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Version vom 28. März 2018, 06:37 Uhr
Literatur
Musik und Architektur formen stärker das Bild Salzburgs als die Literatur. In mancher Salzburger Geschichtsepoche gewinnen aber Autoren und ihre literarischen Werke überregionale Bedeutung. Allerdings gibt es auch große Epochen der deutschsprachigen Literatur, an denen Salzburg nur bescheiden mitwirkte.
Als auf Bestreben Karls des Großen 798 Salzburg unter Bischof Arn(o) zum Erzbistum erhoben wurde, verlieh das dem Gebiet politisch, geistlich und kulturell eine Führungsposition. Das karolingische Schrifttum hatte hier aber kaum zu nennenswerten eigenständigen Dichtungen geführt. Erst aus der Literatur des späten Mittelalters ragt überregional der sogenannte Mönch von Salzburg hervor, der als Dichter und Komponist geistliche und weltliche Lieder schuf. Der kunstsinnige Erzbischof Pilgrim von Puchheim (1365-1396) ernannte ihn zum Hofdichter. Vielleicht verbarg sich auch der Erzbischof selbst hinter dem Pseudonym. Der Humanismus in Salzburg verband sich mit dem Katholizismus, Stätten seiner Pflege waren die Klöster. Aber selbst Kardinal Matthäus Lang (1519-1540) gelang es trotz seiner europäischen Kontakte nicht, Salzburg besondere literarische Bedeutung zu verschaffen.Wohl spielte man Schuldramen an der Domschule; wohl gründete man die erste Salzburger Buchdruckerei, die Hans Sachsens #Lobspruch auf Salzburg# (1550) druckte; wohl erschienen da auch die Schriften des Naturforschers und Arztes Paracelsus (1493-1541); trotz allem entstand aber in Salzburg keine humanistische Literatur von überregionaler Bedeutung.
Dies gelang erst im Zeitalter des Barock, in dem Salzburgs literarische und theatralische Kultur weit über die Grenzen des Landes hinausstrahlte. Vor allem die Erzbischöfe Wolf Dietrich (1587-1612) und Paris Lodron (1619-1653) schufen durch ihren landesfürstlichen Absolutismus die künstlerischen und politischen Voraussetzungen für eine repräsentative Barockliteratur.
Die Theatertradition der Benediktineruniversität (1622-1778) reichte über den Barockzeitraum hinaus in das deutsche Rokoko und die Aufklärung hinein. Ihr lateinisches Drama war neben dem fürsterzbischöflichen Hoftheater (Residenz und Hellbrunner Steintheater) und dem Volkstheater (Saalfeldner Passion, biblische Spiele der Halleiner und Oberndorfer Salzachschiffer) die bestimmende Form des Barocktheaters. Hauptträger dieses Bildungstheaters waren die heimische Universität, ihre Professoren (als Dichter und Regisseure) und ihre Studierenden (als Schauspieler). Über 370 verschiedene Stücke von 47 namentlich bekannten Dichtern sind uns als aufgeführt bezeugt, von etwa einem Drittel sind die Texte überliefert. Unter den Dichtern sind Otto Aicher (1628-1705), der Lehrer Abrahams a Sancta Clara, und Simon Rettenbacher (1636-1705) die bekanntesten. Unter Erzbischof Sigismund von Schrattenbach (1753-1771) löste die heitere Form des Singspiels die Barocktragödie zum Teil ab.
Florian Reichssiegels deutsches Singspiel #Hochzeit auf der Alm# hat Bernhard Paumgartner neu herausgegeben. Das letzte nachweisbare Spiel war 1778 eine Bearbeitung von Klopstocks #Abels Tod#, wie Reichssiegels Singspiel mit Musik von Michael Haydn.
Die Theateraufführungen fanden als repräsentative öffentliche Semesterund Jahresschlußfeiern der Universität oder bei hohen Festen (Fürstenbesuchen) statt. Den lateinischen Stücken wurden schon bald komische deutsche Zwischenspiele eingefügt; die Narrenfigur darin trägt Lungauer Bauerntracht. Diesen regionalen bäuerlichen Hanswurst hat Joseph Anton Stranitzky (1676-1726), der selbst in Salzburg gespielt haben soll, in die Wiener Volkskomödie gebracht.
Die barocke Predigt wurde besonders von den Kapuzinern gepflegt, die Wolf Dietrich anstelle der Jesuiten ins Land gerufen hatte.Der Lyriker und Predigtschriftsteller Procopius von Templin, der volkstümliche deutsche Marienlieder schrieb, ist der bekannteste.
Im Zeitalter der Aufklärung bestimmten drei Akzente die Literatur Salzburgs: 1. die philosophisch-politisch-pädagogischen Reforminteressen der Salzburger Aufklärer, 2. die daraus erwachsende Publizistik und 3. das Jugendschrifttum.
In den letzten Jahrzehnten des Fürsterzbistums setzte Erzbischof Hieronymus Colloredo (1772-1803) hier josephinische Gedanken durch. Die Salzburger Gebildeten und Gelehrten wandten sich einhellig gegen den Obskurantismus und artikulierten diese ihre Meinung so, daß man sogar von einer #Salzburger Aufklärung# spricht, die durch publizistische Tätigkeit weit in den süddeutschen Raum hinauswirkte. Ihre führende Persönlichkeit war der Redakteur Lorenz Hübner (1751-1807), den der Erzbischof aus München berufen hatte, damit er die #Salzburger Staatszeitung # effektvoll reformiere. Überregionale Wirkung erreichte die #Oberdeutsche Staatszeitung# und später die ebenfalls von L. Hübner herausgegebene #Oberdeutsche Allgemeine Litteratur-Zeitung# (1788- 1811). Vom katholischen Standpunkt aus wurden hier die deutschsprachigen Neuerscheinungen auf philosophisch-historischem, theologischem, naturwissenschaftlichem und nicht zuletzt literarischem Gebiet rezensiert. Daß die Kritiker auch vor Geistesgrößen wie Goethe und Schiller wenig Respekt zeigten, bestätigt die Antwort der beiden Dichter in ihrem Xenienalmanach: #Seht auch,wie ihr in Salzburg den groben Fäusten entschlüpfet/ die Berenices Haar striegeln mit eisernem Kamm.#
Obwohl der Aufklärer Lorenz Hübner, der zwischen Aufklärung und Romantik stehende Reformpädagoge FranzMichael Vierthaler und andere selbst Dramen und erzählende Werke publizierten, wirkte die Salzburger Dichtung nicht über den engeren Raum hinaus. Der Jugendlektüre widmeten sich die Aufklärer auch in Salzburg, besonders zu nennen sind Ägid Jais mit seinem #Lesebuch für meine Schüler zur Bildung ihres Herzens# (Salzburg 1784) und eine Bearbeitung von Rochows #Kinderfreund# (1774). Diese Tradition der Jugendschriftstellerei setzte sich hier ins folgende Jahrhundert hinein fort. P. Heinrich Schwarz gründete im Jahre 1850 eine christliche Kinderzeitung, sie war als erste Jugendzeitschrift Österreichs unter dem Einfluß des deutschen Kinderbuchautors Christoph Schmid entstanden.
Klassik und Romantik haben sich in der Salzburger Dichtung nachhaltig niedergeschlagen; die von Franz Michael Vierthaler geleitete #Literatur- Zeitung von Salzburg# (später #Süddeutschlands pragmatische Annalen der Literatur und Kultur#) machte der hieher übersiedelte Naturphilosoph Johann JakobWagner zu einer Publikation der Romantik. Sie vermittelte den Lesern die neue romantische Poesie und die Philosophie Schellings. Joseph Mohr und Franz Gruber schrieben dasWeihnachtslied #Stille Nacht, heilige Nacht#, das heute weltbekannt ist. Der Realismus brachte wieder wenig mehr als regionale Schriftstellerei mit üblichem Heimatbezug. Dichtung in Salzburger Mundart, die bis heute lebhaft gepflegt wird, schrieben Sylvester Wagner und August Radnitzky, der #Fink von Mattsee#; beide hat der Oberösterreicher Franz Stelzhamer angeregt und beeinflußt.
Wenn Salzburg auch im 19. Jahrhundert keine besondere literarische Bedeutung erlangte, so lebten doch hier immer wieder Persönlichkeiten, die mit der Literatur ihrer Zeit Kontakte hatten und Autoren einluden. Ab 1870 war dies Julius Alexander Schindler, der sich als Autor Julius von der Traun nannte. Als Politiker des liberalen Bürgertums zog er sich auf Schloß Leopoldskron zurück, seiner Einladung folgten Theodor Storm, AdolfWilbrandt, Franz Stelzhamer und andere;mit Friedrich Hebbel und Paul Heyse stand er in Briefverkehr, Ferdinand Sauters verstreute Gedichte gab er in einer ersten Sammlung (1855) heraus. In diese Zeit fällt auch, als eine Art Spätfrucht der lokalen Romantik, die Gründung der #Gesellschaft für Salzburger Landeskunde# im Jahr 1860.
Um die Jahrhundertwende dachte man in Salzburg literarisch ziemlich traditionell,man betrachtete dieModerne skeptisch.Dieser Kontrast zwischen den modernen Künstlern und der konservativen Salzburger Bevölkerung akzentuiert immer wieder die örtliche Kunst- und Literaturentwicklung. Das bezeugt das Schicksal verschiedener Künstlervereinigungen, wie #Pan# (1897 gegründet), #Der Wassermann# (1918 gegründet), #Sonderbund österreichischer Künstler in Salzburg# und #Literarische Gesellschaft#. In der #Pan#-Runde saß nebenHans Seebach-Demel,Heinrich von Schullern, Irma von Troll-Borostyáni und anderen ein schweigsamer Jüngling: Georg Trakl (1887-1914), seine visionären Dichtungen sind deutscheWeltliteratur. Nach dem Krieg produzierten Karl Heinrich Waggerl (1897-1973), Georg Rendl (1903-1972) und Georg Eberl (1893-1975) hier noch traditionelle Literatur und fanden ihr Publikum.Waggerl war, trotz seiner Nähe zum Nationalsozialismus, der erfolgreichste unter ihnen. Den #Nachholbedarf# an deutschsprachiger Exilliteratur und internationaler zeitgenössischer Moderne stillte Ernst Schönwiese mit seiner Zeitschrift #Das Silberboot# (1946), die Texte von Hermann Broch, Robert Musil, Franz Kafka, auch von Theodor Kramer und ErnstWaldinger brachte.
Die Salzburger Kriegs- und Nachkriegszeit thematisierte Thomas Bernhard (1931-1989), der Kindheit und Jugendjahre hier bei seinem Großvater, dem Staatspreisträger von 1937, Johannes Freumbichler (1881- 1949), verlebte: #Die Erforschung der eigenen Herkunft bleibt das Lebensthema Thomas Bernhards# (Hans Höller).Die Uraufführungen seiner Dramen von 1972 bis 1986 bei den Festspielen bilden Glanzpunkte der österreichischen Theatergeschichte. Die Konstituierung der #Internationalen Thomas-Bernhard-Gesellschaft# (ITBG) 1999 in Salzburg läßt neue Aktivitäten zur Verbreitung seinesWerkes für die Zukunft erwarten. Die kreative Rezeption zeitgenössischer Literatur, die in Salzburg in den späten 60er und frühen 70er Jahren begann, förderten und bewirkten: der ORF Salzburg unter Intendant Rudolf Bayr (1919-1990) und Hörspielabteilungsleiter Klaus Gmeiner – die Universität mit ihrer die Gegenwartsliteratur betonenden Germanistik durch Professoren wie Walter Weiss, Adolf Haslinger, Josef Donnenberg und Karlheinz Rossbacher – die Gründung der #Leselampe# 1967 durch Josef Donnenberg und die Literaturzeitschrift #Salz# (1975 ff.) – das zunehmend durchWerke österreichischer Autoren angereicherte Literaturprogramm des Residenz Verlages – die Aktivitäten des Otto Müller Verlages – die #Rauriser Literaturtage#, gegründet 1971 von Erwin Gimmelsberger – und manch andere Aktivität in diesem literarisch-künstlerischen Umfeld. Dadurch stieg das Interesse an Gegenwartsliteratur gewaltig an. Lesungen fast aller bekannten Autorinnen und Autoren deutscher Sprache luden zur persönlichen Begegnung und weiteren Beschäftigung mit diesen Künstlern ein.
Bedeutsam für die Salzburger Literaturszene sind zwei überregionale Zeitschriften: #Literatur und Kritik# (1966 ff.) im Salzburger Otto Müller Verlag und die #Protokolle# (1966-1997), deren Herausgeber Otto Breicha von 1977 bis 1997 das Salzburger Rupertinum leitete. Während die #Protokolle# eigenwillig ein enorm anregendes Single-Dasein führten, entfachte das Herausgeberteam von #Literatur und Kritik# eine überregionale Literaturdebatte. Die junge Generation forderte von Kurt Klinger (Redakteur von 1979-1990) Mitwirkung und Änderungen. Ihrem Wortführer Karl-Markus Gauß samt Teamgelang es bald nach Übernahme der Redaktion, den Ruf #als eine der bedeutendsten Kulturzeitschriften des deutschsprachigen Raums# wieder herzustellen (Renate Langer). Die regionalen Salzburger Literaturzeitschriften sind #Salz# (1975 ff.) #Projekt-IL# (1975-1980), #Antenne# (1977-1980), #erostepost# (1987 ff.) und #Prolit# (1988-1993). Sie haben verschiedene Absichten, aber ähnliche Abnehmer und bieten jungen Autoren frühe Chancen zur Veröffentlichung. Charakteristisch für die Salzburger Literaturgeschichte seit 1945 sind folgende Phänomene, die der Gegenwartsliteratur Bedeutung und Publikumswirkung verschafften:Der 1952 zum65. Geburtstag Georg Trakls vom Land Salzburg gestiftete #Georg-Trakl-Preis für Lyrik# förderte die #Neubelebung der heimischen Literaturszene im Geiste der Moderne# (Hildemar Holl). Seit 1954 wechseln Landespreis und Bundespreis einander ab.
Die #Rauriser Literaturtage# sind mit Lesungen, Autorenbegegnungen, Diskussionen, Seminaren und Literaturpreisen ein überregional akzeptiertes Ereignis im ländlichen Raum. Erwin Gimmelsberger hat sie 1971 gegründet, ausgebaut und bis 1987 geleitet.Nach FranzMayrhofer (1988- 89) übernahm 1990 Brita Steinwendtner die Leitung und gab dem Programm durch thematische Akzente neuen Schwung.
In der Stadt ist das aktivste literarische Zentrum das #Literaturhaus Salzburg # im historischen #Eizenbergerhof# geworden. Seit 1991 entfaltet es, unter der Leitung von Tomas Friedmann, vielfältige Veranstaltungsaktivitäten. Diese bringen, gemeinsam mit allen Salzburger Literatureinrichtungen, der zeitgenössischen Literatur ein wachsendes Publikum. Der Residenz Verlag war der Hauptinitiator für die Etablierung der zeitgenössischen Literatur in Salzburg. Seine Autoren brachten literarisches Leben hieher: Peter Handke lebte während der Gymnasialzeit seiner Tochter von 1979 bis 1988 auf dem Mönchsberg. H. C. Artmann, Peter Rosei u. a. schrieben jahrelang hier. Neue Autoren debütierten, wie Alois Brandstetter 1972 mit dem Erzählband #Die Überwindung der Blitzangst #, Franz Innerhofer 1974 mit dem Roman #Schöne Tage#, der viel Aufsehen erregte. Ein zeitgenössisches Buch, das auch ländliche Schichten zum Lesen fiktionaler Literatur bewegte. Daß der Verlag bemerkenswerten Rang im deutschsprachigen Raum erreichte, haben Rudolf Bayr, der Freund und Berater des Verlegers Wolfgang Schaffler, und, nachdem Schaffler den Residenz Verlag an den Bundesverlag verkauft hat, sein Nachfolger Jochen Jung bewirkt.
Der vielfältigen Dokumentation Salzburger Literatur dient das #Salzburger Literaturarchiv#. 1977 von Adolf Haslinger gegründet,wurde es 1996 eine Stiftung. Diese verwahrt Autographen von Gerhard Amanshauser über Thomas Bernhard und von Peter Handke bis zu Stefan Zweig. Heute gehen die kräftigsten Impulse zum gegenwärtigen literarischen Leben vomLiteraturhaus aus.Hier sammelt sich auch die neue Generation der Salzburger Schriftsteller: Neben Walter Kappacher, Christine Haidegger, ChristianWallner, Karl-Markus Gauß, Georg Schmid, Catarina Carsten sind dies u. a. Christoph W. Aigner, Max Blaeulich, Christoph Janacs, Ludwig Laher, Dorothea Macheiner, Walter Müller, Fritz Popp, Gudrun Seidenauer, Wilfried Steiner, Wolfgang Wenger und O. P. Zier.
Adolf Haslinger