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Version vom 7. Dezember 2016, 03:08 Uhr

Geschichtsschreibung und Geschichtsforschung.

Salzburg besitzt für die quellenarme Zeit des Frühmittelalters die bedeutendsten Werke der österr. Geschichtsschreibung (Historiographie). Schon der gelehrte Ire →Virgil regte die älteste Salzburger →Annalistik an. Auf ihn oder seinen Umkreis geht auch die älteste Fassung der Lebensbeschreibung des hl. →Rupert, die nicht erhaltene Urvita, zurück. Um749 verfaßte Virgil eine Denkschrift über die Auseinandersetzung mit dem Bayernherzog um die Maximilianszelle in Bischofshofen und deren Ausstattungsgüter. Diese »Aufzeichnung Virgils« (Libellus Virgilii) bildet ein Kernstück der nach 798 angelegten →Breves Notitiae. Virgils Nachfolger →Arn(o) ließ die ältesten erhaltenen Salzburger Annalen, die als primitive Form der Historiographie bis um 1400 fortgesetzt wurden, und ein »Chronicon breve« aufzeichnen. Er legte das älteste Salzburger Güterverzeichnis (→Notitia Arnonis) an und hielt in den Breves Notitiae die Frühgeschichte Salzburgs einschließlich der Schenkungen an die Salzburger Kirche fest, um Salzburgs kirchlichen Vorrang zu dokumentieren. Von ca. 793 stammt auch die älteste bekannte Fassung der »Gesta Hrodberti«, der Schilderung von Leben und Wirken des Salzburger Gründerheiligen Rupert. Dem Kreis um Eb. Liupramm(836-59) ist eine kurze hagiographische Schrift über die Überführung der Gebeine des hl. Hermetis nach Salzburg zu verdanken. Den Höhepunkt der Salzburger G. stellt die →»Conversio Bagoariorum et Carantanorum «, die Bekehrungsgeschichte der Bayern und Karantanen, dar. Diese Denkschrift auf urk. und annalistischer Grundlage wurde um 870 in Salzburg verfaßt, um im Streit mit dem Slawenapostel Methodius den Standpunkt der Salzburger Kirche und deren hervorragende Leistungen bei der Mission zu dokumentieren. Als einzige genaue schriftliche Quelle zur Missionstätigkeit gehört die Conversio zu den beispielhaften Quellen des 9. Jh.s. Politische Gründe führten im 10. Jh. zu einem Niedergang der Salzburger Historiographie (die Vita Eb. →Gebhards und die Leidensgeschichte Eb. Thiemos entstanden im steirischen Admont). Um 1170 verfaßte ein Salzburger Domherr für Eb. Adalbert II. eine Denkschrift über die Kämpfe des Kaisers gegen die Alexandriner (»Historia calamitatum ecclesiae Salisburgensis«) und eine Beschreibung des Lebens Eb. →Konrads I., die »Vita Chunradi«. Auch dessen Nachfolger Eberhard I. fand biographische Würdigung. Daneben entstanden im 12. Jh. anspruchslose Schriften und Legenden.

Abgesehen von der routinemäßig weitergeführten Annalistik wurden erst wieder im 15. Jh. mit einer späten Blüte der Universalgeschichte mit lokalem Einschlag (Salzburger Landeschroniken) hervorragende historiographische Leistungen erbracht. Neben einer anonymen Salzburger Weltchronik von ca. 1465 sind die großen Chroniken des J. →Serlinger und des →Benediktiners L. →Tornator zu nennen, die ein treffendes Bild des Landes und seiner geistlichen Führung, besonders des Hoflebens, zeichnen.

Eine große Anzahl von Chroniken (»Kleine Salzburger Chroniken«) entstanden im 16. Jh.: Ch. →Jordan wirkte als geschickter Kopist, und V. →Reitgärtler, J. B. →Fickler und der erste Salzburger Buchdrucker H. →Baumann (1588) verfassten größere Chroniken. Nachdem 1519 erstmals in dt. Sprache eine kleine Chronik von Salzburg in Druck erschienen war, brachte W. →Hundt v. Sulzenmoos mit seiner äußerst gründlichen »Metropolis Salisburgensis« das zweite gedruckte Geschichtswerk über Salzburg heraus. Daneben entstanden im 16. Jh. auch zahlreiche kleinere Darstellungen einzelner Ereignisse oder bestimmter Orte in Salzburg, wie etwa die Beschreibung des Bauernaufstandes oder die »Gasteiner Chronik« von ca. 1540.

Der bedeutendste Salzburger Chronist des beginnenden 17. Jh.s und zugleich der für eineinhalb Jh.e letzte, der selbständig geforscht und Selbsterlebtes berichtet hat, war J. →Stainhauser (1570-1625). 1666 ließ F. →Dückher von Hasslau mit seiner »Saltzburgischen Chronica« die erste umfangreiche deutschsprachige Landeschronik (mit Kupferstichansichten) drucken; sie fand große Verbreitung. Die »Historia Salisburgensis« der Brüder →Mezger (1692) und die Chronik des J. B. →Schlachtner bilden das Ende der Salzburger Landeschroniken. 1729 erschien M. →Hansiz’ zweiter Band der »Germania Sacra«, das erste im modernen Sinn wissenschaftlich bedeutende Geschichtswerk über Salzburg.

An der alten Benediktineruniversität, an der Geschichte schon im 17. Jh. als Unterrichtsfach eingeführt worden war, entstand nach der gelehrten Arbeit der Gebrüder Me(t)zger mit der mehrbändigen »Chronik von Salzburg« des Juristen J. T. →Zauner, fortgesetzt vom letzten Rektor der Universität, C. →Gärtner, eine weitere bedeutende Landesgeschichte (11 Bde., 1796-1826). Leitender eb. Beamter war F. T. v. →Kleimayrn, dessen grundlegendes Werk »Juvavia« (1784) sich durch umfangreiches verarbeitetes Quellenmaterial auszeichnet. Die Aufhebung der Universität (1810) und das Ende der Eigenstaatlichkeit Salzburgs bedeuteten auch für das wissenschaftliche Leben einen schweren Rückschlag. In dieser Zeit verfaßte B. →Pillwein seine historischen Arbeiten. Von außen angeregt, einem schon 1844 ausgesprochenen Wunsch J. F. Böhmers folgend, verfaßte Andreas von Meiller, ein Mitarbeiter des Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchivs, seine »Regesten zur Geschichte der Erzbischöfe von Salzburg 1106-1246« (1866).

Bald nach der Wiedererrichtung Salzburgs als selbständiges Kronland gab es neue Impulse. Besondere Bedeutung kam dabei der Gründung der Gesellschaft für Salzburger →Landeskunde 1860 zu, deren »Mitteilungen« sich zum wichtigsten Forum der Heimatforschung entwickelten. Treibende Kraft der Gesellschaft war der Salzburger Arzt F. V. →Zillner, dessen Hauptwerk, eine zweibändige Geschichte der Stadt Salzburg, für einzelne Bereiche der Stadtgeschichte bis heute grundlegend geblieben ist. Umfangreiche, zusammenfassende Darstellungen zur Landesgeschichte verfassten der »vaterländische Geschichtsschreiber« G. A. →Pichler (»Salzburg’s Landes-Geschichte«, 1865) sowie im Rahmen der »Deutschen Ländergeschichten« der Mittelschulprofessor H. →Widmann (3 Bde., 1907-14). Diese Werke konnten allerdings auf die wichtigsten quellenkritischen Editionen Salzburger Geschichtsquellen noch nicht zurückgreifen. Das von W. →Hauthaler begonnene und von F. →Martin fortgesetzte »Salzburger Urkundenbuch« für die Zeit von 790 bis 1246 bzw. 1343 war mit dem 4. Bd. erst 1933 abgeschlossen. Martin ließ diesem »Die Regesten der Erzbischöfe und des Domkapitels von Salzburg« (3 Bde., 1928-34) und seine »Salzburger Archivberichte« (1944-48) folgen. Die Landesgeschichte war zur fast ausschließlichen Domäne der jeweiligen Landesarchivare (F. →Martin, H. →Klein) geworden. Nach der (Wieder-)Errichtung der Universität kam 1964 das Historische Institut (heute Institut für Geschichte) als weitere tragende Säule hinzu. Der Landesgeschichte widmete sich vor allem der Lehrstuhl für Österreichische Geschichte von H. →Wagner. Besonderer Förderung erfreuten sich Landesbewusstsein und Landesgeschichte durch LH. Wilfried Haslauer (→Landesausstellungen, →Landessymposien sowie Publikationen des Landespressebüros). 1984 wurde ein eigener Lehrstuhl für »Vergleichende Landesgeschichte« errichtet, dessen Inhaber Heinz Dopsch auch für die 1981-91 in acht Teilen erschienene »Geschichte Salzburgs« hauptverantwortlich zeichnete. Im Rahmen dieses Handbuches wurde viele Bereiche der Salzburger Landesgeschichte erstmals umfassend aufgearbeitet. Auch durch die Vergabe von Dissertationen und Diplomarbeiten sowie von Forschungsprojekten wurden in den letzten Jahren wichtige Forschungslücken geschlossen.

Im Bereich der Regionalgeschichte hat sich der Schwerpunkt seit dem vorigen Jahrhundert von Publikationen über die Salzburger Gaue (I. →Kürsinger, J. →Dürlinger) auf die Orts- und Lokalgeschichte verlagert. Seit 1985 werden im Salzburger Landesarchiv regelmäßig Ortschronistenseminare abgehalten. Den organisatorischen Rahmen dafür bildet der 1990 errichtete »Arbeitskreis für Landesgeschichte« am Salzburger →Bildungswerk (neu konstituiert 1997 unter Leitung von Landesarchivar Fritz Koller). Zur Jahrtausendwende verfügte bereits beinahe jede Salzburger Gemeinde über ihre »Ortschronik«.

Literatur (umfassende Literaturangaben, da bisher kein Gesamtüberblick zur Thematik existiert):

  • F. Koller: Die Salzburger Ortschronistenseminare. In: Scrinium 51, 1997, S. 27-32.
  • H. Dopsch: Heimatforschung in Salzburg. Eine Zwischenbilanz, in: Forum Heimatforschung, Ziele–Wege–Ergebnisse, Heft 1, München 1996, S. 15 ff.
  • H. Dopsch: Schriftliche Quellen zur Geschichte des hl. Rupert. In: Hl. Rupert von Salzburg 696-1996, Ausstellungskat., Salzburg 1996, S. 39 ff.
  • H. Dopsch: Probleme der Landes- und Regionalgeschichte am Beispiel Salzburgs. In: H. Wolfram, W. Pohl (Hg.): Probleme der Geschichte Österreichs und ihrer Darstellung, Wien 1991, S. 193 ff.
  • A. Jungreithmayr: Die deutschen Handschriften des Mittelalters der Universitätsbibliothek Salzburg. Österr. Akad. der Wissenschaften, Phil.-Hist. Klasse, Denkschriften Bd. 196, Wien 1988.
  • H. Maschl: 20 Jahre Institut für Geschichte Salzburg 1964-1984. Salzburg 1984.
  • G. Hayer: Die deutschen Handschriften des Mittelalters der Erzabtei St. Peter zu Salzburg. Österr. Akad. der Wissenschaften, Phil.-Hist. Klasse, Denkschriften Bd. 154, Wien 1982.
  • F. Hermann: Wissenschaft und Bildung. In: Geschichte I/2, S. 1071 ff.
  • H. Wolfram: Conversio Bagoariorum et Carantanorum. Wien-Graz-Köln 1979.
  • R. Wagner: Salzburger Chronisten und Historiographen vom Ende des 15. bis zum Anfang des 18. Jh.s. In: Dückher, Saltzburgische Chronica 1666, Graz 1979, S. 30 ff.
  • A. Mühlböck: Die Pflege der Geschichte an der alten Universität.Wien-Salzburg 1973.
  • A. Lhotsky: Quellenkunde zur mittelalterlichen Geschichte Österreichs. MIÖG Erg. Bd. 19, Graz-Köln 1963.
  • M. C. Trdán: Beiträge zur Kenntnis der salzburgischen Chronistik des 16. Jh.s. In: MGSLK 54, 1914, S. 135 ff.
  • G. Scheibner: Beiträge zur salzburgischen Historiographie am Ausgange des Mittelalters. Salzburg 1911.

P.F.K.