Prozessionen

Aus Salzburger Kulturlexikon 3.0
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Prozessionen.

Das Prozessionswesen der katholischen Kirche übernahm bereits in den ersten Jh. n. Chr. Formen antiker Herrscher- und Gottesgeleite sowie Triumphzüge. Die Umtragung der Heiltümer durch das Gemeinwesen bzw. als Verstärkung, die Umgürtung des Gemeinwesens durch den Segen mit dem Heiltum standen im Mittelpunkt. Von den Reliquientranslationen ausgehend (Höhepunkt im frühen Mittelalter) entwickelten sich festliche Umzüge für die großen Kirchenfeste, die vielfach seit dem 4. Jh. belegt sind. Dazu kamen die mittelalterlichen Benediktionen, unter denen speziell die Flursegnungen Formen des Umzugs und die Krankensegnungen Rituale des öffentlichen Geleits für das Altarsakrament hervorbrachten. Mit der Fronleichnamsprozession (Transsubstantiationsfest 1264, Prozession 1311) erfuhr das Prozessionswesen eine erneute Steigerung. Während die Fronleichnamsprozession im ländlichen Raum den Grünprang der Bitt- und Flurumgänge erweiterte, erfuhr diese im städtischen Milieu unter Anleitung speziell der Jesuiten und Kapuziner reiche Ausgestaltung in Kombination mittelalterlicher Spiel- und Darstellungsformen mit spanischen Sakramentsgeleiten. Dazu kam die zeitspezifische Darstellung der ständischen Hierarchie, die Prozessionsordnungen zu einem Spiegel der jeweiligen lokalen Gesellschaft macht. Bekenntnischarakter und sieghafte Glaubensdemonstration prägten die Fronleichnamsprozession besonders in der Gegenreformation. Den Höhepunkt erlebte diese Entwicklung bis zum aufgeklärten Absolutismus. Neben den zünftischen Bruderschaften präsentierten sich die vielfach in jener Zeit neu gegründeten Standes- und Titelbruderschaften prunkvoll in Prozessionsmänteln,mit tragbaren Statuen (Fercula), Schaubühnen, Figurationen, Spielszenen, Bruderschafts- (vortrag-)stangen und -kreuzen. Wechselseitig beeinflussten sich Fronleichnamsprozession, Karwochenprozessionen, Bittprozessionen im Frühsommer und Prangtage im Sommer. Aus Bruderschaftsbüchern und Rechnungen sind die Gestaltungsformen und Ordnungen der Salzburger Fronleichnamsprozession und der Karwochenprozessionen erhalten. Ein Stich der Salzburger Domprozession von 1683 von C. →Lederwasch aus dem 17. Jh. (im →SMCA) zeigt die gesamte Salzburger Bürgerschaft in Prozessionsmänteln mit ihren Ausstattungen. Die Reformen Kaiser Josefs II. »In publico ecclesiasticis « und die damit in enger Verbindung stehenden Salzburger Reformen durch Eb. →Hieronymus Colloredo zwischen 1782 und 1784 verboten aus religiösem wie sozioökonomischem Reformwillen viele kosten- und zeitaufwendige Ausformungen dieser Prozessionen und einzelner Termine und Anlässe (u. a. Reduktion der Feiertage, Verbot von Terminen, Anlässen und Wallfahrten zu entfernten Zielen, Verbot der Spiele, Bühnen, bekleideten Tragfiguren, Vortragstangen; Einschränkung der Fackeln, Kerzen, des Blumenaufwandes, etc.). Wenige Schaustücke überlebten die Vernichtung bzw. Einziehung und wurden vielfach in unserem Jahrhundert wiederentdeckt (z. B. Halleiner Palmesel in Puch).

Im 19. Jh. erlebte das Prozessionswesen unter kirchlicher Leitung eine vereinfachende Beschränkung auf die Gebetsinhalte, die hierarchische Gliederung nach Berufsständen entfiel groß teils zugunsten der natürlichen Stände (Frauen, Männer - Ledige und Verheiratete –, Kinder). In ländlichen Regionen wurde vereinzelt auf Relikte barocken Prozessionsprunks zurückgegriffen. Dabei stellen heute als volkstümlich angesehene Ausstattungsformen oft die Spielarten barocker Prozessionsbräuche einfacher Bevölkerungsschichten dar (u. a. Prangerschützen, Tragstatuen, →Prangstangen, →Himmelbrotschutzen). Im Zuge der Braucherneuerungen leben seit der Jahrhundertwende einzelne Spielformen der Prozessionen, vielfach mißgedeutet, wieder auf (u. a. Lungauer →Samsonumzug, Jakobischützen am Thurn, →Flurumritte).

Literatur:

  • Helene Finkenstaedt (u. a.): Prozessionsstangen. Ein Kat. (=Veröffentlichungen zur Volkskunde und Kulturgeschichte, Bd. 36), Würzburg 1989.
  • Wallfahrt kennt keine Grenzen. Bayerisches Nationalmuseum, München (1984).

U.K.