Saumwege

Aus Salzburger Kulturlexikon 3.0
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Wegbarmachung und Verkehrsentwicklung der Alpen sind eines der bedeutendsten Kapitel der Kulturgeschichte dieses Raumes. Die Hohen Tauern trennen durch ihre Ost-West-Richtung wie eine Mauer den süddeutschen Raum vom nördlichen Adriagebiet, den Quertälern kam deshalb verkehrsgeschichtlich grundlegende Bedeutung zu. Langgezogene Talfurchen führen zu hochgelegenen Passübergängen, die durch sogenannte Saumwege (ein Saum ist ein Ballen oder Bindegefäß von 120 Liter) schon sehr früh aufgeschlossen wurden, jedenfalls aber von den Römern benützt, angelegt oder weiter ausgebaut wurden.

Stets war, auch bei widrigsten Weg- und Witterungsverhältnissen, die Kürze einer Strecke wichtiger als ihre leichte Begehbarkeit, war die wirtschaftlich und kulturell verbindende Wirkung eines Übergangs stärker als die trennende Barriere der Natur. Die geistlichen Salzburger Landesfürsten waren aus wirtschaftlichen Gründen sehr besorgt um den Schutz der Säumer und Reisenden und errichteten als Stützpunkte sogenannte Tauernhäuser (Hospize, Wacht- und Raststationen), deren Aufgaben auch der Schutz der Reisenden und das Wegmachen waren. Trotz dieser Sicherungs- und Schutzmaßnahmen waren viele Todesopfer zu beklagen (siehe etwa Passfriedhof in Obertauern).

Wichtigste Handelsgüter waren Salz („weißes Gold“), Eisen, andere Metalle, Leder, Häute, Wolle, Leinwand, Alpenpflanzen, Halbedelsteine und Holz in den Süden, von dort kamen Gold- und Silberwaren, Samt, Seide, Gewürze, Südfrüchte, Öl, Wein. Zur Zeit des Saumhandels zogen Säumergruppen mit mehreren Knechten, vielen Pferden (Norikern) und Schlitten für die Großsäumer (Handelshäuser und Wirte) über die Tauern. Schon im 12. Jahrhundert wurden die Waren mit Steuern belegt. Vom 12. bis zum 17. Jahrhundert waren Salzburger Kaufleute bedeutende Inhaber von Kammern im Handelshaus des Römischen Reiches in Venedig, dem Fondaco dei Tedeschi, da sie dort zur Verwaltungseinheit Schwaben-Tafel gehörten, benützten sie die Saumwege der gegenseitigen Zuständigkeit.

Die Salzburger stellten zwischen 1500 und 1580 viermal den Konsul der Handelsdelegation des Reiches. Wichtige Übergänge waren der Katschberg und der Radstädter Tauern, der Felbertauern und die Oberpinzgauer Tauerntäler. Mit dem Niedergang des Saumhandels im 17. Jahrhundert begann der kleinräumige Handel der ebenfalls behördlich erfassten Wanderhändler respektive Kraxenträger, teils direkt zur Kundschaft („Hausierer“), teils als Transporteure vom hausindustriellen Erzeuger zum Verleger. In dieser Weise zogen bis ins 20. Jahrhundert Marktleute, Handwerker, Teppichhändler, Oleatenhändler (u.a. Theriak, Pechöle) über die Tauern.

Auch Viehhändler bzw. im 19. Jahrhundert die transhumante Viehzucht vom Ahrntal nach Krimml nutzten die Tauernübergänge. Entlang der Saumwege entwickelten sich neben der Saumtierzucht eine frühe kommerzielle und ab dem 19. Jahrhundert touristische Infrastruktur und ein reger Kulturaustausch. So erhielten viele Bräuche in diesen Alpentälern kulturelle Impulse u.a. aus Venedig, Bozen, Nürnberg und Augsburg sowie von Wanderschauspielern und Schaustellern.

Saumwege dienten stets auch als Schmuggel- und Fluchtwege. Im Sommer 1947 überquerten auf dem Saumweg von Krimml ins Südtiroler Ahrntal 5.000 von der israelischen Bricha geführte jüdische "Displaced Persons" die Tauern auf dem Weg nach Palästina (insgesamt überquerten 50.000 die Alpen). 1997 wurde eine Gedenktafel beim Krimmler Tauernhaus enthüllt. Seit 2007 findet jährlich der Gedenkmarsch Alpine Peace Crossing statt.

Lit.:

  • G. Ammerer: Der Tyroler und die Tyrolerin. In: Tiroler Heimat 67, 2003, 203–220.
  • O. Benvenuti: Säumer und Fuhrleute. Hohenems 1998, S. 134–140.
  • T. Albrich (Hg.): Flucht nach Eretz Israel: die Bricha und der jüdische Exodus durch Österreich nach 1945. Innsbruck 1998.
  • H. Waitzbauer (Hg.): Das Krimmler Tauernhaus. Die alte Taferne in der Achen. FS. Salzburg 1989.

U.K.