Ashley Hans Scheirl

Aus Salzburger Kulturlexikon 3.0
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Ashley Hans Scheirl, * 9. August 1956 in Salzburg; in den Bereichen Malerei, Installation, Objekt, Zeichnung und Video tätig.

Nach dem Gymnasium in Salzburg studierte Scheirl an der Akademie der bildenden Künste in Wien; 1980 Diplom in Konservierung und Technologie. Von 2001 bis 2003 absolvierte er ein Postgraduate Kunststudium am Central Saint Martins College of Art & Design in London.

Scheirl lebte 16 Jahre in London, wo sie/er bereits Ende der 1980er-Jahre durch experimentelle Film- und Videoarbeiten internationale Bekanntheit erlangte. Nach dem 1979 vorgestellten Super-8 Film Straßenbilder, der mit dem österreichischen Jugendpreis und Sonderpreis der UNESCO ausgezeichnet wurde, entstanden bis 1998 über 50 Kurzvideos und zwei experimentelle Spielfilme. Sie nahmen die Auseinandersetzung mit lesbischer und queerer Sexualität vorweg, zeichnen sich alle durch ihren performativen Ansatz aus und hatten einen bedeutenden Einfluss auf die Entwicklung einer Transgender-Kunst in Österreich. Eine Ende der 90er-Jahre entstandene dreiteilige Videoarbeit aus 1998, in der Scheirl eine bemalte Leinwand durchsticht, wurde 2017 auf der documenta in Kassel gezeigt.

Painter's Parody, Installationsansicht auf der documenta 14, Athen

Seit Mitte der 1990er-Jahre wendet er/sie sich verstärkt der Malerei zu. Die großformatigen, farbintensiven Bilder auf Leinwand zeichnen sich durch das Aufeinandertreffen verschiedener malerischer Stile aus. Einfache, reduzierte Zeichen interagieren mit einer gestischen Malerei, fotorealistischen Details und manchmal einer dystopischen schwarzen Romantik. Sie sollen bei der/dem Betrachter*in Assoziationen wecken, die manchmal durch die Titel verstärkt werden. Zu dieser Ambivalenz der Gefühle mischt sich immer auch ein anarchistischer Humor. Selten werden diese Gemälde nur an die Wand gehängt; der Ausstellungsraum wird einbezogen. Die Bilder stehen im Raum, reagieren aufeinander, ergänzen und überlagern sich, müssen vom Publikum durchschritten werden. Ashley Hans Scheirl meint dazu im Katalog, der 2020 erschienen ist: „Ich wollte, dass meine Bilder im Salzburger Kunstverein wie im Theater in Szene gesetzt werden, um sie beim Publikum voll zur Wirkung zu bringen, weil es die Installation begehen und so seine eigene Geschichte dazu ausdenken kann.“

Von 2006 bis 2022 hatte Ashley Hans Scheirl eine Professur für kontextuelle Malerei an der Akademie der bildenden Künste Wien. Anschließend ist sie/er ebendort als Senior Professor im Bereich Gender und Space tätig.

Seit den künstlerischen Anfängen in den späten 70er Jahren in Salzburg thematisierte Scheirl das prekäre Identitätsgefühl, das nicht-binäre Menschen im Umfeld von Hetero-Normativität ständig begleitet. Er/sie publizierte seine Filme und Malerei unter verschiedenen Namen: aus Angela Scheirl wurde Angela Hans, dann Hans Scheirl. Seit 2016, als sie 60 Jahre alt wurde, tritt sie unter dem Namen Ashley Hans Scheirl in Szene.

Golden Shower, L'Origine du Monde, 2017, Acryl auf Leinwand und Karton. links: 3-teiliges Video "Ashley with balls"

Scheirls Werke waren unter anderem im Museum of Modern Art in New York, bei queer Filmfestivals in Sao Paulo, Tokyo und Paris, bei der Biennale von Lyon, im Kunsthaus Bregenz sowie im Grazer Künstlerhaus zu sehen. 2018 hatte er/sie eine Soloausstellung im Künstlerhaus in Salzburg, 2014 im Semperdepot der Akademie der Bildenden Künste in Wien. 2019 erhielt Ashley Hans Scheirl den Österreichischen Kunstpreis im Bereich Bildende Kunst, 2017 wurde sie zur documenta 14 in Kassel und Athen eingeladen.

Seit 2005 Partnerschaft mit Jakob Lena Knebl (* 1970 in Baden bei Wien). Neben Soloprojekten arbeiten sie seit 2017 auch als Duo. Sie leben und arbeiten in Wien, haben ein Prateratelier des Bundes.

In der Neuen Galerie in Kassel zeigte Scheirl das Bild Golden Shower (L'Origine du Monde) - eine überhaupt nicht schockierende Version von Courbets Skandalbild. 2019/20 war das Künstlerduo auf renommierten Lyon Biennale vertreten. 2022 gestalteten sie den Österreich-Pavillon auf der Biennale di Venezia mit einer Installation aus Malerei, Objekten aus grellem Kunststoff und Film – als eine Art Wohl-fühl-Oase für das Kunstpublikum, das, dort angekommen, schon leicht ermüdet sein konnte. 2023 wird das Palais de Tokyo in Paris Scheirl und Knebl eine große Duoausstellung widmen. Wieder werden Malereien, Skulpturen und Zeichnungen in den riesigen Ausstellungsräumen zu verschiedenen, raumfüllenden Installationen zusammenwachsen und die Besucher in eine üppige, wahnwitzige Traum- und Phantasiewelt verführen. Ashley Hans Scheirl schafft (zum Teil wieder zusammen mit Lena Knebl) einen Parcours aus Obsessionen, Lüsten und ganz einfachen Dingen, die fast banal wirken können, mit denen jedoch jeder gleich etwas anfangen kann.

Lit.:

D.G.