Alter und Altern

Aus Salzburger Kulturlexikon 3.0
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Der Definitionen für Alter(n) sind viele. Der Wiener Altersforscher Leopold Rosenmayr definiert Altern als „eine naturhafte Veränderung des Lebendigen, die durch Verluste und Einschränkungen gekennzeichnet ist. Neben dem Altern, dem naturhaften ‚Verlieren unter Widerstand’, und vielfältig verschlungen mit ihm ist ein aufbauendes seelisches Gewinnen, ein seelisches Wachstum durch Entwickeln auf Ziele hin möglich.“ Die Berliner Altersstudie definiert „Alter und Altern gleichzeitig [als] biologisches, psychisches, soziales und institutionelles Phänomen“, woraus sich ein interdisziplinärer Forschungsansatz ergibt. Aus einer generationenspezifischen Perspektive, einer „Ungleichzeitigkeit des Gleichzeitigen“, ist Altern ein „spezieller Modus der körperlich-geistigen Andersheit, die Jüngeren immer erst noch bevorsteht“ (Stefan Beck 2008). Für Roberta Maierhofer, die eine binäre Positionierung alt-jung ablehnt, muss Altern „als kontinuierlicher, kreativer Prozess gesehen werden, der nicht an die Chronologie der Jahre gebunden ist, als eine Auseinandersetzung des Individuums mit sich verändernden Lebensumständen.“

Wenn auch Altern vermehrt prozessual gesehen wird, so haben Gesetzgeber und Institutionen im Rahmen ihrer Regelungs-, Beratungs- und Unterstützungsarbeit bestimmte Altersgrenzen im Hintergrund. Der Seniorenbeirat beim Amt der Salzburger Landesregierung dient „als Gesprächsforum zwischen politischen Entscheidungsträgern und Vertretern der Senioren. […] Er hat das Ziel, die Interessen der Salzburger Senioren und Seniorinnen in die politische Entscheidungsfindung einzubinden sowie die gesellschaftliche Teilhabe, die Einbindung und Mitwirkung älterer Menschen in allen Lebensbereichen zu verstärken.“ In der Stadt Salzburg ist die Seniorenbetreuung Ansprechpartner für alle Fragen älterer Menschen, vor allem auch für Angehörige bezüglich der Themen Pflege und Unterstützungen. Interessierte können sich auf der Webpage der Stadt einen Seniorenratgeber herunterladen.

2014 wurde die Stadt Salzburg von der Volkshilfe bzw. dem Pensionistenverband Österreichs zur „Seniorenfreundlichsten Gemeinde Österreichs“ in der Kategorie über 10.000 Einwohner gewählt. Die Landesgruppen der Seniorenorganisationen der großen politischen Parteien bieten ihren Mitgliedern Interessensvertretung. Die Senioren gewidmeten Sektionen von NGOs und Einsatzorganisationen sowie von Religions- und Bekenntnisgemeinschaften bieten darüber hinaus Beratung und Unterstützung an. Frauen und Männer, die das 60. Lebensjahr vollendet haben, können vom Regionalverband Stadt Salzburg und Umgebungsgemeinden (RVS) einen kostenfreien Seniorenpass beantragen, der Vergünstigungen in Freizeit- und Kultureinrichtungen ermöglicht. „Während unsere Gesellschaft strukturell altert, fühlen sich die Älteren heute bis zu zehn Jahre jünger“ (Andreas Kruse 2013). Trotzdem wird die Tatsache, dass immer mehr Menschen auch in Salzburg ein hohes bis sehr hohes Lebensalter erreichen können, auch negativ gesehen. Für Pensionssysteme der westlichen Welt ist die Steigerung des Lebensalters zweifelsohne relevant, die Frage ist, ob die demografischen Verschiebungen als Bedrohung oder Chance bewertet werden.

Eine Gesellschaft mit einem höheren Anteil an Alten und Hochaltrigen ist besonders in puncto (mobiler) Pflege, Betreuungs- und Wohneinrichtungen sowie Demenzversorgung gefordert. Auf der Webpage der Demenzstrategie Österreich sind für Salzburg elf Angebote gelistet, von Demenzkoffern (mit Ratgebern und anderen Büchern gefüllt, die durch die öffentlichen Bibliotheken des Landes reisen) über Demenzberatung durch diverse (öffentliche) Organisationen und Institutionen bis zur Pflegeberatung des Landes in den Bezirken (z.B. Leaderregion Salzburger Seenland; Tennengau; Nationalparkregion Hohe Tauern …) und der Landeshauptstadt. Bezüglich der Senioren(pflege)heime und Hausgemeinschaften im Bundesland Salzburg hat die Salzburger Landesregierung eine Informationsbroschüre herausgegeben. Seniorenheime wie z.B. 2018 jenes in Grödig, das auch Einwohner der Gemeinden Anif sowie die Salzburger Ortsteile Gneis, Morzg und Moos betreut, werden um ein demenzgerechtes Tageszentrum samt Garten erweitert. Gelungenes Altern, für das es kein Patentrezept gibt, ist gleichermaßen ein gesellschaftlicher wie ein individueller Gestaltungsauftrag. Es bietet manchen heute Alternden „späte Freiheiten“ (Leopold Rosenmayr), anderen aber Mühsal, Anstrengungen und Gefahren des Burn-out in der (institutionellen) Pflegearbeit.

Laut einer Studie der Caritas zur Altersarmut in Salzburg vom Oktober 2017 sind bereits 40.000 Menschen davon betroffen. Ein Viertel aller Menschen, vor allem Frauen zwischen 50 und 65, muss mit weniger als 1.200 Euro pro Monat auskommen. Einer der Hauptrisikofaktoren ist Langzeitarbeitslosigkeit von Menschen über 45 Jahren, den sogenannten Best-Agern. Die Änderung der Beschäftigungsverhältnisse innerhalb der letzten Jahrzehnte in Richtung Teilzeitarbeit, (neue) Selbstständigkeit und Werkverträge, Praktika, Mc-Jobs etc. befördern dieses Phänomen, von dem auch andere europäische Länder betroffen sind. Das Internationale Forschungszentrum für soziale und ethische Fragen, ifz, nimmt sich z.B. in einem internationalen Forschungsprojekt RE-InVEST oder mit der Studie Im Fokus. Gutes Leben dieser Problematik an. Auch der Verein Best Ager setzt sich in Salzburg für diese Altersgruppe und deren berufliche Problemlagen ein. Ein vom Land Salzburg gefördertes Beratungsprojekt für Mitglieder der Baby-Boomer-Generation, die im Alter ihre Wohnsituation nochmals ändern oder adaptieren wollen, bieten 2018 die Alternswissenschaftlerin Sonja Schiff und die Architektin Ursula Spannberger mit neuesWOHNEN70+ an. Hier geht es z.B. um Barrierefreiheit und das rechtzeitige Umplanen und Bedenken altersgerechter Wohnumfelder. Der Bildungsbedürfnisse älterer Menschen nimmt sich die Universität Salzburg mit der Uni 55-plus an. Die Interessen der Seniorstudierenden sind hier sogar über einen eigenen Teilnehmendenrat vertreten, und umfassende Beratung via Internet über Anmeldeverfahren, Inskription, Zitationsrichtlinien etc. ist gegeben.

Weblinks:

Literatur:

  • Generali-Altersstudie 2017. Wie ältere Menschen in Deutschland denken und leben. Generali AG Deutschland (Hg.) Deutschland 2017.
  • The Ages of Life. Living and Aging in Conflict? Hg. von Ulla Kriebernegg und Roberta Maierhofer. Bielefeld, Aging Studies Vol. III, 2013.
  • Stefan Beck: alt sein – entwerfen, erfahren. Ethnografische Erkundungen in Lebenswelten alter Menschen, Berlin, 2. Auflage, 2008.
  • Leoold Rosenmayr: Die Kräfte des Alters. Wien, 1990.

M.J.G.