Thomas Bernhard: Unterschied zwischen den Versionen

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Version vom 26. März 2018, 22:31 Uhr

Bernhard, Thomas, * Heerlen bei Maastricht (Niederlande) 9.2.1931, † Gmunden 12.2.1989, Schriftsteller.

B. war der uneheliche Sohn von Herta Bernhard, der Tochter des erfolglosen Salzburger Heimatschriftstellers J. →Freumbichler; seinen Vater, den Tischler Alois Zuckerstätter, lernte er nie kennen. Nach ersten Lebenswochen in Pflegeunterkünften in den Niederlanden lebte er zunächst bei den Großeltern in Wien und verbrachte mit ihnen ab 1935 eine als glücklich erinnerte Zeit in Seekirchen am Wallersee (Salzburg). 1937 übersiedelte er mit der Mutter und dem Ziehvater Emil Fabjan, den sie 1936 geheiratet hatte, nach Traunstein (Oberbayern). 1944 trat B. in eine Salzburger Hauptschule ein und wohnte zu dieser Zeit in einem nationalsozialistischen Schülerheim in der Schrannengasse. 1946 wechselte er ins Staatsgymnasium (heute: Akad. Gymnasium); das Internat wurde jetzt als katholisches „Johanneum“ geführt und von ihm weiterhin als autoritärer Zwangsapparat erlebt. 1947 brach B. die stets als quälend empfundene Schule ab und begann eine Kaufmannslehre in der am Salzburger Stadtrand gelegenen „Scherzhauserfeldsiedlung“ für sozial Schwache, in deren Umgebung er sich erstmals sozial integriert fühlte.

Um die Jahreswende 1948/49 entwickelte sich aus einer schweren Erkältung eine lebensbedrohliche Krankheit; B. wurde bereits ins Sterbezimmer des Salzburger Landeskrankenhauses gebracht, von 1949 bis 1951 folgten mehrere Aufenthalte des mittlerweile an Lungentuberkulose Erkrankten in Heilstätten, v.a. in Grafenhof (St. Veit im Pongau). Zu dieser Zeit starben die wichtigsten Bezugspersonen: 1949 der Großvater, 1950 die Mutter; in St. Veit begegnete B. aber auch ebf. 1950 der um fast 37 Jahre älteren Wiener Ministerialratswitwe Hedwig Stavianicek, mit der ihn bis zu ihrem Tod 1984 eine enge Freundschaft verband.

Zwischen 1952 und 1955 war B. als freier Mitarbeiter bei div. Zeitungen, v.a. beim sozialistischen #Demokratischen Volksblatt# (Salzburg) tätig und schrieb dabei vorw. Gerichtssaalberichte, Buch-, Theater- und Filmkritiken, aber auch kürzere Prosaveröffentlichungen und Gedichte; Chefredakteur war J. →Kaut, als späterer Festspielpräsident einer von B.s wichtigsten Förderern. 1955 begann er am Salzburger →Mozarteum zunächst ein Gesangs-, dann auch ein Regie- und Schauspielstudium; aus letzteren beiden bestand er 1957 die Abschlussprüfung. Zwischen 1957 und 1960 folgten längere Aufenthalte in Maria Saal (Kärnten) auf dem Tonhof des befreundeten Komponisten Gerhard Lampersberg und dessen Frau Maja Weis-Ostborn.

1957/58 erschienen im Salzburger →Otto Müller Verlag die ersten Gedichtbände B.s: #Auf der Erde und in der Hölle# und #In hora mortis#. Nachdem der Verlag 1961 den 140 Gedichte umfassenden Band #Frost# abgelehnt hatte, gelang B. 1963 mit dem ebenso benannten Debütroman (Insel Verlag) der literarische Durchbruch. Die polemische Beschreibung des Gebirgsorts Weng, die im Roman #Frost# zum Szenario eines fiktionalen Bewusstseinsprozesses wird, führte nach der Zuerkennung des Österr. Staatspreises für Roman (1967) zu Politikerprotesten im Salzburger Landtag (auch B.s Dankesrede verursachte bei der Überreichung 1968 einen Skandal). 1965 kaufte B. in Obernathal bei Ohlsdorf (OÖ.) einen Vierseithof, den er in jahrelanger Arbeit restaurierte und bis zu seinem Tod zum Hauptwohnsitz hatte. Weitere Romane folgten: #Verstörung# (1967), #Das Kalkwerk# (1970) und #Korrektur# (1975). B. erhielt zu dieser Zeit mehrere Literaturpreise, u.a. Bremer Literaturpreis 1965, Anton-Wildgans-Preis 1968, Georg-Büchner-Preis 1970; später nahm er jedoch keine Preise mehr an.

1965/66 scheiterte ein erstes Projekt für die Salzburger →Festspiele aufgrund der düsteren Anlage des als „Anti-Jedermann“ konzipierten Stücks; seine Endfassung wurde u.d.T. #Ein Fest für Boris# als erstes von insges. 18 abendfüllenden Dramen 1970 in Hamburg uraufgeführt, Regie führte (wie bei den meisten B.-Uraufführungen) Claus Peymann. Die Produktion von B.s erstem Festspiel-Stück #Der Ignorant und der Wahnsinnige# endete 1972 mit dem sogenannten ‚Notlicht-Skandal‘, weil die geforderte Abschaltung des Notlichts am Ende aus feuerpolizeilichen Gründen nicht erlaubt wurde. Dennoch folgte bereits 1974 mit der Komödie #Die Macht der Gewohnheit# eine weitere Festspiel-Uraufführung. Die Zusammenarbeit erfuhr zwar nach einem Konflikt wegen des Stücks #Die Berühmten# (1976), das wegen befürchteter Anspielungen auf die Festspielprominenz nicht im Voraus akzeptiert und daraufhin von B. zurückgezogen wurde, eine Unterbrechung, doch mit drei weiteren Uraufführungen (#Am Ziel#, 1981, #Der Theatermacher#, 1985, und #Ritter, Dene, Voss#, 1986) avancierte B. zum meistgespielten zeitgenössischen Dramatiker des Festspiele nach 1945.

1975 begann die insgesamt fünfbändige Reihe autobiographischer Erzählungen, die der 1967 zum Suhrkamp-Autor avancierte B. im Salzburger →Residenz Verlag herausbrachte. Zunächst löste er durch die polemische Darstellung der Stadt Salzburg und ihrer NS-Vergangenheit im Band #Die Ursache. Eine Andeutung# einen Skandal aus; der Salzburger Stadtpfarrer erwirkte im Rahmen einer Klage die Streichung von gegen ihn gerichteten Passagen. 1976 folgte #Der Keller. Eine Entziehung#, die Darstellung von B.s Kaufmannslehre, 1978 #Der Atem. Eine Entscheidung# und 1981 #Die Kälte. Eine Isolation#, die Schilderung der Krankheitsphase, ehe 1982 in #Ein Kind# die Darstellung der frühesten Kindheitsjahre nachgereicht wurde.

Der Roman #Der Untergeher# (1983), in dessen Mittelpunkt der kanadische Pianist Glenn Gould steht, ist eine fiktionale Auseinandersetzung mit B.s Mozarteums-Zeit. 1984 wurde der Roman #Holzfällen. Eine Erregung# aufgrund einer Klage Lampersbergs, der sich als lit. Figur verunglimpft sah, vorübergehend beschlagnahmt; mit dem Roman #Auslöschung. Ein Zerfall# (1986) fasste B. nochmals seine wesentlichen Themen zusammen. Anlässlich des „Bedenkjahres“ 1988 (50 Jahre ‚Anschluss‘ Österreichs an NS-Deutschland) provozierte er durch das Stück #Heldenplatz# eine letzte öffentliche Auseinandersetzung.

B.s letzte Prosaveröffentlichung erfolgte 1989 mit dem großteils Ende der 1950er-Jahre entstandenen Text #In der Höhe. Rettungsversuch, Unsinn# erneut im Residenz Verlag. Im Testament untersagte B. die Veröffentlichung aller zu Lebzeiten unpubliziert gebliebenen Texte sowie die öffentliche Aufführung und den Druck aller seiner Werke in Österreich; etwa ein Jahrzehnt nach seinem Tod wurde dieses Aufführungsverbot wieder aufgehoben. 1999 wurde in Salzburg die Internationale T.B. Gesellschaft konstituiert (Gründungspräsident: Adolf Haslinger).

Lit.:

  • M. Huber, M. Mittermayer (Hg.): B.-Handbuch. Stuttgart 2018.
  • M. Mittermayer: T.B. Eine Biografie. Wien, Salzburg 2015.
  • M. Mittermayer, S. Veits-Falk (Hg.): T.B. und Salzburg. 22 Annäherungen. Salzburg 2001.
  • L. Huguet: Chronologie. Johannes Freumbichler – T.B. Weitra [1995].
  • H. Höller: T.B. Reinbek bei Hamburg 1993.

Ma.M.