Richard Wolfram

Aus Salzburger Kulturlexikon 3.0
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Richard Wolfram, * 16. September 1901 in Wien, † 30. Mai 1995 in Traismauer, Volkskundler.

Geprägt durch die Germanen-Verklärung im nationalen Elternhaus, ab 1920 Studium der Germanistik und Neu-Skandinavistik an der Universität Wien. Die Germanistik erhob den Anspruch „Kerndisziplin in der Kultur- und Sinnvermittlung“ zu sein, in einer „Zusammenschau von Sprachentwicklung, Literatur und Volkskunde als ‚Wissenschaft vom Deutschen’“ (Höck). 1924/25 Studienaufenthalt in Kiel, Skandinavienreisen. Dissertation (1926 Wien; Druck 1933 Weimar) über Ernst Moritz Arndt, der seit 1918 Identifikationsfigur für die völkische Rechte war. Wolfram gehörte, wie sein Kollege Otto Höfler (Wien, Kiel, München), welcher zum ideologischen Ideengeber des „Ahnenerbe der SS“ wurde, der „Wiener Mythologischen Schule“, Zweig Much, den „Ritualisten“ an, die seit den 1920er-Jahren gegen die „Mondmythologische Wiener Schule“ agierte, aus welcher sich das „Amt Rosenberg“ herausbildete. Wolfram war ab 1928 Lehrbeauftragter für Schwedisch an der Universität Wien. Ab 1928 Suche nach „volkskundlichen Quellströmen“ und zunehmende Radikalisierung. Für Höfler und Wolfram „wurde das Auffinden germanischer Kontinuität zur Obsession“. 1932–34 und 1937–45 Mitglied der NSDAP; 1934–38 „zeitweilig Wiener Zeitungskorrespondent“ in Skandinavien. Begründer und Vorstand der Gesellschaft „Svea“. 1934 Habilitation über „Schwerttanz und Männerbund“ bei Much, die aus politischen Gründen erst 1936 angenommen wurde. Lehrtätigkeit ab 1937/38. 1938–45 Leiter der neu begründeten „Lehr- und Forschungsstätte für germanisch-deutsche Volkskunde“ (mit Teilbeständen des von der SS aufgelösten Instituts für religiöse Volkskunde der Theologischen Fakultät), zugehörig zur „Außenstelle Süd-Ost“ des „Ahnenerbe des Reichsführers SS Heinrich Himmler“ in Salzburg, dort weltanschauliche Grundlagenforschung im Sinne der nationalsozialistischen Wissenschaft. Mitarbeiter u.a. Friederike Prodinger, Luise Hess, Karl Adrian, Tobias Reiser d. Ä., Kuno Brandauer, Romuald Pramberger sowie Hans E. Schneider (1940–45 im „Einsatzstab Niederlande“), welcher unter dem Namen Hans Schwerte von 1965–78 als Universitätsprofessor für Neuere deutsche Literatur (Rektor 1970–73) in Aachen wirkte; Honorarprofessor an der Universität Salzburg von 1983–95. Wolframs Stelle stand in Konkurrenz zur „Arbeitsgemeinschaft für deutsche Volkskunde“ des „Amtes Rosenberg“ in Salzburg, dem Landesschulrat und Gauschulungsleiter Karl Springenschmid, Helmut Amanshauser als Leiter der Gauarbeitsgemeinschaft und Karl Ruprecht (Hauptstellenleiter Volkskunde) sowie Karl Fiala (Rassenpolitik) angehörten. 1939 wurde Wolfram Extraordinarius des neu gegründeten Universitätsinstituts für germanisch-deutsche Volkskunde in Wien. Bis 1944 hielt er volkskundliche Vorlesungen u.a. für Lehramtskandidaten über „die verpflichtende Gemeinschaft des Blutes und des Geistes, die wir Volk nennen“. Diese Vorlesungen führte er von 1948–69 weiter; sie sind, neben dem Vereinswesen, Ursache für das breite Fortwirken seiner Ideologie. 1939 wurde Wolfram in den „Sonderstab des Reichsführers SS“ übernommen, im Zuge des „Hitler-Mussolini-Abkommens“ entwarf er Umsiedlungspläne und wurde 1940 Teil der „Kulturkommission“ in Südtirol, Leiter der Arbeitsgruppe „Brauchtum und Volkstanz“ sowie 1941/1942 in der deutschen Sprachinsel Gottschee (Slowenien). 1943 kam Wolfram nach Oslo (Norwegen) zur „Stabsabteilung der Waffen-SS beim Persönlichen Stab Reichsführer“ SS-Abteilung „Germanischer Wissenschaftseinsatz“. 1944 hielt er im Lager Sennheim/Elsass Umerziehungs-Vorlesungen für norwegische Studierende, die sich zur „SS-Legion Norwegen“ melden sollten; Kriegsverdienstkreuz 2. Klasse. In der Zeit seines Berufsverbotes nach 1945–48 führte Wolfram „Brauchtumsaufnahmen im Lande Salzburg“ in Zusammenarbeit mit dem Landesschulrat und seinem Netzwerk durch und wurde 1948 stellvertretender Vorstand des Salzburger Heimatwerks. 1951 korrespondierendes Mitglied im „International Folk Music Council“. 1953 Mitbegründer, 1958–91 Leiter der Gesellschaft für den Österreichischen Volkskundeatlas an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. 1954 venia legendi für Volkskunde, 1956 Titel, 1959 Amt des a.o. Prof. für Volkskunde, 1963–71 Ordinarius für Volkskunde an der Universität Wien. Zentraler Gedanke seiner 250 Publikationen blieb es, die „germanische Kontinuität“ aufzuspüren, als „ein jeglicher wissenschaftlicher Untersuchung vorgeschalteter Glaubenssatz“ (Helge Gerndt). Sein Werk blieb der ahistorischen Reliktforschung verhaftet und dessen in sich geschlossenem Referenzsystem von Vorannahmen. Auf dem Gebiet des Volkstanzes sowie der „Brauchtumspflege“ erlangte Wolfram europaweites Ansehen, was postfaktisch weiterwirkt. 1968 korrespondierendes, 1971 wirkliches Mitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Wolfram wurde mit zahlreichen Auszeichnungen Schwedens, der Republik Österreich (u.a. 1984 Österreichisches Ehrenkreuz erster Klasse für Wissenschaft und Kunst sowie Goldenes Ehrenzeichen des Landes Salzburg) und der österreichischen Bundesländer und Vereinigungen bedacht. Ab 1981 betrieb er das Legat seines Nachlasses auf den Todesfall an das Land Salzburg (1986 Vertrag, Übergabe 1996/97), was 1983 zur Gründung des Salzburger Landesinstituts für Volkskunde führte. Seit 1991 Richard-Wolfram-Raum im Schwedischen Tanzmuseum Stockholm. Seit 1968 sind über 30 großteils kritische Werke über Wolfram erschienen.

Lit.:

  • A. W. Höck: Richard Wolfram (1901–1995). Wir haben einen Stern, dem wir gefolgt sind. In: K. Hruza (Hg.): Österr. Historiker nach 1945. Veröff. ÖAW, Wien Dez. 2018.
  • O. Bockhorn: Die Angelegenheit Dr. Wolfram, Wien. Zur Besetzung der Professur für germanisch-deutsche Volkskunde an der Universität Wien. In: M. G. Ash u.a. (Hg): Geisteswissenschaften im Nationalsozialismus. Universität Wien. Göttingen 2010, S. 199–224.
  • Konrad Köstlin: Richard Wolfram 1901–1995. (= ÖZV 98), S. 480–483.
  • W. Haas (Hg.): Volkskunde und Brauchtumspflege im Nationalsozialismus in Salzburg (=SBzVK 8). Salzburg 1996.
  • W. Jacobeit, H. Lixfeld, O. Bockhorn (Hg.): Völkische Wissenschaft. Gestalten und Tendenzen der dt. und österr. Volkskunde. Wien 1994.

U.K.