Obdachloseninitiativen
Im Alltagsverständnis wird unter Wohnungs- und/oder Obdachlosen jener Bevölkerungsteil angesehen, der ohne "Obdach" lebt, also auf der Straße, in Abbruchhäusern, Tiefgaragen, oder in Notunterkünften (= Notschlafstellen). Vier Kategorien dienen zur strukturellen Erfassung:
1. Als obdachlos gelten Menschen, die "auf der Straße" wohnen, sich in Verschlägen, Parks, unter Brücken etc. aufhalten. Obdachlos sind auch Menschen, die in Wärmestuben, Notschlafstellen oder niederschwelligen Einrichtungen übernachten.
2. Als wohnungslos gelten Menschen, die in Einrichtungen wohnen, in denen die Aufenthaltsdauer begrenzt ist und in denen keine Dauerwohnplätze zur Verfügung stehen. Dazu gehören auch Frauen und Kinder, die wegen häuslicher Gewalt ihre Wohnung verlassen haben und kurzfristig in einer Schutzeinrichtung beherbergt sind sowie Menschen, die aus Gefängnissen, Heilanstalten oder Jugendheimen entlassen werden. Letztlich gelten auch Menschen, die in Dauereinrichtungen für Wohnungslose wohnen, oder sich in ambulanter Wohnbetreuung befinden, als wohnungslos.
3. Menschen ohne Hauptwohnsitz oder ohne Rechtstitel, die temporäre Unterkunft bei Freunden oder Verwandten finden, vom guten Willen Anderer abhängig sind, sowie solche, die durch illegale Land- oder Hausbesetzung zu Wohnraum kommen, leben in ungesicherten Wohnverhältnissen. Dazu zählen auch Menschen, die von Delogierung oder Gewalt in ihren Wohnungen bedroht sind.
4. Ungenügendes Wohnen betrifft Menschen in Behausungen, die für konventionelles Wohnen nicht gedacht, oder nur als vorübergehend bewohnbar konzipiert sind, weiters Menschen in überfüllten, überbelegten Räumen.
Die Situation in Salzburg
Steigende Mietpreise, vorrangig am privaten Wohnungsmarkt, bedingt durch Mangel an leistbarem Bauland, steigenden Bevölkerungszahlen vorrangig in Ballungsräumen, demografische Entwicklungen (= Anstieg an Einpersonenhaushalten), aber auch einem quantitativ nicht ausreichendem Bestand an gefördertem Wohnraum sind mit ein Grund, warum Personen in Wohnungslosigkeit geraten können. Darüber hinaus steigt der Anteil an Wohnungen, die „fremdgenutzt“ werden (Leerstand, Zweitwohnsitze, gewerbliche Nutzung etc.), womit ein beträchtlicher Anteil an potentiellem Wohnungsbestand (im Bundesland Salzburg mehr als 20 %) nicht als Hauptwohnsitz genutzt werden kann. Arbeitslosigkeit, sinkende/stagnierende Einkommen, psychische Erkrankungen, aber auch nicht ausreichende finanzielle Unterstützungen sind weitere Aspekte, die Wohnungslosigkeit befördern können. Die soziale Infrastruktur weist weiterhin Lücken auf.
Zahlen und Fakten
Die umfangreichste Beschreibung von Obdach- und Wohnungslosigkeit in der Stadt Salzburg bietet die „Wohnungslosenerhebung“ des Forum Wohnungslosenhilfe, eines Netzwerks relevanter Einrichtungen und sozialer Träger. Im Rahmen der jährlich im Oktober durchgeführten Wohnungslosenerhebung geben ca. 60 Anlaufstellen Rückmeldungen zu Anzahl und sozioökonomischen Parametern von wohnungs- und obdachlosen Personen. Die Wohnungslosenerhebung wurde 2016 auf die Salzburger Bezirke ausgedehnt, womit nun Informationen über Aspekte von Wohnungslosigkeit in ländlichen Regionen vorhanden sind.
Ergebnisse der Wohnungslosenerhebung 2017 (erhoben 2016): Insgesamt wurden 1.491 Männer, Frauen sowie alleinstehende Minderjährige in Wohnungsnot erfasst. Die erfassten Frauen in Wohnungsnot wurden zum Zeitpunkt der Erfassung in Begleitung von insgesamt 270 mitziehenden Minderjährigen begleitet. Insgesamt standen somit 1.761 Personen mit dringendem Wohnbedarf, in extremer Wohnungsnot oder Wohnungslosigkeit in Kontakt mit einer Einrichtung der Wohnungslosenhilfe. 70% der erwachsenen Wohnungslosen waren Männer, 46% besaßen die österreichische Staatsbürgerschaft.
Hilfsangebote, soziale Infrastruktur Obdach- und Wohnungslosigkeit sind komplexe Phänomene, die nur durch ein umfassendes Bündel an präventiven (Wohn- und Einkommenspolitik etc.) und akuten Hilfsangeboten (Notschlafstellen etc.) gelöst werden können. Ein Überblick der Hilfssysteme:
1. Notunterkünfte In der Stadt Salzburg stehen für Erwachsene Notunterkünfte zur Verfügung: - Haus Franziskus der Caritas, Platz für 80 Personen, ca. 60 Plätze für ArmutsmigrantInnen, die restlichen Betten für weitere Zielgruppen samt 5 Notplätzen. Neben Schlafplätzen bietet das Haus noch eine Kleiderausgabe, Waschmaschinen bzw. Sanitäreinrichtungen. In Notfällen werden Schlafsäcke verteilt.
- Der Torwirt der "Soziale Arbeit gGmbh" (10 Zimmer).
- Die Winternotschlafstelle der „Soziale Arbeit gGmbH“ (geöffnet November bis März, 18 Plätze), davon 4 nur für Frauen.
- Im "EXIT 7" der Caritas Salzburg werden für Jugendliche 6 Plätze (vier Notbetten) angeboten.
2. Betreute längerfristige Unterkünfte / Wohnmöglichkeiten - Längerfristiges Notwohnen bietet die „Soziale Arbeit gGmbH“ mit dem Ambulanten Übergangswohnen, dem Langzeitwohnen bzw. dem Übergangswohnen an. Für Asylberechtigte stehen dem Projekt INTO der Diakonie 7 Wohnungen zur Verfügung.
- „Housing first“, betrieben vom „VinziDach“, bietet aufsuchende Beratung und Wohnvermittlung, aktuell werden 24 Personen ambulant betreut.
- „INTO“ der Diakonie bietet Integrationsstart- sowie Integrationswohnungen für anerkannte Asylberechtigte.
- Für „trockene“ AlkoholikerInnen bietet die Caritas Salzburg mit „SOALP“ Wohnmöglichkeiten für 10 Personen; die Stadt Salzburg stellt 6 Wohnungen für Frauen zur Verfügung.
- in 3 Frauenhäusern (Stadt Salzburg, Hallein, Saalfelden) finden 32 von Gewalt betroffene Frauen samt Kindern Unterkunft.
3. Beratungsangebote Personen mit Wohnproblemen, finden u. a. bei folgenden Stellen Unterstützung:
- Sozialberatung der Soziale Arbeit gGmbH
- Bahnhofsozialdienst der Caritas Salzburg (inkl. Wohnintegration)
- Allgemeine Sozialberatung der Caritas Salzburg
- Frauentreffpunkt Salzburg
- housing first - VinziDach (inkl. Wohnbetreuung)
- INTO Integrationsberatung (Stadt Salzburg, Bischofshofen)
- Jugendberatung und Streetwork - Bivak mobil / Stadt Salzburg
- Streetwork (Jugendstreetwork in Hallein, Bischofshofen, Saalfelden bzw. für ArmutsmigrantInnen in Salzburg-Stadt)
- Regionalzentren der Caritas Salzburg (Neumarkt, Bischofshofen, Tamsweg, Zell am See, Saalfelden)
- Fachstelle für Gefährdetenhilfe zur Delogierungsprävention.
4. Tagesstrukturangebote: Für den Aufenthalt tagsüber gibt es Salzburg wenige professionelle Angebote. Außer dem „Saftladen“ vom Verein Neustart] kann eine Aufenthaltsmöglichkeit für Jugendliche im Rahmen des Caritas-Beschäftigungsprojektes EASY genannt werden.
5. Medizinische Versorgung: Für die medizinische Versorgung gibt es in der Stadt Salzburg seit rund 3 Jahren den sog. Virgil-Bus, welcher in Begleitung von Ärzten bzw. Krankenpflegepersonal Klientinnen von Notschlafstellen untersucht und erstversorgt, andererseits aber auch an öffentlichen Plätzen Halt macht, an denen sich Wohnungslose aufhalten (z. B. Bahnhof)
6. Straßenzeitung: Für obdach- bzw. wohnungslose Personen gibt es auch die Möglichkeit, die bekannte Salzburger Straßenzeitung „APROPOS“ zu verkaufen und sich damit einen Teil des Lebensunterhaltes zu verdienen. In den letzten Jahren wird diese Möglichkeit auch vermehrt von sog. ArmutsmigrantInnen (z. B. aus osteuropäischen Ländern) genutzt. Neben dem Verkauf der Zeitung bietet die interne Schreibwerkstatt auch die Möglichkeit, eine öffentliche Sensibilisierung für den Lebensalltag jener zu erreichen, die von Ausgrenzung bedroht oder betroffen sind.
7. Privatisierte Hilfe / Angebote: Neben den oben beschriebenen staatlichen bzw. professionellen Einrichtungen und Angeboten gibt es in Salzburg noch eine Reihe von weiteren Hilfs- und Unterstützungsangeboten, die von privater Seite initiiert wurden. Dies betrifft einerseits die Lebensmittelverteilung bzw. Essensausgabe (Wärmestube, Vinzibus, vereinzelt Klöster, Tafeln, Sozialmärkte), bei denen entweder kostenloses Essen verteilt wird bzw. die Möglichkeit besteht, preisgünstig Lebensmittel zu erwerben, andererseits existieren auch zahlreiche Stellen, die finanzielle Spenden zur Verfügung stellen (FairShar€-Container, Projekt FairTeilen in einzelnen Pfarren etc.).
8. Perspektiven: Um Wohnungslosigkeit als komplexes Phänomen insgesamt zu beseitigen, braucht es primär präventive Ansätze und politische Maßnahmen (Ausbau sozialer Wohnbau, Dämpfung der Mietensteigerungen, bessere Einkommensverteilung, Senkung der Arbeitslosigkeit…), aber auch ein Schließen der Lücken im Rahmen der Akuthilfen (Frauennotwohnen, Einebnung des Stadt-Land-Gefälles der sozialen Infrastruktur, Zugangskriterien zum sozialen Wohnbau verbessern, Übernahme der ortsüblichen Mieten im Rahmen der Mindestsicherung etc.).
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Weblinks:
- http://www.soziale-arbeit.at/index.php?id=sozialberatung
- https://www.caritas-salzburg.at/
- https://www.frauentreffpunkt.at/
- https://www.neustart.at/at/de/unsere_kontakte/salzburg/
- https://www.caritas-salzburg.at/hilfe-angebote/starthilfe-und-bildung/beschaeftigungsprojekt-easy/
- http://www.apropos.or.at/
- http://www.bawo.at
R.B.