Obdachloseninitiativen

Aus Salzburger Kulturlexikon 3.0
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Im Alltagsverständnis wird unter Wohnungs- und/oder Obdachlosen jener Bevölkerungsteil angesehen, der ohne "Obdach" lebt, also auf der Straße, in Abbruchhäusern, Tiefgaragen, oder in Notunterkünften (= Notschlafstellen). Vier Kategorien dienen zur strukturellen Erfassung:

1. Als obdachlos gelten Menschen, die "auf der Straße" wohnen, sich in Verschlägen, Parks, unter Brücken etc. aufhalten. Obdachlos sind auch Menschen, die in Wärmestuben, Notschlafstellen oder niederschwelligen Einrichtungen übernachten.

2. Als wohnungslos gelten Menschen, die in Einrichtungen wohnen, in denen die Aufenthaltsdauer begrenzt ist und in denen keine Dauerwohnplätze zur Verfügung stehen. Dazu gehören auch Frauen und Kinder, die wegen häuslicher Gewalt ihre Wohnung verlassen haben und kurzfristig in einer Schutzeinrichtung beherbergt sind sowie Menschen, die aus Gefängnissen, Heilanstalten oder Jugendheimen entlassen werden. Letztlich gelten auch Menschen, die in Dauereinrichtungen für Wohnungslose wohnen, oder sich in ambulanter Wohnbetreuung befinden, als wohnungslos.

3. Menschen ohne Hauptwohnsitz oder ohne Rechtstitel, die temporäre Unterkunft bei Freunden oder Verwandten finden, vom guten Willen anderer Menschen abhängig sind, sowie solche, die durch illegale Land- oder Hausbesetzung zu Wohnraum kommen, leben in ungesicherten Wohnverhältnissen. Dazu zählen auch Menschen, die von Delogierung oder Gewalt in ihren Wohnungen bedroht sind.

4. Ungenügendes Wohnen betrifft Menschen in Behausungen (z. B. Garagen, Keller, Dachböden …), die für konventionelles Wohnen nicht gedacht, oder nur als vorübergehend bewohnbar konzipiert sind, weiters Menschen in überfüllten, überbelegten Räumen.

Die Situation in Salzburg

Steigende Mietpreise, vorrangig am privaten Wohnungsmarkt, bedingt durch einen Mangel an leistbarem Bauland, steigenden Bevölkerungszahlen vorrangig in Ballungsräumen, demografische Entwicklungen (= Anstieg an Einpersonenhaushalten), aber auch einem quantitativ nicht ausreichendem Bestand an gefördertem Wohnraum sind mit ein Grund, warum Personen oder Familien in Wohnungslosigkeit geraten können. Darüber hinaus steigt der Anteil an jenen Wohnungen, die „fremdgenutzt“ werden (Leerstand, Zweitwohnsitze, gewerbliche Nutzung etc.), womit ein beträchtlicher Anteil am potentiellen Wohnungsbestand (im Bundesland Salzburg mehr als 20 %) nicht als Hauptwohnsitz genutzt werden kann. Arbeitslosigkeit, sinkende/stagnierende Einkommen, vor allem in den unteren Einkommensschichten, psychische Erkrankungen, aber auch nicht ausreichende finanzielle Unterstützungen (Mindestsicherung) sind weitere Aspekte, die Wohnungslosigkeit befördern können. Und auch die soziale Infrastruktur, welche zur Vermeidung bzw. Bekämpfung von Wohnungslosigkeit im Bundesland geschaffen wurde, weist, trotz eines Ausbaus in den letzten Jahre, weiterhin Lücken auf.

III) Zahlen und Fakten

Die derzeit umfangreichste Situationsbeschreibung von Obdach- und Wohnungslosigkeit in der Stadt Salzburg bietet die „Wohnungslosenerhebung“ des Forum Wohnungslosenhilfe, eines Netzwerks aller relevanten Einrichtungen und sozialen Träger im Rahmen der Wohnungslosenhilfe. Die Wohnungslosenerhebung ist eine jährlich durchgeführte Studie, im Rahmen derer an die 60 Anlaufstellen, Einrichtungen und Organisationen Rückmeldungen zu Anzahl und sozioökonomischen Parametern von wohnungs- und obdachlosen Personen geben. Untersuchungszeitraum ist jeweils der Monat Oktober. Die Wohnungslosenerhebung wurde im Jahr 2016 erstmals auf die Salzburger Bezirke ausgedehnt, womit nun in Ansätzen auch Informationen über quantitative und qualitative Aspekte von Wohnungslosigkeit in ländlichen Regionen vorhanden sind.

Ergebnisse der Wohnungslosenerhebung 2017 (Erhebungszeitraum Oktober 2016): Im Oktober 2016 wurden von den teilnehmenden Einrichtungen insgesamt 1.491 Männer, Frauen sowie alleinstehende Minderjährige in Wohnungsnot erfasst. Die erfassten Frauen in Wohnungsnot wurden zum Zeitpunkt der Erfassung in Begleitung von insgesamt 270 mitziehenden Minderjährigen begleitet. Insgesamt standen somit 1.761 Personen mit dringendem Wohnbedarf, in einer Situation extremer Wohnungsnot oder Wohnungslosigkeit in Kontakt mit einer Einrichtung der Wohnungslosenhilfe bzw. einem kooperierenden sozialen Dienst. 70% der erwachsenen Wohnungslosen waren Männer, 46% besaßen die österreichische Staatsbürgerschaft.

IV) Hilfsangebote, soziale Infrastruktur

Obdach- und Wohnungslosigkeit sind, sowohl was die Entstehung, aber auch die Bewältigung betrifft, äußerst komplexe Phänomene, die nur durch ein umfassendes und strukturelles Bündel an präventiven (Wohn- und Einkommenspolitik etc.) und akuten Hilfsangeboten (Notschlafstellen, Gesundheitsdienstleistungen etc.) gelöst werden können. Im Folgenden ein Überblick der Hilfssysteme für jene, die bereits wohnungs- bzw. obdachlos geworden sind bzw. kurz davor stehen.

1. Notunterkünfte In der Stadt Salzburg stehen für erwachsene Personen folgende Notunterkünfte zur Verfügung: - Haus Franziskus der Caritas Salzburg, Platz für insgesamt 80 Personen, ungefähr 60 Plätze sind für sog. ArmutsmigrantInnen vorgesehen, die restlichen 21 Betten für weitere Zielgruppen. Weitere 5 Notplätze können zusätzlich aktiviert werden. Neben Schlafplätzen bietet das Haus Franziskus noch eine umfangreiche Kleiderausgabe, die Möglichkeit, eigene Wäsche zu waschen bzw. Sanitäreinrichtungen (Duschen). Sollten die Schlafplätze nicht ausreichen, werden in besonderen Notfällen Schlafsäcke verteilt, um ein Übernachten im Freien zu ermöglichen. - Der Torwirt der Sozialen Arbeit gGmbh bietet insgesamt 10 unbetreute Zimmer an - Die Winternotschlafstelle der Sozialen Arbeit gGmbH (geöffnet von November bis Ende März) bietet 18 Plätze an, davon vier nur für Frauen - Jugendliche finden im sog. EXIT 7 der Caritas Salzburg Unterschlupf, insgesamt werden 6 Plätze (und vier Notbetten) angeboten.

2. Betreute längerfristige Unterkünfte / Wohnmöglichkeiten

- Längerfristiges Notwohnen bietet die Soziale Arbeit gGmbH mit dem Ambulanten Übergangswohnen (34 Plätze), dem Langzeitwohnen (7 Wohnungen + 25 Wohnplätze) bzw. dem Übergangswohnen (11 Wohnplätze) an. Für Schutzberechtigte (Asylberechtigte) stehen dem Projekt INTO der Diakonie insgesamt 7 Wohnungen zur Verfügung. - Das Projekt "housing first", betrieben vom VinziDach, bietet aufsuchende Beratung und Wohnvermittlung an, aktuell werden 24 Personen in eigenen Wohnungen ambulant betreut. - ergänzende Wohnangebote bietet noch das Kontingent an Integrationsstartwohnungen, verwaltet vom Projekt INTO der Diakonie (insgesamt 370 Wohnungen), der gleiche Träger bietet 88 Integrationswohnungen für anerkannte Asylberechtigte an. - Für trockene Alkoholikerinnen bietet die Caritas Salzburg mit dem Projekt SOALP eine Wohnmöglichkeit für 10 Personen, und die Stadt Salzburg stellt noch insgesamt 6 Wohnungen für wohnungslose Frauen zur Verfügung. - in insgesamt 3 Frauenhäusern im Bundesland Salzburg (Stadt, Hallein, Saalfelden) finden insgesamt 32 von Gewalt betroffene Frauen Unterkunft und Schutz (inkl. Plätze für Kinder).

3. Beratungsangebote Personen bzw. Familien, die akute Wohnprobleme haben, finden in zahlreichen Stellen Unterstützung und Hilfe, u. a.

  • Sozialberatung der Soziale Arbeit gGmbH
  • Bahnhofsozialdienst der Caritas Salzburg (inkl. Wohnintegration)
  • Allgemeine Sozialberatung der Caritas Salzburg
  • Frauentreffpunkt Salzburg
  • housing first - VinziDach (inkl. Wohnbetreuung)
  • INTO Integrationsberatung (Stadt Salzburg, Bischofshofen)
  • Jugendberatung und Streetwork - Bivak mobil / Stadt Salzburg
  • Streetwork (Jugendstreetwork in Hallein, Bischofshofen, Saalfelden bzw. für ArmutsmigrantInnen in Salzburg-Stadt)
  • Regionalzentren der Caritas Salzburg (Neumarkt, Bischofshofen, Tamsweg, Zell am See, Saalfelden)

Als besonderes - auch regionalisiertes - Angebot fungiert die Fachstelle für Gefährdetenhilfe zur Delogierungsprävention. 4. Tagesstrukturangebote: Für den Aufenthalt tagsüber gibt es Salzburg nur wenige professionell betriebene Angebote. Außer dem „Saftladen“ vom Verein Neustart] kann eine Aufenthaltsmöglichkeit für Jugendliche im Rahmen des Caritas-Beschäftigungsprojektes EASY genannt werden 5. Medizinische Versorgung: Für die medizinische Versorgung gibt es in der Stadt Salzburg seit rund 3 Jahren den sog. Virgil-Bus, welcher in Begleitung von Ärzten bzw. Krankenpflegepersonal Klientinnen von Notschlafstellen untersucht und erstversorgt, andererseits aber auch an öffentlichen Plätzen Halt macht, an denen sich Wohnungslose aufhalten (z. B. Bahnhof) 6. Straßenzeitung: Für obdach- bzw. wohnungslose Personen gibt es auch die Möglichkeit, die bekannte Salzburger Straßenzeitung „APROPOS“ zu verkaufen und sich damit einen Teil des Lebensunterhaltes zu verdienen. In den letzten Jahren wird diese Möglichkeit auch vermehrt von sog. ArmutsmigrantInnen (z. B. aus osteuropäischen Ländern) genutzt. Neben dem Verkauf der Zeitung bietet die interne Schreibwerkstatt auch die Möglichkeit, eine öffentliche Sensibilisierung für den Lebensalltag jener zu erreichen, die von Ausgrenzung bedroht oder betroffen sind. 7. Privatisierte Hilfe / Angebote: Neben den oben beschriebenen staatlichen bzw. professionellen Einrichtungen und Angeboten gibt es in Salzburg noch eine Reihe von weiteren Hilfs- und Unterstützungsangeboten, die von privater Seite initiiert wurden. Dies betrifft einerseits die Lebensmittelverteilung bzw. Essensausgabe (Wärmestube, Vinzibus, vereinzelt Klöster, Tafeln, Sozialmärkte), bei denen entweder kostenloses Essen verteilt wird bzw. die Möglichkeit besteht, preisgünstig Lebensmittel zu erwerben, andererseits existieren auch zahlreiche Stellen, die finanzielle Spenden zur Verfügung stellen (FairShar€-Container, Projekt FairTeilen in einzelnen Pfarren etc.).

8. Perspektiven: Um Wohnungslosigkeit als komplexes Phänomen insgesamt zu beseitigen, braucht es primär präventive Ansätze und politische Maßnahmen (Ausbau sozialer Wohnbau, Dämpfung der Mietensteigerungen, bessere Einkommensverteilung, Senkung der Arbeitslosigkeit…), aber auch ein Schließen der Lücken im Rahmen der Akuthilfen (Frauennotwohnen, Einebnung des Stadt-Land-Gefälles der sozialen Infrastruktur, Zugangskriterien zum sozialen Wohnbau verbessern, Übernahme der ortsüblichen Mieten im Rahmen der Mindestsicherung etc.).

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Weblinks:


R.B.