Festspielhäuser
Festspielhäuser.
Anlässlich der 100-Jahr-Feier zur ersten Aufführung des Don Juan 1887 Idee zu einem Mozart-F. 1890 Projekt von Fellner & Helmer, Wien, für den Mönchsberg: monumentaler Bau in barockisierten Renaissanceformen, Fassungsraum 1500 Personen, großdimensionierte Bühne. 1899 Projekt von Siegfried Sitte, 1918 Projekt M. →Knoll für das ansteigende Gelände des →Bürglsteins mit Hauptachse zur Altstadt. M. →Reinhardt favorisierte bereits 1917 in einer „Denkschrift zur Errichtung eines Festspielhauses für Hellbrunn“ diesen Ort Ort „abseits vom städtischen Alltagsgetriebe“ als „durch natürliche und künstlerische Weihe“ ausgezeichnet.1920−22 Projekte Hans Poelzig (Berlin-Charlottenburg), situiert im Süden des Parks von →Hellbrunn auf einer natürlich geneigten Terrasse. Ursprüngliches Ensemble von 1920/21 aus großem Festspielhaus für 2000 und kleinem für 800 Personen, der hochgetürmte elliptische Kegel sollte mit dem kleineren Massiv eines Kammerspieltheaters durch ein Arkadengeflecht verbunden werden; außen schraubenartig nach oben führende Treppenanlage; Poelzig entsprach Reinhardts Wunsch, Bühne und Zuschauerraum ineinandergreifen zu lassen. Reduktion 1922 auf ein großes Haus für Oper, Schauspiel und Konzert für 3000 Zuschauer, Freilichttheater blieb. 1922 Grundsteinlegung, nicht realisiert. 1922 Projekt →Deininger-→Flesch-→Knoll, Salzburg, für den Park von Hellbrunn auf einem natürlichen Plateau, Großes und Kleines Haus mit Arkadengängen verbunden; Rückwand der Bühne des Großen Hauses entfernbar, so dass die freie Natur den Hintergrund des Spieles bilden kann; die Fassade des Kleinen Hauses als Hintergrund für Freilichtaufführungen verwendbar.
Parallel plante die Festspielhaus-Gemeinde in Salzburgs Altstadt. Bevor Reinhardt den Jedermann 1920 erstmalig in Salzburg vor dem →Dom aufführen ließ, war dafür die Felsenreitschule vorgesehen gewesen. Für den Sommer 1921 sollte ein durchgehendes, stützenfreies Dach (Planung W. →Deininger) den Hof mit den eindrucksvollen, 1693 von J. B. →Fischer von Erlach in den Berg geschnittenen 96 Zuschauerlogen überdecken. Denkmalpfleger und J. A. →Lux kritisierten diesen gravierenden Eingriff, nun sollte die benachbarte ehem. ärarische Reithalle von 1840, die große Winterreitschule (heute steht dort der Neubau des Hauses für Mozart), die sich bereits 1921 für Jedermann -Vorstellungen bewährt hatte, zu einem F. adaptiert werden.
Reinhardt wollte den Dachstuhl teilweise heben lassen und auf eisernen Vorhang verzichten. Landeskonservator E. →Hütter konnte 1924/25 mit geringsten Mitteln die Illusion eines einheitlichen „Kirchenraums“ aus gotisierend-kathedralartiger Mysterienbühne und Zuschauerraum schaffen, die klarste Konzeption einer Raumbühne unter allen Theatern Reinhardts.
Diverse Unzulänglichkeiten wie das Regenprasseln über offenem Dachstuhl behob C. →Holzmeister mit dem Umbau im Frühsommer 1926. Er ersetzte die Seitengalerien aus Eisenbeton durch Holzgalerien, verbesserte die Akustik mittels hölzerner Resonanzkassetten-Zwischendecke, schuf einen neuen Haupteingang mit von A. →Faistauer freskiertem Foyer. J. →Adlharts für das Entreé geschaffene marmorne Maskengruppe ist noch heute das Symbol der Festspiele. Holzmeister verdankte Landeshauptmann F. →Rehrl den Auftrag, gemeinsam waren sie weltanschaulich im Cartellverband verankert.
1924−26 entstand in direkter Nachbarschaft unter Beteiligung von Peter Behrens der Kolleghof St. Benedikt von St. Peter mit einem „wie aus dem Fels gewachsenen Riesentor“ zum Toscaninihof, kreativ wurde auf Bautradition und Ort eng am Mönchsberg reagiert. Holzmeister ließ sich für Umbau 1926 auch vom benachbarten historischen Gebäude →Rupertinum inspirieren, das horizontale Fassadenabschlüsse durch sogenannte Vorschussmauern besitzt. Die Grabendächer wurden dahinter entwässert über Sammeltöpfe und Regenabfallrohre, die auch die Fassaden gliedern. Holzmeisters Interpretation dieser für Salzburg typischen Elemente fiel 2004 dem Neubau Haus für Mozart zum Opfer, nur sein markanter Bühnenturm von 1937/38 blieb verschont.
Am Beginn seiner Entstehung stand A. →Toscaninis Forderung nach einer „Verwandlungsbühne“. Entsprechend der Idee von F. →Rehrl drehte Holzmeister den von 1200 auf 1700 Plätze erweiterten Zuschauersaal um 180 Grad. Er interpretierte das neue, monumentale Bühnenhaus als Bastion des anschließenden Mönchsbergfelsens, um "diesen Riesenklotz in das Stadtbild einzupassen". Die Fassade im Toscaninihof mit der eindrucksvollen, neuen Wegführung der Mönchsbergstiege prägen grobe, gestockte Betonoberflächen, die dem benachbarten Konglomeratfelsen angenähert wurden. →Adlhart gestaltete Bühnenportal und Stiegenbrüstung. 1939 erhielt der Zuschauerraum durch den Reichsbühnenbildner Benno von Arendt pseudobarocken Charakter. 1941/42 zahlreiche Projekte für einen neuen Festspielbezirk im Rahmen einer dominanten Gauanlage auf dem Kapuzinerberg von O. →Strohmayr und O. →Reitter. 1950 Projekt von C. →Holzmeister für ein gigantomanisch auf dem Mönchsberg thronendes Haus der →Musik-Olympiade, das prekäre Luftschloss „übersiedelte“ nach Protesten in den Kurgarten unmittelbar neben Schloss Mirabell. 1953 Idee von C. Holzmeister und H. →Graf zum Festspielbezirk mit dem Bau des neuen (Großen) F. 1956-60 für Oper, Schauspiel und Konzert auf dem Platz des ehem. Hofmarstalltraktes, „das die historische Tiefenbühne zum ersten Mal durch ein ingeniöses System der veränderlichen Portalbreite und der Einbeziehung der Vorbühnenzone mit der mittelalterlichen Breitbühne und sogar andeutungsweise mit der antiken Rundbühne verbindet“ (Achleitner). Der energische Bauherr, Landeshauptmann Josef Klaus, stand hinter seinem Cartellbruder Holzmeister, ein Architektenwettbewerb wurde nicht abgehalten, die Kosten explodierten von 110 auf 210 Millionen Schilling.
Holzmeister ließ den ehemaligen Hofmarstall des 17. Jahrhunderts − bis auf zwei Achsen und die Stirnseite mit dem Fischer von Erlach-Portal (Karajan-Platz) − abreißen. Durch Abtragung von 55.000 Kubikmeter Fels entstand Platzg für einen Teil des großen Raumprogramms, Erhöhung der Kubatur auf dem engen Bauplatz durch ein zusätzliches Attikageschoß mit Holzmeisters hilfreicher, aber wissenschaftlich haltloser Behauptung, dass dieses in einer alten Ansicht vorhanden gewesen sei. Diese Aufstockung beeinträchtigt die Proportionen der Straßenfassade, die trotz Denkmalschutz wegen angeblicher Baufälligkeit durch eine Rekonstruktion ersetzt wurde. Trotz räumlich verzwickter Kompromisse entstand großzügiges Auditorium mit repräsentativer, handwerklich gediegener, moderat zeitgemäßer Ausgestaltung. Aus der (Platz)Not machte Holzmeister eine Tugend und die Hofstallgasse zum „schönsten Pausenfoyer der Welt“.
Angesichts der nun 2179 Sitzplätze im Großen Festspielhaus reduzierten die Salzburger Architekten Erich Engels und Hans Hofmann 1962/63 die Zuschauerraumlänge und Sitzplätze des "Kleinen Hauses" auf 1267 (60 Stehplätze) und verbesserten Sicht- und Hörverhältnisse. Das war Holzmeister zu wenig. Seine bereits 1960 präsentierte Alternativplanung zu einem „intimen Mozart-Festspielhaus“ für Oper und Kammerspiel sollte mit einem dreigeschoßigen Logenblock die Raumtiefe um 17 Meter und die Plätze von 1682 um 500 reduzieren. Dieses Konzept entwickelte er ab 1977 weiter. Den rückwärtigen Logenturm mit Arkaden wollte er den Höfen Salzburger Bürgerhäuser der Renaissance entlehnt wissen, Seitenlogen sollten in Altstadthaus-Fassaden integriert werden, die „Atmosphäre der Stadt“ und „ihr süddeutsch-italienisches Ambiente“ unmittelbar in den Saal hereingeholt werden. Diese Illusion eines Platzes oder Hofes unter tiefblauem Nachthimmel sollte den Innenraum virtuell öffnen. Holzmeisters unrealisierte Planung bot nicht nur einen Theatersaal, sondern „theatralisierte die Architektur“, in seinem Geist bauten Aldo Rossi und andere Architekten 1987/1991 das Theatro Carlo Felice in Genua um. Der führende Exponent der Postmoderne hatte in Holzmeisters Todesjahr 1983 den Wettbewerb gewonnen.
2004−06 brach, trotz ursprünglich anderslautender Bekundungen, der Holzmeister-Schüler Wilhelm →Holzbauer in einer Architekten-ARGE das Kleine Festspielhaus“ bis auf Holzmeisters Bühnenturm und das Faistauer-Foyer, das restauriert wurde, ab. Die Umstände der Auftragsvergabe führten zu heftigen Kontroversen; der Schweizer Fachjuror Carl Fingerhuth fühlte sich sogar "arglistig" getäuscht. Das Auditorium des Neubaus wurde geringfügig verkürzt, gleichzeitig auf 1495 Sitz- und 85 Stehplätze wirtschaftlich aufgerüstet, es ist von spröder Kraftlosigkeit und sperriger Heterogenität geprägt: "Innen: viel güldene Repräsentation, außen: ein Debakel. Die Decke: schlampig, die Traufe: ein grauenhafter Balken." (Liesbeth Waechter-Böhm). "Fassade des Kleingeists" (Christian Kühn) war eine der freundlicheren Bezeichnungen für das unambitionierte Spätwerk eines Architekten, der nach dem 2. Weltkrieg Hauptwerke der Architektur in Österreich geschaffen hatte. Anstelle dieser plakativ-historisierenden Anpassung hatte sich Clemens Holzmeister beim Umbau des Kleinen Festspielhauses 1926 kreativ auf die lokale Bautradition bezogen und damit eine Eingliederung in den historischen Kontext erzielt. Holzbauer, der 2001 Umbauprojekte anderer Architekten als „Bombe gegen den denkmalgeschützten Bau“ bezeichnet hatte, ließ diesen später selbst abreißen, ohne mit dem Neubau einen adäquaten Beitrag zur aktuellen Baukultur zu leisten. Die Felsenreitschule hat Clemens Holzmeister ab 1926 schrittweise zur wetterunabhängigen Aufführungsstätte ausgebaut. Er ließ die Mönchsbergseite mit Fischer von Erlachs Arkaden unberührt und machte sie zum Bühnenhintergrund. Mit der Fauststadt entstand 1933 eine hölzerne Zuschauertribüne, deren Großteil ab 1934 ein Holzdach überdeckte, ergänzt um eine mobile Regenplane. Clemens Holzmeister transformierte 1968−70 mit der fixen Überdachung von zwei Dritteln der Felsenreitschule den einst offenen Hof zum Auditorium und Raum, der nur mehr über der Bühne öffenbar war. Die Besucher-Arkadengeschoße im Mönchsbergfels von 1693 mutierten zum Bühnenbild. Holzmeisters bewusst provisorisch-hölzerner Charakter ist Vergangenheit, der Hofcharakter nun noch geringer: 2004−05 wurde die Tribüne muschelförmig umgestaltet. Das Salzburger Architekturbüro HALLE 1 erneuerte 2010−11 den Dachkörper und fügte ein zusätzlich nutzbares Geschoß ein. Das leicht geneigte Pultdach aus drei mobilen Segmentflächen ist auf fünf Teleskoparmen aus- und einfahrbar, es deckt die Bühne witterungs- und brandfest ab.
Literatur:
- N. Mayr: Ein Nazi-Obdach für Mozart. Umbau des Festspielhauses und des Theaters in Salzburg 1937-1939, in: J. Tabor (Hg.): Kunst und Diktatur, Baden 1994, S. 430- 441.
- F. Fuhrmann: Der Salzburger Festspielbezirk, Gestalt und Baugeschichte. In: Bühne der Welt
- F. Achleitner: Österreichische Architektur im 20. Jahrhundert, Band I Oberösterreich Salzburg Tirol Vorarlberg, Salzburg 1980
- O. Kunz: Projektierte unausgeführte Monumentalbauten in Salzburg in den letzten sechzig Jahren. In: SV, Jubiläumsausgabe 1930, S. 17 ff.
- N. Mayr: Vorhang auf - das Spiel ist aus, Umbau des kleinen Festspielhauses in Salzburg, in: Architektur & Bauforum, Nr. 222 (2002), S. 66-78
- C. Kühn: Fassade des Kleingeists [Haus für Mozart], in Salzburger Nachrichten, 31. 5. 2006, S. 13
- L. Waechter-Böhm: Falscher Marmor für Mozart. In Die Presse (Spectrum) 18. Juni 2006
- N. Mayr: Stadtbühne und Talschluss. Baukultur in Stadt und Land Salzburg, mit einem Vorwort von Otto Kapfinger, Salzburg-Wien 2006
- N. Mayr: Architektur [Das Bauwerk der Salzburger Festspiele], in: Das Große Welttheater. 90 Jahre Salzburger Festspiele, Salzburg 2010, S. 70-79
- Die Felsenreitschule. Eine Festspielbühne im Wandel, Salzburg 2012
- N. Mayr: Felsenreitschule Salzburg, Dacherneuerung - Vom Hof zum Raum, in: Architektur Aktuell Nr. 379 (Okt 2011), S. 68-77
- W. Posch, Clemens Holzmeister 1886-1983. Architekt zwischen Kunst und Politik, Salzburg Wien 2010
- N. Mayr: Anton Faistauer und die Monumentalkunst, in: Salzburger Museum Carolino Augusteum (Hg.), Anton Faistauer 1887-1930, Salzburg 2005
- N. Mayr: Das Kolleg St. Benedikt 1924/26 in Salzburg. Peter Behrens und der genius loci, Phil. Diss., Salzburg 2004
- N. Mayr: Entrée ins Haus für Mozart: Anton Faistauers Fresken, in: Festspielfreunde, Juli 2005, S. 64-65
- I. Holzschuh, Theater-Utopien: Salzburger Festspielhäuser von 1890 bis 1950, in: Begleitband II zur Landesausstellung 2016, Salzburg 2016
- Robert Kriechbaumer Hrsg.: Die Salzburger Festspiele 2002-2011 Geschichte und Chronik in zwei Bänden. Salzburg 2013
- Proßnitz /Kriechbaumer (Herausgeber): Salzburger Festspiele 1945-1960 Band 1: Eine Chronik in Daten und Bildern Band 2: Eine Geschichte Salzburg 2007
- Kriechbaumer, Robert: Zwischen Österreich und Großdeutschland : eine politische Geschichte der Salzburger Festspiele 1933 - 1944. Wien 2013
M.O.+N.M.