Mönch von Salzburg: Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 11. November 2016, 06:37 Uhr
Mönch von Salzburg, anon. Salzburger Dichter und Komponist des späten 14. Jh.s.
In zahlreichen Hs. des 15. und 16. Jh.s finden wir geistliche und weltliche Lieder eines »münch« oder »munch« aus Salzburg, dessen Existenz urk. bisher noch nicht belegt werden konnte. Nähere Angaben über seine Person erhalten wir lediglich aus Vorreden, Inhaltsverzeichnissen und Überschriften in den Hss. Dort ist sein Name mit »Hermann«, aber auch mit »Johann« bzw. »Hanns« angeführt. Er wird als Verfasser geistlicher und weltlicher Lieder in dt. Sprache bezeichnet, die er, zusammen mit einem Leutpriester namens Martin, auf Wunsch des damaligen Salzburger Eb. →Pilgrim II. von Puchheim (1365-96) erstellt hat, wofür dieser ihn mit einer Pfründe belohnte. Unklar ist, worauf sich das Pseudonym »Mönch« bezieht. Die Hs. bezeichnen ihn sowohl als Benediktiner wie auch als Dominikaner. Versuche, ihn mit uns bekannten Persönlichkeiten, wie dem damaligen Abt von →St. Peter, Johannes II. Rossez (1364-75), oder mit dem kunstsinnigen Eb. Pilgrim II. selbst zu identifizieren, mussten bisher unbestätigt bleiben.
Überliefert sind z. Z. 49 geistliche und 57 weltliche Gesänge. Zu den wichtigsten Quellen gehören u. a. die Tegernseer Hs. München, Bayer. Staatsbibl. cgm715 aus der Mitte des 15., Jh. und die nach ihrem Fundort und jetzigem Aufbewahrungsort benannte Mondsee- Wiener Liederhandschrift (Codex Vindobonensis 2856), die sich heute in der Österr. Nationalbibl. Wien befindet. Sie befand sich im Besitz des Salzburgers Peter Spörl und wurde in der 1. H. des 15. Jh.s angelegt. Die Gesänge sind in gotischer Choralnotation und semimensuraler Notation (mit Unterscheidung von langen und kurzen Noten) überliefert.
Die geistlichen Lieder des M. folgen inhaltlich den großen Festen des Kirchenjahres mit Texten aus dem Weihnachtsfestkreis, dem Osterfestkreis, dem Dreifaltigkeitssonntag und Fronleichnam sowie wichtigen Heiligenfesten, oder sie sind Marienlieder. Bisweilen finden sich Akrosticha, also Dichtungen, bei denen die Anfangsbuchstaben einer jeden Strophe, hintereinander gelesen, sinnvolle Wörter bilden. So lautet das Akrostichon des Liedes »Pl°um gezartet« PYLGREIM ERCZPISCHOF LEGAT, das des Liedes »Richer schatz der höchsten freuden« RICHERUS PLEBANUS JN RASTAT (Reicher war, wie Urkunden belegen, tatsächlich Priester in →Radstadt). Der Gesang »Ave, grüest pist, magtleich forme«, ein Abecedarium (jede Strophe beginnt der Reihe nach mit einem Buchstaben des Alphabets), ist eine Übertragung der lateinischen Sequenz »Ave virginalis forma« des Pfarrers Jakob von Mühldorf, mit dem der M. in Beziehung stand. Das einzige lat. Lied, »O Maria pia«, ist, wie aus der Überschrift hervorgeht, Peter von Sachsen, einem sonst unbekannten Dichter, gewidmet. Die geistlichen Gesänge sind oft wörtliche oder freiere Übertragungen lat. Hymnen und Sequenzen, deren urspr. gregorianische Melodie der Mönch übernahm. Unter diese vorgegebenen Melodien setzte er aber auch gerne neue Texte (Kontrafaktur). Ebenso verfuhr er mit den von ihm selbst geschaffenen Weisen (»Töne«). Inwiefern die volkssprachlichen Gesänge im Gottesdienst verwendet wurden, lässt sich nicht sagen, obwohl dt. Kirchengesänge (wie z. B. »Christ ist erstanden«) in der Liturgie Salzburgs seit dem 12. Jh. ihren festen Platz hatten. »Josef lieber nefemein«, eine Übertragung des lat. »Resonet in laudibus«, ist bis heute bekannt geblieben. Wie aus der detaillierten Beschreibung in cgm 715 hervorgeht, handelt es sich bei diesem Stück um einen deutschen Dialog zum lateinischen Tropus des Canticums »Nunc dimittis« der Komplet von Weihnachten. Handelnde Personen dieser szenischen Ausgestaltung sind Maria, Josef und der Chor.
Die weltlichen Stücke, inhaltlich meist Liebes- und Trinklieder, stehen in der Tradition des Minnesangs, zeigen deutlich frz. Einflüsse, verwenden aber ebenso alpenländische Melodiestrukturen (Dreiklangsmelodik). Vier Kompositionen sind ausdrücklich für mehrere Stimmen in einfachen Grundformen polyphonen Musizierens gesetzt, so der erste bekannte dt. Kanon »Martein lieber herre«, bezeichnet als »Ain radel von drein stymmen«. Die Verwendung von bestimmten Instrumenten ist sowohl durch Besetzungsangaben (pumhart, trumpet) als auch durch Liedüberschriften (nachthorn, taghorn, kchühorn) mit näherer Erläuterung (z. B. »und ist gut zu blasen«) belegt. Die Beliebtheit des M. zeigt sich daran, daß unter den ma. Lyrikern kein anderer eine derart breite Überlieferung (in über 80 Hss.) aufweisen kann.
Literatur:
- M. Payer: Das religiöse Weltbild des Mönchs von Salzburg. Göppingen 2000.
- Chr. März: Die weltlichen Lieder des Mönchs von Salzburg. Tübingen 1999.
- C.W. Aigner (Übersetzer), F. V. Spechtler (Hg.): DerMönch von Salzburg. Die weltliche Dichtung. (Neuhochdeutsche Nachdichtung). Salzburg 1995.
- B. Wachinger: Der Mönch von Salzburg. Zur Überlieferung geistlicher Lieder im späten Mittelalter, Tübingen 1989.
- M. Korth, F. V. Spechtler: Der Mönch von Salzburg. Lieder des Mittelalters. München 1980.
- F. V. Spechtler: Die geistlichen Lieder des Mönchs von Salzburg. Berlin-New York 1972.
- Mondsee-Wiener Liederhandschrift aus Codex Vindobonensis 2856. Wissenschaftlicher Kommentar H. Heger, Graz 1968 (Codices Selecti 19).
F.V.Sp., St.E.