Literatur im Nationalsozialismus
Spätestens mit dem „Anschluss“ Österreichs an das Dritte Reich und dem Machtwechsel zum totalitären NS-Regime im März 1938 änderten sich die Produktionsbedingungen für zahlreiche Autor*innen auch und gerade im grenznahen Salzburg. Die Diktatur bedeutete für viele jüdische und oppositionelle Schriftsteller*innen eine Bedrohung ihres Lebens und ihrer Existenz und zwang sie zur Emigration (u.a. Alexander Moritz Frey, Jakob Haringer, Ödön von Horváth, Max Reinhardt, Carl Zuckmayer).
Einige Autor*innen kamen aufgrund ihrer pro-österreichischen Haltung im Sinne des katholischen Ständestaates (1934–38) in Konflikt mit der NS-Herrschaft (z.B. Joseph August Lux). Zahlreiche andere versuchten hingegen, sich an die neuen Verhältnisse anzupassen bzw. profitierten davon dank ihrer bereits vor 1938 pro-deutschen bzw. nationalsozialistischen Gesinnung. Dazu gehörten u.a. schon im Ständestaat erfolgreiche Literaten wie Franz Karl Ginzkey, Max Mell und Karl Heinrich Waggerl, der am Vortag der Volksabstimmung über den „Anschluss“ (10. April 1938) zur Abgabe der „Ja“-Stimme aufrief und 1943 den mit 7.000 Reichsmark dotierten „Kulturpreis der Gauhauptstadt Salzburg“ erhielt.
In dem vom „Bund deutscher Schriftsteller Österreichs“ herausgegebenen Bekenntnisbuch österreichischer Dichter (1938) äußerte sich neben den genannten eine ganze Reihe von bis dahin zum Teil noch wenig bekannten Autor*innen mit Salzburg-Bezug positiv über das Hitler-Regime: u.a. Richard Billinger, Erna Blaas, Hans Deißinger, Erich Landgrebe, Erwin Herbert Rainalter (1892–1960) und Karl Springenschmid. Letzterer war als Gauamtsleiter und NS-Landesrat für Schulwesen sowie als Leiter des NS-Lehrerbundes für die Bücherverbrennung am Residenzplatz vom 30. April 1938 verantwortlich, bei der die Druckwerke von Autor*innen vernichtet wurden, die entweder jüdischer Herkunft waren oder politisch nicht der NS-Ideologie entsprachen, darunter auch eine Reihe von heute meist vergessenen Autor*innen mit Nähe zum autoritären Ständestaat. Bekanntere Namen: Vicky Baum, Ludwig Börne, Max Brod, Alfred Döblin, Lion Feuchtwanger, Heinrich Heine, Else Lasker-Schüler, Ernst Lothar, Joseph August Lux, Fritz Mauthner, Erich Mühsam, Alexander Roda-Roda, Arthur Schnitzler, Carl Sternheim, Kurt Tucholsky, Jakob Wassermann, Franz Werfel und Stefan Zweig.
In der Folgezeit war die Reichsschrifttumskammer im Gau Salzburg darum bemüht, die linientreuen Autor*innen im „Salzburger Dichterkreis“ zu versammeln. Augustin Ableitner (1886–1972) veröffentlichte unter dem Pseudonym „Blasi“ im Salzburger Volksblatt NS-politische Agitationslyrik (publiziert 1939 im Verlag Bergland-Buch: Peggy, mein schnaubendes Pferd …). Neben dem bekannten Lyriker Josef Weinheber bot das Blatt auch „Feiertags- und Konjunkturschriftstellern“ (Gert Kerschbaumer) wie Loni Seitz-Ransmayr (1898–1980) oder Otto Pflanzl (1865–1943) Raum.
Anlässlich eines Empfangs Hitlers am 6. April 1938 in der Residenz trug der Heimat- und Mundartdichter Pflanzl ein Lobgedicht vor, das „dem liabn Führer“ gewidmet war. Neben den bereits erwähnten stellten sich zahlreiche weitere Autor*innen in den Dienst des Hakenkreuzes, u.a. Burghard Breitner, Franz Löser, Konrad Nusko (1898–1981) und Pert Peternell.
Nach 1945 gelang es vielen der während der NS-Zeit erfolgreichen bzw. tätigen Schriftsteller*innen weitgehend ohne Bruch weiterzuschreiben und in der Öffentlichkeit präsent zu sein; manche von ihnen waren auch kulturpolitisch einflussreich (z.B. Ginzkey, Mell, Waggerl).
Literatur:
- Karl Müller: Die Vernichtung des „undeutschen“ Geistes. In: Sabine Veits-Falk, Ernst Hanisch (Hg.): Herrschaft und Kultur. Salzburg 2013, S. 400–459.
- Uwe Baur, Karin Gradwohl-Schlacher: Literatur in Österreich 1938–1945. Wien u.a. 2008ff. [bis 2018 3 Bände erschienen].
- Gert Kerschbaumer: Faszination Drittes Reich. Kunst und Alltag der Kulturmetropole Salzburg. Salzburg 1988.
B.J.