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Musik
Aus der geographischen Lage des Erzbistums Salzburg ergab sich schon in frühmittelalterlicher Zeit ein kultureller Austausch mit Italien. Darüber hinaus ist für die erste geistige Blütezeit Salzburgs unter Bischof Arn(o) (785-821) auch der Kontakt mit dem Gelehrtenkreis um Karl den Großen, ebenso mit den Klöstern Metz und St. Gallen, für die kulturelle Physiognomie Salzburgs bedeutungsvoll geworden.
Im Stift St. Peter, dessen Äbte bis 987 zugleich die Metropoliten Salzburgs waren, bestand schon früh eine vorbildliche Kirchenmusikpflege. Auch Orgelbau und Orgelspiel waren bereits bekannt, da um das Jahr 870 Papst Johann VIII. eine Orgel und einen Organisten aus der Salzburger Kirchenprovinz Freising erbat. Umgekehrt wurde 100 Jahre später ein Musiklehrer aus dem Kloster St.Gallen an die Salzburger Domschule berufen.Das Volk beteiligte sich an der Liturgie, sang das #Kyrie eleison#, die Litanei, auch bereits deutsche Lieder zur Predigt und bei außerliturgischen Feiern – etwa bei Prozessionen –, während die Schola die lateinischen Gesänge intonierte.
Im Gefolge Erzbischof Eberhards II. (um 1230) begegnen mit Neidhard(t) von Reuental und 1424, am Hof Erzbischof Eberhards III., mit Oswald von Wolkenstein zwei der bedeutendsten Minnesänger. Den Abschluß der höfischen Kunst in Salzburg bildet die sagenumwobene Gestalt des Mönchs – eine Münchner Handschrift nennt ihn Hermann, Mönch von Salzburg.Wir wissen kaum etwas über ihn, doch sind 49 geistliche und 57 weltliche Lieder von ihm erhalten, die bereits den Keim des Volksliedes in sich tragen. Die Beliebtheit dieser Lieder wird durch mehr als 80 Handschriften belegt.
Neben der im wesentlichen einstimmigen Kunst geistlicher und weltlicher Lieder wurde am Hof Erzbischof Pilgrims auch die mehrstimmige Musik gepflegt: 1393 stiftete Pilgrim dafür eine Kantorei in der nach ihm benannten Pilgrimskapelle im Münster. Erzbischof Gregor Schenk ließ nach dem Dombrand 1383 im Jahr 1399 eine neue große Orgel errichten, ein weiterer Neubau erfolgte um die Mitte des 15. Jh.s. Zu dieser Zeit tauchen erstmals die Namen besoldeter Instrumentalisten in Berichten auf und unter Erzbischof Matthäus Lang (1519-40) hatte die Salzburger Kantorei bereits überregionale Bedeutung durch ihre berühmten Mitglieder Heinrich Finck und Paul Hofhaimer. Hofhaimer stammte aus Radstadt; er trat schon früh in die Dienste der Kaiser Friedrich III. und Maximilian I., kehrte aber nach Maximilians Tod (1519) nach Salzburg zurück und wurde hier Hoforganist. Er war der große Lied- und Orgelmeister seiner Zeit und hat eine ganze Generation von Schülern ausgebildet. Hofhaimers Wohnhaus in der Pfeifergasse, dem alten Quartier der Stadtpfeifer, ist noch erhalten.
Die Regierung Erzbischof Wolf Dietrichs (1587-1612) veränderte das Antlitz der Stadt: Aus dem mittelalterlichen Salzburg wollte der Fürst eine moderne Stadt nach römischem Vorbild schaffen. Bereits 1591 hatte Wolf Dietrich anstelle der Kantorei die fürsterzbischöfliche Hofkapelle gegründet. Damit war bis zur Säkularisation, also für mehr als 200 Jahre, die Grundlage einheimischer Musikpflege geschaffen. 1597 kam mit der fürstlichen Chormusik die Dommusik dazu – insgesamt in beiden Ensembles die stattliche Zahl von 70 bis 80 Musikern.
Wolf Dietrichs Nachfolger, Erzbischof Markus Sittikus (1612-19), war dagegen ein großer Liebhaber des Theaters. In der Residenz ließ er eine moderne Verwandlungsbühne nach Florentiner Muster einrichten, und der Chronist Stainhauser berichtet von zahlreichen Opern- und Schauspielaufführungen. In Hellbrunn ließ Markus Sittikus das Steintheater, das erste Naturtheater auf deutschem Boden, errichten. 1617 gründete er, unter Mitwirkung des Benediktinerordens, ein Gymnasium, das später, nach seiner Erhebung zur Universität, die bedeutendste Pflegestätte des süddeutschen Ordenstheaters bildete. Unter Erzbischof Paris Lodron (1619-53) wurde die Weihe des neuerbauten Domes 1628 zum großen Ereignis. Domkapellmeister Stefano Bernardi komponierte zu diesem Anlaß ein zwölfchöriges Tedeum, an dessen Aufführung 400Musikermitgewirkt haben sollen. Leider ist dieses Werk nicht auf uns gekommen.
Bis zur Mitte des 19. Jh.s bot der Dom einzigartige Voraussetzungen für die Pflege der Kirchenmusik: Musiziert wurde auf vier Emporen im Kuppelraum, ein fünftes Ensemble war im Presbyterium postiert. Erst mit der sinfonischen Kirchenmusik verlegte man im 19. Jh. das Ensemble der Dommusik auf die Westempore zur 1703 erbauten großen Orgel. 1622 wurde das Benediktinergymnasium zur Universität erhoben, und bald entwickelte sich auf Hochschulboden eine bedeutende Theaterkultur. Zwei Säle standen zur Verfügung: die Aula Academica, die maschinell aufs beste eingerichtet war und heute noch als Konzertsaal verwendet wird, und die kleine Aula. Gespielt wurde vor allem im Fasching, an den Weihnachts- und Osterfeiertagen und zum Schluß des Schuljahres, wo die Prämien während der sogenannten »Finalkomödie« auf offener Szene verteilt wurden.
Um die Wende vom 17. zum 18. Jh. erlebte die Musik in Salzburg eine in ihrer Tragweite noch nicht völlig gewürdigte Blütezeit, parallel zu den architektonischen Schöpfungen des großen Barock-Baumeisters Johann Bernhard Fischer von Erlach in Salzburg: Sie ist verbunden mit den Namen Georg Muffat und Heinrich Ignaz Franz Biber. Muffat stammte aus Savoyen, hatte in Paris bei Lully studiert, ehe ihn Erzbischof Max Gandolf als Hoforganisten nach Salzburg berief und ihm die Möglichkeit bot, 1681/82 in Rombei Corelli und Pasquini weitere Studien zu betreiben.Biber war gebürtiger Böhme und ein ebenso hervorragender Geigenvirtuose wie Komponist. Berühmt sind seine Mysteriensonaten und seine programmatische Ensemblemusik. Beim Domjubiläum 1974 und dem #Festival Pfingsten Barock# 1998 wurde seine große 53stimmige Messe wiederaufgeführt, die vermutlich 1682 zur 1100-Jahr-Feier des Erzstiftes entstand und lange für ein Werk von Orazio Benevoli gehalten worden war. Bibers Sohn, Carl Heinrich,wurde 1743 zum Hofkapellmeister bestellt, in dem Jahr, in dem der junge Augsburger Student Leopold Mozart als vierter Violinist am Salzburger Hof angestellt wurde. Neben und nach Carl Biber waren noch eine Reihe weiterer trefflicher Musiker vor Mozart in Salzburg tätig: Johann Ernst Eberlin als Kapellmeister, Anton Cajetan Adlgasser und Matthäus Gugl als Organisten und schließlich Johann Michael Haydn als Konzertmeister. Die Salzburger Barockfürsten hatten inzwischen neue Aufführungsstätten geschaffen: Erzbischof Johann Ernst Thun hatte 1694 die Felsenreitschule mit ihren Felsenarkaden für Komödien, Tierhetzen, Turniere und Pferderennen aus dem Mönchsbergfelsen schlagen lassen, Franz Anton Fürst Harrach ließ das Naturtheater beim Schloß Mirabell, das älteste Heckentheater im deutschen Raum, errichten. Nach dem Tod Eberlins wurde Leopold Mozart 1762 zum Vizekapellmeister bestellt – die Hofkapellmeisterstelle blieb bis zur Auflösung der Hofmusik (1805) jedoch Italienern vorbehalten.
Am 27.1.1756 wurde Leopold Mozart sein großer Sohn Wolfgang Amadeus geboren; ein Mädchen, Maria Anna, „Nannerl“, war fünf Jahre früher zur Welt gekommen. Beide Kinder zeigten schon früh großes musikalisches Talent,Wolfgang begann bereits im fünften Lebensjahr zu komponieren. Auf Konzertreisen lernte er die Musikzentren Europas kennen;diese Reisen haben die Basis zur umfassenden Universalität seiner Musik gelegt,wahrscheinlich aber auch seine Gesundheit untergraben und zu seinem frühen Ende beigetragen. Zwischen den Reisen studierte Wolfgang unter Anleitung des Vaters in Salzburg, mit kaum 14 Jahren hat das Genie des Knaben bereits höchst individuelle Werke geschaffen. Neben dem Vater verdankte Mozart viel dem Vorbild Johann Michael Haydns. Haydn war 1763 als Hofmusiker nach Salzburg berufen worden und blieb hier bis zu seinem Tod 1806. Er wurde der wichtigste Kirchenmusiker Salzburgs, und zum Vorbild für eine Generation von Komponisten des 19. Jahrhunderts, so auch für Franz Xaver Gruber und sein #Stille Nacht#, das bekannteste aller Weihnachtslieder. Auf dem Gebiet der weltlichen Musik wurde Haydn mit seinen Männerquartetten, die er für seine Freundesrunde im Peterskeller und in Arnsdorf schrieb, zum Ahnherrn des Männerchorwesens. Solange Erzbischof Sigismund regierte, konnten die Mozarts ihre Reiseurlaube ohne Beschränkung genießen, nicht mehr jedoch unter Erzbischof Hieronymus Colloredo, der auf Einhaltung der Dienstverpflichtungen bestand. 1781 kam es zum endgültigen Bruch. Nur noch einmal, im Herbst 1783, besuchte Mozart Salzburg und brachte hier am 25.10. in der Stiftskirche St. Peter seine Große Messe in c-Moll zur Aufführung. Danach hat er Salzburg nie mehr gesehen. 1787 starb der Vater, einsam geworden und dem Sohn entfremdet. Die Werke, die Mozarts Ruhm begründeten, seine großen Opern, Sinfonien, Konzerte und Kammermusikwerke, sind in Wien entstanden. Es wäre aber ungerecht, deswegen von den Arbeiten der Salzburger Zeit gering zu denken: neben großartiger Kirchenmusik, darunter die #Krönungsmesse# und die #Vesperae solennes de confessore# mit dem berühmten #Laudate Dominum#, entstanden in Salzburg die Violinkonzerte, die Salzburger Sinfonien und zahlreiche Divertimenti und Serenaden.
Für Opern hatte der sparsame Erzbischof Colloredo kein Verständnis mehr. 1776 verbot er die bühnenmäßigen Aufführungen der Universität, ebenso die geistlichen Volksspiele und Gebräuche wie Grablegung und Palmprozession. Im Sinne der modernen Aufklärungsideen wollte er Theater allen Schichten der Bevölkerung zugänglich machen. Dazu ließ er das alte Ballhaus am Mirabellgarten, das Erzbischof Paris Lodron hatte erbauen lassen, zu einem Hoftheater umgestalten. 1775 wurde das neue Haus eröffnet. 1893 wurde der heutige Bau im üblichen »Rokokostil« der ausklingenden Gründerzeit, mit 900 Sitzplätzen, erbaut. Im Zuge der Franzosenkriege verließ Erzbischof Colloredo Salzburg, das Fürstentum wurde säkularisiert, die Hofkapelle aufgelöst; Salzburg sank für Jahrzehnte in Bedeutungslosigkeit zurück. Einige talentierte Schüler Michael Haydns – der junge Carl Maria von Weber, der Klaviervirtuose Joseph Wölfl und der bekannte Dirigent Sigismund Neukomm – verließen Salzburg und machten Karriere in den Musikzentren Europas. Erst gegen Mitte des 19. Jh.s besserte sich mit der wirtschaftlichen auch die kulturelle Lage Salzburgs; letztere vor allem durch die Gründung von #Dom- Musikverein und Mozarteum# 1841.Dadurch wurde die Dommusik wieder auf eine künstlerische Basis gestellt. Auch in anderen Kirchen der Stadt besorgten die Musiker des Vereins den Dienst und an der Musikschule Mozarteum wurde der künstlerische Nachwuchs herangebildet. Das Bürgertum übernahm die kulturelle Initiative, Liebhabervereinigungen vokaler und instrumentaler Art entstanden und formierten sich in Liedertafeln und Vereinen.
Am 4. 9. 1842 wurde das Mozart-Denkmal enthüllt, Michael Haydn hatte sein Denkmal schon 20 Jahre früher in der Stiftskirche St. Peter erhalten. Constanze Mozart-Nissen war bereits tot, doch die beiden Söhne, der Staatsbeamte Karl Mozart und der Musiker Franz Xaver Wolfgang Mozart, kamen zu diesem Anlaß nach Salzburg. Acht Salzburger Musikfeste folgten 1877-1910 diesem Anlaß mit Konzerten und Opernaufführungen im Landestheater.
1880 übernahm die Internationale Stiftung Mozarteum die Musikschule des Dom-Musikvereins – ein Ereignis besonderer Bedeutung für die weitere Entwicklung des Salzburger Musiklebens. Es gelang, die Mozart- Verehrer der Welt in zahlreichen örtlichen Mozart-Gemeinden mit dem Mozarteum als Mittelpunkt wirksam zusammenzuschließen. 1914 war der Neubau des Mozarteums in der Schwarzstraße fertiggestellt, die Musikschule wurde in den Rang eines Konservatoriums, 1953 zur Akademie, 1970 zur Musikhochschule und 1998 zur Universität erhoben. Trotz der Kriegsjahre wurden immer wieder Pläne zur Errichtung eines Festspielhauses verfolgt, 1917 die Salzburger Festspielhausgemeinde gegründet und ein Kreis bedeutender Künstler – Richard Strauss, Max Reinhardt, Franz Schalk, Alfred Roller und Hugo von Hofmannsthal – dafür gewonnen. Die Erstaufführung des #Jedermann# auf dem Domplatz im August 1920, in einer Zeit der Lebensmittelknappheit und der beginnenden Inflation, markiert den Beginn der Salzburger Festspiele. Die Aufführungen des #Jedermann# wurden bereits im folgenden Jahr fortgesetzt, dazu kamen Orchester- und Kammerkonzerte, die erste Serenade in der Residenz und das Mozart-Requiem im Dom. 1922 inszenierte Max Reinhardt das #Große Welttheater#, Richard Strauss und Franz Schalk dirigierten vier Mozart-Opern. 1925 war der Bau des Festpielhauses abgeschlossen, 1960 wurde das neue Große Festspielhaus mit einer Aufführung des #Rosenkavalier# glanzvoll eröffnet.
Nach 1920 begann sich auch das Mozarteum-Orchester zu konsolidieren; es setzte sich aus Lehrkräften des Mozarteums, Absolventen und dem ständigen Theaterorchester zusammen. Daneben konstituierte sich ein eigenes Mozart-Orchester für die Wiedergabe speziell Mozartscher Werke als Vorläufer der heutigen Camerata Academicamit ihrem langjährigen Leiter Bernhard Paumgartner. Als wichtigstes Element der heimischen Musikkultur verdient die lebendige Pflege der geistlichen Musik in den Kirchen der Stadt besondere Erwähnung: Bei den gottesdienstlichen Aufführungen stand und steht hier das Repertoire der Instrumentalmessen der Brüder Haydn, von Mozart, Beethoven, Schubert und Bruckner im Zentrum. Das Musikleben Salzburgs ist mit der raschen Entwicklung der Stadt, nicht zuletzt durch den künstlerischen Anstoß der Festspiele, lebhaft und anspruchsvoll geworden. Das Sommerfestival wird seit 1956 durch die Mozartwoche im Jänner, seit 1970 von der #Szene#, vom Festival #Zeitfluß# und vom #Fest in Hellbrunn# ergänzt.Den Herbst eröffnen die #Salzburger Kulturtage#, die Vorweihnachtszeit das Salzburger Adventsingen und #Gang durch den Advent#, den #musikalischen Frühling# die Salzburger Schloßkonzerte mit Kammermusik in der Residenz und im Schloß Mirabell. Sie haben den Anstoß zur Gründung zahlreicher Salzburger Kammermusikensembles gegeben. Herbert von Karajan initiierte im Großen Festspielhaus die Osterfestspiele und die Pfingstkonzerte. Internationale Stiftung Mozarteum und Salzburger Kulturvereinigung, Bach-Gesellschaft, das Mozarteum, die #Musikalische Jugend#, Kulturvereinigungen in den Salzburger Gauen, Bildungswerke, die #Aspekte Salzburg# und die #Camerata Academica# bieten auch während des Jahres ein reichhaltiges musikalisches Angebot. Jüngere Ensembles, wie Salzburger Bach-Chor und Salzburger Barockensemble, das Österreichische Ensemble für Neue Musik, das Hofhaimer-Consort Salzburg und das Volksmusikensemble Tobi Reiser, haben zusätzlich neue Programme und Aufführungsorte erschlossen. Auch die Freunde der Jazz-, Pop- und Folkmusik kommen in Stadt und Land auf ihre Rechnung. Die zahlreichen Musikveranstalter, -ausübenden und -liebhaber geben dem kulturellen Leben Salzburgs jene unverwechselbare Note, die zur verpflichtenden Auszeichnung „Musikstadt“ führte.
Gerhard Walterskirchen