führte das Fessel-Institut 1955 durch. Seither wird dieses Feld Jahr für Jahr professioneller bearbeitet. Für die Erfindung neuer und die Fortentwicklung bestehender Jugend-„Szenen“ sind (groß)städtische Umfelder von Bedeutung. In den ländlichen Regionen Salzburgs wirken neben den Szenen auch traditionelle Sozialisationsinstanzen wie kirchliche, gemeinnützige sowie politische Jugendorganisationen oder Einsatzorganisationen wie Feuerwehr, oder (Berg)-Rettung. Jugendliche heute spiegeln auch Werte der Mainstream-Gesellschaft, in der sie aufwachsen, wider. Sie sind den Anforderungen einer spätkapitalistischen Leistungsgesellschaft mit ihren materiellen Versprechen genauso ausgesetzt, wie den Verlockungen der Event- und Erlebnisgesellschaft und ihrer Glückssuche über das Erlebnis, so Bernhard Heinzlmaier. Auch den Auswirkungen neoliberaler Politik (Spar-Narrative; Privatisierungen; Deregulierungen) mit den Anforderungen an ein „unternehmerisches Selbst“ sowie die Individualisierungsanforderungen können sich Jugendliche nicht entziehen. In einem Vortrag 2015 in Salzburg konnte Jugendforscher Heinzlmaier zeigen, dass sich die Gehirne der „digital-natives“ tatsächlich anders entwickelten, als die der Generationen davor, dass es für Jugendliche zunehmend schwierig ist, eine „deep-attention“ (Katherine Hayles) zu erreichen, sie aber dafür eine multi-tasking-geschulte „hyper-attention“ verfügen, eine anders geartete Aufmerksamkeit, die durch schnellen Wechsel und die Konsumation mehrerer Informationsströme entgegen der Konzentration auf eine Informationsquelle geprägt ist. Dabei wird ein Maximum an sinnlicher Stimulation und ein Minimum an Langeweile gesucht. Zwei Jugend-Milieus, die sich aus diesen Einflüssen gleichzeitig entwickeln können, sind z.B. der/die „digitale IndividualistIn“ (ca. 20% der gegenwärtigen Jugendlichen; offen für Neues, wenig Bindungsbedürfnis, flexibel, unverbindlich) sowie der/die „Postmaterielle“ (Ethik, alternative Werte, bewusstes Leben, Engagement für Andere). Insgesamt konnte die SINUS-Jugendstudie 2016 neben den genannten vier weiteren Milieus, „Performer“, „Adaptiv-Pragmatische“ (umfassen jetzt mit den Digitalen IndividualistInnen schon ca. 40% und werden bis 2020 um weitere 20% steigen), „Konservative“ sowie „HedonistInnen“.  
  

Version vom 5. März 2018, 23:38 Uhr

Jugend heute - Jugendforschung Die Definition dessen, was „Jugend“ gegenwärtig ist, kann vielfältig ausfallen. Sichtweisen einzelner Disziplinen decken, so Barbic et al. 2015 nur Teilaspekte ab. Viel eher ist heute von mehreren, parallel laufenden "Jugenden" auszugehen, die jeweils von unterschiedlichen Einflusssphären geprägt werden. So ist Jugend in der westlichen Moderne einerseits als Übergangszeit zwischen Kind- und Erwachsensein (Sichtbarkeit von biologischen Reifekriterien, Initiationsrituale) zu sehen, wobei keine strikten Altersgrenzen für den Beginn des Erwachsenenalters existieren. Eine soziale Schwelle hin zum Erwachsensein, die sich aus den Elementen Aufnahme von (zumindest Teilzeit)- Berufstätigkeit, Gründung eines Hausstandes, evtl. Gründung einer Familie und evtl. Hochzeit zusammensetzt, schiebt sich seit den 1960er-Jahren immer mehr ins dritte Lebensjahrzehnt (sofern sie nicht durch Narrative wie „lebenslanges Lernen“ aufgeweicht wird) und somit dehnt sich die „soziale“ Jugendphase aus. Begriffe wie "Junge Erwachsene" zeigen, dass sich eindeutige Grenzziehungen auflösen, Jugend entgrenzt und entstrukturiert wird. Jugend heute ist "fragmentiert, ungleichzeitig, wenig(er) planbar, widersprüchlich und partiell umkehrbar geworden […]". Jugendforschung in Österreich passiert, so eine Diagnose von Salzburger Jugendforscherinnen und -forschern 2015, relativ unkoordiniert und zersplittert und könnte bei entsprechender Ressourcenausstattung und Bündelung schlagkräftiger sein und ihr Potenzial besser ausschöpfen. Sie könnte dann "gute Jugendforschung" werden, wenn sie die Aspekte von Teilhabe Jugendlicher an der Gesellschaft stärker in den Fokus rückte und Jugend stärker als "Seismograph" von gesellschaftlichen Entwicklungen und Veränderungen betrachtet. "Individuelle, soziale und gesellschaftliche Verantwortungszuweisungen" für Probleme und Bewältigungsmuster von und in „Jugend“ lassen sich so besser begründen. Neben den Jugendforscherinnen und -forschern am Institut für Erziehungswissenschaften und am Institut für Kommunikationswissenschaften der Universität Salzburg ist das Institut für Jugendkulturfoschung in Wien ein bekanntes österreichisches Jugendforschungsinstitut. Jugendforschung kann einerseits klassisch „top-down“ ohne Beteiligung der Beforschten erfolgen, andererseits auch partizipativ ,wie in verschiedenen, durch das Netzwerk „Citizen Science“ geförderten, oder mehreren „Sparkling-Science“-Forschungsprojekten im Schwerpunkt " Wissenschaft und Kunst" (Forschungsplattform der Universitäten Mozarteum und Paris-Lodron), mit Salzburger Schulen.

Wodurch zeichnen sich Jugendkulturen aus?

Das Leben Jugendlicher heute spielt sich großteils in „Szenen” ab. Großmann/Heinzlmaier bezeichnen Jugendszenen als "heiße" gesellschaftliche Zonen, die ständig in Bewegung, auf der Suche, in Entwicklung sind, sich an der Bruchkante zwischen Alten und Neuem in einer Gesellschaft ereignen. Hitzler/Niederbacher bezeichnen Szenen als "lockeres Netzwerk", indem sich unbestimmt viele Personen oder Personengruppen vergemeinschaften. Eine Szene ist eine "globale Mikrokultur", die zwar lokale Ausprägungen aufweist, ist aber prinzipiell weltumspannend aufgestellt. Es gibt keine formalen Mitgliedschaften, man/frau sucht sich eine Szene aus, Ein- und Austritt geschehen formlos. Trotzdem lässt sich innerhalb der Szenen eine gewisse Hierarchie bezüglich der Intensität der Szene-Beteiligung erkennen. Im Zentrum stehen die eine Szene weiterentwickelnden und prägenden Organisationshierarchien, um diese ihre Freunde, während die eher randständigen Szenegänger der Szene angehören, aber jederzeit zu einer anderen abwandern können. Eine Eigenschaft von Jugendkulturen oder -szenen ist ihre Funktion als Gegenkulturen. Gegen dominierende Erwachsenenkulturen und gegen gesellschaftliche Mainstream-Tendenzen. Im Jugendkultur-Guide beschreiben Großegger/Heinzlmaier Musikszenen, Funsport-Szenen, den digitalen Szenenbereich sowie jugendliche Subkulturen. Funsport-Szenen wären Skater/Skateboarder, Beach-Volleyballer, Snowboarder oder Anhänger des Parkour (kreative Überwindung von Hindernissen in der Stadt). Musikszenen sind z.B. Hip-Hop, Hardcore, Black Metal, Indie oder Techno. Digitale Szenen sind z.B. LAN-Gamer (Computerspiele) oder Warez (Software-Piraterie im Internet). Als Subkulturen lassen sich z.B. Skinheads, Punks oder Fans des Gothic („schwarzer“, abenteuerlich-romantischer Lebensstil) interpretieren. Institutionelle Jugendarbeit und -förderung „Jeder junge Mensch hat ein Recht auf den Schutz seines Lebens, die Sicherung seiner körperlichen und seelischen Gesundheit, die Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit und auf Förderung der Entwicklung seiner körperlichen, seelischen und geistigen Kräfte“, so der 1. Absatz im §1 des Salzburger Jugendgesetzes 1998. Innerhalb der Salzburger Landesverwaltung kümmert sich das Referat Jugend, Generationen, Integration um Jugendagenden. Darunter fallen die Förderung von Jugendorganisationen, Jugendzentren und -projekten das Büro für Mädchenförderung makeit, die juristische Jugendberatung sowie der Landesjugendbeirat. Der Landesjugendbeirat berät laut Salzburger Jugendgesetz die Landesregierung in „grundsätzlichen Angelegenheiten junger Menschen“. Das Büro für Mädchenförderung beteiligt sich, gemeinsam mit vielen anderen Organisationen aus dem Beratungs- und Sozialbereich, an der Arbeitsgemeinschaft gegen Zwangsverheiratung sowie der Salzburger Watchgroup gegen sexistische Werbung. In der Stadt Salzburg veranstaltet und koordiniert die Jugendbeauftragte diverse Jugendprojekte wie das mobile Jugendförderprojekt "Streusalz" des Vereins Spektrum (Stadtteilarbeit), die Gestaltung von Freizeitflächen und Graffitiwänden, oder einer sommerlichen DJ-Lounge im Freien. Mobile Jugendberatung, u.a. mit einem Jugendcafé leisten die MitarbeiterInnen von bivak.mobil in Salzburg, die als SozialarbeiterInnen alle Mitarbeiter des Stadtjugendamtes sind. Alle Jugendzentren, Jugendtreffs, mobile Beratungsangebote, Skateranlagen sowie Beachvolleyballplätze in der EuRegio Salzburg–Berchtesgadener Land–Traunstein befinden sich samt Übersichtskarte auf der Homepage EuRegio-Juzi gelistet. Auf der Jugendinfo-Homepage des Vereins "Akzente" sind alle Jugendorganisationen der politischen Parteien Salzburgs sowie jener Jugendorganisationen mit einem gemeinnützigen Schwerpunkt zu finden. Auch die Sozialpartner (Wirtschaftskammer, Bundesarbeitskammer, Gewerkschaftsbund, Landwirtschaftskammer) haben eigene Jugendsektionen und Jugendprojekte zu den jeweiligen Kernthemen wie Praktika/Bildungs-/Berufsberatung, geschlechtsspezifische Unterstützung in Lehre und Beruf, Vertrauenspersonen im Betrieb, Zweiter Bildungsweg, Weiterqualifizierung, Unterstützung in Konflikten, Beihilfen oder Freizeitangeboten. In rechtlichen Angelegenheiten Jugendlicher kümmert sich die Kinder- und Jugendanwaltschaft Salzburg, kija. Viele →Sportvereine in Salzburg betreiben eine zunehmend professionalisierte Jugendarbeit.

Ungleichzeitigkeiten und Einflüsse

Die erste Jugendstudie in Österreich führte das Fessel-Institut 1955 durch. Seither wird dieses Feld Jahr für Jahr professioneller bearbeitet. Für die Erfindung neuer und die Fortentwicklung bestehender Jugend-„Szenen“ sind (groß)städtische Umfelder von Bedeutung. In den ländlichen Regionen Salzburgs wirken neben den Szenen auch traditionelle Sozialisationsinstanzen wie kirchliche, gemeinnützige sowie politische Jugendorganisationen oder Einsatzorganisationen wie Feuerwehr, oder (Berg)-Rettung. Jugendliche heute spiegeln auch Werte der Mainstream-Gesellschaft, in der sie aufwachsen, wider. Sie sind den Anforderungen einer spätkapitalistischen Leistungsgesellschaft mit ihren materiellen Versprechen genauso ausgesetzt, wie den Verlockungen der Event- und Erlebnisgesellschaft und ihrer Glückssuche über das Erlebnis, so Bernhard Heinzlmaier. Auch den Auswirkungen neoliberaler Politik (Spar-Narrative; Privatisierungen; Deregulierungen) mit den Anforderungen an ein „unternehmerisches Selbst“ sowie die Individualisierungsanforderungen können sich Jugendliche nicht entziehen. In einem Vortrag 2015 in Salzburg konnte Jugendforscher Heinzlmaier zeigen, dass sich die Gehirne der „digital-natives“ tatsächlich anders entwickelten, als die der Generationen davor, dass es für Jugendliche zunehmend schwierig ist, eine „deep-attention“ (Katherine Hayles) zu erreichen, sie aber dafür eine multi-tasking-geschulte „hyper-attention“ verfügen, eine anders geartete Aufmerksamkeit, die durch schnellen Wechsel und die Konsumation mehrerer Informationsströme entgegen der Konzentration auf eine Informationsquelle geprägt ist. Dabei wird ein Maximum an sinnlicher Stimulation und ein Minimum an Langeweile gesucht. Zwei Jugend-Milieus, die sich aus diesen Einflüssen gleichzeitig entwickeln können, sind z.B. der/die „digitale IndividualistIn“ (ca. 20% der gegenwärtigen Jugendlichen; offen für Neues, wenig Bindungsbedürfnis, flexibel, unverbindlich) sowie der/die „Postmaterielle“ (Ethik, alternative Werte, bewusstes Leben, Engagement für Andere). Insgesamt konnte die SINUS-Jugendstudie 2016 neben den genannten vier weiteren Milieus, „Performer“, „Adaptiv-Pragmatische“ (umfassen jetzt mit den Digitalen IndividualistInnen schon ca. 40% und werden bis 2020 um weitere 20% steigen), „Konservative“ sowie „HedonistInnen“.

M.G.

Lit.: • B. Großegger, B. Heinzelmaier: Jugendkultur Guide. Wien, 2. Auflage, 2004. • R. Hitzler, A. Niederbacher: Leben in Szenen. Formen juveniler Vergemeinschaftung. Wiesbaden, 3., vollständig überarbeitete Auflage, Erlebniswelten Bd. 3, 2010. • https://www.bmfj.gv.at/dam/jcr:442ed293-2fba.../Sinus%20Studie%20-%20HP.pdf • B. Heinzelmaier: Jugend unter Druck. Das Leben der Jugend in der Leistungsgesellschaft und die Krise der Partizipation im Zeitalter des posttraditionellen Materialismus. Wien 2007 [pdf-Download]