Hausindustrie: Unterschied zwischen den Versionen

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'''Hausindustrie''', auch Hausgewerbe, dezentrale Manufaktur, Verlagshandel, Volkskunst. Die Hausindustrie war über Jahrhunderte (in Salzburg bedeutsam vom 17.–19. Jahrhundert) arbeitsteilige, dezentrale Manufaktur, gebunden an den intern. Verlagshandel. Teils wurden ganze Produktserien in arbeitsteiliger Heimarbeit von angelernten Kräften erzeugt (z.B. Hinterglasbilder, Holzspielwaren), teils wurden einzelne Produktionsphasen von Handwerkern und Manufakturbetrieben in Heimarbeit vergeben.
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'''Hausindustrie''', auch Hausgewerbe, dezentrale Manufaktur, Verlagshandel, Volkskunst. Die Hausindustrie war über Jahrhunderte (in Salzburg bedeutsam vom 17.–19. Jahrhundert) arbeitsteilige, dezentrale Manufaktur, gebunden an den internationalen Verlagshandel. Teils wurden ganze Produktserien in arbeitsteiliger Heimarbeit von angelernten Kräften erzeugt (z.B. Hinterglasbilder, Holzspielwaren), teils wurden einzelne Produktionsphasen von Handwerkern und Manufakturbetrieben in Heimarbeit vergeben.
  
 
Die Hausindustrie diente dem Nebenerwerb, der wirtschaftlichen Absicherung weiter Teile der Bevölkerung (Bauern, Bergleute, Salinenarbeiter, lediger und verwitweter Frauen, Kleingewerbetreibender etc.). Die Hausindustrie ging im Zuge der Industrialisierung zugrunde, erzeugte sie doch Güter des täglichen Bedarfs für finanzschwache Schichten, die von Handwerkern hergestellte Sachgüter nicht finanzieren konnten. Mit der Industrialisierung wurden viele dieser Güter (etwa Blechgefäße statt Binder- und Drechslerwaren aus Holz etc.) aus neuen Materialien billiger und zweckmäßiger erzeugt. Jene Sparten, in denen man im Zuge der Kunstgewerbe- und Volkskunstbewegung im 19. Jahrhundert „nationale Hausindustrie“ entdecken wollte bzw. welche gleichzeitig der nationalökonomischen Absicherung wirtschaftlich nicht aufschließbarer Gebiete dienten, wurden gefördert und schließlich (ab 1872 Jakob von Falke) als „Volkskunst“ benannt.
 
Die Hausindustrie diente dem Nebenerwerb, der wirtschaftlichen Absicherung weiter Teile der Bevölkerung (Bauern, Bergleute, Salinenarbeiter, lediger und verwitweter Frauen, Kleingewerbetreibender etc.). Die Hausindustrie ging im Zuge der Industrialisierung zugrunde, erzeugte sie doch Güter des täglichen Bedarfs für finanzschwache Schichten, die von Handwerkern hergestellte Sachgüter nicht finanzieren konnten. Mit der Industrialisierung wurden viele dieser Güter (etwa Blechgefäße statt Binder- und Drechslerwaren aus Holz etc.) aus neuen Materialien billiger und zweckmäßiger erzeugt. Jene Sparten, in denen man im Zuge der Kunstgewerbe- und Volkskunstbewegung im 19. Jahrhundert „nationale Hausindustrie“ entdecken wollte bzw. welche gleichzeitig der nationalökonomischen Absicherung wirtschaftlich nicht aufschließbarer Gebiete dienten, wurden gefördert und schließlich (ab 1872 Jakob von Falke) als „Volkskunst“ benannt.
  
Ihr wurden Qualitäten originärer, naiver Kunst zugeschrieben. Damit war ein neues Genre des Kunstgewerbes geboren, das erst durch die Forschungen seit den 1960er Jahren von unwissenschaftlichen Bewertungen und Klassifizierungen befreit wurde. Der größte Teil der seit der Jahrhundertwende als Volkskunst gesammelten Objekte entstammt dem Herstellungskreis der Hausindustrie und ländlicher Handwerker und wurde in Serien nach Nutzergruppen (soziale Ästhetik, Verwendungszweck) marktorientiert produziert. Die Halleiner Baumwoll-, Holz- und Beinwarenmanufakturen (in Verbindung mit Berchtesgaden) wurden 1810 als im Verfall begriffen ausgewiesen. Die Baumwollverarbeitung und der Handel mit Baumwollwaren war 1620 von den Knappen des Halleiner Bergbaues eröffnet worden, als wichtiger Nebenerwerb für Bergleute, Salzarbeiter und Kleinbauern.
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Ihr wurden Qualitäten originärer, naiver Kunst zugeschrieben. Damit war ein neues Genre des Kunstgewerbes geboren, das erst durch die Forschungen seit den 1960er-Jahren von unwissenschaftlichen Bewertungen und Klassifizierungen befreit wurde. Der größte Teil der seit der Jahrhundertwende als Volkskunst gesammelten Objekte entstammt dem Herstellungskreis der Hausindustrie und ländlicher Handwerker und wurde in Serien nach Nutzergruppen (soziale Ästhetik, Verwendungszweck) marktorientiert produziert. Die Halleiner Baumwoll-, Holz- und Beinwarenmanufakturen (in Verbindung mit Berchtesgaden) wurden 1810 als im Verfall begriffen ausgewiesen. Die Baumwollverarbeitung und der Handel mit Baumwollwaren war 1620 von den Knappen des Halleiner Bergbaues eröffnet worden, als wichtiger Nebenerwerb für Bergleute, Salzarbeiter und Kleinbauern.
  
 
Im 18. Jahrhundert beschäftigten 36 bürgerliche Fabrikanten 14.550 Personen und 1.130 Knappen mit Stricken, Spinnen, Waschen, Färben, Streichen, Weben und Sticken in Heimarbeit. Erzeugung von feinen Wirkwaren wie Wäsche, Strümpfen, Handschuhen, Westen. Die Salzlakenbeize führte zum berühmten Halleiner Reinweiß und die Indigo-Urinbeize zum Halleiner Blau. Im Jahre 1800 betrieben noch 18 Bürger den Verlagshandel und dezentrale Manufaktur, danach erfolgte der Niedergang. Die Rohmaterialien kamen aus Ägypten und Smyrna. 1758 gründete Erzbischof Sigismund Graf Schrattenbach im neuen Strafhaus (später Rochuskaserne Maxglan) eine Sockenstrickerei und Spinnerei zur Beschäftigung der umzuerziehenden Frauen, die bei Auflösung des Hauses erlosch. Als um 1800 die bäuerlichen Männerhosen und Frauenkleider lang wurden, erlebte die Baumwollmanufaktur die erste Einbuße, die billigen englischen Importwaren schädigten sie nachhaltig.
 
Im 18. Jahrhundert beschäftigten 36 bürgerliche Fabrikanten 14.550 Personen und 1.130 Knappen mit Stricken, Spinnen, Waschen, Färben, Streichen, Weben und Sticken in Heimarbeit. Erzeugung von feinen Wirkwaren wie Wäsche, Strümpfen, Handschuhen, Westen. Die Salzlakenbeize führte zum berühmten Halleiner Reinweiß und die Indigo-Urinbeize zum Halleiner Blau. Im Jahre 1800 betrieben noch 18 Bürger den Verlagshandel und dezentrale Manufaktur, danach erfolgte der Niedergang. Die Rohmaterialien kamen aus Ägypten und Smyrna. 1758 gründete Erzbischof Sigismund Graf Schrattenbach im neuen Strafhaus (später Rochuskaserne Maxglan) eine Sockenstrickerei und Spinnerei zur Beschäftigung der umzuerziehenden Frauen, die bei Auflösung des Hauses erlosch. Als um 1800 die bäuerlichen Männerhosen und Frauenkleider lang wurden, erlebte die Baumwollmanufaktur die erste Einbuße, die billigen englischen Importwaren schädigten sie nachhaltig.
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Die Holz- und Beinwarenmanufaktur (Handarbeitsnadeln, Büchsen, Kleinskulpturen) – möglicherweise wurden Holzrohlinge in Berchtesgaden und Gröden überarbeitet – brachte „Halleiner Tand in manches Land“. Neben den Holzgerätschaften erlangten die Spanschachteln, Krösendosen (von Chrisam, Taufgeschenk) und Kinderspielzeuge, die am längsten der industriellen Konkurrenz standhielten, weltweite Berühmtheit. 1851 sind bei einem Halleiner Verleger 25.000 Dutzend „ordinären Spielzeugs“ belegt, das teils als „Original Grödner Ware“ bis nach Tunis verschickt und teils als Christbaumschmuck beworben wurde.
 
Die Holz- und Beinwarenmanufaktur (Handarbeitsnadeln, Büchsen, Kleinskulpturen) – möglicherweise wurden Holzrohlinge in Berchtesgaden und Gröden überarbeitet – brachte „Halleiner Tand in manches Land“. Neben den Holzgerätschaften erlangten die Spanschachteln, Krösendosen (von Chrisam, Taufgeschenk) und Kinderspielzeuge, die am längsten der industriellen Konkurrenz standhielten, weltweite Berühmtheit. 1851 sind bei einem Halleiner Verleger 25.000 Dutzend „ordinären Spielzeugs“ belegt, das teils als „Original Grödner Ware“ bis nach Tunis verschickt und teils als Christbaumschmuck beworben wurde.
  
Der Halleiner Verleger [[Oedl]] bezog zur Mitte des 19. Jahrhunderts auch Waren aus Berchtesgaden und Mondsee; er besaß eine Niederlassung an der Roßlände in Wien, bei der auch der Hof einkaufte. Der Transport geschah in Fässern auf dem Wasserweg über Salzach, Inn und Donau. Hampelmänner, Fahrzeuge, Tiere und Docken (Puppen in Form eines [[Fatschenkindl]]s) wurden in Serien in Grobschnitzerei erzeugt bzw. aus gedrechselten Reifen geschnitten und überarbeitet. Stücke dieser Produktion sind heute im [[Salzburg Museum]] (Spielzeugmuseum im Bürgerspital) zu sehen. Die Marmorkugelerzeugung rund um den Untersberg (als Spielzeug wie als Schiffsballast) war Nebenerwerb der Forst- und Salinenarbeiter. In den 1920er Jahren blühte sie für touristische Zwecke wieder auf (Teller, Schüsseln, Vasen, Nippes). Heute existiert auf Salzburger Boden noch eine private Kugelmühle in Fürstenbrunn, die für das Untersbergmuseum arbeitet.
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Der Halleiner Verleger [[Oedl]] bezog zur Mitte des 19. Jahrhunderts auch Waren aus Berchtesgaden und Mondsee; er besaß eine Niederlassung an der Roßlände in Wien, bei der auch der Hof einkaufte. Der Transport geschah in Fässern auf dem Wasserweg über Salzach, Inn und Donau. Hampelmänner, Fahrzeuge, Tiere und Docken (Puppen in Form eines [[Fatschenkindl]]s) wurden in Serien in Grobschnitzerei erzeugt bzw. aus gedrechselten Reifen geschnitten und überarbeitet. Stücke dieser Produktion sind heute im [[Salzburg Museum]] (Spielzeugmuseum im Bürgerspital) zu sehen. Die Marmorkugelerzeugung rund um den Untersberg (als Spielzeug wie als Schiffsballast) war Nebenerwerb der Forst- und Salinenarbeiter. In den 1920er-Jahren blühte sie für touristische Zwecke wieder auf (Teller, Schüsseln, Vasen, Nippes). Heute existiert auf Salzburger Boden noch eine private Kugelmühle in Fürstenbrunn, die für das Untersbergmuseum arbeitet.
  
 
1810 gingen auch die Tuchmachereien in Laufen und Tittmoning durch die geringe Mauteinhebung für Importe zugrunde. Unter 14 von [[Koch-Sternfeld, Joseph Ernst Ritter von|Joseph Ernst Ritter von Koch-Sternfeld]] geforderten Reformmaßnahmen werden „Lehranstalten zur Hebung der Hausindustrie in gewissen Industriezweigen“ und die „Errichtung einer Niederlage und Schaustellung in der Hauptstadt für inländische Kunst- Manufakturs- und Fabriksprodukte“ gefordert. Die heute so berühmte ''Lungauer Webe'' aus Sauerfeld bei Tamsweg, eine bis zu 16-schäftige Woll-Jacquardwebe, dürfte mit einem Weber im 19. Jahrhundert aus Tirol akkulturiert worden sein.
 
1810 gingen auch die Tuchmachereien in Laufen und Tittmoning durch die geringe Mauteinhebung für Importe zugrunde. Unter 14 von [[Koch-Sternfeld, Joseph Ernst Ritter von|Joseph Ernst Ritter von Koch-Sternfeld]] geforderten Reformmaßnahmen werden „Lehranstalten zur Hebung der Hausindustrie in gewissen Industriezweigen“ und die „Errichtung einer Niederlage und Schaustellung in der Hauptstadt für inländische Kunst- Manufakturs- und Fabriksprodukte“ gefordert. Die heute so berühmte ''Lungauer Webe'' aus Sauerfeld bei Tamsweg, eine bis zu 16-schäftige Woll-Jacquardwebe, dürfte mit einem Weber im 19. Jahrhundert aus Tirol akkulturiert worden sein.
  
Mit der ersten Welle des Sommerfrischen- und des frühen Festspieltourismus fanden die letzten Erzeugnisse der Salzburger Hausindustrie großes Interesse bei Touristen und Alpinisten – darunter gestrickte Strümpfe (großer Reichtum an Zugmaschen- und Lochmustermodeln) und Westen, St. Gilgner Klöppelspitzen ([[Spitzen]]), Hausleinen der Störweber, geflochtene Stroh- und Schilfpatschen aus dem Flachgau und Salzkammergut, Filzpatschen aus dem Gebirge, neben gewerblich erzeugten federkielgestickten Männergürteln, Stroh- und Filzhüten wie silbernem „Bauernschmuck“ etc. Der Verein [[Heimatschutz]] ([[Karl Adrian]], [[Prinzinger, August d. J.|August Prinzinger d. J.]]) in Verbindung mit dem Gewerbeförderungsverein veranstaltete daher ab 1908 Kurse und Ausstellungen, um diese Techniken wieder zu verbreiten. Neben der Förderung heimischer Kleingewerbe standen touristische Vermarktung und Identitätsbildung im Zentrum des Interesses. Auch die zunehmende Zahl der [[Brauchtumsvereine]] garantierte nach 1950 den Absatz.
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Mit der ersten Welle des [[Tourismus |Sommerfrischen- und des frühen Festspieltourismus]] fanden die letzten Erzeugnisse der Salzburger Hausindustrie großes Interesse bei Touristen und Alpinisten – darunter gestrickte Strümpfe (großer Reichtum an Zugmaschen- und Lochmustermodeln) und Westen, St. Gilgner Klöppelspitzen ([[Spitzen und Borten|Spitzen]]), Hausleinen der Störweber, geflochtene Stroh- und Schilfpatschen aus dem Flachgau und Salzkammergut, Filzpatschen aus dem Gebirge, neben gewerblich erzeugten federkielgestickten Männergürteln, Stroh- und Filzhüten wie silbernem „Bauernschmuck“ etc. Der Verein [[Heimatschutz]] ([[Karl Adrian]], [[Prinzinger, August d. J.|August Prinzinger d. J.]]) in Verbindung mit dem Gewerbeförderungsverein veranstaltete daher ab 1908 Kurse und Ausstellungen, um diese Techniken wieder zu verbreiten. Neben der Förderung heimischer Kleingewerbe standen touristische Vermarktung und Identitätsbildung im Zentrum des Interesses. Auch die zunehmende Zahl der [[Brauchtumsvereine]] garantierte nach 1950 den Absatz.
  
 
Während der NS-Zeit wurde durch das Heimatwerk die hausgewerbliche Produktion vieler Güter populärer bzw. ideologisch bewerteter Ästhetik sowohl für den Verkauf im Heimatwerk als auch über Dorfabende (Spinn- und Webstuben) gefördert. Oft stellte nach 1945 die Weiterführung dieser Produktion die erste Erwerbsmöglichkeit für die Bevölkerung dar. So organisierte etwa [[Karl Heinrich Waggerl]] in Wagrain zwischen 1945–48 eine Spielzeug-Hausindustrie, die bis nach Übersee exportierte.
 
Während der NS-Zeit wurde durch das Heimatwerk die hausgewerbliche Produktion vieler Güter populärer bzw. ideologisch bewerteter Ästhetik sowohl für den Verkauf im Heimatwerk als auch über Dorfabende (Spinn- und Webstuben) gefördert. Oft stellte nach 1945 die Weiterführung dieser Produktion die erste Erwerbsmöglichkeit für die Bevölkerung dar. So organisierte etwa [[Karl Heinrich Waggerl]] in Wagrain zwischen 1945–48 eine Spielzeug-Hausindustrie, die bis nach Übersee exportierte.

Aktuelle Version vom 24. Mai 2021, 15:18 Uhr

Volkskunst 2 Federkiel Grübl FotoMG.jpg

Hausindustrie, auch Hausgewerbe, dezentrale Manufaktur, Verlagshandel, Volkskunst. Die Hausindustrie war über Jahrhunderte (in Salzburg bedeutsam vom 17.–19. Jahrhundert) arbeitsteilige, dezentrale Manufaktur, gebunden an den internationalen Verlagshandel. Teils wurden ganze Produktserien in arbeitsteiliger Heimarbeit von angelernten Kräften erzeugt (z.B. Hinterglasbilder, Holzspielwaren), teils wurden einzelne Produktionsphasen von Handwerkern und Manufakturbetrieben in Heimarbeit vergeben.

Die Hausindustrie diente dem Nebenerwerb, der wirtschaftlichen Absicherung weiter Teile der Bevölkerung (Bauern, Bergleute, Salinenarbeiter, lediger und verwitweter Frauen, Kleingewerbetreibender etc.). Die Hausindustrie ging im Zuge der Industrialisierung zugrunde, erzeugte sie doch Güter des täglichen Bedarfs für finanzschwache Schichten, die von Handwerkern hergestellte Sachgüter nicht finanzieren konnten. Mit der Industrialisierung wurden viele dieser Güter (etwa Blechgefäße statt Binder- und Drechslerwaren aus Holz etc.) aus neuen Materialien billiger und zweckmäßiger erzeugt. Jene Sparten, in denen man im Zuge der Kunstgewerbe- und Volkskunstbewegung im 19. Jahrhundert „nationale Hausindustrie“ entdecken wollte bzw. welche gleichzeitig der nationalökonomischen Absicherung wirtschaftlich nicht aufschließbarer Gebiete dienten, wurden gefördert und schließlich (ab 1872 Jakob von Falke) als „Volkskunst“ benannt.

Ihr wurden Qualitäten originärer, naiver Kunst zugeschrieben. Damit war ein neues Genre des Kunstgewerbes geboren, das erst durch die Forschungen seit den 1960er-Jahren von unwissenschaftlichen Bewertungen und Klassifizierungen befreit wurde. Der größte Teil der seit der Jahrhundertwende als Volkskunst gesammelten Objekte entstammt dem Herstellungskreis der Hausindustrie und ländlicher Handwerker und wurde in Serien nach Nutzergruppen (soziale Ästhetik, Verwendungszweck) marktorientiert produziert. Die Halleiner Baumwoll-, Holz- und Beinwarenmanufakturen (in Verbindung mit Berchtesgaden) wurden 1810 als im Verfall begriffen ausgewiesen. Die Baumwollverarbeitung und der Handel mit Baumwollwaren war 1620 von den Knappen des Halleiner Bergbaues eröffnet worden, als wichtiger Nebenerwerb für Bergleute, Salzarbeiter und Kleinbauern.

Im 18. Jahrhundert beschäftigten 36 bürgerliche Fabrikanten 14.550 Personen und 1.130 Knappen mit Stricken, Spinnen, Waschen, Färben, Streichen, Weben und Sticken in Heimarbeit. Erzeugung von feinen Wirkwaren wie Wäsche, Strümpfen, Handschuhen, Westen. Die Salzlakenbeize führte zum berühmten Halleiner Reinweiß und die Indigo-Urinbeize zum Halleiner Blau. Im Jahre 1800 betrieben noch 18 Bürger den Verlagshandel und dezentrale Manufaktur, danach erfolgte der Niedergang. Die Rohmaterialien kamen aus Ägypten und Smyrna. 1758 gründete Erzbischof Sigismund Graf Schrattenbach im neuen Strafhaus (später Rochuskaserne Maxglan) eine Sockenstrickerei und Spinnerei zur Beschäftigung der umzuerziehenden Frauen, die bei Auflösung des Hauses erlosch. Als um 1800 die bäuerlichen Männerhosen und Frauenkleider lang wurden, erlebte die Baumwollmanufaktur die erste Einbuße, die billigen englischen Importwaren schädigten sie nachhaltig.

Die Holz- und Beinwarenmanufaktur (Handarbeitsnadeln, Büchsen, Kleinskulpturen) – möglicherweise wurden Holzrohlinge in Berchtesgaden und Gröden überarbeitet – brachte „Halleiner Tand in manches Land“. Neben den Holzgerätschaften erlangten die Spanschachteln, Krösendosen (von Chrisam, Taufgeschenk) und Kinderspielzeuge, die am längsten der industriellen Konkurrenz standhielten, weltweite Berühmtheit. 1851 sind bei einem Halleiner Verleger 25.000 Dutzend „ordinären Spielzeugs“ belegt, das teils als „Original Grödner Ware“ bis nach Tunis verschickt und teils als Christbaumschmuck beworben wurde.

Der Halleiner Verleger Oedl bezog zur Mitte des 19. Jahrhunderts auch Waren aus Berchtesgaden und Mondsee; er besaß eine Niederlassung an der Roßlände in Wien, bei der auch der Hof einkaufte. Der Transport geschah in Fässern auf dem Wasserweg über Salzach, Inn und Donau. Hampelmänner, Fahrzeuge, Tiere und Docken (Puppen in Form eines Fatschenkindls) wurden in Serien in Grobschnitzerei erzeugt bzw. aus gedrechselten Reifen geschnitten und überarbeitet. Stücke dieser Produktion sind heute im Salzburg Museum (Spielzeugmuseum im Bürgerspital) zu sehen. Die Marmorkugelerzeugung rund um den Untersberg (als Spielzeug wie als Schiffsballast) war Nebenerwerb der Forst- und Salinenarbeiter. In den 1920er-Jahren blühte sie für touristische Zwecke wieder auf (Teller, Schüsseln, Vasen, Nippes). Heute existiert auf Salzburger Boden noch eine private Kugelmühle in Fürstenbrunn, die für das Untersbergmuseum arbeitet.

1810 gingen auch die Tuchmachereien in Laufen und Tittmoning durch die geringe Mauteinhebung für Importe zugrunde. Unter 14 von Joseph Ernst Ritter von Koch-Sternfeld geforderten Reformmaßnahmen werden „Lehranstalten zur Hebung der Hausindustrie in gewissen Industriezweigen“ und die „Errichtung einer Niederlage und Schaustellung in der Hauptstadt für inländische Kunst- Manufakturs- und Fabriksprodukte“ gefordert. Die heute so berühmte Lungauer Webe aus Sauerfeld bei Tamsweg, eine bis zu 16-schäftige Woll-Jacquardwebe, dürfte mit einem Weber im 19. Jahrhundert aus Tirol akkulturiert worden sein.

Mit der ersten Welle des Sommerfrischen- und des frühen Festspieltourismus fanden die letzten Erzeugnisse der Salzburger Hausindustrie großes Interesse bei Touristen und Alpinisten – darunter gestrickte Strümpfe (großer Reichtum an Zugmaschen- und Lochmustermodeln) und Westen, St. Gilgner Klöppelspitzen (Spitzen), Hausleinen der Störweber, geflochtene Stroh- und Schilfpatschen aus dem Flachgau und Salzkammergut, Filzpatschen aus dem Gebirge, neben gewerblich erzeugten federkielgestickten Männergürteln, Stroh- und Filzhüten wie silbernem „Bauernschmuck“ etc. Der Verein Heimatschutz (Karl Adrian, August Prinzinger d. J.) in Verbindung mit dem Gewerbeförderungsverein veranstaltete daher ab 1908 Kurse und Ausstellungen, um diese Techniken wieder zu verbreiten. Neben der Förderung heimischer Kleingewerbe standen touristische Vermarktung und Identitätsbildung im Zentrum des Interesses. Auch die zunehmende Zahl der Brauchtumsvereine garantierte nach 1950 den Absatz.

Während der NS-Zeit wurde durch das Heimatwerk die hausgewerbliche Produktion vieler Güter populärer bzw. ideologisch bewerteter Ästhetik sowohl für den Verkauf im Heimatwerk als auch über Dorfabende (Spinn- und Webstuben) gefördert. Oft stellte nach 1945 die Weiterführung dieser Produktion die erste Erwerbsmöglichkeit für die Bevölkerung dar. So organisierte etwa Karl Heinrich Waggerl in Wagrain zwischen 1945–48 eine Spielzeug-Hausindustrie, die bis nach Übersee exportierte.

Lit.:

  • M. Thonhauser: Textile Landschaft Salzburg: spitzenhafter Luxus und tägliches Brot 1600–1800. Neukirchen 2017.
  • A. Kromas: Zur Alltags- und Festkultur der Salzburger Bergknappen. In: Bergbau. Hg. von U. Kammerhofer-Aggermann. Salzburg 1998, S. 78.
  • G. Ammerer: Alles was sich rührt, beschäftigt sich mit Baumwollstricken. In: Salzburg Archiv 2, Salzburg 1986, S. 173–178.
  • L. Schmidt: Volkskunst in Österreich. Wien 1966.
  • F. Prodinger: Salzburger Volkskultur. Schriftenreihe des SMCA 4, 1963.
  • J. Koch-Sternfeld: Salzburg und Berchtesgaden in historisch-statistisch-geographisch- und staatsökonomischen Beyträgen. Salzburg 1810, S. 85–92.
  • F. Spaur: Reisen durch Oberdeutschland. 2/2. Bd., Passau 1805, S. 133f.

U.K.