Jüdisches Leben in Salzburg

Aus Salzburger Kulturlexikon 3.0
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Jüdisches Leben in Salzburg. Seit dem 9. Jahrhundert gab es in Salzburg eine jüdische Ansiedlung, verstärkt unter Erzbischof Konrad I. von Abenberg (1106–47) und unter Erzbischof Eberhard II. von Regensberg (1200–46). Erste Judenverfolgungen 1349 nach der Pestepidemie mit mehr als 1.200 Todesopfern. 1370 erste urkundliche Erwähnung einer jüdischen „Schul“ (Synagoge) in der Judengasse, um 1400 Anlage eines jüdischen Friedhofs am Mönchsberg. 1404 Verbrennung der Salzburger und Halleiner Juden, Neuzuzug und Förderung v.a. unter Erzbischof Johann II. von Reisberg, 1498 endgültige Vertreibung unter Erzbischof Leonhard von Keutschach, Zerstörung der Synagogen.

Nach ersten Neuansiedlungen wurden erst 1867 durch das österreichische Staatsgrundgesetz alle bestehenden Beschränkungen aufgehoben, der erste ansässige Jude war Albert Pollak. 1880 lebten im Land Salzburg 115 Juden, die sich mit starken antisemitischen Strömungen konfrontiert sahen, die auch in der Presse Niederschlag fanden (etwa in Zeitungen wie Kyffhäuser und Grobian oder ab 1923 im antisemitischen Hetzblatt Eiserner Besen). 1901 Fertigstellung des Baus der Synagoge in der Lasserstraße (gegen den Widerstand der Vereinigten Christen).

1911 Gründung einer eigenständigen Israelitischen Kultusgemeinde, Tätigkeit des Rabbiners Adolf Abraham Altmann. Neben berühmten Persönlichkeiten wie Stefan Zweig und Max Reinhardt ließen sich jedoch nur wenige Juden nieder; 1934 zählte man in der Stadt Salzburg 198 „israelitische“ Personen, im ganzen Land waren es 239. In verschiedenen Salzburger Tourismusorten wurden jüdische Reisende bereits in den 1920er Jahren systematisch diskriminiert („Sommerfrischenantisemitismus“).

1938 Bücherverbrennung am Residenzplatz, initiiert vom NS-Lehrerbund mit dem Ziel der Vernichtung klerikaler und jüdischer Literatur; im selben Jahr wird jüdischen Personen das Tragen der alpenländischen Tracht verboten. Nach dem „Anschluss“ Boykott jüdischer Geschäfte und Politik der Separierung und Isolation. Zerstörung von Geschäften im Zuge des Novemberpogroms 1938: organisierte Kommandos von SA und SS plünderten und demolierten jüdische Geschäfte, zahlreiche Juden wurden deportiert und in „Schutzhaft“ genommen. Die Übergriffe sind im Bildarchiv des Pressefotografen Franz Krieger überliefert. Zerstörung der Synagoge und des jüdischen Friedhofs in Aigen; die demolierte Synagoge mit Grundstück wurde als Lagerplatz der „Organisation Todt“ genutzt. Zur Politik der „Entjudung“ gehörte 1938 die Erfassung jüdischer Vermögenswerte, die Löschung von Gewerbeberechtigungen, der Vermögensentzug. Juden erhielten durch die mit J gekennzeichneten Lebensmittelkarten und im Rationensystem eine reduzierte Zuteilung, ab 1942 keine Fleischkarte und zahlreiche Produkte gar nicht mehr. Die „Entjudung“ gipfelte in Vernichtung durch Ausrottung: ca. 64 Personen (Stolpersteine), davon ein Fünftel in Auschwitz, fanden in den Lagern den Tod. Der letzte Transport aus Salzburg erfolgte im Februar 1945 ins KZ Theresienstadt.

Nur wenige Überlebende der jüdischen Gemeinde kehrten nach Salzburg zurück. Neubeginn des jüdischen Lebens in Salzburg nach 1945 durch „Displaced Persons“. Der 1893 vom jüdischen Begräbnisverein Chewra Kadischa angelegte Friedhof wurde 1938 beschlagnahmt, verkauft, 1945 von den US-Behörden übernommen und 1946 an die neugegründete Kultusgemeinde zurückgegeben; 1947 verlieh man der am Friedhof endende Straße den Namen Valkenauerstraße, benannt nach dem Bildhauer Hans Valkenauer, der im 15. Jahrhundert die „Judensau“ für das Salzburger Rathaus geschaffen hatte.

Der Verlauf der Restitutierung bzw. Rückstellung wird auch als „zweite Arisierung“ bewertet. 1959 wird das rituelle Bad in der Synagoge, die „Mikva“, wieder hergestellt, die Synagoge selbst wurde 1967/68 restauriert und eröffnet. 1985 Mahnmal im Garten der Synagoge. Seit 2003 ist die Israelitische Kultusgemeinde ohne Rabbiner, dennoch finden regelmäßig Gottesdienste in der Synagoge statt. Eine Einladung der Stadt Salzburg 1993 konnten viele der vertriebenen jüdischen Salzburger nicht mehr annehmen. 1977 wurde Marko Feingold amtierender Vizepräsident und 1979 Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Salzburg. 2004 nahm an der Universität Salzburg das interdisziplinäre Zentrum für jüdische Kulturgeschichte seine Arbeit auf. Die Bibliothek des Zentrums wurde 2012 nach Marko Feingold benannt. Am Zentrum wird ein Masterstudiengang Jüdische Kulturgeschichte angeboten. Heute erinnern in Salzburg v.a. die Stolpersteine an Verfolgung und Vernichtung zur Zeit des Nationalsozialismus.

Lit.:

  • A. Lichtblau: In Lebensgefahr: die jüdische Bevölkerung der Stadt Salzburg. In: Leben im Terror. Hg. v. T. Weidenholzer u.a. Salzburg 2012, S. 64–109.
  • S. Nadel: Ein Führer durch das jüdische Salzburg. Salzburg 2005.
  • H. Embacher (Hg.): Juden in Salzburg. Salzburg 2002.
  • D. Ellmauer, u.a. (Hg.): Geduldet, geschmäht und vertrieben. Salzburg 1998.
  • M. Feingold (Hg.): Ein ewiges Dennoch. Wien u.a. 1993.
  • A. Altmann: Geschichte der Juden in Stadt und Land Salzburg von den frühesten Zeiten bis auf die Gegenwart. Salzburg 1990.

R.R.H., M.K., R.R.