Tresterer: Unterschied zwischen den Versionen
(Eine dazwischenliegende Version desselben Benutzers wird nicht angezeigt) | |||
Zeile 4: | Zeile 4: | ||
Die Bezeichnung (trestern = geräuschvoll stampfen, treten, Trauben maischen) kennzeichnet den stampfenden, schleifenden Schritt und die rhythmischen Sprünge des charakteristischen Rundtanzes von Männern. Die Schritte entstammen dem Ballett und Gesellschaftstanz der Zeit zwischen dem 14. Jahrhundert und dem 17. Jahrhundert (u.a. ''Neue und curieuse Tantz-Schul'' des Gregorio Lambranzi, 1716), wenngleich sie regional benannt sind als Schleichen, Schürfen, Hobeln und Hacken. | Die Bezeichnung (trestern = geräuschvoll stampfen, treten, Trauben maischen) kennzeichnet den stampfenden, schleifenden Schritt und die rhythmischen Sprünge des charakteristischen Rundtanzes von Männern. Die Schritte entstammen dem Ballett und Gesellschaftstanz der Zeit zwischen dem 14. Jahrhundert und dem 17. Jahrhundert (u.a. ''Neue und curieuse Tantz-Schul'' des Gregorio Lambranzi, 1716), wenngleich sie regional benannt sind als Schleichen, Schürfen, Hobeln und Hacken. | ||
− | Der Tresterertanz ist Höhepunkt an den Stationen eines | + | Der Tresterertanz ist Höhepunkt an den Stationen eines Masken-Umlaufbrauches, der in vielen Aspekten dem Tanz- und Präsentiertheater von Renaissance und Barock vergleichbar ist. In ländlicher Rezeption enthält der Maskenzug groteske Figuren, die vielfach ebenfalls als Bühnenrollen im „Lambranzi“ aufscheinen (die „Schiachen“, u.a. Jäger, Öltrager/Wanderhändler, Satyrn/Wilde Werchmänner, Hahnerpercht, Dienstbotin/Bettlerin/Hexe), einen komischen Spielmacher ([[Hanswurst]]) sowie die kunstreichen Tresterer-Tänzer in prächtigen Kostümen mit ihrer Musikbegleitung (Pfeifer, Klarinetten). |
Salzburger Quellen um 1800 nennen die Bezeichnung Tresterer sowie vergleichbare Aufzüge am Vorabend des Dreikönigstages, also zu Beginn des Faschings bis zum Aschermittwoch, die zu Wirtshäusern und Bauernhöfen ziehen. Von der Mitte des 19. Jahrhunderts an bemühten sich städtische Initiativen (u.a. Alpenverein, Gesellschaftsblätter, Sommerfeste in Zell am See und [[Bad Gastein]]) um die Wiedereinführung nur des Tanzes, und ethnografische Schriften präsentierten Tresterer in Wort und Bild als „Nationaltänze“. | Salzburger Quellen um 1800 nennen die Bezeichnung Tresterer sowie vergleichbare Aufzüge am Vorabend des Dreikönigstages, also zu Beginn des Faschings bis zum Aschermittwoch, die zu Wirtshäusern und Bauernhöfen ziehen. Von der Mitte des 19. Jahrhunderts an bemühten sich städtische Initiativen (u.a. Alpenverein, Gesellschaftsblätter, Sommerfeste in Zell am See und [[Bad Gastein]]) um die Wiedereinführung nur des Tanzes, und ethnografische Schriften präsentierten Tresterer in Wort und Bild als „Nationaltänze“. | ||
Zeile 11: | Zeile 11: | ||
Die ältesten erhaltenen Kostüme stammen aus Krimml (1894) und Uttendorf (1897; 1939). Tresterer-Nennungen existieren weiters an den einstigen Saumrouten ([[Saumwege]]) im Pinzgau: für Krimml bzw. Wald (1830er oder 1860er), [[Zell am See]], Uttendorf bzw. Saalfelden um 1880, sowie mit kompletten Maskenumzügen für Piesendorf, Zell am See sowie Unken bei Lofer von 1936. Die Unkener Tresterer (Wiedereinführung 1911/12) sowie die fast genauso gewandeten Stelzentänzer stellen in Tanz und Kleidung eine Sonderform dar. Auch wenn ihr Kopfschmuck keine Federkrone hat, sind die Hüte mit Goldflittern, Seidenblumen, Myrten und fliegenden Bändern ein typisches Merkmal der Faschingstänzer, vergleichbar jenen aus Bagolino/Trient oder den Tiroler Hudlern. Die Unkener tragen lederne Kniebundhosen, weiße Hemden, Männergürtel (Ranzen). 1911 traten erstmalig die Tresterer des bürgerlichen Vereins [[Alpinia]] (Immaterielles Kulturerbe der UNESCO seit 2012) in der Stadt Salzburg auf, die sich an Tanz und Kostümen aus Krimml orientierten. | Die ältesten erhaltenen Kostüme stammen aus Krimml (1894) und Uttendorf (1897; 1939). Tresterer-Nennungen existieren weiters an den einstigen Saumrouten ([[Saumwege]]) im Pinzgau: für Krimml bzw. Wald (1830er oder 1860er), [[Zell am See]], Uttendorf bzw. Saalfelden um 1880, sowie mit kompletten Maskenumzügen für Piesendorf, Zell am See sowie Unken bei Lofer von 1936. Die Unkener Tresterer (Wiedereinführung 1911/12) sowie die fast genauso gewandeten Stelzentänzer stellen in Tanz und Kleidung eine Sonderform dar. Auch wenn ihr Kopfschmuck keine Federkrone hat, sind die Hüte mit Goldflittern, Seidenblumen, Myrten und fliegenden Bändern ein typisches Merkmal der Faschingstänzer, vergleichbar jenen aus Bagolino/Trient oder den Tiroler Hudlern. Die Unkener tragen lederne Kniebundhosen, weiße Hemden, Männergürtel (Ranzen). 1911 traten erstmalig die Tresterer des bürgerlichen Vereins [[Alpinia]] (Immaterielles Kulturerbe der UNESCO seit 2012) in der Stadt Salzburg auf, die sich an Tanz und Kostümen aus Krimml orientierten. | ||
− | Sie tragen – wie alle weiteren – weiß-rote Kostüme, die entfernt an adelige Barockgewänder erinnern, und flache Strohhüte, die mit Blumen und Flitter bedeckt sind, von denen 30–60 weiße Hahnenfedern aufragen und von denen (helle) Bänder fast hüftlang herabfallen. Auch das Schmucktaschentuch am Ring und die kunstvollen knöchelhohen Schuhe charakterisieren diese „Schönen“. Die Stuhlfeldener Tresterer (Gründung 1963/64) sowie die Zeller Tresterer (Wiedereinführungen vor 1880 und 1980) und die Tresterer aus Bruck | + | Sie tragen – wie alle weiteren – weiß-rote Kostüme, die entfernt an adelige Barockgewänder erinnern, und flache Strohhüte, die mit Blumen und Flitter bedeckt sind, von denen 30–60 weiße Hahnenfedern aufragen und von denen (helle) Bänder fast hüftlang herabfallen. Auch das Schmucktaschentuch am Ring und die kunstvollen knöchelhohen Schuhe charakterisieren diese „Schönen“. Die Stuhlfeldener Tresterer (Gründung 1963/64) sowie die Zeller Tresterer (Wiedereinführungen vor 1880 und 1980) und die Tresterer aus Bruck an der Glocknerstraße (2004; Nennung eines „Perchtentänzers“ 1886) und Saalfelden (2017) orientieren sich an Filmaufnahmen von 1939 in Uttendorf. |
Kurz vor dem Ersten Weltkrieg wie zwischen den beiden Weltkriegen fanden Initiativen unter Vorgaben von [[Richard Wolfram]] zur Wiederbelebung statt, die auch viele Veränderungen und Neudeutungen mit sich brachten (als heidnisch-naturkultische Mythen, als Ausstampfen des Getreides, als Dämonentanz, etc.), sowie eine Einschränkung auf den sogenannten Perchtenabend vor Epiphanie, der ebenfalls neugermanisch gedeutet wurde. Instrumentalisierung in der NS-Zeit. | Kurz vor dem Ersten Weltkrieg wie zwischen den beiden Weltkriegen fanden Initiativen unter Vorgaben von [[Richard Wolfram]] zur Wiederbelebung statt, die auch viele Veränderungen und Neudeutungen mit sich brachten (als heidnisch-naturkultische Mythen, als Ausstampfen des Getreides, als Dämonentanz, etc.), sowie eine Einschränkung auf den sogenannten Perchtenabend vor Epiphanie, der ebenfalls neugermanisch gedeutet wurde. Instrumentalisierung in der NS-Zeit. | ||
Aktuelle Version vom 27. Mai 2021, 17:41 Uhr
Tresterer. Pinzgauer Sonderformen der Faschingsläufer, die, weil in Salzburg im 18. Jahrhundert die Bezeichnung B/Percht (Perchten) mit Maske gleichbedeutend war, als Gattung der Schönperchten gelten.
Die Bezeichnung (trestern = geräuschvoll stampfen, treten, Trauben maischen) kennzeichnet den stampfenden, schleifenden Schritt und die rhythmischen Sprünge des charakteristischen Rundtanzes von Männern. Die Schritte entstammen dem Ballett und Gesellschaftstanz der Zeit zwischen dem 14. Jahrhundert und dem 17. Jahrhundert (u.a. Neue und curieuse Tantz-Schul des Gregorio Lambranzi, 1716), wenngleich sie regional benannt sind als Schleichen, Schürfen, Hobeln und Hacken.
Der Tresterertanz ist Höhepunkt an den Stationen eines Masken-Umlaufbrauches, der in vielen Aspekten dem Tanz- und Präsentiertheater von Renaissance und Barock vergleichbar ist. In ländlicher Rezeption enthält der Maskenzug groteske Figuren, die vielfach ebenfalls als Bühnenrollen im „Lambranzi“ aufscheinen (die „Schiachen“, u.a. Jäger, Öltrager/Wanderhändler, Satyrn/Wilde Werchmänner, Hahnerpercht, Dienstbotin/Bettlerin/Hexe), einen komischen Spielmacher (Hanswurst) sowie die kunstreichen Tresterer-Tänzer in prächtigen Kostümen mit ihrer Musikbegleitung (Pfeifer, Klarinetten).
Salzburger Quellen um 1800 nennen die Bezeichnung Tresterer sowie vergleichbare Aufzüge am Vorabend des Dreikönigstages, also zu Beginn des Faschings bis zum Aschermittwoch, die zu Wirtshäusern und Bauernhöfen ziehen. Von der Mitte des 19. Jahrhunderts an bemühten sich städtische Initiativen (u.a. Alpenverein, Gesellschaftsblätter, Sommerfeste in Zell am See und Bad Gastein) um die Wiedereinführung nur des Tanzes, und ethnografische Schriften präsentierten Tresterer in Wort und Bild als „Nationaltänze“.
Die ältesten erhaltenen Kostüme stammen aus Krimml (1894) und Uttendorf (1897; 1939). Tresterer-Nennungen existieren weiters an den einstigen Saumrouten (Saumwege) im Pinzgau: für Krimml bzw. Wald (1830er oder 1860er), Zell am See, Uttendorf bzw. Saalfelden um 1880, sowie mit kompletten Maskenumzügen für Piesendorf, Zell am See sowie Unken bei Lofer von 1936. Die Unkener Tresterer (Wiedereinführung 1911/12) sowie die fast genauso gewandeten Stelzentänzer stellen in Tanz und Kleidung eine Sonderform dar. Auch wenn ihr Kopfschmuck keine Federkrone hat, sind die Hüte mit Goldflittern, Seidenblumen, Myrten und fliegenden Bändern ein typisches Merkmal der Faschingstänzer, vergleichbar jenen aus Bagolino/Trient oder den Tiroler Hudlern. Die Unkener tragen lederne Kniebundhosen, weiße Hemden, Männergürtel (Ranzen). 1911 traten erstmalig die Tresterer des bürgerlichen Vereins Alpinia (Immaterielles Kulturerbe der UNESCO seit 2012) in der Stadt Salzburg auf, die sich an Tanz und Kostümen aus Krimml orientierten.
Sie tragen – wie alle weiteren – weiß-rote Kostüme, die entfernt an adelige Barockgewänder erinnern, und flache Strohhüte, die mit Blumen und Flitter bedeckt sind, von denen 30–60 weiße Hahnenfedern aufragen und von denen (helle) Bänder fast hüftlang herabfallen. Auch das Schmucktaschentuch am Ring und die kunstvollen knöchelhohen Schuhe charakterisieren diese „Schönen“. Die Stuhlfeldener Tresterer (Gründung 1963/64) sowie die Zeller Tresterer (Wiedereinführungen vor 1880 und 1980) und die Tresterer aus Bruck an der Glocknerstraße (2004; Nennung eines „Perchtentänzers“ 1886) und Saalfelden (2017) orientieren sich an Filmaufnahmen von 1939 in Uttendorf. Kurz vor dem Ersten Weltkrieg wie zwischen den beiden Weltkriegen fanden Initiativen unter Vorgaben von Richard Wolfram zur Wiederbelebung statt, die auch viele Veränderungen und Neudeutungen mit sich brachten (als heidnisch-naturkultische Mythen, als Ausstampfen des Getreides, als Dämonentanz, etc.), sowie eine Einschränkung auf den sogenannten Perchtenabend vor Epiphanie, der ebenfalls neugermanisch gedeutet wurde. Instrumentalisierung in der NS-Zeit.
Lit.:
- U.Kammerhofer-Aggermann (Hg.), Ch. Grandl, V. Höller (Red.): Salzburger Tresterer – aufgefunden und dokumentiert. (=SBzVK 26) Salzburg 2018.
- U. Kammerhofer-Aggermann/A.M. Kasper (Hg.): MATTHIAS TANZT. Salzburger Tresterer On Stange. Kunst und Wissenschaft im Dialog. (=SBzVK 24/Kataloge ÖMV 103). Salzburg, Wien 2017.
- G. Oberzaucher-Schüler: Bühnentanz-Reflexionen zu Volkstanz-Phänomenen. (= Wiener Tanzgeschichten, 11.3.2017). In: tanz.at, 4 Seiten. http://www.tanz.at/index.php/wiener-tanzgeschichten/1731-buehnentanz-reflexionen-zu-volkstanz-phaenomenen. (Stand 7.6.2017).
- K. Horak: Volkstänze aus Unken im Lande Salzburg. In: Jb. d. Österr. Volksliedwerkes 6. Wien 1957, S. 61–72.
U.K.