Wilder Mann

Aus Salzburger Kulturlexikon 3.0
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1) Wilder Mann, Wilde Männer Brunnenplastik von 1610/1620 am einstigen Fischmarktbrunnen, heute vor dem Salburger Furtwänglerpark.

1) Zwischen Hochmittelalter und Barock waren Darstellungen des behaarten W.M.es als Schildträger und Wappenhalter von Herrschern (u.a. Prunkwagen von Kaiser Ferdinand III., 1452, Universalmuseum Joanneum, Graz), Städten, Zünften oder Grabsteinen (z.B. Wolf Haunsperg, 1564, Stiftskirche Laufen) sowie als Münzbild (ausgehend vom Aureus des Kaiser Maximinanus I., 286-305 n.Chr.) beliebt. Sie gehörten, im Zuge der Rezeption antiker Emblematik und Mythologie, zum allgemeinen Bildungsgut. In der Renaissance fanden diese Figuren als typisierte Allegorien Eingang in die höfischen Fest- und Faschingsaufzüge, etwa in Venedig. Zu den ältesten Nennungen gehören Stabtänze der deutschsprachigen Kaufleute in Venedig - unter welchen die Salzburger bedeutend waren - in W.M.-Kostümen, 1517 und 1525, bei Faschingsbällen im Dogenpalast. Von dort ausgehend wurden sie weithin rezipiert(u.a. 1616-1618 unter Erzbischof Markus Sittikus). Als Qualitäts- und Markenzeichen erscheint der W.M. mit Wappen und Krone auf der Sorte Notenpapier der Papiermühle in Lengfelden bei Salzburg zwischen 1723 und 1780; darauf wurde u.a. das "Notenbuch für Maria Anna Mozart", 1759, geschrieben. Ein satyrartiger "Forstteufel" steht als Gartenplastik im Hellbrunner Schlosspark, als Zeugnis der Vorliebe des Barock für diese Art der Groteske. Im Laufe des 18. Jh.s fanden die Typen und Masken höfischer Faschingsumzüge Eingang in die Umlaufbräuche am Land (vgl. Gasteiner Schönperchtenlauf), darunter auch W.M. in Moos-, Zapfen-, Laub- und Fellkostümen.

2) Der W.M.-Brunnen beim Furtwänglerpark in der Stadt Salzburg setzt sich zusammen aus Teilen des Brunnens von 1508-1528, aus einer Säule von 1556 und der Brunnenfigur. Diese Bronzefigur von 1610/1620 zeigt einen von nassem Fell (nicht Schuppen!) bedeckten W.M. mit Blätterschurz, Blätterkranz und Baumdürrling, der das Salzburger Stadtwappen hält. Der W.M.-Brunnen wurde einst beim Niederleghof am Gries erbaut (Mautstelle für Fernhändler). Von 1661 bis 1937 stand er als „Fischmarktbrunnen“ (daher Brunnensegmente mit Metalldeckeln als Fischkalter) am Gries. Seit der Sachregulierung 1864 ist dort ein Gasthof, der seit 1884 „Zum Wilden Mann“ benannt ist (heute Passage bei Griesgasse 17) . Der Sage nach soll sich der W.M. während des Mittagläutens am Karfreitag (das es bei katholischen Kirchen nicht gibt) einmal um sich selbst drehen. Der Salzburger W.M. lässt sich mit dem Federriss für ein Fenster der Kleinbasler Zunft von H.Holbein d.J., 1528-1532, vergleichen (Britisch Museum).

W.M. und Wildfrauen existieren in den Sagen vieler Kulturen, teils als Wesen einer noch nicht zivilisierten Natur, teils als menschenähnliche Wesen einer natürlichen Parallelwelt. Diese können den Menschen hilfreich wie auch schädigend sein oder die Lebensräume der Menschen vor Bedrohungen schützen. Die Wilden Frauen suchen oft die Gesellschaft der Menschen, verlieren dabei aber, etwa wenn sie sich in einen Mann verlieben, ihre Zauberkräfte. Vielerorts wurden W.M.-Wappen an Handelsstraßen ab dem 18.Jh. missverstehend naturmythologisch gedeutet.


Literatur:

  • W. Rainer: Marcus Sitticus. Was sich in Regierung des hochwürdigsten Fürsten Marx Sittichen Denkwürdiges zugetragen. Nach der Chronik von Johannes Stainhauser. Übersetzung a. d. Lat.: F. Witek, a. d. Ital.: D. Messner, in: MGSLK 29 (2012), S. 243–263: Ablaufordnung von 1618.
  • B. Euler u.a.: Dehio-Handbuch Salzburg (Die Kunstdenkmäler Österreichs) Salzburg 1986, S. 613: Wilder-Mann-Brunnen.
  • H. Waitzbauer: Zum Wilden Mann. Geschichte eines Salzburger Gasthauses. Eigenverlag der Stieglbrauerei Salzburg 2009, S. 11-19.
  • E. Major: Hans Holbeins Scheibenriss mit dem Wilden Mann. In: ZS f. schweiz. Archäologie und Kunstgeschichte. Bd 8/2, 1946, S. 116-119.
  • U. Kammerhofer-Aggermann: Wilde Männer – vom gotischen Wappenhalter zur Faschingsfigur. In: B. Pöttler, K. Eisch-Angus, J. Verhovsek: Fundstücke europäisch-ethnologischen Forschens. Festschrift f. H. Eberhart. Graz/Münster/New York 2018, 303-320.

U.K.