Ashley Hans Scheirl

Aus Salzburger Kulturlexikon 3.0
Wechseln zu: Navigation, Suche
Ashley Hans Scheirl und Lena Jakob Knebl

Ashley Hans Scheirl, * 9. August 1956 in Salzburg; in den Bereichen Malerei, Installation, Objekt, Zeichnung, Film und Video tätig.

Nach dem Gymnasium in Salzburg studierte Scheirl an der Akademie der bildenden Künste in Wien; 1980 Diplom in Konservierung und Technologie. Von 2001 bis 2003 absolvierte er ein Postgraduate Kunststudium am Central Saint Martins College of Art & Design in London.

1981–82 lebte Scheirl in New York und begann dort mit Performance zu experimentieren. 1981 Teilnahme an der Ausstellung First Annual Club 57 Group Erotic + Pornographic Art Exhibition im Club 57, die von Keith Haring kuratiert wurde (mit J.-M. Basquiat, D. Baechler, D. Wojnarowicz). Scheirl lebte 16 Jahre in London, wo sie/er bereits Ende der 1980er-Jahre durch experimentelle Film- und Videoarbeiten internationale Bekanntheit erlangte. Nach dem 1979 vorgestellten Super-8 Film Straßenbilder, der mit dem Ersten Österreichischen Jugendpreis und einem Sonderpreis der UNESCO ausgezeichnet wurde, entstanden bis 1998 über 50 Kurzfilme (meist Super-8) und zwei experimentelle Spielfilme. Sie nahmen die Auseinandersetzung mit lesbischer und queerer Sexualität vorweg, zeichnen sich durch ihren performativen, punkigen, farbfrohen und humorvollen Ansatz aus und hatten einen bedeutenden Einfluss auf die Entwicklung einer Transgender-Kunst in Österreich. Eine dreiteilige Videoarbeit aus 1998, in der Scheirl eine bemalte Leinwand durchsticht, wurde 2017 auf der documenta in Kassel gezeigt.

Mitte der 1990er-Jahre wendet er/sie sich verstärkt der Malerei zu. Die großformatigen, farbintensiven Bilder auf Leinwand zeichnen sich durch das Aufeinandertreffen verschiedener malerischer Stile aus. Einfache, reduzierte Zeichen interagieren mit einer gestischen Malerei und mit fotorealistischen Details und manchmal einer dystopischen schwarzen Romantik. Sie sollen bei der/dem Betrachter*in Assoziationen wecken, die manchmal durch die Titel verstärkt werden. Zu dieser Ambivalenz der Gefühle mischt sich immer auch ein anarchistischer Humor. Selten werden diese Gemälde nur an die Wand gehängt; der Ausstellungsraum wird einbezogen. Die Bilder stehen im Raum, reagieren aufeinander, ergänzen und überlagern sich, müssen vom Publikum durchschritten werden. Ashley Hans Scheirl meint dazu im Katalog, der 2018 zu ihrer Ausstellung im Künstlerhaus erschienen ist: „Ich wollte, dass meine Bilder im Salzburger Kunstverein wie im Theater in Szene gesetzt werden, um sie beim Publikum voll zur Wirkung zu bringen, weil es die Installation begehen und so seine eigene Geschichte dazu ausdenken kann.“

Von 2006 bis 2022 hatte Ashley Hans Scheirl eine Professur für kontextuelle Malerei an der Akademie der bildenden Künste Wien. Anschließend ist sie/er ebendort als Senior Professor im Bereich Gender und Space tätig.

Seit den künstlerischen Anfängen in den späten 70er Jahren in Salzburg thematisierte Scheirl das prekäre Identitätsgefühl, das nicht-binäre Menschen im Umfeld von Hetero-Normativität ständig begleitet. Er/sie publizierte Filme und Malerei unter verschiedenen Namen: aus Angela Scheirl wurde Angela Hans, dann Hans Scheirl. Seit 2016, als sie 60 Jahre alt wurde, tritt sie unter dem Namen Ashley Hans Scheirl in Szene.

Golden Shower, L'Origine du Monde, 2017, Acryl auf Leinwand und Karton. links: 3-teiliges Video Ashley with balls

Scheirls Werke waren unter anderem im Museum of Modern Art in New York, im Centre Georges Pompidou Paris, im ICA London und bei queeren Filmfestivals in Sao Paulo, Tokyo, London und Paris zu sehen. 2014 hatte er/sie eine Soloausstellung im Semperdepot der Akademie der Bildenden Künste in Wien, 2017 wurde sie zur documenta 14 in Kassel und Athen eingeladen, wo sie unter anderem in der Neuen Galerie das Bild Golden Shower (L'Origine du Monde) zeigte - eine überhaupt nicht schockierende Version von Courbets Skandalbild. 2018 Ausstellung im Künstlerhaus in Salzburg.

2006 erhielt Ashley Hans Scheirl das Österreichische Staatsstipendium für Bildende Kunst, 2012 den Kunstpreis der Stadt Wien, 2019 den Österreichischen Kunstpreis im Bereich Bildende Kunst.

Seit 2005 Partnerschaft mit Jakob Lena Knebl (* 1970 in Baden bei Wien). Neben Soloprojekten arbeiten sie seit 2019 auch als Duo. 2019/20 nahmen sie an der Biennale von Lyon teil, 2020 bespielten sie das KUB Bregenz, 2022 repräsentieren sie Österreich bei der Kunstbiennale in Venedig: sie gestalteten den Österreich-Pavillon mit einer Installation aus Malerei, Objekten aus grellem Kunststoff und Film – als eine Art Wohl-fühl-Oase für das Kunstpublikum, das, dort angekommen, schon leicht ermüdet sein konnte. 2023 folgt eine große Duoausstellung im Palais de Tokyo in Paris. Scheirl und Knebl leben und arbeiten in Wien, haben ein Prateratelier des Bundes.


Lit.:

D.G.

<gallery widths=300px heights=220px>