Mönch von Salzburg: Unterschied zwischen den Versionen

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'''Mönch von Salzburg'''
 
'''Mönch von Salzburg'''
  
Anonymer Dichter und Komponist aus Salzburg, dessen Werke in über 100 Handschriften spätestens ab dem Beginn des 15. J.s unter dem Pseudonym bzw. unter der Chiffre «Mönch» (münch, munch) eine außergewöhnliche Verbreitung erfahren hat. Ihm werden 49 geistliche und 57 weltliche Lieder zugeschrieben. Der M. kann somit zu den bedeutendsten Musikern gezählt werden, die in Salzburg gewirkt und das Musikgeschehen in dieser Stadt geprägt haben. Seine Lieder haben noch 100 Jahre später Oswald von Wolkenstein beeinflusst. Heute noch ist sein Weihnachtslied «Joseph lieber nefe mein», eine Neudichtung der lateinischen Cantio «Resonet in laudibus» als «Joseph, lieber Joseph mein» bekannt, das mit verteilten Rollen (Maria, Josef, Chor) an Weihnachten zum «Kindelwiegen» gesungen wurde.
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Anonymer Dichter und Komponist aus Salzburg, dessen Werke in über 100 Handschriften spätestens ab dem Beginn des 15. Jh.s unter dem Pseudonym bzw. unter der Chiffre «Mönch» (münch, munch) eine außergewöhnliche Verbreitung erfahren hat. Ihm werden 49 geistliche und 57 weltliche Lieder zugeschrieben. Der M. kann somit zu den bedeutendsten Musikern gezählt werden, die in Salzburg gewirkt und das Musikgeschehen in dieser Stadt geprägt haben. Seine Lieder haben noch 100 Jahre später Oswald von Wolkenstein beeinflusst. Heute noch ist sein Weihnachtslied «Joseph lieber nefe mein», eine Neudichtung der lateinischen Cantio «Resonet in laudibus» als «Joseph, lieber Joseph mein» bekannt, das mit verteilten Rollen (Maria, Josef, Chor) an Weihnachten zum «Kindelwiegen» gesungen wurde.
Die ältesten Zeugnisse für Werke des M.s stammen aus dem Codex Engelberg 314 um 1380 (die Datierung ist nicht ganz sicher). Erstmalig erwähnt wird der Name «Mönch von Salzburg» in der Sterzinger Miszellaneenhandschrift (zwischen 1410 und 1425). Acht Hs. bringen ganze Sammlungen überwiegend oder ausschließlich von Liedern und Gesängen des M.s, vier davon mit notierten Melodien. Die älteste der Sammelhandschriften mit Noten ist die «Mondsee-Wiener Liederhandschrift» A-Wn 2856 (Hs. «D» in der germanistischen Fachliteratur), das Liederbuch des Salzburger Goldschmieds Peter Spörl. Die Hs. enthält die Hauptüberlieferung seines Gesamtwerkes, 28 geistliche und 56 weltliche Lieder daraus können dem M. zugeordnet werden. Sie entstand wahrscheinlich 1455/56 in Salzburg. Allerdings sind nur zwei Lieder dem M ausdrücklich zugewiesen. Bei 24 Liedern hat eine spätere Hand den Autorennamen nachgetragen. 42 Lieder enthält die Hs. D-Mbs cgm 715 (Hs.«A»), aus dem 3. Viertel des 15. Jahrhunderts. Weitere wichtige Hs. sind D-Mbs cgm 1115 mit 16 Liedern (Hs. «B») aus dem 3. Viertel des 15. Jh.s und die «Lambacher Liederhandschrift» A-Wn 4696 (Hs.«E»), ca. 1470–85 mit 14 Liedern. Anscheinend sind alle vier Hs., jedenfalls aber A und E im gleichen Skriptorium, wenn nicht sogar vom gleichen Schreiber, abgefasst worden, doch ist der Entstehungsort unbekannt. 10 Lieder mit Melodien enthält die später (um 1460) entstandene «Kolmarer Liederhandschrift» D-cgm 4997 (Hs.«K»). Von den Hs. ohne Notation sei noch D-Mbs cgm 628 (Hs.«C») aus Tegernsee erwähnt.
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Die ältesten Zeugnisse für Werke des M.s stammen aus dem Codex Engelberg 314 um 1380 (die Datierung ist nicht ganz sicher). Erstmalig erwähnt wird der Name «Mönch von Salzburg» in der Sterzinger Miszellaneenhandschrift (zwischen 1410 und 1425). Acht Hs. bringen ganze Sammlungen überwiegend oder ausschließlich von Liedern und Gesängen des M.s, vier davon mit notierten Melodien. Die älteste der Sammelhandschriften mit Noten ist die «Mondsee-Wiener Liederhandschrift» A-Wn 2856 (Hs. D in der germanistischen Fachliteratur), das Liederbuch des Salzburger Goldschmieds Peter Spörl. Die Hs. enthält die Hauptüberlieferung seines Gesamtwerkes, 28 geistliche und 56 weltliche Lieder daraus können dem M. zugeordnet werden. Sie entstand wahrscheinlich 1455/56 in Salzburg. Allerdings sind nur zwei Lieder dem M ausdrücklich zugewiesen. Bei 24 Liedern hat eine spätere Hand den Autorennamen nachgetragen. 42 Lieder enthält die Hs. D-Mbs cgm 715 (Hs. A), aus dem 3. Viertel des 15. Jahrhunderts. Weitere wichtige Hs. sind D-Mbs cgm 1115 mit 16 Liedern (Hs. B) aus dem 3. Viertel des 15. Jh.s und die «Lambacher Liederhandschrift» A-Wn 4696 (Hs. E), ca. 1470–85 mit 14 Liedern. Anscheinend sind alle vier Hs., jedenfalls aber A und E im gleichen Skriptorium, wenn nicht sogar vom gleichen Schreiber, abgefasst worden, doch ist der Entstehungsort unbekannt. 10 Lieder mit Melodien enthält die später (um 1460) entstandene «Kolmarer Liederhandschrift» D-cgm 4997 (Hs. K). Von den Hs. ohne Notation sei noch D-Mbs cgm 628 (Hs. C) aus Tegernsee erwähnt.
 
Wer der M. war, liegt im Dunkeln. Hinweise zu seiner Person lassen sich nur aus Anmerkungen zu den Liedern (Einleitungen, Angaben im Inhaltsverzeichnis) oder aus den Liedtexten selbst ziehen, deren Aufzeichnung allerdings mindestens eine Generation später erfolgte. Andere Quellen sind nicht bekannt. D als älteste der Corpushandschriften mit Noten enthält keine biographischen Angaben. Die übrigen Verfasser der Sammelhs. jedoch kannten den M. nicht mehr aus eigener Anschauung. Hinter «Mönch» als Begriff scheint vielmehr eine damals allgemein bekannte Person zu stehen, die sich im Umfeld eines Kreises von Personen aufhielt, die nicht Mönche waren, so dass er diesen Namen als bes. Kennzeichen erhielt; entweder, weil er wirklich ein Ordensmann war, oder, weil er sich wie ein Mönch verhielt. Auf jeden Fall dürfte er selbst Kleriker gewesen sein. Gesichert ist die Entstehung der Lieder im engeren Umfeld des Hofes von Eb. Pilgrim II. von Puchheim (Eb. 1365–96), eines Förderers der Künste, der sowohl zur Kurie in Avignon, wo er studiert hatte, als auch zu König Wenzel in Prag beste Kontakte pflegte und sich deren prunkvolle Hofhaltungen zum Vorbild nahm. Möglicherweise hat auch der M. zu Avignon Beziehungen unterhalten. Pilgrim wird im Marienlied «Plům gezartet, ros an doren» mit einem Akrostichon ein Denkmal gesetzt, welches sich aus den Anfangsbuchstaben sämtlicher Halbstrophen zusammensetzt: «PYLGREIM ERCZPISCHOF LEGAT». Der Eb. soll nach A dem M. den Auftrag erteilt haben, Sequenzen und Hymnen aus dem Lat. ins Dt. zu übertragen, wofür er eine Pfründe erhielt. Dass hinter der Person des M.s Eb. Pilgrim selbst steht, wie vermutet wurde, gilt mittlerweile als eher unwahrscheinlich. Andere Angaben in den Hs. widersprechen sich. Der Name des M.s wird mit «Herman», einem Benediktiner (A) oder mit «Johanns», beziehungsweise «Hanns», (C und E), angegeben. C bezeichnet ihn als Dominikaner. Erwähnt ist auch Reicher, der Pfarrer von Radstadt mit dem Akrostichon «RICHERUS PLEBANUS IN RASTATT» im Lied «Richer schatz der höchsten freuden». Er ist 1384/85 als magister curiae – im heutigen Sinn ein Finanzreferent des Eb.s – in Salzburg bezeugt. A berichtet auch, dass die Lieder in Zusammenarbeit mit einem Laypriester Martin («Leutpriester»«Plebanus», ein für die Seelsorge der Laien zuständiger Priester) entstanden sind. Es handelt sich wahrscheinlich um den 1370 bezeugten Martin Kuchlmeister, Pfarrer von Werfen und Günstling Pilgrims. In Liedüberschriften erwähnt wird des Weiteren der Priester Jakob von Mühldorf und ein nicht weiter bekannter Peter von Sachsen. Einige einleitende Liedüberschriften erwähnen historische Orte oder Ereignisse. Sie müssen allerdings mit Vorsicht gelesen werden, da sie nicht als authentisch sondern als spätere Zusätze zu gelten haben. Ob also im Lied «Dem allerlibsten schönsten weib im Frëudensal, frau Erengail, send ich den brif», ein (wohl fiktiver) Brief Pilgrims an seine Geliebte in Salzburg mit der Datumsangabe 1392, mit «Frëudensal» das Schloss Freisaal südlich der Salzburger Altstadt gemeint ist, wird daher kontrovers diskutiert.
 
Wer der M. war, liegt im Dunkeln. Hinweise zu seiner Person lassen sich nur aus Anmerkungen zu den Liedern (Einleitungen, Angaben im Inhaltsverzeichnis) oder aus den Liedtexten selbst ziehen, deren Aufzeichnung allerdings mindestens eine Generation später erfolgte. Andere Quellen sind nicht bekannt. D als älteste der Corpushandschriften mit Noten enthält keine biographischen Angaben. Die übrigen Verfasser der Sammelhs. jedoch kannten den M. nicht mehr aus eigener Anschauung. Hinter «Mönch» als Begriff scheint vielmehr eine damals allgemein bekannte Person zu stehen, die sich im Umfeld eines Kreises von Personen aufhielt, die nicht Mönche waren, so dass er diesen Namen als bes. Kennzeichen erhielt; entweder, weil er wirklich ein Ordensmann war, oder, weil er sich wie ein Mönch verhielt. Auf jeden Fall dürfte er selbst Kleriker gewesen sein. Gesichert ist die Entstehung der Lieder im engeren Umfeld des Hofes von Eb. Pilgrim II. von Puchheim (Eb. 1365–96), eines Förderers der Künste, der sowohl zur Kurie in Avignon, wo er studiert hatte, als auch zu König Wenzel in Prag beste Kontakte pflegte und sich deren prunkvolle Hofhaltungen zum Vorbild nahm. Möglicherweise hat auch der M. zu Avignon Beziehungen unterhalten. Pilgrim wird im Marienlied «Plům gezartet, ros an doren» mit einem Akrostichon ein Denkmal gesetzt, welches sich aus den Anfangsbuchstaben sämtlicher Halbstrophen zusammensetzt: «PYLGREIM ERCZPISCHOF LEGAT». Der Eb. soll nach A dem M. den Auftrag erteilt haben, Sequenzen und Hymnen aus dem Lat. ins Dt. zu übertragen, wofür er eine Pfründe erhielt. Dass hinter der Person des M.s Eb. Pilgrim selbst steht, wie vermutet wurde, gilt mittlerweile als eher unwahrscheinlich. Andere Angaben in den Hs. widersprechen sich. Der Name des M.s wird mit «Herman», einem Benediktiner (A) oder mit «Johanns», beziehungsweise «Hanns», (C und E), angegeben. C bezeichnet ihn als Dominikaner. Erwähnt ist auch Reicher, der Pfarrer von Radstadt mit dem Akrostichon «RICHERUS PLEBANUS IN RASTATT» im Lied «Richer schatz der höchsten freuden». Er ist 1384/85 als magister curiae – im heutigen Sinn ein Finanzreferent des Eb.s – in Salzburg bezeugt. A berichtet auch, dass die Lieder in Zusammenarbeit mit einem Laypriester Martin («Leutpriester»«Plebanus», ein für die Seelsorge der Laien zuständiger Priester) entstanden sind. Es handelt sich wahrscheinlich um den 1370 bezeugten Martin Kuchlmeister, Pfarrer von Werfen und Günstling Pilgrims. In Liedüberschriften erwähnt wird des Weiteren der Priester Jakob von Mühldorf und ein nicht weiter bekannter Peter von Sachsen. Einige einleitende Liedüberschriften erwähnen historische Orte oder Ereignisse. Sie müssen allerdings mit Vorsicht gelesen werden, da sie nicht als authentisch sondern als spätere Zusätze zu gelten haben. Ob also im Lied «Dem allerlibsten schönsten weib im Frëudensal, frau Erengail, send ich den brif», ein (wohl fiktiver) Brief Pilgrims an seine Geliebte in Salzburg mit der Datumsangabe 1392, mit «Frëudensal» das Schloss Freisaal südlich der Salzburger Altstadt gemeint ist, wird daher kontrovers diskutiert.
Die Lieder des M.s lassen sich strikt in geistliche und weltliche unterscheiden. Aufgrund ihrer großen stilistischen Unterschiede halten einige Forscher auch ein Autorenkollektiv und nicht eine Einzelperson für die Abfassung des Gesamtkorpus für möglich oder sogar wahrscheinlich. Grundlage der geistlichen Lieder ist die Salzburger diözesane Liturgie des MA.s. Sie bestehen aus zwei Gruppen: einerseits Gesänge, deren Melodien aus Hymnen und Sequenzen der ma. Liturgie übernommen sind, mit wörtlicher oder freier Übersetzung oder auch als Kontrafaktur auf einen neuen Text, andererseits Lieder mit freien Melodien. Thematisch sind die Lieder in der Mehrzahl Mariengesänge. Die dt. Texte sind von der Theologie des Thomas von Aquin beeinflusst; die komplizierten theologischen Inhalte sind meisterhaft in eine einfache Sprache übertragen und veranschaulicht ohne sie zu verfälschen. 15 der frei komponierten Lieder verwenden eine Kanzonenstrophe (Barform: Stollen – Gegenstollen – Abgesang: AAB), die als «Ton» bezeichnet werden, also ein Melodiemodell, wie es die Minnesänger und Meistersinger benützt haben. Zwei dieser Töne fanden unter dem Namen «Langer Ton» und «Chorweise» Eingang in die Tradition des Meistersanges. Drei Lieder sind einfache Strophenlieder. Lediglich ein einziges Lied, nämlich «O Maria pia» ist umgekehrt eine lat. Übertragung eines ursprünglich dt. Liedes.
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Die Lieder des M.s lassen sich strikt in geistliche und weltliche unterscheiden. Aufgrund ihrer großen stilistischen Unterschiede halten einige Forscher auch ein Autorenkollektiv und nicht eine Einzelperson für die Abfassung des Gesamtkorpus für möglich oder sogar wahrscheinlich. Grundlage der geistlichen Lieder ist die Salzburger diözesane Liturgie des MA.s. Sie bestehen aus zwei Gruppen: einerseits Gesänge, deren Melodien aus Hymnen und Sequenzen der ma. Liturgie übernommen sind, mit wörtlicher oder freier Übersetzung oder auch als Kontrafaktur auf einen neuen Text, andererseits Lieder mit freien Melodien. Thematisch sind die Lieder in der Mehrzahl Mariengesänge. Die dt. Texte sind von der Theologie des Thomas von Aquin beeinflusst; die komplizierten theologischen Inhalte sind meisterhaft in eine einfache Sprache übertragen und veranschaulicht ohne sie zu verfälschen. 15 der frei komponierten Lieder verwenden eine Kanzonenstrophe (Barform: Stollen – Gegenstollen – Abgesang: AAB), die als «Ton» bezeichnet werden, also ein Melodiemodell, wie es die Minnesänger und Meistersinger benützt haben. Zwei dieser Töne fanden unter dem Namen «Langer Ton» und «Chorweise» Eingang in die Tradition des Meistersanges. Drei Lieder sind einfache Strophenlieder. Lediglich ein einziges Lied, nämlich «O Maria pia» ist umgekehrt eine lat. Übertragung eines ursprünglich dt. Liedes.
 
Die geistlichen Lieder berücksichtigen alle wichtigen Feste des Kirchenjahres, ohne dass damit bewusst an ein projektiertes geistliches Liederbuch zu denken ist. Ob die Gesänge für eine Verwendung im Gottesdienst gedacht waren, ist zweifelhaft. Dagegen spricht bei manchen Gesängen die teilweise raffinierte künstlerische Ausgestaltung, wie z. B. die Variation in den Strophenmelodien, die sie für einen Gebrauch in der Liturgie nicht geeignet erscheinen lassen.
 
Die geistlichen Lieder berücksichtigen alle wichtigen Feste des Kirchenjahres, ohne dass damit bewusst an ein projektiertes geistliches Liederbuch zu denken ist. Ob die Gesänge für eine Verwendung im Gottesdienst gedacht waren, ist zweifelhaft. Dagegen spricht bei manchen Gesängen die teilweise raffinierte künstlerische Ausgestaltung, wie z. B. die Variation in den Strophenmelodien, die sie für einen Gebrauch in der Liturgie nicht geeignet erscheinen lassen.
 
Die weltlichen Stücke sind neben einigen Fest- und Trinkliedern meist Liebeslieder Sie stehen in der Tradition des Minnesangs und zeigen deutlich frz. Einflüsse. Oft stehen den Liebenden die «Klaffer» («Kläffer», Verleumder) gegenüber, welche den Ruf der Liebenden schädigen wollen. Der Ort der Handlung ist nicht immer der Hof, sondern wird oft in den alpenländisch-bäuerlichen Kontext transferiert. Die Lieder ahmen dann auch volkstümliche Elemente wie alpenländische Melodiestrukturen (Dreiklangsmelodik) nach. Vier Kompositionen sind ausdrücklich für mehrere Stimmen in einfachen Grundformen polyphonen Musizierens (usuelle Mehrstimmigkeit) gesetzt. Mit der kunstvollen frz. Polyphonie dieser Zeit hat diese Mehrstimmigkeit aber nichts zu tun. Bei «Martein lieber herre», bezeichnet als «Ain radel von drein stymmen» liegt der erste bekannte dt. Kanon vor. Die Verwendung von bestimmten Instrumenten ist sowohl durch Besetzungsangaben (pumhart, trumpet) als auch durch Liedüberschriften (nachthorn, taghorn, kchühorn) mit näherer Erläuterung (z. B. «und ist gut zu blasen») belegt.
 
Die weltlichen Stücke sind neben einigen Fest- und Trinkliedern meist Liebeslieder Sie stehen in der Tradition des Minnesangs und zeigen deutlich frz. Einflüsse. Oft stehen den Liebenden die «Klaffer» («Kläffer», Verleumder) gegenüber, welche den Ruf der Liebenden schädigen wollen. Der Ort der Handlung ist nicht immer der Hof, sondern wird oft in den alpenländisch-bäuerlichen Kontext transferiert. Die Lieder ahmen dann auch volkstümliche Elemente wie alpenländische Melodiestrukturen (Dreiklangsmelodik) nach. Vier Kompositionen sind ausdrücklich für mehrere Stimmen in einfachen Grundformen polyphonen Musizierens (usuelle Mehrstimmigkeit) gesetzt. Mit der kunstvollen frz. Polyphonie dieser Zeit hat diese Mehrstimmigkeit aber nichts zu tun. Bei «Martein lieber herre», bezeichnet als «Ain radel von drein stymmen» liegt der erste bekannte dt. Kanon vor. Die Verwendung von bestimmten Instrumenten ist sowohl durch Besetzungsangaben (pumhart, trumpet) als auch durch Liedüberschriften (nachthorn, taghorn, kchühorn) mit näherer Erläuterung (z. B. «und ist gut zu blasen») belegt.
Die Hs. überliefern uns die Melodien in der in liturgischen Büchern gebrauchten sog. «Gotischen Choralnotation», die der modernen Notenschrift schon sehr ähnlich ist, teilweise wie in der Gregorianik ohne genaue rhythmische Notenwerte für Lieder im freien Wortrhythmus, teilweise in der für jene Zeit üblichen semimensuralen Notation mit langen und kurzen Notenwerten (Doppelnote, Notenkopf als Raute ohne oder mit Hals). Manche Lieder beginnen mit einer kurzen textlosen Notengruppe. Wahrscheinlich handelt es sich um eine Intonation eines Begleitinstrumentes.  
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Die Hs. überliefern uns die Melodien in der in liturgischen Büchern gebrauchten sog. «Gotischen Choralnotation», die der modernen Notenschrift schon sehr ähnlich ist, teilweise wie in der Gregorianik ohne genaue rhythmische Notenwerte für Lieder im freien Wortrhythmus, teilweise in der für jene Zeit üblichen semimensuralen Notation mit langen und kurzen Notenwerten (Doppelnote, Notenkopf als Raute ohne oder mit Hals). Manche Lieder beginnen mit einer kurzen textlosen Notengruppe, bei der es sich handelt um eine Intonation eines Begleitinstrumentes handelt.  
  
  

Version vom 6. Februar 2018, 20:07 Uhr

Mönch von Salzburg

Anonymer Dichter und Komponist aus Salzburg, dessen Werke in über 100 Handschriften spätestens ab dem Beginn des 15. Jh.s unter dem Pseudonym bzw. unter der Chiffre «Mönch» (münch, munch) eine außergewöhnliche Verbreitung erfahren hat. Ihm werden 49 geistliche und 57 weltliche Lieder zugeschrieben. Der M. kann somit zu den bedeutendsten Musikern gezählt werden, die in Salzburg gewirkt und das Musikgeschehen in dieser Stadt geprägt haben. Seine Lieder haben noch 100 Jahre später Oswald von Wolkenstein beeinflusst. Heute noch ist sein Weihnachtslied «Joseph lieber nefe mein», eine Neudichtung der lateinischen Cantio «Resonet in laudibus» als «Joseph, lieber Joseph mein» bekannt, das mit verteilten Rollen (Maria, Josef, Chor) an Weihnachten zum «Kindelwiegen» gesungen wurde. Die ältesten Zeugnisse für Werke des M.s stammen aus dem Codex Engelberg 314 um 1380 (die Datierung ist nicht ganz sicher). Erstmalig erwähnt wird der Name «Mönch von Salzburg» in der Sterzinger Miszellaneenhandschrift (zwischen 1410 und 1425). Acht Hs. bringen ganze Sammlungen überwiegend oder ausschließlich von Liedern und Gesängen des M.s, vier davon mit notierten Melodien. Die älteste der Sammelhandschriften mit Noten ist die «Mondsee-Wiener Liederhandschrift» A-Wn 2856 (Hs. D in der germanistischen Fachliteratur), das Liederbuch des Salzburger Goldschmieds Peter Spörl. Die Hs. enthält die Hauptüberlieferung seines Gesamtwerkes, 28 geistliche und 56 weltliche Lieder daraus können dem M. zugeordnet werden. Sie entstand wahrscheinlich 1455/56 in Salzburg. Allerdings sind nur zwei Lieder dem M ausdrücklich zugewiesen. Bei 24 Liedern hat eine spätere Hand den Autorennamen nachgetragen. 42 Lieder enthält die Hs. D-Mbs cgm 715 (Hs. A), aus dem 3. Viertel des 15. Jahrhunderts. Weitere wichtige Hs. sind D-Mbs cgm 1115 mit 16 Liedern (Hs. B) aus dem 3. Viertel des 15. Jh.s und die «Lambacher Liederhandschrift» A-Wn 4696 (Hs. E), ca. 1470–85 mit 14 Liedern. Anscheinend sind alle vier Hs., jedenfalls aber A und E im gleichen Skriptorium, wenn nicht sogar vom gleichen Schreiber, abgefasst worden, doch ist der Entstehungsort unbekannt. 10 Lieder mit Melodien enthält die später (um 1460) entstandene «Kolmarer Liederhandschrift» D-cgm 4997 (Hs. K). Von den Hs. ohne Notation sei noch D-Mbs cgm 628 (Hs. C) aus Tegernsee erwähnt. Wer der M. war, liegt im Dunkeln. Hinweise zu seiner Person lassen sich nur aus Anmerkungen zu den Liedern (Einleitungen, Angaben im Inhaltsverzeichnis) oder aus den Liedtexten selbst ziehen, deren Aufzeichnung allerdings mindestens eine Generation später erfolgte. Andere Quellen sind nicht bekannt. D als älteste der Corpushandschriften mit Noten enthält keine biographischen Angaben. Die übrigen Verfasser der Sammelhs. jedoch kannten den M. nicht mehr aus eigener Anschauung. Hinter «Mönch» als Begriff scheint vielmehr eine damals allgemein bekannte Person zu stehen, die sich im Umfeld eines Kreises von Personen aufhielt, die nicht Mönche waren, so dass er diesen Namen als bes. Kennzeichen erhielt; entweder, weil er wirklich ein Ordensmann war, oder, weil er sich wie ein Mönch verhielt. Auf jeden Fall dürfte er selbst Kleriker gewesen sein. Gesichert ist die Entstehung der Lieder im engeren Umfeld des Hofes von Eb. Pilgrim II. von Puchheim (Eb. 1365–96), eines Förderers der Künste, der sowohl zur Kurie in Avignon, wo er studiert hatte, als auch zu König Wenzel in Prag beste Kontakte pflegte und sich deren prunkvolle Hofhaltungen zum Vorbild nahm. Möglicherweise hat auch der M. zu Avignon Beziehungen unterhalten. Pilgrim wird im Marienlied «Plům gezartet, ros an doren» mit einem Akrostichon ein Denkmal gesetzt, welches sich aus den Anfangsbuchstaben sämtlicher Halbstrophen zusammensetzt: «PYLGREIM ERCZPISCHOF LEGAT». Der Eb. soll nach A dem M. den Auftrag erteilt haben, Sequenzen und Hymnen aus dem Lat. ins Dt. zu übertragen, wofür er eine Pfründe erhielt. Dass hinter der Person des M.s Eb. Pilgrim selbst steht, wie vermutet wurde, gilt mittlerweile als eher unwahrscheinlich. Andere Angaben in den Hs. widersprechen sich. Der Name des M.s wird mit «Herman», einem Benediktiner (A) oder mit «Johanns», beziehungsweise «Hanns», (C und E), angegeben. C bezeichnet ihn als Dominikaner. Erwähnt ist auch Reicher, der Pfarrer von Radstadt mit dem Akrostichon «RICHERUS PLEBANUS IN RASTATT» im Lied «Richer schatz der höchsten freuden». Er ist 1384/85 als magister curiae – im heutigen Sinn ein Finanzreferent des Eb.s – in Salzburg bezeugt. A berichtet auch, dass die Lieder in Zusammenarbeit mit einem Laypriester Martin («Leutpriester»«Plebanus», ein für die Seelsorge der Laien zuständiger Priester) entstanden sind. Es handelt sich wahrscheinlich um den 1370 bezeugten Martin Kuchlmeister, Pfarrer von Werfen und Günstling Pilgrims. In Liedüberschriften erwähnt wird des Weiteren der Priester Jakob von Mühldorf und ein nicht weiter bekannter Peter von Sachsen. Einige einleitende Liedüberschriften erwähnen historische Orte oder Ereignisse. Sie müssen allerdings mit Vorsicht gelesen werden, da sie nicht als authentisch sondern als spätere Zusätze zu gelten haben. Ob also im Lied «Dem allerlibsten schönsten weib im Frëudensal, frau Erengail, send ich den brif», ein (wohl fiktiver) Brief Pilgrims an seine Geliebte in Salzburg mit der Datumsangabe 1392, mit «Frëudensal» das Schloss Freisaal südlich der Salzburger Altstadt gemeint ist, wird daher kontrovers diskutiert. Die Lieder des M.s lassen sich strikt in geistliche und weltliche unterscheiden. Aufgrund ihrer großen stilistischen Unterschiede halten einige Forscher auch ein Autorenkollektiv und nicht eine Einzelperson für die Abfassung des Gesamtkorpus für möglich oder sogar wahrscheinlich. Grundlage der geistlichen Lieder ist die Salzburger diözesane Liturgie des MA.s. Sie bestehen aus zwei Gruppen: einerseits Gesänge, deren Melodien aus Hymnen und Sequenzen der ma. Liturgie übernommen sind, mit wörtlicher oder freier Übersetzung oder auch als Kontrafaktur auf einen neuen Text, andererseits Lieder mit freien Melodien. Thematisch sind die Lieder in der Mehrzahl Mariengesänge. Die dt. Texte sind von der Theologie des Thomas von Aquin beeinflusst; die komplizierten theologischen Inhalte sind meisterhaft in eine einfache Sprache übertragen und veranschaulicht ohne sie zu verfälschen. 15 der frei komponierten Lieder verwenden eine Kanzonenstrophe (Barform: Stollen – Gegenstollen – Abgesang: AAB), die als «Ton» bezeichnet werden, also ein Melodiemodell, wie es die Minnesänger und Meistersinger benützt haben. Zwei dieser Töne fanden unter dem Namen «Langer Ton» und «Chorweise» Eingang in die Tradition des Meistersanges. Drei Lieder sind einfache Strophenlieder. Lediglich ein einziges Lied, nämlich «O Maria pia» ist umgekehrt eine lat. Übertragung eines ursprünglich dt. Liedes. Die geistlichen Lieder berücksichtigen alle wichtigen Feste des Kirchenjahres, ohne dass damit bewusst an ein projektiertes geistliches Liederbuch zu denken ist. Ob die Gesänge für eine Verwendung im Gottesdienst gedacht waren, ist zweifelhaft. Dagegen spricht bei manchen Gesängen die teilweise raffinierte künstlerische Ausgestaltung, wie z. B. die Variation in den Strophenmelodien, die sie für einen Gebrauch in der Liturgie nicht geeignet erscheinen lassen. Die weltlichen Stücke sind neben einigen Fest- und Trinkliedern meist Liebeslieder Sie stehen in der Tradition des Minnesangs und zeigen deutlich frz. Einflüsse. Oft stehen den Liebenden die «Klaffer» («Kläffer», Verleumder) gegenüber, welche den Ruf der Liebenden schädigen wollen. Der Ort der Handlung ist nicht immer der Hof, sondern wird oft in den alpenländisch-bäuerlichen Kontext transferiert. Die Lieder ahmen dann auch volkstümliche Elemente wie alpenländische Melodiestrukturen (Dreiklangsmelodik) nach. Vier Kompositionen sind ausdrücklich für mehrere Stimmen in einfachen Grundformen polyphonen Musizierens (usuelle Mehrstimmigkeit) gesetzt. Mit der kunstvollen frz. Polyphonie dieser Zeit hat diese Mehrstimmigkeit aber nichts zu tun. Bei «Martein lieber herre», bezeichnet als «Ain radel von drein stymmen» liegt der erste bekannte dt. Kanon vor. Die Verwendung von bestimmten Instrumenten ist sowohl durch Besetzungsangaben (pumhart, trumpet) als auch durch Liedüberschriften (nachthorn, taghorn, kchühorn) mit näherer Erläuterung (z. B. «und ist gut zu blasen») belegt. Die Hs. überliefern uns die Melodien in der in liturgischen Büchern gebrauchten sog. «Gotischen Choralnotation», die der modernen Notenschrift schon sehr ähnlich ist, teilweise wie in der Gregorianik ohne genaue rhythmische Notenwerte für Lieder im freien Wortrhythmus, teilweise in der für jene Zeit üblichen semimensuralen Notation mit langen und kurzen Notenwerten (Doppelnote, Notenkopf als Raute ohne oder mit Hals). Manche Lieder beginnen mit einer kurzen textlosen Notengruppe, bei der es sich handelt um eine Intonation eines Begleitinstrumentes handelt.


Lit.:

  • Ch. Schneider: Hovezuht, Heidelberg 2008.
  • Hans Waechter u. Franz V. Spechtler (Hg.), Der M.. Die Melodien der geistlichen und weltlichen Lieder. Göppingen, 2004. (Enthält alle Melodien des M.s mit ausführlichem Kommentar).
  • M. Payer: Das religiöse Weltbild des M.s. Göppingen 2000.
  • B. Wachinger: Der M. . Zur Überlieferung geistlicher Lieder im späten MA. Tübingen 1989.


St.E.