Haus und Hof

Aus Salzburger Kulturlexikon 3.0
Wechseln zu: Navigation, Suche
Kochstelle in einer Almhütte

Die bäuerlichen Haus- und Hofformen zählen zu den wesentlichen Merkmalen der Salzburger Kulturlandschaft.

Unter Verwendung regionaler Baustoffe haben sich seit dem Mittelalter aus bajuwarischem Bauerbe auf kelto-romanischer (Flachgau) und slawischer (Lungau) Grundlage je nach den wirtschaftlichen Bedürfnissen und klimatischen Gegebenheiten unter wechselnder Einwirkung von Traditionswanderungen aus benachbarten Siedlungsräumen und von obrigkeitlichen Anordnungen Hoftypen entwickelt, die in den Salzburger Gauen in mannigfachen Sonderformen zu Hauslandschaften zusammentreten. Diese gliedern sich in alpine und außeralpine Typen.

Bei den Gehöftformen unterscheiden sich zwei große, sich vielfach überschneidende Formenkreise: Einhöfe (Hauptfunktionen des bäuerlichen Wirtschaftsbetriebes in einem Gebäude) und Gruppenhöfe (mehrere Gebäude für die unterschiedlichen betriebswirtschaftlichen Bedürfnisse), wobei die Trennung des Wohnhauses von den Stallscheunen streng eingehalten wird (Zwiehof). Besteht das Gehöft aus mehreren unregelmäßig auf der Hofstatt verteilten Gebäuden, handelt es sich um einen Haufenhof; reichen zwei Gebäude aus, so handelt es sich um einen Paarhof.

Zu den alpinen Einhöfen zählt der Flachgauer Einhof (klare Dreiteilung des Grundrisses: Haus-, Tennen- und Stallteil), dessen Kerngebiet im Moränenhügelland des Flachgaues und im Salzburger Becken gelegen ist und dessen entwicklungsgeschichtliche Vorstufe das Mondseer Rauchhaus darstellt, das einst eine sehr viel größere Hauslandschaft abdeckte und heute in ganz wenigen Resten noch die ursprüngliche Funktion des vom offenen Herd im Vorhaus ohne Schornstein frei aufsteigenden Rauches zur Nachtrocknung der Getreidegarben zeigt.

Durch Stallerweiterung (v.a. im 19. Jahrhundert) in Form einer „Widerkehr“ an einer oder beiden Traufseiten entsteht der Haken- oder T-Hof, der heute im Flachgau bei größeren Höfen mit entsprechendem Viehbestand vorherrscht. Nur noch selten ist der reine Blockbau (zimmermannstechnische Hochblüte der Holzbaukunst im 18. Jahrhundert) anzutreffen, dafür der Mischbau oder reine Mauerbau, im Außenputz häufig mit Scherben- oder Schlackenornamenten verziert. Das ursprünglich flach geneigte Legschindel-Pfettendach wurde im 19. Jahrhundert zu einem steilen Scharschindel-Schopfdach weiterentwickelt (schöne Formen im Aberseegebiet).

Die Einhöfe im nördlichen Tennengau haben im Gegensatz zu denen im Flachgau eine Hochtenne über dem Stall, die in Hanglagen von der Bergseite über eine Tennbrücke erreichbar ist. Im Umkreis der Adneter Marmorbrüche sind Tür- und Fenstergewände häufig aus rotem Marmor. Im südlichen Tennengau, v.a. im Abtenauer Becken, herrschen Paarhöfe in verschiedenen Varianten vor. Seit Ausgang des 18. Jahrhunderts Vordringen eines steilen Schopfdaches, das zu Ende des 19. Jahrhunderts häufig durch ein gewöhnliches Steildach ohne Schopf ersetzt wurde.

Alpine Einhöfe gibt es im Mitterpinzgau entlang des Saalach-Quertales und vereinzelt im Lungau. Der alpine Einhof ist aus der Zusammenrückung ehemals getrennt stehender Wohn- und Wirtschaftsgebäude entstanden. Im Pinzgau trägt der alpine Einhof ein Flachdach, im Lungau ein Steildach (meist mit einem Schopf), das gefügemäßig zu den Scherbalkendächern gehört.

Außeralpine Gruppenhöfe sind im Lamprechtshausener Dreieck nördlich des Haunsberges anzutreffen; sie sind als Dreiseit- und Vierseithöfe ausgebildet und stellen den Übergang zur großräumigen Hauslandschaft des Innviertler Vierseithofes dar. Alpine Gruppenhöfe sind als Haufen- oder Paarhöfe im ganzen Pongau und Pinzgau vertreten. Verbreitungsschwerpunkt im Bereich der Schieferalpen bzw. im Bereich der hochmittelalterlichen Waldrodungen; es sind Viehhöfe mit großen Stallungen und Futterhäusern.

Charakteristisch für diese Hauslandschaft sind die vielen Heuschuppen auf Wiesen und Mähdern (v.a. im Oberpinzgau), die vor der Trockenlegung der Talwiesen das feuchte Heu (Brandgefahr) bis zum Abtransport im Winter auf gefrorenem (zuvor morastigem) Boden lagerten. Paarhöfe des Lungaus haben das für die gesamte südostalpine Hauslandschaft typische Steildach mit Schopf. Die ehemaligen Rauchstuben sind erst im 19. Jahrhundert abgekommen. Charakteristisch für alle Lungauer Gehöfte sind die freistehenden, früher blockgezimmerten, seit dem 17. Jahrhundert zumeist gemauerten und mit bunter Freskomalerei verzierten Getreidekästen, die an gut besonnten Plätzen gebaut wurden.

Einzelne besonders schöne, alte und baugeschichtlich wertvolle Bauernhöfe werden am ursprünglichen Standort als Denkmalhöfe erhalten oder ins Salzburger Freilichtmuseum übertragen.

Viele dieser Höfe zeigen heute Zu- und Umbauten unterschiedlicher Zeiten, die die wechselnden Notwendigkeiten und Gewohnheiten des Wirtschaftens, Wohnens und der zeitspezifischen Ästhetik dokumentieren. Daneben entstanden unter dem Einfluss der Architektur der Sommerfrische des 19. Jahrhunderts neue Bauformen auf dem Sektor des Einfamilien- und Hotelbaus. Die neuen Formen der sogenannten Lederhosenarchitektur der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts prägen heute besonders die alpinen Teile Salzburgs durch eine spezielle Selektion und Kombination historischer Details und Proportionen.

Ein aus dem Landeskulturbeirat entstandener Gestaltungsbeirat ist in den letzten Jahren im Sinne zeitgemäßen regionalen Bauens beratend tätig. Die 1987 begründete Dorf- und Stadterneuerung in der Zuständigkeit der Bildungswerke, einst mit der Beratung der Fassaden- und Dorfplatzgestaltung betraut, hat ihren Aufgabenkreis zur „geistigen Dorferneuerung“, zur Gemeinde- und Regionalentwicklung erweitert. Heute stehen soziale, kulturelle, ökologische, gestalterische und raumordnungspolitische Aspekte im Zentrum der Arbeit.

Enge Kontakte zu Denkmalpflege, Ortsbildschutz, Erwachsenenbildung und Kulturkatalogen (eine Bestandsaufnahme der Kultur- und Naturgüter der Gemeinden, EU-Projekt) sowie Fortbildungsveranstaltungen führen zur Gestaltung von gendergerechten Lebensräumen und Kommunikationszentren nach den Bedürfnissen der Bevölkerung. Modellgemeinden sind daran beteiligt, Europäische Dorferneuerungspreise (seit 1990) wurden damit errungen. Seit 1999 sind die Initiativen und Projekte im Internet abrufbar.

Lit.:

  • B. Zibell: Bedarfsgerechte Raumplanung: Gender Practice und Kriterien in der Raumplanung. Endbericht Langfassung. Land Salzburg, Abt. Raumplanung 2006.
  • F. Artner: Land schafft Raum: grüne Dörfer, freie Plätze, neue Wege. Salzburg 2000.
  • K. Conrad: Führer durch das Salzburger Freilichtmuseum. Salzburg 1994.
  • K. Conrad: Die bäuerlichen Hauslandschaften Salzburgs. In: Dehio-Handbuch. Bd. 3, Salzburg u.a. 1986, S. XIVff.
  • S. Greiderer: Haus und Hof in Salzburg. Wien 1925.

K.C.†, R.A., U.K.