Bräuche: Unterschied zwischen den Versionen
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+ | Zwischen dem 16. und dem 19. Jahrhundert entwickelten sich differenzierte Ausdrucksformen schichtenspezifischer, religionsbezogener wie regionaler Kultur, die mit der Zunahme der Alphabetisierung, der Medien, der Kommunikation und Mobilität sowie mit dem Ende der Ständegesellschaft wieder zurückgingen und sich aneinander anglichen. Alles das, was von diesen kulturellen Gestaltungsformen im Zuge der Aufklärung, der Romantik und der romantisch-nationalen Strömungen im 19. Jh. aufgezeichnet wurde, dient seit der Wende zum 20. Jahrhundert der Braucherneuerung und [[Brauchtumspflege]] und wurde für vielfältige Redefinitionen verwendet. Damit wurden Handlungsmuster, die im jeweiligen Welt- und Gesellschaftsverständnis verankert waren, die durch die Kulturdimensionen Zeit, Raum und gesellschaftliche Gruppe definierbar waren, zu neuen, weitgehend statischen Gestaltungsformen, die Geschichtlichkeit betonen. Viele Salzburger B. (z.B. [[Osterbräuche]], [[Weihnachtsbräuche]] etc. und Bräuche des einzelnen Menschenlebens, u.a. Hochzeit, Begräbnis), werden in dieser Form heute von „Salzburger [[Volkskultur]]“ und [[Brauchtumsvereine|Brauchtumsvereinen]] öffentlich weitergeführt. | ||
− | + | Viele Sitten und Bräuche haben sich auch in weiten Kreisen der Bevölkerung erhalten bzw. lebendig weiterentwickelt (u.a. Patenpflichten, Taufgestaltung, Anklöckeln etc.). Die Brauchtumspflege- und Erneuerungsbewegungen in unserem Jahrhundert haben vielfach vergessen lassen, dass neben den organisierten öffentlichen Schaubräuchen eine Fülle von Sitten und Bräuchen im Alltag existierte und existiert, die den Ausübenden selbstverständlich und unverzichtbar erscheinen und damit Ausdruck ihrer Kultur (des Common sense) sind. Dazu gehören etwa die Sitten des Grüßens und der Gastfreundschaft, des Essens, der Begehung von Festen, der Nachbarschaftshilfe, des Schenkens, des Hausbaues und Umzuges, etc. | |
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+ | Vielfach wechseln solche Formen mit der Änderung wirtschaftlicher und politischer Lebensbedingungen, sie erleben Innovationen und Akkulturationen (räumliche wie zeitliche Übertragungen) ebenso wie laufende Um- und Neudeutungen. Öffentliche Bräuche, die durch die Kulturpolitik eine Stilisierung und Fixierung im Jahreslauf erfahren haben, werden gesondert unter ihrem Namen aufgeführt. Daneben sind der 1981 wiederbelebte Metzgersprung in der Stadt und das Fahnenschwingen der Metzger als Relikte einstiger Zunftbräuche, die Georgiritte am 23. April etwa in Sommerholz, Eugendorf, St. Georgen und Thomatal zu nennen, zu denen oft Reiterspiele (Kranzlstechen) gehören, die Sonnwendfeuer, die Almfeste am Jakobitag, 25. Juli, die Almabtriebe im Herbst, die Erntedankfeste, die Gräberbesuche und Patengeschenke zu Allerheiligen oder das Kasmandlfahren am Vorabend von Martini im Lungau. Touristische Initiativen schließen sich oft an bestehende Bräuche an oder richten neue nach dem Bedürfnis der Gegenwart ein. | ||
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+ | Bis September 2018 wurden zwölf spezifisch salzburgische Traditionen (bzw. 27, mit jenen, an denen Salzburg auch Anteil hat), Fertigkeiten und Praktiken von der UNESCO in das Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbe Österreichs aufgenommen. Das sind Traditionen, die auf der Vergangenheit aufbauend das Leben der Menschen heute prägen, von gesellschaftlicher Relevanz und identifikatorischer Bedeutung sind. Diese Liste kann durch Antragstellung der Ausübenden zweimal jährlich erweitert werden. | ||
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Version vom 8. Juni 2020, 18:38 Uhr
Bräuche stellen aus Sitten und Normen erwachsene, gemeinschaftsbezogene wie gemeinschaftsbildende, ritualisierte Handlungen von großer Signalwirkung dar.
Sitten und Bräuche, Normen und Rituale entsprechen dem Bedürfnis der Menschen nach lokaler und sozialer Vergemeinschaftung und Absicherung, Selbstdarstellung (z.B. Volkstanz, Zunfttänze, Bindertanz, Schwerttanz) und Identifikation. Bräuche dienen der Unterteilung des Jahres, sie heben Ereignisse hervor und tun sie öffentlich kund (z.B. Jubiläen, Arbeitsende, Hochzeitslader), sie dienen der Kennzeichnung von Übergängen (z.B. Schulabschluss, Polterabend) und Statusveränderungen (z.B. Inauguration, Metzgersprung), sie regeln das Verhalten im Ausnahmefall (z.B. Faschingsbräuche, Perchten) und geben Formen der sozialen Sanktion vor (Philippeln in der Nacht vor dem 1. Mai, Rügebräuche vor der Hochzeit).
Zwischen dem 16. und dem 19. Jahrhundert entwickelten sich differenzierte Ausdrucksformen schichtenspezifischer, religionsbezogener wie regionaler Kultur, die mit der Zunahme der Alphabetisierung, der Medien, der Kommunikation und Mobilität sowie mit dem Ende der Ständegesellschaft wieder zurückgingen und sich aneinander anglichen. Alles das, was von diesen kulturellen Gestaltungsformen im Zuge der Aufklärung, der Romantik und der romantisch-nationalen Strömungen im 19. Jh. aufgezeichnet wurde, dient seit der Wende zum 20. Jahrhundert der Braucherneuerung und Brauchtumspflege und wurde für vielfältige Redefinitionen verwendet. Damit wurden Handlungsmuster, die im jeweiligen Welt- und Gesellschaftsverständnis verankert waren, die durch die Kulturdimensionen Zeit, Raum und gesellschaftliche Gruppe definierbar waren, zu neuen, weitgehend statischen Gestaltungsformen, die Geschichtlichkeit betonen. Viele Salzburger B. (z.B. Osterbräuche, Weihnachtsbräuche etc. und Bräuche des einzelnen Menschenlebens, u.a. Hochzeit, Begräbnis), werden in dieser Form heute von „Salzburger Volkskultur“ und Brauchtumsvereinen öffentlich weitergeführt.
Viele Sitten und Bräuche haben sich auch in weiten Kreisen der Bevölkerung erhalten bzw. lebendig weiterentwickelt (u.a. Patenpflichten, Taufgestaltung, Anklöckeln etc.). Die Brauchtumspflege- und Erneuerungsbewegungen in unserem Jahrhundert haben vielfach vergessen lassen, dass neben den organisierten öffentlichen Schaubräuchen eine Fülle von Sitten und Bräuchen im Alltag existierte und existiert, die den Ausübenden selbstverständlich und unverzichtbar erscheinen und damit Ausdruck ihrer Kultur (des Common sense) sind. Dazu gehören etwa die Sitten des Grüßens und der Gastfreundschaft, des Essens, der Begehung von Festen, der Nachbarschaftshilfe, des Schenkens, des Hausbaues und Umzuges, etc.
Vielfach wechseln solche Formen mit der Änderung wirtschaftlicher und politischer Lebensbedingungen, sie erleben Innovationen und Akkulturationen (räumliche wie zeitliche Übertragungen) ebenso wie laufende Um- und Neudeutungen. Öffentliche Bräuche, die durch die Kulturpolitik eine Stilisierung und Fixierung im Jahreslauf erfahren haben, werden gesondert unter ihrem Namen aufgeführt. Daneben sind der 1981 wiederbelebte Metzgersprung in der Stadt und das Fahnenschwingen der Metzger als Relikte einstiger Zunftbräuche, die Georgiritte am 23. April etwa in Sommerholz, Eugendorf, St. Georgen und Thomatal zu nennen, zu denen oft Reiterspiele (Kranzlstechen) gehören, die Sonnwendfeuer, die Almfeste am Jakobitag, 25. Juli, die Almabtriebe im Herbst, die Erntedankfeste, die Gräberbesuche und Patengeschenke zu Allerheiligen oder das Kasmandlfahren am Vorabend von Martini im Lungau. Touristische Initiativen schließen sich oft an bestehende Bräuche an oder richten neue nach dem Bedürfnis der Gegenwart ein.
Bis September 2018 wurden zwölf spezifisch salzburgische Traditionen (bzw. 27, mit jenen, an denen Salzburg auch Anteil hat), Fertigkeiten und Praktiken von der UNESCO in das Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbe Österreichs aufgenommen. Das sind Traditionen, die auf der Vergangenheit aufbauend das Leben der Menschen heute prägen, von gesellschaftlicher Relevanz und identifikatorischer Bedeutung sind. Diese Liste kann durch Antragstellung der Ausübenden zweimal jährlich erweitert werden.
Derzeit eingetragen sind: Der „Aberseer Schleunige“ (ein komplexer Spieltanz für eine Gruppe), das „Aperschnalzen im historischen Rupertiwinkel“, „Apothekeneigene Hausspezialitäten“, der „Dürrnberger Schwerttanz“, das „Erfahrungswissen im Umgang mit der Lawinengefahr“, die „Falknerei“, die „Gasteiner Perchten“, das „Heilwissen der Pinzgauer*innen“, die „Herstellung und Verwendung der (Linzer) Goldhaube“, die „Herstellung von Terrazzo in traditioneller Handwerkstechnik“, das „Hundsstoaranggeln“ als historische Form des Ringens, die „Klöppelei in Salzburg“, die „Köhlerei“, das „Märchenerzählen“, das „Maultrommelspiel in Österreich“, die „Österreichische Gebärdensprache“, die „Österreichische Volkstanzbewegung“, das „Österreichische Sensenschmieden“, der „Pinzgauer Tresterertanz der Salzburger ALPINIA“, das „Ratschen in der Karwoche“, das „Salzburger Festschützenwesen“, das „Samsontragen im Lungau und Bezirk Murau“, die „Spielpraxis des Salzburger Marionettentheaters“, „Stille Nacht – das Lied zur Weihnachtszeit“, die „Vereinigten zu Tamsweg“, das „Vergolden und Staffieren“, „Viehumtragen am Fest des Hl. Georg“ (Pinzgau), das „Wissen um traditionellen Samenbau und Saatgutgewinnung“.
Lit.:
- L. Luidold, U. Kammerhofer-Aggermann: Bräuche im Salzburger Land. Zeitgeist – Lebenskonzepte – Rituale – Trends – Alternativen. CD-ROM-Reihe. (= SBzVK 13-16)Salzburg 2002–2005.
- K. Adrian: Von Salzburger Sitt’ und Brauch. Wien 1924.
U.K.