Salzburger Filmgeschichte
Salzburger Filmgeschichte.
Mit einer Zahl von rund 250 Kinospielfilmen, die in 100 Jahren Filmgeschichte im Salzburger Land entstanden, reichte die Bedeutung Salzburgs als Filmschauplatz zeitweilig an Filmmetropolen wie Paris oder Berlin heran, wo im Jahr 1895 die ersten Filme vorgeführt wurden. Zuvor hatten Salzburger z.T. Bedeutendes zur Entwicklung der Filmtechnik beigetragen: S. →Stampfer, Professor am Salzburger Lyceum, entdeckte mit dem »Stroboskopen« (1833) die technische Grundlage des Films (weiterentwickelt von Ch. →Doppler) und schuf, 100 Jahre vor Walt Disney, die ersten Zeichentrickfiguren der Welt. Als einer der wichtigsten Konstrukteure ging August Arnold (* Werfen 12. 9. 1898, †München 17. 4. 1983) in die Geschichte ein. Er entwickelte die ARRIFLEX 35-Filmkamera (1937) und gründete die Firma »ARRI« in München, heute eine der größten Filmtechnikfirmen der Welt. 1967 wurde seinen Entwicklungen der »Oscar« verliehen.
Die Anfänge Salzburgs als Filmdrehort gehen bis ins Jahr 1911 zurück: die »Österreichisch- Ungarische Kinoindustrie« kurbelte einen »Kulturkurzfilm« über die Dampfbootfahrt auf dem Zeller See, und um 1919/1920 entstanden die ersten drei Spielfilme, darunter der Titel »Alpentragödie«, in der Gebirgswelt der Hohen Tauern. Künstlerisch bemerkenswert ist die Verfilmung der Theodor-Storm- Novelle »Ein Fest auf Haderslevhuus« (1921) auf der →Festung Hohensalzburg. Zur gleichen Zeit fiel mit der Gründung der »Salzburger Kunstfilm-Industrie AG« die Startklappe für die heimische Produktion von Filmen. Einer der maßgeblichen Betreiber war der Filmregisseur Rudolf Oppelt (* Wien 22. 5. 1893, † Salzburg 29. 3. 1971), der auf dem Gelände des Mitgründers und Brauereibesitzers Heinrich Kiener in Salzburg-Maxglan das damals größte Filmatelier Österreichs mit 700 qm Nutzfläche, Garderoben, Entwicklungs- und Kopieranstalt und 5000 qm Freigelände errichtete (das noch heute unverändert bestehende Studio ist eines der ältesten Filmateliers der Welt). Im Sommer 1921 entstand der einzige Spielfilm der Firma, »Die Tragödie des Carlo Prinetti« (Buch: R. Oppelt, Hauptdarsteller Aktie der Salzburger Kunstfilmindustrie Stummfilmstar Alphons Fryland) in Salzburg, ein turbulentes Drama um einen Halleiner Salinenarbeiter. 1925 ging das Unternehmen samt den Wiener Filialbetrieben (unter anderem einem Filmverleih) infolge der Inflation und des Bankenkrachs unter.
W. A. →Mozart widmeteman anlässlich dessen 165. Geburtstages die stumme Filmbiographie »Mozarts Leben, Lieben und Leiden« (1921). Mit der Entwicklung der Lichttonaufnahme, basierend auf dem Berliner »Tri-Ergon-Verfahren« von Dr. Guido Bagier (nach 1945 ein Filmpionier Salzburgs), zog Ende der 20er Jahre der Ton ins Kino ein. In einem »Sprechfilm« der ersten Stunde, »Liebling der Götter« (1930), gewinnt ein strapazierter Tenor, gespielt von Emil Jannings (* 23. 7. 1884, † Strobl a.W. 2. 1. 1950), am Wolfgangsee seine Stimme zurück. Jannings, der erste Oscar-Preisträger der Geschichte (1928), lebte und arbeitete von 1926 bis zu seinem Tod in Salzburg.
Von den Filmen bis 1938 sind historisch bedeutsam: »Im Weißen Rössl« (1935), als trachtenschwelgendes Manifest vaterländischer Gesinnung ganz nach dem Geschmack des Ständestaates; »Das unsterbliche Lied« (1934), gedreht von der NS-Bewegung nahestehenden Produzenten als eine Pseudobiographie des Stille-Nacht- Komponisten F. X. →Gruber bereits voll versteckter Anschlußpropaganda; sowie der in St. Gilgen gedrehte, von Protesten der Amtskirche begleitete Film »Der Pfarrer von Kirchfeld« (1937) mit Hans Jaray unter der Regie der Filmpioniere Jakob und Luise Fleck, die wenig später emigrieren mußten. Ihr Schicksal teilte der von 1926 bis 1938 in Henndorf arbeitende C. →Zuckmayer, dessen dort entstandene erfolgreiche Theaterstücke (»Katharina Knie«, »Der Hauptmann von Köpenick«) mehrfach verfilmt wurden und der sich als Drehbuchautor unter anderem für Alexander Korda einen Namen machte (»Rembrandt«, 1939, »Escape Me Never«, 1935, R: Paul Czinner, weiters: »Der blaue Engel«). Neben Jannings war Zuckmayer mit dem deutschen Schauspieler Werner Krauss befreundet, der von 1925 bis 1959 in Scharfling lebte und in anerkannten deutschen Filmklassikern, aber auch in dem Propagandafilm »Jud Süß« Hauptrollen verkörperte. Der seit 1912 für den Film tätige M. →Reinhardt, der noch 1936 Filmfestspiele in Salzburg etablieren wollte, darf an dieser Stelle nicht vergessen werden.
In der NS-Zeit wies die gelenkte Filmindustrie Salzburg einen nur scheinbar unpolitischen »Bummelplatz der deutschen Seele« als hübsche Kulisse für Schwänke und Urlaubskomödien zu (»Beates Flitterwoche«, 1940, »Saison in Salzburg«, 1943). Die immerhin zwei Dutzend Filme in der Zeit von 1938 bis 1945 sollten dieses Image Salzburgs im Film bis in die 60er Jahre prägen (begleitet von der personellen Kontinuität der Filmschaffenden vor und nach 1945). Aufschlussreich ist »Der kleine Grenzverkehr« (1943), ein Film nach der literarischen Vorlage des verfemten Autors Erich →Kästner über die Zeit der 1000-Mark- Sperre in Salzburg. Der Stoff wurde von Goebbels dazu missbraucht, das Druckmittel der Zwangskaution und den »Anschluss« zu rechtfertigen und die Unterschiede zwischen Deutschen und Österreichern zu verwischen bzw. auf sprachliche Kuriosa zu reduzieren. Mit fortschreitendem Krieg entfernte sich die aufgezwungene »Kraft durch Freude«-Idylle Salzburgs im NS-Filmvon der Realität- bis zur Groteske: »Musik in Salzburg« (1944) gaukelte noch einen luxuriösen, vom Bombenkrieg völlig unberührten Festspielbetrieb vor. Bedroht von Zwangsrekrutierungen, flüchteten »Durchhaltefilmer« kurz vor Kriegsende ins Land: Die Komödien »Ein Mann gehört ins Haus« (Drehort Zell am See), »Wie ein Dieb in der Nacht« (Badgastein) und »Liebesheirat« (St. Gilgen) retteten 1945 das Leben der Mitarbeiter von Filmteams, sahen aber nicht mehr das Licht der Leinwand. »Dreimal Komödie« wurde sogar erst dann abgebrochen, als amerikanische Panzer in die Stadt rollten.
Von der Lähmung der Filmstadt Wien - dort verhinderte die Zonenteilung vorerst jede Filmproduktion - profitierte Salzburg beim Wiederaufbau der österreichischen Filmindustrie. Dr. Guido Bagier, Musikwissenschaftler, Erfinder des Tonfilmverfahrens und von 1928 bis 1932 Geschäftsführer der größten deutschen Filmfirma »TOBIS«, wurde von Eugen Sharin, Leiter der Film-Sektion der amerikanischen ISB (»Information Services Branch«), als Administrator des beschlagnahmten und in Guggenthal eingelagerten deutschen Filmgutes in den USFA-Zonen eingesetzt. Mit dem Geld der Reichsfilmkammer und Geräten der »Wien-Film« hatte Bagier die Mittel zur Wiedergründung der österreichischen Filmproduktion in der Hand. Unter mehreren 1946/47 in Salzburg entstandenen Filmfirmen war Bagiers »Österreichische- Film-Gesellschaft m.b.H.«, kurz »ÖFA« (für: »Atelier«), die erfolgreichste; sie befand sich zur Gänze im Besitz der Wiener Creditanstalt-Bankverein. Mit »Maresi« (1948, R.: Hans Thimig, D.: Maria Schell in ihrer ersten Hauptrolle) nahm die ÖFA ihren Produktionsbetrieb auf. Rasch wuchs die Filmfirma unter Bagier und dem Filmkaufmann Walter Trimmel mit 170 Mitarbeitern zum drittgrößten Unternehmen in der Stadt Salzburg heran. Anfänglich wurden Bühne und Stadtsaal des Festspielhauses als Filmatelier genutzt, z. B. für den erfolgreichen Film »Vagabunden« (1949, mit Paula Wessely und Attila Hörbiger). 1949 übersiedelte die ÖFA in ein umgebautes Bauerngut im Stadtteil Parsch, wo zwei Aufnahmehallen, ein Synchronstudio, Schneideräume und Werkstätten Platz fanden. Das Studio an der Kreuzbergpromenade (Nr. 3)war bis 1977 Zentrum der Salzburger Filmproduktion und das »Klein-Hollywood« des florierenden Heimatfilm-Genres. Der erste Film in Parsch hieß »Kleiner Schwindel am Wolfgangsee « (1949, R.: Franz Antel), zugleich der erste von vielen unkritischen Unterhaltungsfilmen der Nachkriegsjahre. Unter Bagiers Nachfolger, Dr. Manfred Benatzky, und - ab 1954 (in Sub-Pacht der »Wien-Film«) unter Führung des CA-Filmabteilungsleiters Dr. Alfred Lehr (* Wien 12. 10. 1924) - (co)produzierte die ÖFA bis 1962 in Parsch rund 55 Filme (davon 26 im Filialatelier Thiersee/Tirol), die in zwei Dutzend Länder verkauft wurden. Die erfolgreichsten Titel lauteten »Weißes Gold« (1949), »Eva erbt das Paradies« (1951) und »Hengst Maestoso Austria« (1956).
Salzburg war bis Mitte der 60er Jahre das meistgenutzte Freilicht-Filmstudio des »Heimatfilms« im deutschsprachigen Europa. Lustspielspezialisten wie Franz Antel, die Brüder Hubert, Ernst, Franz und Georg Marischka und andere drehten in rund 300 Drehorten über 100 Filme in Salzburg, die die Romantik der 30er Jahre und den »Wien(er) Film-Stil« fortführten. Kennzeichnend für dieses Genre sind die strikte Einordnung in den Moralkanon der 50er Jahre, die Instrumentalisierung der Natur als Nutzobjekt für Freizeit und Fremdenverkehr und die völlige Ausblendung der NS-Geschichte und des Nachkriegsalltags.
Für den »Touristen-Film« »Rendezvous im Salzkammergut« (1948) musste das Film-Hotel in St. Gilgen vor Drehbeginn erst aufwendig saniert werden, die Schauspieler nächtigten im Polizeiarrest. Die auch heute noch unglaubliche Zahl von fast 1,4 Millionen Besuchern dieses Films macht das Ausmaß der Idyllen- und Harmoniesucht der kriegsverwundeten Seelen deutlich. Das Aufrichten von hübschen Fassaden vor zerstörten Städten, Nachkriegselend und Heimkehrerschicksal wurde rasch als Methode begriffen. So wurde die ewig lächelnde Film-Welt des »deutschen Lustspielstandards« auch schnell zum Geschäft: der Film stellte sich in den Dienst des aufblühenden Seen-Ferientourismus (Stichwort »Urlaubsreise im Kinosessel«), vor allem am Wolfgangsee und Zeller See, zumal der (in Filmabkommen kontingentierte) Hauptexportmarkt Deutschland war. Peter Alexander, Hans Moser, Waltraut Haas und Maria Andergast waren die umschwärmten Stars des Trivialfilms österreichischer Machart und Salzburger Provenienz.
Der »Berg-Film« und der »Bauern«-Film bauten hingegen zum Teil auf »Blut-und-Boden«- Motiven auf: »Der Sonnblick ruft« (1949) nach dem Drehbuch des als Autor eines NS-Euthanasie-Films bekanntgewordenen Eberhard Frowein sieht die Weiterführung der Wetterwarte im Sturm als Metapher für bedingungslose Pflichterfüllung. Der »Berg« wurde als mythisch überhöhter, mit einem Eigenleben ausgestatteter Riese aufgeladen, der nur wenige Eingeweihte in seinen Bann schlägt. Das Ende der Dämonisierung der Natur stellt die Regierungspropaganda um das Symbol des Wiederaufbaus, das Kraftwerk Kaprun, dar. Endet in »Weißes Gold« (1948) der Konflikt um die Opferung eines Hofes zugunsten des Kraftwerks noch mit einem Kompromiss, so muss in »Das Lied von Kaprun« (1955) die Tradition dem Fortschritt weichen - ein Sinnbild für die Rebellion der Söhne (meist in Person von Kraftwerksingenieuren) gegen das unsäglich schwere Erbe der Väter (in der Rolle der Bergbauern). Literaturverfilmungen, wie das Heimkehrerdrama »Nach dem Sturm« (1949) und »Der Seelenbräu« (1950) nach C. →Zuckmayer oder K. H. →Waggerls »Das Jahr des Herrn« (1950) blieben Ausnahmen. Im städtischen Ambiente demaskiert sich der konservative Wertekatalog der 50er-Jahre- Gesellschaft, indem er einmal Coca Cola und Rock’n’Roll als »Gift« pubertärer Wunschträume deklariert (»Der erste Kuß«, 1951) oder die Ehe als unerschütterliche Institution zementiert (»Das letzte Rezept«, 1951,mit dem O.W. Fischer seinen schauspielerischen Durchbruch feierte). »Förster-Filme« mit den Stars Rudolf Lenz und Anita Gutwell bedienten sich stereotyper Rollenbilder in einer synthetischen Landschaft (»Die Sennerin von St. Kathrein«, 1955, einer der erfolgreichsten Nachkriegsfilme).
Amerikanische Großproduktionen wie der Festspielfilm »Interlude« (1958) des Melodramatikers Douglas Sirk oder »The Devil Makes Three« (1954), in dem Musicalstar Gene Kelly als Besatzungssoldat die Wiedererrichtung des Dritten Reichs durch Neonazis im Nachkriegs-Salzburg verhindert, bereiteten die Stellung Salzburgs als begehrte Kulisse für die internationale Filmwelt auf. Einen bislang unübertroffenen Höhepunkt feierte diese in der Musicalverfilmung »The →Sound of Music« (1964) durch Robert Wise. 1961 hatte erstmals der 1956 von Wolfgang Liebeneiner gedrehte deutsche Film »Die Trappfamilie« nach der wahren Geschichte der Salzburger Emigrantenfamilie von Maria und Georg von Trapp überraschend das amerikanische Kino erobert. Einige Bauten steuerte der renomierte Salzburger Filmarchitekt Wilhelm Schatz bei. 1965 erhielt das umjubelte Singspiel mit Julie Andrews und Christopher Plummer in den Hauptrollen fünf Oscars; es zählt heute zu den beliebtesten Streifen der Filmgeschichte. Die Getreidegasse wurde nun zeitweilig zum Sunset Boulevard, Blake Edwards ließ Natalie Wood, Jack Lemmon und Tony Curtis um den Domplatz rasen (»The Great Race«, 1965), die legendären Beatles filmten in Obertauern (»Help!«, 1965), Rock Hudson und Claudia Cardinale bummelten durch die Altstadt (»A Fine Pair«, 1968), und Clint Eastwood und Richard Burton sprengten Burg Hohenwerfen in die Luft (»Where Eagles Dare«, 1969). Ein Mann wollte der durch das TV verschärften Kinokrise in Salzburg mit guten Drehbüchern und Literaturverfilmungen österreichischer Autoren entgegenhalten: Otto Dürer (* Wien 2. 10. 1910, † Wien 24. 1. 1994). Dürer produzierte mit Paula Wessely deren größte Nachkriegserfolge und leitete die »Vienna- Film«. Sein »Jedermann« (1961) wurde für den Auslands-Oscar nominiert. 1962 gründete Dürer die »Dürer-Filmproduktion Salzburg«, pachtete die heruntergewirtschafteten ÖFA-Ateliers in Parsch und investierte 10 Mio. Schilling in eine neuerrichtete Synchronfilmhalle, Garderoben, ein Tonstudio und modernes Gerät. Hier entstanden bis 1977 rund 50 Kino- und Fernsehfilme, darunter Eigenproduktionen wie »Elf Jahre und ein Tag« (1963) mit Bernhard Wicki, »Der Lügner und die Nonne« (1967) mit Heidelinde Weis und »Der Weibsteufel« (1966), ein beachtliches Werk nach der Vorlage von Karl Schönherr. Dürers Versuch, in Salzburg nach der Idee M. →Reinhardts ein internationales Filmfestival zu etablieren, war ebensowenig von Erfolg gekrönt wie die vorübergehende Leitung der maroden »Wien-Film« (1970-73). Um den Betrieb zu halten, ließ er in den Siebzigern Sexfilmer in sein Studio. 1976 bemühte sich Landeshauptmann H. →Lechner noch, Carlo Ponti für die Studio-Rettung zu gewinnen - vergebens. Dürer zog sich nach Wien zurück - verbittert vor allem deswegen, weil das Land Salzburg die Firma des international bekannten tschechischen Exilregisseurs Vojtech Jasny (* Kelc 30. 11. 1925) namens »Filmstudio Salzburg GesmbH« favorisiert hatte. Dieser hatte, ungetrübt von marktwirtschaftlichen Erfordernissen, den Zweiteiler »Mein seliger Onkel/Die Rückkehr des alten Herrn« (1976) vertragswidrig nicht mit Mozarteumsstudenten, sondern mit Profis gedreht. Der wegen seiner spröden Konzeption »unspielbare« Film verschwand nach wenigen Aufführungen für immer im Archiv. Die dadurch aufgehäuften Schulden von 10 Mio. Schilling schluckte das Land Salzburg bei der Auflösung der Gesellschaft (1979). An der vertanen Chance, Salzburgs Film eine Heimstätte zu geben, leidet Salzburgs Film noch heute.
Auch der Kommerzfilm lag völlig darnieder: Unter Titeln wie »Hexen - geschändet und zu Tode gequält« (1972), gefilmt in den düsteren Kulissen des Schlosses Moosham im Lungau, ergoss sich ein Blutschwall in den Kinosaal. »Grimms Märchen von lüsternen Pärchen« (1969) spannte als erster von einem Dutzend Sexfilmen den Bogen von einer dümmlichen Sexposse (»Alpenglühn im Dirndlrock«, 1974) bis hin zur Pornographie.
Musik spielt zwar im Image Salzburgs eine gewichtige Rolle - so wurde nicht nur die Biographie von Walzerkönig Johann Strauß (»The Great Waltz«, 1970), sondern auch das Musical »The Slipper and the Rose« (1975) mit Richard Chamberlain verfilmt; überraschend ist, daß Salzburg in einem anderen Genre, dem Spionage-Film, dutzendfach einen »Tummelplatz für Geheimagenten« abgab: etwa in »Diplomatic Courier« (1953), »Salzburg Connection« (1970), eine wirre Agentenstory um Nazi-Kollaborateure (mit Barry Newman sowie Klaus Maria Brandauer in dessen erster Filmrolle), »The Odessa File« (1973), »Uranium Conspiracy« (1978) –Mossad-Agenten dringen in eine Salzburger Atombombenfabrik ein - und »Hopscotch« (1980), in dem Walter Matthau (als CIA-Pensionist) mit seinen Memoiren einen Agentenkrieg auslöst. Zeitkritisches kommt mit wenigen Ausnahmen (»Der Mann im Schilf«, 1978, über den Putschversuch 1934) aus dem Ausland: »Before Winter Comes« (1969, mit John Hurt und David Niven), gefilmt in Abtenau, hinterfragt die Auslieferungspolitik der Briten im Jahr 1945. »The Second Victory« (1985) rechnet mit Nazischuld und Mitläufertum in Badgastein unmittelbar nach Kriegsende ab.
Durch verschiedene Faktoren begünstigt - vor allem durch das Filmförderungsgesetz von 1980 - konnte sich in den 80er und 90er Jahren eine kleine Filmkultur entwickeln, die vor allem durch die in Salzburg aktiven Filmregisseure Wolfram Paulus (* Großarl 1957) und Reinhard Schwabenitzky (* Bucheben 1947), darüber hinaus auch durch Erhard Riedelsperger (* Hallein 1960), Bernd Neuburger (* Salzburg 1948), Peter Keglevich (* Salzburg 1950), Titus Leber (* Zell am See 1951), Michael Cencig (* Radstadt 1960), Käthe Kratz (* Salzburg 1947) und Florian Flicker (* Salzburg 1965) repräsentiert wird. Mit »Heidenlöcher« (1985), seinem Erstling über die authentische Geschichte eines Deserteurs in einem kleinen Gebirgsort, zog Wolfram Paulus die Aufmerksamkeit der Filmwelt auf sich; er erhielt dafür u. a. den deutschen Bundesfilmpreis 1986. In »Nachsaison« (1988) zeichnet Paulus - als radikale Antithese zur idyllisierenden Welt des klassischen Heimatfilms - ein behutsames Porträt eines sozialen Absteigers in einem sterbenden Kurort (Badgastein). Das Genre der österreichischen Komödie erfolgreich wiederbelebt hat Reinhard Schwabenitzky (Autor, Regisseur und Produzent der »Star-Film Salzburg« GesmbH), dessen Filme mit einer Mischung aus Situationskomik, Wortwitz und einem festen »Stab« von Publikumslieblingen Besucherrekorde brechen konnten und zahlreiche Auszeichnungen erhielten (z. B. »Ilona und Kurti«, 1991, »Verlassen Sie bitte Ihren Mann«, 1993, »Hannah«, 1996).
Diese neueren Arbeiten können jedoch nicht kaschieren, dass der Drehort Salzburg seit den 90er Jahren international nicht mehr attraktiv ist. Dies ist mit dem Verzicht auf ein Drehortmarketing, wie es andere Städte längst praktizieren, und der »Ablehnung« von Filmdreharbeiten durch Natur-, Denkmalschutz und Bürokratie zu erklären (z. B. bei »Amadeus« 1983, »Shining Through« 1990, »Wolfgang« 1991, »The Living Daylights« 1992, »The Three Musketeers« 1993, »Seven Years in Tibet« 1997).
Dabei bieten sich gerade Salzburger Stoffe von Weltinteresse zur zeitgemäßen filmischen Umsetzung an: Verfilmungen des »Jedermann«-Stoffes sind beinahe 40 Jahre alt (»Jedermann« 1961, »Begegnung in Salzburg« 1962). Das Leben W. A. →Mozarts in Salzburg wurde in den bisherigen Verfilmungen nur kurz gestreift (»Wen die Götter lieben«, 1942, mit Hans Holt, »Reich mir die Hand mein Leben«, 1955, mit Oskar Werner), Milo˘s Formans »Amadeus« (1983) entstand zur Gänze in Prag. Die Entstehungsgeschichte des weltbekannten Stille-Nacht-Liedes wurde 1988 in einer blutrünstigen Actionverfilmung mit Salzburgs Kulisse kolportagehaft verstümmelt (»Silent Night«). In beiden Fällen - »Mozart« und »Stille Nacht« - sind Neuverfilmungen für das Kino seit langem geplant (z. B. zum Mozartjahr 2006).
Literatur:
- Ch. Strasser: Klein Hollywood aus Schutt und Asche
- Film und Kino in Salzburg 1945 bis 1955. In: Salzburg 1945-1955, Zerstörung und Wiederaufbau, Jahresschrift des SMCA 40/41, Salzburg 1995.
- Ch. Strasser: Die Kinematographie im Land Salzburg (1895-1938). In: R. Floimair (Hg.): Hundert Jahre Film 1895-1995, Salzburger Filmund Fotopioniere, Schriftenreihe des Landespressebüros, Salzburg 1994.
- Ch. Strasser: The Sound of Klein- Hollywood. Filmproduktion in Salzburg
- Salzburg im Film, Wien-St.Johann/Pg. 1993.
- Ch. Strasser: Filmstadt Salzburg
- oder doch nur abgenutzte Kulisse? In: Informationszentrum der Landeshauptstadt Salzburg (Hg.): Salzburg
- Podium der Filmkultur, Bd. 8, Salzburg 1992.
Ch.St.