Volkstanz: Unterschied zwischen den Versionen

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'''Volkstanz'''. Neben dem geselligen Tanz, der im steten Austausch mit den Tänzen anderer Gesellschaftsgruppen stand (→Volksmusik), erhielten sich im Zusammenhang mit Festen und Bräuchen ältere Reigentänze im Bereich des Volkstanzes.
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'''Volkstanz'''. Neben dem geselligen Tanz, der im steten Austausch mit den Tänzen anderer Gesellschaftsgruppen stand (→Volksmusik), erhielten sich im Zusammenhang mit Festen und Bräuchen ältere (Reigen-)Tänze im Bereich des Volkstanzes.
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Generell gilt für sie, das sie einst ebenfalls dem kulturellen Austausch zwischen den Gesellschaftsschichten unterlagen. Im Laufe des 18. Jh.s Rückgang und schließlich Neubewertung und Wiederaufnahme durch die städtische Begeisterung für das Landleben seit der Mitte des 19. Jh.s; Beginn der Pflegebestrebungen in Vereinen. Zu den in der Volkstanzbewegung stilisierten und fixierten Tänzen zählen etwa die Bandel- und Reiftänze, die seit dem 15. Jh. nachweisbar sind, die Ländler die Ketten- und Paartanz in typischen Figuren abwechseln, ........  
  
Generell gilt für sie, daß sie den Berichten der Chronisten zufolge im Laufe des 18. Jh.s zurückgedrängt wurden und durch die oberschichtlichen Altertums- und Pflegebewegungen seit der Mitte des 19. Jh.s neu bewertet und schließlich ab dem ausgehenden 19. Jh. erneuert und gepflegt wurden. Dazu zählen die Bandel- und Reiftänze, die seit dem 15. Jh. nachweisbar sind. Ebenso haben sich Ketten- und Schwerttänze der Handwerkerzünfte erhalten.
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Neben den Paartänzen haben sich auch Männertänze erhalten, für die zwei historische Ebenen feststellbar sind: die adeligen Männertänze des Spätmittelalters wie Kettentänze und Moresken, die als Zunft- und Standestänze an vielen Festtagen auch seit dem 14. Jahrhundert in den Handelsstädten Europas und den Bergbauregionen feststellbar sind. Sie verlieren sich im 19. Jh. Gewerbe- und Stadtakten liefern Belege für die Aufführungstermine. Einige davon haben sich, irrtümlich als "Volkstänze" bezeichnet, erhalten. Dazu zählen in Salzburg der Schwerttanz der Dürrnberger Bergknappen, der Böcksteiner Knappentanz, wie der Russentanz. Der Salzburger Binder- oder Küfertanz, ebenfalls ein Zunfttanz, der an den Dünzeltagen, den Jahrtagen, aufgeführt worden war, stellt eine Neubearbeitung (1924 durch K. →Adrian, nach 100-jähriger Pause, am Vorbild des ebenfalls erneuerten Münchner Schäfflertanzes)dar. Die älteste Nachricht darüber stammt aus dem 15. Jh., Tänzer waren die Gesellen der Zunft in festlicher Standestracht, die diese Tänze an Festtagen der Zunft und im Fasching öffentlich aufführten. Für den Halleiner Küfertanz sind Beschreibungen des 19. Jh.s erhalten. Verbindendes Element bei diesem Männerreigen sind fichten- und girlandenumwundene Halbkreisbögen, die »Reifen«. Die einzelnen Tanzfiguren werden heute als Abstraktionen der Arbeitsvorgänge gedeutet, wiewohl sie einst quer durch Europa bei allen Berufsgruppen gleich waren und alle Möglichkeiten des Reigen- und Kettentanzes ausschöpfen.. Heute wird der Bindertanz von der Salzburger Brauchtumsgruppe »Jung Alpenland« zu besonderen öffentlichen Festen (z. B. Dult, Fest zur Festspieleröffnung etc.) aufgeführt. Die Binder und Küfer hatten als Lieferanten von Arbeitsgeräten (Bottiche, Schäffer), Bierfässern und Salzkufen große Bedeutung (Ende des 18. Jh.s belieferten sie zwölf Brauereien in der Stadt Salzburg). Der →Dürrnberger Schwerttanz ist archivalisch in Bild und Schrift besonders gut belegbar.
 
 
Der Salzburger Binder- oder Küfertanz stellt eine Neubearbeitung (1924 durch K. →Adrian, nach 100-jähriger Pause, am Vorbild des neubelebten Münchner Schäfflertanzes) eines historischen Zunfttanzes dar. Die älteste Nachricht darüber stammt aus dem 15. Jh., Tänzer waren die Gesellen der Zunft, die diese Tänze an Festtagen der Zunft und im Fasching öffentlich aufführten. Die Gesellen tanzten dabei in ihrer festlichen Standestracht. Für den Halleiner Küfertanz sind Beschreibungen des 19. Jh.s erhalten. Verbindendes Element bei diesem Männerreigen sind fichten- und girlandenumwundene Halbkreisbögen, die »Reifen«. Die einzelnen Tanzfiguren werden heute als Abstraktionen der Arbeitsvorgänge gedeutet, wiewohl sie einst quer durch Europa bei allen Berufsgruppen gleich waren und alle Möglichkeiten des Reigen- und Kettentanzes ausschöpfen. Diese Handwerkertänze waren im Spätmittelalter und der Renaissancezeit über alle europäischen Handelsstädte und Bergwerksregionen hin verbreitet und verlieren sich im 19. Jh. Gewerbe- und Stadtakten liefern Belege für die Aufführungstermine. Heute wird der Bindertanz von der Salzburger Brauchtumsgruppe »Jung Alpenland« zu besonderen öffentlichen Festen (z. B. Dult, Fest zur Festspieleröffnung etc.) aufgeführt. Die Binder und Küfer hatten als Lieferanten von Arbeitsgeräten (Bottiche, Schäffer), Bierfässern und Salzkufen große Bedeutung (Ende des 18. Jh.s belieferten sie zwölf Brauereien in der Stadt Salzburg). Der →Dürrnberger Schwerttanz ist archivalisch in Bild und Schrift besonders gut belegbar.
 
  
 
Der Lungauer Russentanz, heute durch die →Vereinigten in Tamsweg ausgeführt, soll nach mündlicher Überlieferung aus Weißrussland bzw. dem Kosakengebiet durch nicht nachweisbare Bergknappen eingeführt worden sein. Diese Ursprungslegende ist historisch nicht nachvollziehbar, doch fehlen zum Tanz alle Quellen. Tatsächlich dürfte der Russentanz eine Fehlinterpretation bei Wiederaufnahme eines einstigen Bergmannstanzes sein, der vielfach Verwandtschaft mit Zunft- und Standestänzen aufweist. Die roten »Kosakenblusen« könnten eine Fehlinterpretation der einstigen rot-weißen Salzburger Bergmannstracht darstellen. Auch eine Fehlinterpretation eines Faschingsbrauches des 18. oder 19. Jh.s ist denkbar.  
 
Der Lungauer Russentanz, heute durch die →Vereinigten in Tamsweg ausgeführt, soll nach mündlicher Überlieferung aus Weißrussland bzw. dem Kosakengebiet durch nicht nachweisbare Bergknappen eingeführt worden sein. Diese Ursprungslegende ist historisch nicht nachvollziehbar, doch fehlen zum Tanz alle Quellen. Tatsächlich dürfte der Russentanz eine Fehlinterpretation bei Wiederaufnahme eines einstigen Bergmannstanzes sein, der vielfach Verwandtschaft mit Zunft- und Standestänzen aufweist. Die roten »Kosakenblusen« könnten eine Fehlinterpretation der einstigen rot-weißen Salzburger Bergmannstracht darstellen. Auch eine Fehlinterpretation eines Faschingsbrauches des 18. oder 19. Jh.s ist denkbar.  
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* W. Froihofer (Hg.): Volkstanz zwischen den Zeiten. Zur Kulturgeschichte des Volkstanzes in Österreich und Südtirol. Weitra 2012. Kurztexte im Buch, Wiss. Langtexte auf DVD.
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* W. Dreier-Andres: "Let's Dance" - populäre Musik- und Tanzkultur auf dem Land am Beispiel des Lammertals der 1960er und 1970er Jahre. In: Th. Hochradner, S. Haslinger u.a. (Hg.): Those were the days. (Veröff. d. Arbeitsschwerpunkt Sbg. Musikgeschichte 5) Wien 2017.
 
* M. T. Resch: Die »Vereinigten« in Tamsweg. Diss. Wien 1986.
 
* M. T. Resch: Die »Vereinigten« in Tamsweg. Diss. Wien 1986.
 
* I. Peter: Salzburger Tänze. Salzburg 1975.
 
* I. Peter: Salzburger Tänze. Salzburg 1975.

Version vom 27. Juli 2018, 10:27 Uhr

Volkstanz. Neben dem geselligen Tanz, der im steten Austausch mit den Tänzen anderer Gesellschaftsgruppen stand (→Volksmusik), erhielten sich im Zusammenhang mit Festen und Bräuchen ältere (Reigen-)Tänze im Bereich des Volkstanzes. Generell gilt für sie, das sie einst ebenfalls dem kulturellen Austausch zwischen den Gesellschaftsschichten unterlagen. Im Laufe des 18. Jh.s Rückgang und schließlich Neubewertung und Wiederaufnahme durch die städtische Begeisterung für das Landleben seit der Mitte des 19. Jh.s; Beginn der Pflegebestrebungen in Vereinen. Zu den in der Volkstanzbewegung stilisierten und fixierten Tänzen zählen etwa die Bandel- und Reiftänze, die seit dem 15. Jh. nachweisbar sind, die Ländler die Ketten- und Paartanz in typischen Figuren abwechseln, ........

Neben den Paartänzen haben sich auch Männertänze erhalten, für die zwei historische Ebenen feststellbar sind: die adeligen Männertänze des Spätmittelalters wie Kettentänze und Moresken, die als Zunft- und Standestänze an vielen Festtagen auch seit dem 14. Jahrhundert in den Handelsstädten Europas und den Bergbauregionen feststellbar sind. Sie verlieren sich im 19. Jh. Gewerbe- und Stadtakten liefern Belege für die Aufführungstermine. Einige davon haben sich, irrtümlich als "Volkstänze" bezeichnet, erhalten. Dazu zählen in Salzburg der Schwerttanz der Dürrnberger Bergknappen, der Böcksteiner Knappentanz, wie der Russentanz. Der Salzburger Binder- oder Küfertanz, ebenfalls ein Zunfttanz, der an den Dünzeltagen, den Jahrtagen, aufgeführt worden war, stellt eine Neubearbeitung (1924 durch K. →Adrian, nach 100-jähriger Pause, am Vorbild des ebenfalls erneuerten Münchner Schäfflertanzes)dar. Die älteste Nachricht darüber stammt aus dem 15. Jh., Tänzer waren die Gesellen der Zunft in festlicher Standestracht, die diese Tänze an Festtagen der Zunft und im Fasching öffentlich aufführten. Für den Halleiner Küfertanz sind Beschreibungen des 19. Jh.s erhalten. Verbindendes Element bei diesem Männerreigen sind fichten- und girlandenumwundene Halbkreisbögen, die »Reifen«. Die einzelnen Tanzfiguren werden heute als Abstraktionen der Arbeitsvorgänge gedeutet, wiewohl sie einst quer durch Europa bei allen Berufsgruppen gleich waren und alle Möglichkeiten des Reigen- und Kettentanzes ausschöpfen.. Heute wird der Bindertanz von der Salzburger Brauchtumsgruppe »Jung Alpenland« zu besonderen öffentlichen Festen (z. B. Dult, Fest zur Festspieleröffnung etc.) aufgeführt. Die Binder und Küfer hatten als Lieferanten von Arbeitsgeräten (Bottiche, Schäffer), Bierfässern und Salzkufen große Bedeutung (Ende des 18. Jh.s belieferten sie zwölf Brauereien in der Stadt Salzburg). Der →Dürrnberger Schwerttanz ist archivalisch in Bild und Schrift besonders gut belegbar.

Der Lungauer Russentanz, heute durch die →Vereinigten in Tamsweg ausgeführt, soll nach mündlicher Überlieferung aus Weißrussland bzw. dem Kosakengebiet durch nicht nachweisbare Bergknappen eingeführt worden sein. Diese Ursprungslegende ist historisch nicht nachvollziehbar, doch fehlen zum Tanz alle Quellen. Tatsächlich dürfte der Russentanz eine Fehlinterpretation bei Wiederaufnahme eines einstigen Bergmannstanzes sein, der vielfach Verwandtschaft mit Zunft- und Standestänzen aufweist. Die roten »Kosakenblusen« könnten eine Fehlinterpretation der einstigen rot-weißen Salzburger Bergmannstracht darstellen. Auch eine Fehlinterpretation eines Faschingsbrauches des 18. oder 19. Jh.s ist denkbar.

Literatur:

  • W. Froihofer (Hg.): Volkstanz zwischen den Zeiten. Zur Kulturgeschichte des Volkstanzes in Österreich und Südtirol. Weitra 2012. Kurztexte im Buch, Wiss. Langtexte auf DVD.
  • W. Dreier-Andres: "Let's Dance" - populäre Musik- und Tanzkultur auf dem Land am Beispiel des Lammertals der 1960er und 1970er Jahre. In: Th. Hochradner, S. Haslinger u.a. (Hg.): Those were the days. (Veröff. d. Arbeitsschwerpunkt Sbg. Musikgeschichte 5) Wien 2017.
  • M. T. Resch: Die »Vereinigten« in Tamsweg. Diss. Wien 1986.
  • I. Peter: Salzburger Tänze. Salzburg 1975.

U.K.