Hausindustrie: Unterschied zwischen den Versionen

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Version vom 7. November 2016, 12:07 Uhr

Hausindustrie, auch Hausgewerbe, dezentrale Manufaktur, Verlagshandel, Volkskunst.

Die Hausindustrie war über Jahrhunderte (in Salzburg bedeutsam vom 17.-19. Jh.) arbeitsteilige, dezentrale Manufaktur, gebunden an den internationalen Verlagshandel. Teils wurden ganze Produktserien in arbeitsteiliger Heimarbeit von angelernten Kräften erzeugt (z. B. Hinterglasbilder, Holzspielwaren), teils wurden einzelne Produktionsphasen von Handwerkern und Manufakturbetrieben in Heimarbeit vergeben. H. diente dem Nebenerwerb, der wirtschaftlichen Absicherung weiter Teile der Bevölkerung (Bauern, Bergleute, Salinenarbeiter, lediger und verwitweter Frauen, Kleingewerbetreibender etc.). H. ging im Zuge der Industrialisierung zugrunde, erzeugte sie doch Güter des täglichen Bedarfs für untere Schichten, die von Handwerkern hergestellte Sachgüter nicht finanzieren konnten. Mit der Industrialisierung wurden viele dieser Güter (etwa Blechgefäße statt Binder- und Drechslerwaren aus Holz etc.) aus neuen Materialien billiger und zweckmäßiger erzeugt. Jene Sparten, in denen man im Zuge der Kunstgewerbe- und Volkskunstbewegung im 19. Jh. »nationale Hausindustrie« entdecken wollte bzw. welche gleichzeitig der nationalökonomischen Absicherungwirtschaftlich nicht aufschließbarer Gebiete dienten, wurden gefördert und schließlich (ab 1872 Jakob von Falke) als »Volkskunst« benannt. Der Volkskunst wurden Qualitäten originärer, naiver Kunst zugeschrieben. Damit war ein neues Genre des Kunstgewerbes geboren, das erst durch die Forschungen seit den 1960er Jahren von unwissenschaftlichen Bewertungen und Klassifizierungen befreit wurde. Der größte Teil der seit der Jahrhundertwende als »Volkskunst « gesammelten Objekte entstammt dem Herstellungskreis der Hausindustrie und ländlicher Handwerker und wurde in Serien, den Verwendungszwecken, der sozialen Ästhetik und den Weltbildern der Nutzergruppen entsprechend produziert.

Die Halleiner Baumwoll-, Holz- und Beinwarenmanufakturen (in Verbindung mit Berchtesgaden) wurden 1810 als im Verfall begriffen ausgewiesen. Die Baumwollverarbeitung und der Handel mit Baumwollwaren war 1620 von den Knappen des Halleiner Bergbaues eröffnet worden, als wichtiger Nebenerwerb für Knappen, Salzarbeiter und Kleinbauern. Im18. Jh. beschäftigten 36 bürgerliche Fabrikanten 14 550 Personen und 1130 Knappen mit Stricken, Spinnen, Waschen, Färben, Streichen, Weben und Sticken, in Heimarbeit. Erzeugung von feinen Wirkwaren wie Wäsche, Strümpfe, Handschuhe, Westen. Die Salzlakenbeize führte zum berühmten Halleiner Reinweiß und die Indigo-Urinbeize zum Halleiner Blau. Im Jahre 1800 betrieben noch 18 Bürger den Verlagshandel und dezentrale Manufaktur, danach erfolgte der Niedergang. Die Rohmaterialien kamen aus Ägypten und Smyrna. 1758 gründete Eb. Sigismund von Schrattenbach im neuen Strafhaus (später Rochuskaserne Maxglan) eine Sockenstrickerei und Spinnerei zur Beschäftigung der umzuerziehenden Frauen, die bei Auflösung des Hauses erlosch. Als um 1800 die bäuerlichen Männerhosen und Frauenkleider lang wurden, erlebte die Baumwollmanufaktur die erste Einbuße, die billigen englischen Importwaren schädigten sie nachhaltig.

Die Holz- und Beinwarenmanufaktur (Handarbeitsnadeln, Büchsen, Kleinskulpturen) - möglicherweise wurden Holzrohlinge in Berchtesgaden und Gröden überarbeitet - brachte »Halleiner Tand in manches Land«. Neben den Holzgerätschaften erlangten die Spanschachteln, Krösendosen (von Chrisam, Taufgeschenke) und Kinderspielzeuge, die am längsten der industriellen Konkurrenz standhielten, weltweite Berühmtheit. 1851 sind bei einem Halleiner Verleger 25 000 Dutzend »ordinären Spielzeugs« belegt, die teils als »Original Grödner Ware« bis nach Tunis verschickt und teils als Christbaumschmuck beworben wurden. Der Halleiner Verleger →Oedl bezog zur Mitte des 19. Jh.s auch Waren aus Berchtesgaden und Mondsee, er besaß eine Niederlassung an der Roßlände in Wien, bei der auch der Hof einkaufte. Der Transport geschah in Fässern auf dem Wasserweg über Salzach, Inn und Donau. Hampelmänner, Fahrzeuge, Tiere und Docken (Puppen in Form eines →Fatschenkindls) wurden in Serien in Grobschnitzerei erzeugt bzw. aus gedrechselten Reifen geschnitten und überarbeitet. Stücke dieser Produktion sind heute im Salzburger Spielzeugmuseum im Bürgerspital. Die Marmorkugelerzeugung rund um den Untersberg - als Spielzeug wie als Schiffsballast - war Nebenerwerb der Forst- und Salinenarbeiter. In den 1920er Jahren blühte sie für touristische Zwecke wieder auf. Heute existiert auf Salzburger Boden noch eine private Kugelmühle in Fürstenbrunn, die für das Untersbergmuseum arbeitet.

1810 gingen auch die Tuchmachereien in Laufen und Tittmoning durch die geringe Mauteinhebung für Importe zugrunde. Unter 14 von J. E. →Koch-Sternfeld geforderten Reformmaßnahmen werden »Lehranstalten zur Hebung der Hausindustrie in gewissen Industriezweigen« und die »Errichtung einer Niederlage und Schaustellung in der Hauptstadt für inländische Kunst- Manufaktursund Fabriksprodukte« gefordert. Die heute so berühmte »Lungauer Webe« aus Sauerfeld bei Tamsweg, eine bis zu 16-schäftige Woll- Jacquardwebe, dürfte mit einem Weber im 19. Jh. aus Tirol akkulturiert worden sein.

Mit der ersten Welle des Sommerfrischen und schließlich des frühen Festspieltourismus fanden die letzten Erzeugnisse der Salzburger Hausindustrie - darunter gestrickte Strümpfe (großer Reichtum an Zugmaschen- und Lochmustermodeln) und Westen, Klöppelspitzen (→Spitzen), Hausleinen der Störweber, geflochtene Stroh- und Schilfpatschen aus dem Flachgau und Salzkammergut, Filzpatschen aus dem Gebirge, neben gewerblich erzeugten federkielgestickten Männergürteln, Strohund Filzhüten wie silbernem»Bauernschmuck«, etc. - großes Interesse bei Touristen und Alpinisten. Der Verein →Heimatschutz (K. →Adrian, A. →Prinzinger d. J.) in Verbindung mit dem Gewerbeförderungsverein veranstaltete daher ab 1908 Kurse und Ausstellungen, um diese Techniken wieder zu verbreiten. Neben der Förderung heimischer Kleingewerbe standen touristische Vermarktung und Identitätsbildung im Zentrum des Interesses. Auch die zunehmende Zahl der →Brauchtumsvereine garantierte nach 1950 den Absatz.

Während der NS-Zeit wurde durch das Heimatwerk die hausgewerbliche Produktion vieler Güter populärer bzw. ideologisch bewerteter Ästhetik sowohl für den Verkauf im Heimatwerk als auch über Dorfabende (Spinn- und Webstuben) gefördert. Oft stellte nach 1945 die Weiterführung dieser Produktion die erste Erwerbsmöglichkeit für die Bevölkerung dar. So organisierte etwa K. H. →Wagggerl in Wagrain zwischen 1. 12. 1945 und 1948 eine Spielzeug-Hausindustrie, die bis nach Übersee exportierte.

Literatur:

  • A. Kromas: Zur Alltags- und Festkultur der Salzburger Bergknappen. In: Bergbau. Alltag und Identität der Dürrnberger Bergknappen und Halleiner Salinenarbeiter in Geschichte und Gegenwart, hg. von U. Kammerhofer-Aggermann (=SBzVK 10), Salzburg 1998, S. 78.
  • G. Ammerer: Alleswas sich rührt, beschäftigt sich mit Baumwollstricken. Bemerkungen zum Halleiner Wollverlag im 17. und 18. Jh., in: Salzburg Archiv, Salzburg 1986, Bd. 2, S. 173-178.
  • L. Schmidt: Volkskunst in Österreich. Wien 1966.
  • F. Prodinger: Salzburger Volkskultur. Schriftenreihe des SMCA 4, 1963.
  • J. Koch- Sternfeld: Salzburg und Berchtesgaden in historisch-statistisch- geographisch- und staatsökonomischen Beyträgen. Salzburg 1810, S. 85-92.
  • F. Spaur: Reisen durch Oberdeutschland. In Briefen an einen vertrauten Freund. 2/2. Bd., Passau 1805, S. 133 f.

U.K.