Weihnachtsbräuche: Unterschied zwischen den Versionen

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Version vom 1. Dezember 2016, 05:20 Uhr

Weihnachtsbräuche, auch als Bräuche des Weihnachtsfestkreises bezeichnet, umfassen die Adventzeit (Epiphaniefastenzeit oder Weihnachtquadragese), also die Vorbereitungen auf die Ankunft des Herrn, die Feiertage dieses Ereignisses sowie den Ausklang der Weihnachtszeit mit dem Fest Maria Lichtmeß am 2. Februar.

Bis ins 20. Jh. kirchlich intendierte Bräuche des Adventansingens, von denen sich das →Ang(k)löckeln in verschiedenen Formen erhalten hat. Es war häufig (etwa bei den Schiffern, Drehkrippe des 18. Jh.s aus Oberndorf erhalten) gepaart mit Heischegängen, mit der Bitte um Unterstützung in Zeiten der Arbeitslosigkeit. Schon im 6. Jh. existiert die Bezeichnung »Klöpfelnächte«, Johannes Boemus erwähnt sie um 1520 als städtischen Kinderbrauch, mit den Gaben Äpfel, Birnen, Nüsse und Pfennige, ebenso Sebastian Franck in seinem Weltbuch von 1534. Schon Boemus spricht von den Donnerstagen vor Weihnachten, die eine spezielle eucharistische Note aufweisen. Sie werden mit Texten der Bergpredigt (»Klopft an, so wird euch aufgetan«, Mt 7,7f) und dem Lukasevangelium (Lk 13,25 und Lk 13,26), wo es heißt: »die ihr draußen steht und an die Pforte zu klopfen beginnt und ruft: Herr mach uns auf!« in Verbindung gesetzt. Aus dem Heische- und Ankündebrauch des frühen Mittelalters - das Gabenbitten zu bestimmten Festzeiten war Vorrecht ärmerer Bevölkerungsgruppen, die als Vertreter der Armen Seelen verstanden wurden (u. a. Sternsinger, Frisch-und G’sundschläger am Tag der Unschuldigen Kinder) - wurde in der Gegenreformation im Umkreis der Klöster ein Brauch der Lateinschüler, der sich auf die Bevölkerung ausbreitete. Die →Wilde Jagd rund um den Untersberg, obwohl am 2. Donnerstag im Dezember aufgeführt, zählt nicht zu den alten Bräuchen, sie stellt ein Konglomerat aus Sagenfiguren, Bräuchen und germanophiler Interpretation dar.

Auch das Herbergssuchen und →Frautragen gehört zu den Bräuchen der Ankündigung des Weihnachtsfestes. Das Motiv der Herbergssuche - Josef mit der schwangeren Maria vor dem abweisenden Wirt - ist seit dem Spätmittelalter Bestandteil der kirchlichen Weihnachtsspiele. Zur Zeit der Gegenreformation wurden diese Spiele zur Vermittlung religiöser Inhalte zusehends volkstümlicher, und Elemente, die den katholischen Glauben betonten, ebenso wie die volkstümliche Dramatik wurden verstärkt (etwa die Marienverehrung). Im Lied dokumentiert sich das in »Wer klopfet an«. Das Nachempfinden der Herbergssuche findet sich in den »Exercitia spiritualia« des hl. Ignatius von Loyola (1548) sowie im »Cathechismus Romanus« (1566) als besonderes Anliegen. Als Volksbrauch ist sie seit dem 16. Jh. nachweisbar. In Salzburg haben sich innergebirg Anklöcklergruppen, die die Herbergssuche darstellen, erhalten. Im Salzburger Gebirge, speziell im Pinzgau, finden sich viele private »Frautafeln« des 17. und 18. Jh.s, die die Herbergssuche bzw. eine Maria gravida - teils übers Gebirge gehend - darstellen. (Im Bereich der internationalen Kunst findet sich die Wirtsszene im 16. Jh. häufig auf Altarbildern.) Sie wurden im Advent betend von Haus zu Haus getragen, in Andachten verehrt und waren eine Demonstration katholischen Glaubens, die dem möglichen Vorwurf des Kryptoprotestantismus begegnen sollten. In den 1690er Jahren wurde im Pinzgau »von der Kirche nie erlaubt (…), dieser nächtliche Aufzug infolge des damit häufig verbundenen Unfuges auch von den weltlichen Behörden verboten«. Das Herbergssuchen war also, wie alle anderen Bräuche auch, in der unter strenger sozialer, kirchlicher wie obrigkeitlicher Kontrolle stehenden Bevölkerung zum Anlass für Ausgelassenheit und Suff, Partnersuche und Raufhändel geworden. Aus der Wende zu unserem Jh. erfahren wir noch einiges über den Ablauf des Frautragens. Fast ausschließlich wurde das Bild/die Statue von Frauen, oft von den Jungfrauen, von Familie zu Familie getragen. Die Begleitung wurde bewirtet und die Trägerin mit Gebäck beschenkt. Für das Frauenbild wurde in der Stube ein »Altar« errichtet und dort eine Andacht gehalten. Der Besuch des Frauenbildes bedeutete den Menschen Schutz und Segen für die Familie und den Hof. Für Land und Stadt Salzburg ist das Frautragen bis in unser Jh. ohne Unterbrechung belegt. Um die Wende zu unserem Jh. gab der vom Münchner Servitinnenkloster zwischen 1892 und 1914 mehrfach aufgelegte Text »Geistlicher Krippenbau« neue Impulse. Seit dem Marianischen Jahr 1954 tragen verschiedene religiöse Gruppierungen in den katholischen Pfarren das Herbergssuchen weiter. Das Oberndorfer Frautragen wurde erst 1934 eingeführt.

Das bereits im MA belegte Roratebeten in den frühen Morgenstunden der Adventdonnerstage hat heute als Volksbrauch keine Bedeutung mehr, es zählt zu den religiösen Übungen der Katholiken.

Neben der Weihnachtsankündigung umfasst der Advent viele einzelne Heiligentermine, die mit Volksbräuchen belegt sind. So gilt heute noch die hl. Katharina (24. 11.) als Vorbotin der einstigen Weihnachtsfastenzeit, denn »Kathrein stellt den Tanz ein«. Der Vorabend des 1. Adventsonntags wird in den Pfarren mit der Adventkranzweihe begangen. Der Adventkranz, als solcher zu Beginn des 20. Jh.s von Heinrich Wichern in einem protestantischen Waisenhaus in Hamburg eingeführt, verbreitete sich rasch und zählt heute zu den religiösen wie profanen Adventbräuchen. In den letzten Jahren halten auch skandinavische und angelsächsische Schmuck- und Brauchformen in Salzburg Einzug. Die bürgerliche Weihnachtsromantik des 19. Jh.s mit Keksen, Glühwein und Caritativmärkten ebenso wie der literarisch entstandene Weihnachtsmann prägen heute die Adventzeit mehr als die traditionell alpenländischen und kirchlichen Bräuche.

Am St. Barbaratag, 4. Dezember, sind Barbarazweige (Kirschen, inzwischen aber auch Forsythien,Weiden und Stechpalmen) auf den Märkten erhältlich. Sie werden gewässert, und ihr Aufblühen am Weihnachtstag wird als Glück- bzw. Heiratszeichen verstanden. Weizen als grüner Garten für die Krippe wird kaum mehr gesät. Auch der 21. 12., Thomastag, war ein Lostag, an dem mit Pfänderspielen die Zukunft erkundet wurde. An diesem Tag wurde das Kletzenbrot gebacken, es musste bis St. Sebastian, 21. 1., verspeist werden.

Der hl. Nikolaus als Gabenbringer und Patron (u. a. Schiffleute, Kaufleute,Weber, Bergleute) entwickelte sich aus zwei historischen Persönlichkeiten, aus dem Bischof von Myra/ Kleinasien († 343) und dem Abt Nikolaus von Sion/Süditalien, († 10. Dez. 564 als Bischof von Pinara). Der Bischof von Myra wurde bereits im 6. Jh. als wundertätig verehrt. Aus seiner Vita entstanden um 880 Legenden, die ihn, fehlgedeutet, auch zum Helfer der Kinder machten. Die Verehrung des Heiligen verband sich bald mit den katechetischen Anliegen der Weihnachtsquadragese; am Nikolaustag wurden die erworbenen Kenntnisse abgefragt und belohnt bzw. bestraft. Daher wurde das Fest des Heiligen zum Geschenkfest im Weihnachtsfestkreis. In der Gegenreformation wurden im Umkreis der Klöster daraus Nikolausspiele, die ab dem 17. Jh. bereits eine Eigendynamik in der Bevölkerung entwickelten. Aus dem Nikolaus und seinem teuflischen Gegenpol wurde bald eine hierarchisch abgestufte Gefolgschaft von himmlischen und teuflischen Gestalten. Im Innsbrucker Volkskunstmuseum ist eine solche Luziferfigur - (geschnitzt, bekleidet, mechanisch beweglich) aus dem Tiroler Teil (Brixental) der Salzburger Erzdiözese erhalten, die bis ins 19. Jh. verwendet worden war. Im17. Jh. fanden solche Spiele schon in den Stuben der Bevölkerung statt, aus denen sich die Teufel herauslösten und andere Hässliche aus Brauch und Volksschauspiel dazukamen, wie die Berchte, die Schnabelperchten und tiergestaltige Schiachperchten etc. Aus vielfachen Einflusssphären und Deutungsversuchen entstanden daraus in unserem Jh. die heutigen »Krampusperchten«, die sich seit den 1960er Jahren im Zusammenspiel mit dem Tourismus schnell verbreiten.

Im MA stand das neugeborene Christkind in der Krippe oder Wiege im Zentrum der weihnachtlichen Verehrung. Dem Kindlwiegen verdanken wir Weihnachtslieder wie etwa »Seht, es naht eine heilige Zeit«, »Laßt uns wiegen das Kindelein«, »Josef, lieber Josef mein«. Das Nonnberger Reiterlein, ein Weihnachtsherold um 1490, ist erhalten. Die Gegenreformation bevorzugte das Kind als späteren Weltenherrscher und schuf viele Andachtsbilder. Im →Filzmooser Kindl etwa ist ein solches (Prager) Jesulein erhalten. In barocken wie späteren volkstümlichen Andachtsschreinen haben sich bekleidete Christkindfiguren (häufig aus Wachs bossiert) und auf dem Kreuz schlafende Jesukinder (auch im Hinterglas- und Andachtsbild) erhalten, die zur Weihnachtszeit besonders verehrt werden. Sie blieben, auch neben den im 17. und 18. Jh. beliebteren Krippen, in der Volksreligiosität bestehen. Bis in die 1980er Jahre wurden noch »Salzburger Christkindln«, wächserne →Fatschenkinder, bekleidet mit Samt, Brokat und Spitzen, in Salzburg erzeugt.

Dem katholischen Jesulein- und Krippenkult ebenso wie dem Gabenbringer St. Nikolaus setzte Martin Luther Christus als Gabenbringer in der Figur des »Christkindes« entgegen. Im 19. Jh. wurden über Literatur und Malerei im internationalen Austausch daraus das bürgerliche, blondgelockte Christkind und der Weihnachtsmann, der über Einflüsse des angelsächsischen Santa Claus zum amerikanischen Weihnachtsmann mutierte.

In den stadtfernen und ländlichen Gebieten Salzburgs erhielt sich aber bis in die 1950er Jahre St. Nikolaus mit Krampus (Teufel) als Gabenbringer. Der Christbaum mit dem Beschenken am Weihnachtsabend - entwickelt als überregionales Fest einer internationalen Oberschicht - hielt erst in der zweiten Hälfte des 20. Jhs. Einzug. Der 24. Dezember wurde vielfach als Tag der Buße, der äußeren (»Stöbern« in Haus und Hof, Baden und Neueinkleiden) und inneren Reinigung begangen. Haus und Hof wurden mit Reisigwipfeln, den »Bachlboschen« (Pinzgau), geschmückt, es wurde geräuchert (am 24. Dezember, zu Neujahr und zu Dreikönig) und das erste Kletzenbrot angeschnitten. Auch das Vieh erhielt, wie an allen hohen Festen, eine besondere Gabe. Nach der Fastenspeise, dem »Bachlkoch« (ein süßes Brei- bzw. Schmarrngericht, benannt nach der Bercht, der man nach der Sage eine Schüssel voll und genügend Löffel für ihre ungetauften Kinder hinstellen soll), wurde gebetet und bis zur Mitternachtsmette gewacht. Erst nach der Mette gab es die Mettensuppe mit Würsten und Leberknödeln, die erste Fleischspeise nach der Fastenzeit. Nach der Sage sollen in der Weihnachtsnacht die Tiere im Stall sprechen und die Zukunft verkünden.

Den ersten Christbaumsah Salzburg 1826. Der Christbaum, ein geschmückter Nadelbaumals Symbol des bürgerlichen Weihnachtsfestes, entwickelte sich seit dem späten 18. Jh. in Mitteleuropa. In ihn flossen ältere Formen des Haus- und Raumschmuckes mit Wintergrün, Lichtern und Zierat (mittelalterlicher Paradiesbaum und Weihnachtsmaien) und protestantische Gestaltungsformen ein. Die erste Beschreibung eines heute üblichen Ch. stammt von 1605 aus dem Elsaß. Den ersten Ch. in Salzburg errichtete der aus Eningen im evangelischen Württemberg stammende Spitzenhändler Franz Jacob Koch 1826 in seiner Wohnung Alter Markt 11. Dieser Ch. fand bei öffentlichen Feiern und bei Salzburger Familien rasch Nachahmung, doch wurde er erst nach dem 2. Weltkrieg in allen Bevölkerungsschichten und am Land allgemein gebräuchlich. Sein Schmuck bestand immer aus Lichtern, Backwerk und Näschereien, Äpfeln und Nüssen (Fortleben der Gaben des katholischen Gabenbringers St. Nikolaus). Der übrige Schmuck entsprach der jeweiligen Mode und der finanziellen Situation. Mit dem Ch. verlagerte sich die weihnachtliche Bescherung auch in katholischen Gebieten vom Fest des hl. Nikolaus auf den Christtag. Weit älter ist die in Salzburg wie in ganz Europa übliche Sitte, Haus und Hof mit Weihnachtsgrün zu schmücken bzw. solches zu verschenken. Solche Nadelholzwipfel und - zweige heißen in ganz Salzburg »Weihnachtstaxach «, im Pinzgau »Bachlboschen« (s. o.). In diesem Weihnachtsgrün haben sich vielerlei ältere Brauch- und Kultformen zu immer neuen kulturellen Formen und Bedeutungen vernetzt.

Aus weltlichen und kirchlichen Ehrenbezeugungen entwickelten sich Weihnachts- und Silvesterschießen und das Turmblasen in der Heiligen Nacht. Viele Ausformungen entstanden erst in unserem Jh. im Rahmen der Brauchtumspflege und Vereinsaktivitäten. Am 5. Jänner, dem Vorabend zu Dreikönig (Epiphanie ist eines der alten Weihnachts- und Jahreswechselfeste), laufen Maskierte von Haus zu Haus. Dieser Abend wird auch Berchtenabend (→Perchten), genannt. Im Salzkammergut lassen sich Glöcklerläufe (von Ebensee ausgehend?) im Umkreis der Salinen bis ins 18. Jh. verfolgen, die beleuchteten Glöcklerkappen dürften zwischen 1860 und 1880 entstanden sein. Zwischen 1900 und der NS-Zeit wurden sie vielfach wieder aufgenommen und mit germanischen Hintergründen erklärt. Heute existieren Gruppen in Strobl, Zinkenbach, St. Gilgen, Fuschl und Stadt Salzburg. Die Glöckler stehen zu anderen europäischen Maskenläufern der Weihnachts- und Faschingszeit in enger Beziehung. Sie laufen in der Abenddämmerung von Haus zu Haus und bringen Neujahrswünsche und Figurentänze vor. Glöcklerkrapfen, Geld und Geschenke sind ihr Lohn. Im Gebirge ziehen Perchten von Haus zu Haus, die Rauriser Schnabelperchten, die Pinzgauer Tresterer in Unken, Krimml und Stuhlfelden. Der Dreikönigstag ist der wesentliche Termin für den Schönperchtenlauf in Gastein und Bischofshofen. Bei allen diesen Perchtenfiguren handelt es sich wohl um Faschingsmasken im gesamteuropäischen Kulturaustausch, denn der Jahreswechsel, ist auch der Beginn des Faschings.

Einen Bezug zum christlichen Weihnachtsfest haben dagegen die Sternsinger. Sie ziehen vor allem am 6. 1. umher; heute gehen sie großteils von der Katholischen Jungschar aus. In den Orten St. Gilgen, Annaberg, Lungötz und St. Johann haben sich allerdings berittene Sternsingergruppen erhalten. Die Laufener/Oberndorfer Sternsinger, einst Schiffleute auf Heischegang/Zuerwerb, sind bereits 1550 archivalisch belegt, sie wurden 1647 von Herzog Albrecht VI. von Bayern beschrieben. Ein Sternsingerlied von 1761 wurde bis heute mündlich überliefert, charakteristisch ist ihr beleuchteter Drehstern. Der Brauch kam im 19. Jahrhundert ab und wurde 1934 wieder belebt. Unter den Theaterspielen der Schiffer findet sich auch ein spätmittelalterliches Adam- und Eva-Spiel.

Literatur:

  • D.-R. Moser: Bräuche und Feste im christlichen Jahreslauf. Graz 1993.
  • H.M.Wolf: Das Brauchbuch. Alte Bräuche, neue Bräuche, Antibräuche, Wien 1992.
  • K. Adrian: Von Salzburger Sitt’ und Brauch. Wien 1924, S. 24-27.
  • M. Andree-Eysn: Volkskundliches aus dem bayerisch-österreichischen Alpengebiet. Braunschweig 1910, S. 72-77 u. ZVK 1899.

U.K.