Musik und Migration

Aus Salzburger Kulturlexikon 3.0
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Musik und Migration stellt ein für die Salzburger Kulturgeschichte epochenübergreifend wirksames Wechselverhältnis dar.

Die Bedeutung von Migrationsphänomenen (d.h. Vorgängen der Verlagerung des Lebensmittelpunktes, die sich von Phänomenen der Bleibe bzw. Sesshaftigkeit unterscheiden) ist für die Musikgeschichte Salzburgs spätestens seit dem Mittelalter nachweisbar. So finden sich Beispiele für verschiedene Migrationsformen wie Arbeitsmigration, Armutsmigration, Bildungsmigration, Glaubensmigration, Fluchtmigration, Heiratsmigration, Karrieremigration, Kettenmigration, Wirtschaftsmigration und Zwangsmigration nicht nur in der Gegenwart, sondern in jeder der zurückliegenden Epochen.

Die geografische Lage der Stadt an der Nord-Süd-Verkehrsachse bot frühzeitig günstige Voraussetzungen für vorübergehende Aufenthalte. Zu denken ist etwa an den – nicht nur hier anzutreffenden – Typus fahrender Spielleute. Gesungene Reiseberichte, vorgetragen u.a. auf Markttagen, bei Turnieren und im Rahmen kirchlicher Feste, gehörten zum Kernrepertoire der „Vogelfreien“. Der musikalische Vortrag solcher Reiseberichte war geeignet, den lokal begrenzten Horizont der Zuhörerschaft zu erweitern. Der Beliebtheit stand der Vorwurf unsteter Lebensführung entgegen, konnte dieser aber nur bedingt etwas anhaben.

Jahrhunderte später, zur Zeit Mozarts, sollten migrantische Phänomene weiterhin strittig sein: Einerseits war es zu einer gewissen Selbstverständlichkeit geworden, die Mitglieder der Hofmusikkapelle des Salzburger Erzbischofs aus „aller Herren Länder“ anzuwerben. Laut einer statistischen Recherche von Ernst Hintermaier stammten im 18. Jahrhundert gerade einmal 28% der Mitglieder der Salzburger Hofkapelle aus der nächsten Umgebung. Dass der Erzbischof neu angestellte Musiker sodann vor Ort wissen wollte, wurde weitgehend als selbstverständlich angesehen. Nicht so von Mozart, der seit seiner Kindheit mannigfaltig von Reiseerlebnissen profitierte. Am 11. September 1778 begründete Mozart seine wachsende Unzufriedenheit über Reiseeinschränkungen seines Arbeitgebers so: „[…] denn, ich versichere sie, ohne reisen (wenigstens leüte von künsten und wissenschaften) ist man wohl ein armseeliges geschöpf!“

Die Internationalität der Universität Mozarteum definiert sich nicht unwesentlich über den großen Herkunftsradius ihrer Mitglieder. Aktuellen Statistiken zufolge stammen in etwa 60% der derzeit ca. 1.700 Studierenden nicht aus Österreich, sondern aus ca. sechzig verschiedenen Ländern aller Kontinente. Umgekehrt werden fortwährend Ensembles „exportiert“, deren Mitglieder der Universität als Studierende oder Lehrende verbunden sind. Der seit 2008 teilweise via Internet stattfindende, von Salzburg aus organisierte Klavierunterricht für Studierende des China Conservatory of Music in Peking ist in diesem Zusammenhang ebenso zu bedenken. Gegenwärtig widmen sich verschiedene Salzburger Begegnungsinitiativen dem Ziel, Musik unterschiedlicher Kulturen und Sprachräume erfahrbar zu machen, darunter die Vereine IKUBIK (seit 2011) und West-östlicher Divan (seit 2012).

Zwei in Salzburg angesiedelte, einschlägige Archive versprechen die Entwicklung des Wechselverhältnisses von Musik und Migration in Salzburg künftig umfassender zu beleuchten: Die 2014 an der Universität Salzburg von Nils Grosch begründete Music and Migration Collection und das 2017 gemeinsam von der Universität und dem Stadtarchiv Salzburg eingerichtete (allgemeine) Migrationsarchiv. Die seit 2015 von Wolfgang Gratzer und Nils Grosch gestaltete interuniversitäre Forschungsinitiative Musik und Migration widmet sich der Aufarbeitung und Veröffentlichung einschlägiger Dokumente.

Lit.:

  • N. Grosch (Hg.): Dokumente aus Salzburger Sammlungen zu Musik und Migration. Salzburg 2016.
  • W. Gratzer u.a. (Hg.): Salzburg: Sounds of Migration. Wien 2016.
  • http://www.musik-und-migration.at

W.G.