Schwerttanz: Unterschied zwischen den Versionen

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'''Dürrnberger Schwerttanz''',(auch Halleiner Knappentanz), Salzburger Standestanz der einstigen Bergknappen am Dürrnbergs bei Hallein, seither Verein. » «
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[[Datei:Schwerttanz , Dürrnberg 2003, Schatteiner 02-196.jpg|miniatur|Auf dem Residenplatz (2003)]]
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Der '''Schwerttanz''' (auch Halleiner Knappentanz) der einstigen Bergknappen ist einer der Salzburger Standestänze und wird heute von Vereinen betrieben. Schwerttänze (dreißig historische in Österreich, elf in Salzburg nachgewiesen) entstanden wie die Zunfttänze in der Renaissance und erhielten im 19. Jahrhundert belebende und umwertende Impulse. Solche Tänze sind seit dem frühen 15. Jahrhundert als städtische Zunft- und Standestänze in ganz Europa dokumentiert; als Requisiten dienten allen anderen Berufsgruppen (außer den Bergleuten) Stäbe, Girlanden oder Tücher. In der Volkstanzforschung bis heute fälschlich unter Volkstänze gereiht.
  
Schwerttänze (30 historische in Österreich, elf in Salzburg nachgewiesen) entstanden wie die Zunfttänze in der Renaissance und erhielten im 19. Jh. belebende und umwertende Impulse. Solche Tänze sind seit dem frühen 15. Jh. als städtische Zunft- und Standestänze nachweisbar; als Requisiten dienten allen anderen Berufsgruppen Stäbe, Girlanden oder Tücher.
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Der [[Dürrnberg]] bei Hallein war rund 2.500 Jahre lang wichtigster Salzburger Salzbergbau. Die Knappen waren mit vielen Privilegien ausgestattet. Das Schwert war seit 1405 durch ein Privileg geregelter Bestandteil der Knappentracht; es wurde verbindendes Requisit des Ketten- und Reigentanzes. Der Dürrnberger Schwerttanz wird urkundlich erstmals als lange bestehend 1586 erwähnt; die Knappenfahne von 1750 zeigt eine Darstellung des Schwerttanzes und der Knappenmusik. Die Aufführungspraxis ist durch Rechnungsbücher dokumentiert, sie erfolgte zu Festtagen der Berufsgruppe wie zu Ehren der Landesfürsten. Seit dem 19. Jahrhundert werden die Figuren (1647 insgesamt 16, im 19. Jahrhundert zwölf, heute 16) als Szenen der Arbeit „unter Tage“ gedeutet, doch stellen sie Variationen der Reigenführung und des Umgangs mit dem Requisit dar. Der Tanz dauert heute ca. 45 Minuten. 1865 dokumentierte der k.k. Bergmeister J. Schiestl den Tanz erstmals ausführlich.
Der Dürrnberg bei Hallein war rund 2.500 Jahre lang wichtigster Salzburger Salzbergbau. Die Knappen waren mit vielen Privilegien ausgestattet. Das Schwert war seit 1405 durch ein Privileg geregelter Bestandteil der Knappentracht; es wurde verbindendes Requisit des Ketten- und Reigentanzes. Der D.S. wird urk. erstmals als lange bestehend 1586 erwähnt; die Knappenfahne von 1750 zeigt eine Darstellung des D.S. und der Knappenmusik. Die Aufführungspraxis ist durch Rechnungsbücher dokumentiert, sie erfolgte zu Festtagen der Berufsgruppe wie zu Ehren der Landesfürsten. Seit dem 19. Jh. werden die Figuren (im 19. Jh. 12, heute 16) als Szenen der Arbeit »unter Tage« gedeutet, doch stellen sie Variationen der Reigenführung und des Umgangs mit dem Requisit dar.
 
1865 dokumentierte der k.k. Bergmeister J. Schiestl den Tanz erstmals ausführlich. Ab 1870 wurde die erlöschende Tanztradition durch Bürgeraktivitäten und Schriften im Geiste des Historismus erhalten. 1895 nahm der »Edelweiß-Club Salzburg« ins Repertoire seiner Ballfeste auf. In der NS-Zeit als »germanischer Männertanz« instrumentalisiert (R. Wolfram). Seit der Schließung der Saline 1989 von einem Verein weitergeführt. Der D.S. wurde 20xxxxxx von der UNESCO als Immaterielles Kulturerbe Österreichs ausgezeichnet.
 
Der Gasteiner Schwerttanz wurde 1979 in Böckstein durch den Verein wiederbelebt. Der Lungauer Russentanz dürfte ein später missverstandener Schwerttanz der Bergleute sein. Er wurde nicht von weißrussischen Bergleuten eingeführt, wie die Legende erzählt. Die weiß-roten Uniformen, Säbel und Lanzen der Tänzer legen eine Fehldeutung der eb. salzburgischen Knappenuniform nahe, Form und Requisiten entsprechen den Standestänzen. Heute wird der Tanz vom Verein der →Vereinigten aufgeführt. →Volkstanz.
 
  
Literatur:
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Ab 1870 wurde die erlöschende Tanztradition durch Bürgeraktivitäten und Schriften im Geiste des Historismus erhalten; 1904 ergänzt durch eine Fahnenbegleitung und 1909 durch die heutige Hauptfigur, „die Krone“, als Huldigung an Kaiser Franz Josef I. Ein [[Hanswurst]], bengalische Feuer, Musik und Tanz rundeten die Aufführungen ab. 1895 nahm der Edelweiß-Club Salzburg den Schwerttanz ins Repertoire seiner Ballfeste auf. In der NS-Zeit als „germanischer Männertanz“ instrumentalisiert ([[Richard Wolfram]]) und von der Hitlerjugend aufgeführt; seither begleiten Zwerge den Aufzug der Schwerttänzer. Nach der Schließung der Saline 1989 wurde die Aufführung des Tanzes von der Saline Austria unterstützt, seit 1996 von einem Verein weitergeführt. Der Dürrnberger Schwerttanz wurde 2011 von der UNESCO als Immaterielles Kulturerbe Österreichs ausgezeichnet.
  
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Der Verein Montandenkmal Alt-Böckstein betreibt die Erhaltung und Sanierung des Montanmuseums und der Montansiedlung Alt-Böckstein, dem einstigen Goldbergbau der Erzbischöfe. Im ältesten Dokument von 1631/32 wird eine Aufführung des Schwerttanzes für den bayerischen Herzog erwähnt; der Tanz hatte also bereits eine lange Tradition; viele Erwähnungen folgen. Der lange Zeit vergessene Böcksteiner oder Gasteiner Schwerttanz wurde 1979 in Böckstein durch die Schwerttanzgruppe Böckstein wiederbelebt. Er beginnt heute mit dem Hereinrufungsspiel, einem Reim- und Rüpelspiel, ein Hanswurst begleitet die Schwerttänzer. Die Erneuerung wurde begleitet von zwei kritisch zu lesenden Volkstanzforschern, [[Ilka Peter]] und Herbert Lager.
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Der Bergbau im Lungau war zwischen dem 14. und 18. Jahrhundert von großer Bedeutung, in rund 150 Bergwerken wurden Eisen, Gold (älteste Urkunde von 1287; Goldabbau u.a. bei St. Leonhard) und Silber abgebaut. Die ältesten Bergwerkschroniken reichen bis 1354 zurück. Viele [[Sagen]] beziehen sich auf den Bergbau. Für den Lungauer Russentanz gibt es keine wissenschaftlich belegbare Erklärung. Er dürfte ein später, missverstandener Schwerttanz der Bergleute sein. Er wurde nicht von weißrussischen Bergleuten eingeführt, wie die Legende erzählt; er soll seit dem 15. Jahrhundert am Barbaratag als Patroziniumstanz aufgeführt worden sein (doch wurde St. Barbara im heutigen Österreich erst im 19. Jahrhundert Bergwerkspatronin).
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Seit 1738, dem Gründungsjahr der Vereinigten in Tamsweg, soll der Tanz zum Repertoire dieser Bruderschaft zählen. Die weiß-roten Uniformen mit Posamentrie verziert, Säbel und Lanzen der Tänzer legen eine Fehldeutung der erzbischöflichen salzburgischen Knappenuniform oder einer anderen (Zunft-)Kleidung nahe, Form und Requisiten entsprechen den Standestänzen. Heute wird der Tanz vom Verein der Vereinigten aufgeführt. ([[Volkstanz]])
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* Schwerttanzgruppe Böckstein. FS. zum Jubiläumsjahr 2018. o.O. o.J. 16 Seiten.
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* H. Belzer: Die Lungauer Bergbau-Geschichte online. Version 2013. copyright Taurachsoft. http://www.taurachsoft.at/erzweg/map.htm
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* J. F. Schatteiner: Der S. Geschichte, Verein und Aufführungspraxis. In: U. Kammerhofer-Aggermann (Hg.): Bergbau. (= SBzVK 10), Salzburg 1998, S. 233–306.
 
* I. Peter: Salzburger Tänze. Salzburg 1975.
 
* I. Peter: Salzburger Tänze. Salzburg 1975.
 
* J. F. Schatteiner: Der Schwerttanz. Geschichte, Verein und Aufführungspraxis. In: U. Kammerhofer-Aggermann (Hg.): Bergbau. Alltag und Identität der Dürrnberger Bergknappen und Halleiner Salinenarbeiter in Geschichte und Gegenwart. (=SBzVK 10), Salzburg 1998, S. 233-306.
 
  
 
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[[Kategorie:Volks- und Alltagskultur]]
 
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Aktuelle Version vom 27. Mai 2021, 13:36 Uhr

Darstellung auf einer Knappenfahne (1750)
Auf dem Residenplatz (2003)

Der Schwerttanz (auch Halleiner Knappentanz) der einstigen Bergknappen ist einer der Salzburger Standestänze und wird heute von Vereinen betrieben. Schwerttänze (dreißig historische in Österreich, elf in Salzburg nachgewiesen) entstanden wie die Zunfttänze in der Renaissance und erhielten im 19. Jahrhundert belebende und umwertende Impulse. Solche Tänze sind seit dem frühen 15. Jahrhundert als städtische Zunft- und Standestänze in ganz Europa dokumentiert; als Requisiten dienten allen anderen Berufsgruppen (außer den Bergleuten) Stäbe, Girlanden oder Tücher. In der Volkstanzforschung bis heute fälschlich unter Volkstänze gereiht.

Der Dürrnberg bei Hallein war rund 2.500 Jahre lang wichtigster Salzburger Salzbergbau. Die Knappen waren mit vielen Privilegien ausgestattet. Das Schwert war seit 1405 durch ein Privileg geregelter Bestandteil der Knappentracht; es wurde verbindendes Requisit des Ketten- und Reigentanzes. Der Dürrnberger Schwerttanz wird urkundlich erstmals als lange bestehend 1586 erwähnt; die Knappenfahne von 1750 zeigt eine Darstellung des Schwerttanzes und der Knappenmusik. Die Aufführungspraxis ist durch Rechnungsbücher dokumentiert, sie erfolgte zu Festtagen der Berufsgruppe wie zu Ehren der Landesfürsten. Seit dem 19. Jahrhundert werden die Figuren (1647 insgesamt 16, im 19. Jahrhundert zwölf, heute 16) als Szenen der Arbeit „unter Tage“ gedeutet, doch stellen sie Variationen der Reigenführung und des Umgangs mit dem Requisit dar. Der Tanz dauert heute ca. 45 Minuten. 1865 dokumentierte der k.k. Bergmeister J. Schiestl den Tanz erstmals ausführlich.

Ab 1870 wurde die erlöschende Tanztradition durch Bürgeraktivitäten und Schriften im Geiste des Historismus erhalten; 1904 ergänzt durch eine Fahnenbegleitung und 1909 durch die heutige Hauptfigur, „die Krone“, als Huldigung an Kaiser Franz Josef I. Ein Hanswurst, bengalische Feuer, Musik und Tanz rundeten die Aufführungen ab. 1895 nahm der Edelweiß-Club Salzburg den Schwerttanz ins Repertoire seiner Ballfeste auf. In der NS-Zeit als „germanischer Männertanz“ instrumentalisiert (Richard Wolfram) und von der Hitlerjugend aufgeführt; seither begleiten Zwerge den Aufzug der Schwerttänzer. Nach der Schließung der Saline 1989 wurde die Aufführung des Tanzes von der Saline Austria unterstützt, seit 1996 von einem Verein weitergeführt. Der Dürrnberger Schwerttanz wurde 2011 von der UNESCO als Immaterielles Kulturerbe Österreichs ausgezeichnet.

Der Verein Montandenkmal Alt-Böckstein betreibt die Erhaltung und Sanierung des Montanmuseums und der Montansiedlung Alt-Böckstein, dem einstigen Goldbergbau der Erzbischöfe. Im ältesten Dokument von 1631/32 wird eine Aufführung des Schwerttanzes für den bayerischen Herzog erwähnt; der Tanz hatte also bereits eine lange Tradition; viele Erwähnungen folgen. Der lange Zeit vergessene Böcksteiner oder Gasteiner Schwerttanz wurde 1979 in Böckstein durch die Schwerttanzgruppe Böckstein wiederbelebt. Er beginnt heute mit dem Hereinrufungsspiel, einem Reim- und Rüpelspiel, ein Hanswurst begleitet die Schwerttänzer. Die Erneuerung wurde begleitet von zwei kritisch zu lesenden Volkstanzforschern, Ilka Peter und Herbert Lager.

Der Bergbau im Lungau war zwischen dem 14. und 18. Jahrhundert von großer Bedeutung, in rund 150 Bergwerken wurden Eisen, Gold (älteste Urkunde von 1287; Goldabbau u.a. bei St. Leonhard) und Silber abgebaut. Die ältesten Bergwerkschroniken reichen bis 1354 zurück. Viele Sagen beziehen sich auf den Bergbau. Für den Lungauer Russentanz gibt es keine wissenschaftlich belegbare Erklärung. Er dürfte ein später, missverstandener Schwerttanz der Bergleute sein. Er wurde nicht von weißrussischen Bergleuten eingeführt, wie die Legende erzählt; er soll seit dem 15. Jahrhundert am Barbaratag als Patroziniumstanz aufgeführt worden sein (doch wurde St. Barbara im heutigen Österreich erst im 19. Jahrhundert Bergwerkspatronin).

Seit 1738, dem Gründungsjahr der Vereinigten in Tamsweg, soll der Tanz zum Repertoire dieser Bruderschaft zählen. Die weiß-roten Uniformen mit Posamentrie verziert, Säbel und Lanzen der Tänzer legen eine Fehldeutung der erzbischöflichen salzburgischen Knappenuniform oder einer anderen (Zunft-)Kleidung nahe, Form und Requisiten entsprechen den Standestänzen. Heute wird der Tanz vom Verein der Vereinigten aufgeführt. (Volkstanz)

Lit.:

  • Schwerttanzgruppe Böckstein. FS. zum Jubiläumsjahr 2018. o.O. o.J. 16 Seiten.
  • H. Belzer: Die Lungauer Bergbau-Geschichte online. Version 2013. copyright Taurachsoft. http://www.taurachsoft.at/erzweg/map.htm
  • J. F. Schatteiner: Der S. Geschichte, Verein und Aufführungspraxis. In: U. Kammerhofer-Aggermann (Hg.): Bergbau. (= SBzVK 10), Salzburg 1998, S. 233–306.
  • I. Peter: Salzburger Tänze. Salzburg 1975.

U.K.