Kinos in Salzburg

Aus Salzburger Kulturlexikon 3.0
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Die Kinos in Salzburg haben in den letzten 60 Jahren einen Rückgang hinnehmen müssen. Dies liegt an veränderten Sehgewohnheiten, Konkurrenz durch Neue Medien, aber auch an der Akzeptanz des Films als eigenständige Kunstgattung. Der folgende Abschnitt behandelt ortsfeste, dauerhaft dem Kinobetrieb gewidmete Unternehmen im Bundesland Salzburg. Mit der vermutlich ersten Aufführung eines Kinofilms, sogenannten „lebenden Photographien“, am 5.7.1897 im Salon des Gasthofes „Mödlhamer“ in Salzburg zwei Jahre nach der Weltpremiere in Paris fanden Vorläufer ein Ende, die aus Jahrmarktvergnügen wie „Spiegelkabinetten“, „Laternae Magicae“ und effektvoll beleuchteten Panoramen bestanden; zudem erhielten die meist dampfgetriebenen Zeltkinos ein festes Zuhause. Es sollte dennoch einige Jahre dauern, bis die Behörden dauerhafte Filmvorführungen in Sälen gestatteten und sich ab 1905 F. X. Frieds „Original-Elektro-Biograph“ im Kasererbräu (heute „Mozartkino“), 1907 ein weiterer im Hotel Pitter („Elektra“, betrieben durch Bernhard Girstenbrey von Steinfeld), niederließen. Die Stummfilme wurden in der Anfangsphase mit dramatische Worten von Ansagern und musikalisch von Klavierspielern begleitet. Einer von Ihnen war der junge Herbert von Karajan, der mit 17 Jahren 1925 im Stummfilmkino Berchtesgaden seine Musikkarriere begann. Bis 1914 gab es in der Stadt Salzburg nur drei Kinos – das Lifka (1909, mit Zweigstelle im Hotel Mirabell), das „Central“ (1912) und das „Mozart“ (1918). 1926 kam das „Schubert“ in Gnigl hinzu, die „Kammerlichtspiele Mirabell“ und 1927 Franz Wolf‘s Kino in Maxglan, damals mit 600 Thonet-Sesseln der zweitgrößte Lichtspieltempel in Österreich. Auch das Land entdeckte den Film – 1925 erblickte ein alter Theatersaal in Lofer das Filmlicht, in Tamsweg war es 1934 ein ehemaliger Graf Kuenburgscher Pferdestall. In Bischofshofen eröffnete der Lokführersohn Otto Madl 1928 ein Stummkino mit Klavierbegleitung. Kurz danach revolutionierte der Tonfilm das Kinogeschehen und zwang die Besitzer zu teuren Umbauten. Als erstes Kino in Salzburg verfügte das Mirabell über ein „Western Electric Sound System“. Bis zum Anschluß 1938 hatten in Salzburg 24 Kinos mit 7500 Sitzplätzen eröffnet. Manche Bauten erhielten die Handschrift bedeutender Architekten – etwa von Wunibald Deininger, , der das Stadtkino in Hallein gestaltete. Robert Kotas baute als bedeutendster Filmarchitekt Österreichs zwischen 1947 und 1972 40 Kinos, als einziges überlebte das Gartenbaukino in Wien, eine beeindruckende Verbindung von Ästhetik und Technik (Stadtkino in Salzburg, 1950, mit Josef Hawranek, Architekt des Paracelsusbades). Das Filmangebot hatte bis Mitte der 20er Jahre aus französischen Lustspielen und Dramen bestanden, danach protegierten Sperren heimische Produktionen. 1938 war eine Zäsur – amerikanische Produktionen verschwanden gänzlich, und „Gaufilmzüge“ machten das nach, was die Wanderkinos 40 Jahre vorher taten – diesmal wollten diese mobilen Kinos „den letzten Volksgenossen“ mit der Nazi-Filmpropaganda erreichen. Minister Joseph Goebbels trachtete danach, das Filmwesen und die Kinobetriebe zu „entjuden“ und die Bevölkerung mit Propaganda zu „durchtränken“. Einen Boom erlebten auch die Filmtempel – von 24 (Land) und 6 (Stadt Salzburg) 1937 auf gesamt 29, 7 davon in der Stadt (1947). Zwei Drittel der Kinos hatten 1937 nur am Wochenende aufgesperrt. Das sollte sich ändern. Das fremd klingende „Kino“ wurde zu „Lichtspielen“, das Programm und der Betrieb durch die Reichsfilmkammer „gleichgeschaltet“, über allem wachte die Zensur. Der mit Ariernachweis ausgestattete Filmvorführer hieß „Bildwurfmeister“ – es durfte ja nur einen „Führer“ geben. Das Medium Kino boomte (im Deutschen Reich wurde über 1 Mrd. Kinokarten im Jahr verkauft), 1942 wurden in Salzburg 1,5 Mio. Kinokarten abgestoßen, davon 33.000 im neuen Kino im Festspielhaus (ab Mai 1941, mit 1.320 Sitzplätzen), Salzburgs „Luxuskino“ für Partei und Wehrmacht für Ur- und Erstaufführungen. Die Gewalt der GESTAPO bekam die Miteigentümerin der Lifka-Lichtspiele, Katharina Prizowsky, zu spüren, die verhaftet, und unter anderem durch Androhung der Abschiebung nach Polen zur Veräußerung ihrer Geschäftsanteile gezwungen wurde. Einige Kinobetriebe stellte bereits im November 1944 ihre Spieltätigkeit ein, das Mozart-Kino gezwungenermaßen am 16. Oktober, weil es durch einen Bombentreffer zerstört wurde. Der letzte Film dort hieß „Hundstage“. Ins Kino konnte man bis 3. Mai 1945 gehen, am Vortrag der Übergabe der Stadt an die US-Truppen. Die „Filmsection“ des ISB (Information Services Branch) der US-Armee mit Sitz in Salzburg sollte bald zur bestimmenden Kraft des Filmgeschehens in der US-Zone werden. Das Festspielhaus wurde ab 18. Juli zum Soldatenkino – dem „Roxy-Theater“ (bis 1947, danach Übersiedlung ins „Lifka“). Von 51 Kinos in Salzburg und Oberösterreich waren durch Kriegseinwirkung 11 zerstört worden, darunter auch das Mirabell-Kino (1950 wieder geöffnet) und das Central (1957 wiedereröffnet). 1946 gingen die Salzburger 1,5 Millionen Mal ins Kino, diese Zahl sollte sich im folgenden Jahrzehnt mehr als verdoppeln. Der Preis damals: 1 Schilling. Die Kinos standen im Dienst der „Re-Education“, als sie etwa den US-Film „Die Todesmühlen“ über die Gräuel in den Konzentrationslagern zeigten. 1948 eröffnet das provisorisch im Turnsaal der ausgebombten Plainschule gegründete „Das neue Kino“ von Alfred und Else („El-Mo“) Morawetz in der St. Julien-Str. 5 unter der Bezeichnung „Elmo-Kino“ als erstes Großkino Österreichs. 1949 schloss das große „Stadt-Kino“, an der Stelle des zerbombten Museumsgebäudes, auf – 1950 hing hier die erste „CinemaScope“-Leinwand in Salzburg. Das im selben Jahr eröffnete „Nonstop-Kino“, Eldorado der Schulschwänzer aus der nahen Realschule, in der Griesgasse 19 spielte zum Preis von 1 S per Stunde von 8-23 h Wochenschauen, Werbefilme und Cartoons. Binnen des ersten Monats fanden sich 100.000 Besucher ein. 1950 öffnete das Mozart-Kino unter Maria Stubhan in der Kaigasse mit 540 Sitzplätzen neu, und beherbergte Premierenstars wie Romy Schneider und Maria Schell. 1952 schloß das 1.000 Soldaten fassende „Soldatenkino“ im Camp Roeder auf, nach den Amerikanern weitergeführt von Morawetz und Oberrauch als „Soldaten-Kino Siezenheim Oberrauch & Co“ (heute nicht mehr in Betrieb). Der Unmut gegen den bald nach Kriegsende wieder aktiven Regisseur Veith Harlan, Schöpfer des Hetzfilms „Jud Süß“, entlud sich 1951 vor dem Elmo-Kino in Protesten von jüdischen „DP’s“, Sozialisten und Kommunisten. Die Polizei setzte die Filmvorführung mit Knüppeln brutal durch. Nach weiteren Protesten setzte Kinobesitzer Alfred Morawetz, selbst ein NS-Verfolgter, den Film ab. Im Stadtgebiet spielten 1955 das „Schubert“, „Kammerlichtspiele Mirabell“, „Maxglan“, „Stadtkino“, Kino Itzling, Josefiau-Kino und das „Roxy“ (im Festspielhaus). 1957 kamen die Aiglhof-Lichtspiele hinzu. In Itzling ergab sich die kuriose Situation, dass der Verein „Kinderheim Itzling“ seine Betriebskosten mit den Kinoeinnahmen finanzierte. Ein später prominenter Literat war ein Jahr lang ab 1953 als Filmrezensent für das „Volksblatt“ tätig – Thomas Bernhard. Im Süden der Stadt spielten Glasenbach und Grödig, sechs Wanderkinos bereisten die kinolosen Orte im Land. Das Kino erlebte im Vor-TV-Zeitalter seine letzte Hochblüte. In vielen Orten im Land spielten Kinos, etwa in Abtenau, Altenmarkt, Bad Gastein, Bad Hofgastein, Bischofshofen, Bramberg, Bruck Bürmoos, Elsbethen, Golling, Grödig, Hallein, Henndorf, Kaprun, Köstendorf, Kuchl, Lend, Lofer, Mariapfarr, Mattsee, Mauterndorf, Mittersill, Mühlbach, Neumarkt, Oberndorf, Radstadt, Rauris, Saalbach, Saalfelden, St. Gilgen, St. Johann, St. Michael, Schwarzach, Seekirchen, Straßwalchen, Strobl, Tamsweg, Taxenbach, Wagrain, Wals, Werfen, Zederhaus, und Zell am See. Diese imposante Reihe – ergänzt durch 11 weitere Kinos in der Stadt – spiegelt die einstige Breite wider, verdeutlicht aber den Verlust seit der Kinokrise ab 1960, denn ein Großteil dieser Kulturstätten sind Geschichte. Gründe dafür gab es viele – die Ideenkrise des Films selbst, aber vor allem lag der Besucherschwund am aufkommenden Fernsehen, dessen Bedeutung sich in leergefegten Straßen Anfang der 1960er zeigte, wenn ein Durbridge-Krimi im Fernsehen lief. Es erwischte Stadtteilkinos wie das erst 1957 eröffnete Aiglhof-Kino, das sich mit Sexstreifen zu retten versuchte, und doch im März 1968 unterging. Neue Konzepte – wie das „Cine-Stereo-Dancing“ Hexenturm als Kombi von Tanz- und Kinopalast beim Elmo-Kino, funktionierte nur kurz. 1969 wurde das „Nonstop-Kino“ in „Artis“ unbenannt und von der „Aktion der Gute Film“ mit Prädikatsstreifen programmiert- Vorläufer des „Filmkulturzentrums“. 1975 gab auch das Halleiner „Burgfried-Kino“ von Hans Brudl und Roman Würfl nach 23 Jahren auf, 529 Sitzplätze wichen einem Möbellager. In den 1980ern entstand im „Elmo-Kino“ in mehreren Etappen das erste Multiplex mit 5 Sälen, um dem diversifizierten Geschmack des Publikums entgegenzukommen (1972 zweiter Saal, 1976 vier Säle, 1980 5, aber 2012 wieder geschlossen). In besten Zeiten kamen eine halbe Million Besucher ins „Elmo“, zuletzt nur noch 30.000. Zwischen 1960 und 1977 schließen über 700 Kinos in Österreich. Sohn Ferdinand Morawetz betrieb das Kino und weitere bis zur Schließung 2012 weiter und nahm bedeutende Positionen im Verleihwesen ein, etwa als General Manager bei „Buena Vista“. 1978 wurde ein Meilenstein in der Salzburger Kinokultur nach langen Vorbereitungen gesetzt: DAS KINO, das Filmkulturzentrum Salzburgs, wurde im ehemaligen „Lifka Kino“ am Giselakai 1978 nach dem Vorbild des ersten so genannten „Kommunalen Kinos“ in Frankfurt a. M. eröffnet. Hauptanliegen ist es, dem Film als einflussreiches Medium des 20. Jahrhunderts eine eigene Präsentationsstätte zu geben. Ohne Subventionen ist ein Betrieb nicht möglich, was immer wieder für Klagen der Ungleichbehandlung der kommerziellen Kinos sorgte. In 40 Jahren wurden unzählige innovative, experimentelle, und künstlerisch wertvolle Filme als auch Retrospektiven, Filmreihen und Festivals präsentiert. „Das Kino“ ist Plattform auch für fremdsprachige Filme, den österreichischen Film, und Veranstaltungsort von Vorträgen, Schulfilmprogrammen und Kinderfilmen. Erster und langjähriger Geschäftsführer war bis 2016 Michael Bilic. Das zeitweise als Kino gewidmete „Oval“ im Einkaufszentrum Europark spielt seit 2005 sein Filmprogramm in Kooperation mit dem „Das Kino“ . Im kommerziellen Kino Salzburgs ging die Bereinigung weiter: Videotheken schossen aus dem Boden, 1988 – der letzte Film hieß „Das Weiße im Auge“ – wurde das letzte Logenkino, das Mirabell, behördlich gesperrt, weil mangels Batterien die Notbeleuchtung nicht mehr funktionierte. 1984 schloss das „Stadtkino“, um zwei Jahre später als Veranstaltungsort für die „Szene“ wiedereröffnet zu werden. Zu diesem Zeitpunkt waren in zehn Jahren die Salzburger Kinos von 37 auf 26 zurückgegangen, die Besucherzahl von 1,1 Mio. auf 780.000 (1987), ein Tiefpunkt. Die Betreiber beklagten die Sondersteuern, den Druck der Verleiher und die mangelnden Förderungen. Im selben Jahr starben die Kinopioniere Karl Oberrauch und Alfred Morawetz. Ein Jahrzehnt später – 1998 - verschärfte sich die Situation für die Stadtkinos neuerlich, als das Cineplexx-Großkino beim Salzburger Airportcenter mit 10 Sälen und 2.554 Sitzplätzen eröffnete (es wurde 2016 aufwändig modernisiert). 2001 sperrte die dominierende Constantin Film Holding auch das „Cineplexx Salzburg City“ auf dem Gelände einer alten Brotfabrik am Salzburger Hauptbahnhof mit 2.000 Sitzplätzen auf. Auch auf dem Land ging der Trend zu technisch hochwertigen Multiplexx-Kinos (als Weiterentwicklung der oft winzigen „Schuhschachtelkinos“) weiter: 2006 eröffnete das Dieselkino St. Johann, ein Betrieb der EWA Diesel in Graz, mit 5 Sälen und 800 Sitzplätzen. 2011 eröffnete ein weiterer Betrieb der Kette in Bruck an der Glocknerstraße. Die Folge: Die Zahl der Standorte sank, jene der Säle stieg. Trotz des Verlusts an Standorten möchte man sich nicht ausmalen, wie sich die Besucherzahlen ohne die Multiplexe, die mit Doppel-Laserprojektionen, THX-Soundsystemen, einem breiten Filmangebot, Parkhäusern und Gastronomie auf Erlebnis setzen, entwickelt hätten. Eines der letzten eigenständigen Kinos ist jenes in Zell am See, das 1919 aus einem 1902 gebauten Theatersaal entstand, und seit Jahrzehnten von Anny Mayer-Schönberger geführt wird. Teilweise entstehen durch Initiativen Kinos neu, etwa jenes in Tamsweg („Kino-los“ seit 1987), das in Saal 1 im Schloss Kuenburg vorführt, oder jenes im historischen Stadtturm von Radstadt, ein Ort, der nach 42 Jahren wieder ein fixes Kino aufzuweisen hat (2018). 2017 wurden in Salzburg 1,105 Mio. Tickets verkauft, was ein Minus von 7,6 % zum Vorjahr darstellt. Hundert Jahre, nachdem erstmals das Medium Film in Salzburg Einzug hielt, „erreicht“ die Landeshauptstadt mit drei Betrieben wieder der Stand vor(!) 1914. Hat das Kino im Zeitalter der Digitalisierung überhaupt eine Zukunft? Es bleibt zu hoffen, dass der einzigartige Erlebniswert des Kinos hierorts weiter erhalten bleibt und Politik und Gesellschaft auch dazu bereit sind, dem Film wie anderen Kunstsparten auch, ausreichende Mittel zuzugestehen. Lit.:

  • D. Maier: Kinobetriebe in Salzburg. Phil. Diss., Universität Salzburg. Salzburg 1986.
  • Ch. Strasser: Filmstadt Salzburg – oder doch nur abgenutzte Kulisse? In: Kurt Luger: Salzburg- Podium der Filmkultur? Zur Situation von Film und Filmförderung. Informationszentrum der Landeshauptstadt Salzburg, Band 8. Salzburg 1992.
  • Ders. mit P. Schuster, H. Waitzbauer: Die Kinematographie im Land Salzburg (1895–1938). Die Salzburger Kunstfilm-Industrie AG. Otto von Gruber- Der Pionier der Photogrammetrie. In: Hundert Jahre Film 1895–1995. Salzburger Film- und Fotopioniere. Reihe Salzburger Portraits. Schriftenreihe des Landespressebüros Salzburg. Salzburg 1994.
  • Ders. Klein-Hollywood aus Schutt und Asche – Film und Kino in Salzburg 1945–1955. In: Salzburg 1945–1955. Zerstörung und Wiederaufbau. Jahresschrift des SMCA 40/41. Salzburg 1994.
  • Ders. Die totale Illusion – Film und Kino in Salzburg in der NS-Zeit. In: Peter F. Kramml, Christoph Kühberger (Hrsg.): Inszenierung der Macht. Alltag, Kultur-Propaganda. Die Stadt Salzburg im Nationalsozialismus. Band 2. Schriftenreihe des Archivs der Stadt Salzburg. Salzburg 2011.
  • M. Swoboda: Salzburger Kinos im Spiegel der Stadtgeschichte. Phil. Dipl. Institut für Publizistik, Univ. Salzburg 1992.

Ch.St.