Vertriebene
Vertriebene. Infolge des Zweiten Weltkrieges wurden 40 Millionen Menschen heimatlos und waren auf der Flucht. In Österreich zählte man nach der Befreiung knapp zwei Millionen „Displaced Persons“. Salzburg wurde zum zentralen Zufluchtsort in Österreich und zur Zwischenstation. Im Frühjahr 1945 waren in ca. 20 Lagern 66.000 Flüchtlinge – und in Stadt und Land wohl 100.000 Flüchtlinge – untergebracht. Dabei handelte es sich um verschiedene Gruppen, um ehemalige Fremd- und Zwangsarbeiter sowie KZ-Häftlinge, befreite Kriegsgefangene, Bombenevakuierte, Angehörige ehemaliger faschistischer Einheiten, dann sogenannte „Volksdeutsche“ (Donauschwaben, Siebenbürger Sachsen, Vertriebene aus dem Sudetenland, Polen, Weißrussland), deutsche Staatsangehörige und Südtiroler.
Die Betreuung erfolgte zunächst durch die Hilfsorganisation UNRRA (United Nations Relief and Rehabilitation Administration, bereits 1943 von den Alliierten gegründet), 1947 übernahm die IRO (International Refugee Organization) die Verwaltung der Flüchtlingslager, erst 1949/50 kamen die meisten Lager in österreichische Verwaltung. Die Unterbringung erfolgte privat oder in Kasernen bzw. Baracken. Politische Vereine und kulturelle Vereinigungen – besonders im Bereich des Sports – boten Identifikationsmöglichkeiten (z.B. Union F.C. Danubia).
Bis 1948 gab es kaum Ausreisemöglichkeiten; nach der Staatsgründung Israels entspannte sich die Lage für jüdische „Displaced Persons“. 1949 zählte man noch 21.000 Ausländer und Flüchtlinge. 1953 lebten in Salzburg und Umgebung noch 11.000 Menschen in Baracken; 1962 wurde das letzte Lager in der Alpenstraße aufgelöst. Die Hiergebliebenen errichteten zum Teil geschlossene Siedlungen, wie in den Salzburger Vororten Gneis, Eichethof und Glasenbach, in Elixhausen-Sachsenheim, Bürmoos oder Bergheim. Auf Initiative der evangelischen Siebenbürger Sachsen wurden neue Kirchen in Zell am See, Hofgastein, Bürmoos und Elixhausen-Sachsenheim errichtet. In eigenen Vereinen pflegten die ehemaligen Vertriebenen ihre mitgebrachte Kultur und trugen wesentlich zur Kulturvielfalt Salzburgs bei (Donauschwäbisches Kulturzentrum).
Lit.:
- S. Rolinek: Zufluchtsort und Zwischenstation: Flüchtlingsalltag im Salzburg der Nachkriegszeit. In: Salzburg Archiv 30 (2005), S. 279–302.
- H. Haas, R. Hoffmann, R. Kriechbaumer (Hg.): Städtische Lebenswelt(en) seit 1945. Wien 2000, S. 75–100, S. 101–18 (N. Ramp), S. 119–54 (B. Scheuringer).
- R. Sutter: Die Siebenbürger in Stadt und Land Salzburg (Schriftenreihe der Kommission für ostdeutsche Volkskunde, Bd. 10). Marburg 1972.
R.R.