Thomas Bernhard: Unterschied zwischen den Versionen

Aus Salzburger Kulturlexikon 3.0
Wechseln zu: Navigation, Suche
Zeile 1: Zeile 1:
'''Bernhard, Thomas''', * Heerlen bei Maastricht (Niederlande) 9. 2. 1931, † Gmunden 12. 2. 1989, Schriftsteller.
+
'''Bernhard, Thomas''', * Heerlen bei Maastricht (Niederlande) 9.2.1931, † Gmunden 12.2.1989, Schriftsteller.
  
Seine Mutter ist die Tochter des Schriftstellers J. →Freumbichler, der Vater Alois Zuckerstätter, ein Bauernsohn aus Henndorf († 1943 in Frankfurt/Oder). Seine Kindheit verlebte B. bei seinen Großeltern in Wien und ab 1937 in Seekirchen am Wallersee. Mit dem Großvater war er auch Gast bei C. →Zuckmayer in der »Wiesmühl« in Henndorf. 1943-44 lebte B. in einem Internat in Salzburg, 1945-46 im Johanneum in der Schrannengasse. Im ersten Band seiner Jugendautobiographie »Die Ursache. Eine Andeutung« (1975) stellte B. die Erlebnisse im nationalsozialistischen wie im kath. Schülerheim künstlerisch dar. Das Humanistische Gymnasium verließ er 1947, um bei einem Lebensmittelhändler in Lehen eine Kaufmannslehre zu beginnen (vgl. »Der Keller. Eine Entziehung«, 1976). Im feuchten Keller des Geschäfts holte er sich eine Rippenfellentzündung, 1949 eine Lungenentzündung und erhielt die »Letzte Ölung«. Zur gleichen Zeit starb sein Großvater (11. 2. 1949). Ergreifend beschreibt B. diese Grenzsituation in »Der Atem. Eine Entscheidung« (1977). Der Großvater war die formende Persönlichkeit seiner Jugend gewesen. Er hatte auf langen Spaziergängen die musische Entwicklung des Enkels gefördert und war ihm zum Künstler-Vorbild geworden. 1950 starb seine Mutter. »In der Lungenheilstätte Grafenhof (1950-51) begann ich, immer den Tod vor Augen, zu schreiben. Daran wurde ich vielleicht wieder hergestellt« (Lebenslauf 1954). Die weiteren Bände seiner Jugendautobiographie sind »Die Kälte. Eine Isolation« (1981), als Schilderung des Aufenthaltes in Grafenhof, und »Ein Kind« (1982), als Erzählung seiner frühesten Kindheit. B.s längst vergessene literarische Erstlinge sind in Salzburger Zeitungen erschienen: »Das rote Licht« im SV v. 19. 6. 1950 (Pseud.: Thomas Fabian) und »Vor eines Dichters Grab« im SV v. 12. 7. 1950 (Pseud.: Niklas van Heerlen). Ab 1952 veröffentlichte B. unter seinem bürgerlichen Namen, so z. B. mehrere Lyrikbände im Otto Müller Verlag. 1952 begann er ein Gesang- und Schauspiel-Studium am →Mozarteum, das er 1957 mit einer (verschollenen) Arbeit über Artaud und →Brecht abschloß. Neben dem Studium schrieb er Gerichtsreportagen und andere Beiträge für das sozialistische »Demokratische Volksblatt« in Salzburg. Seit 1957 lebte B. als freier Schriftsteller, seit 1965 wohnte er auf einem Bauernhof in Ohlsdorf (OÖ.).
+
B. war der uneheliche Sohn von Herta Bernhard, der Tochter des erfolglosen Salzburger Heimatschriftstellers Johannes Freumbichler; seinen Vater, den Tischler Alois Zuckerstätter, lernte er nie kennen. Nach ersten Lebenswochen in Pflegeunterkünften in den Niederlanden lebte er bis 1935 bei den Großeltern unter ökonomisch schwierigen Bedingungen in Wien. Ab 1935 verbrachte er mit den Großeltern eine als glücklich erinnerte Zeit in Seekirchen am Wallersee (Salzburg). 1937 übersiedelte er mit der Mutter und dem Ziehvater Emil Fabjan, den sie 1936 geheiratet hatte, nach Traunstein (Oberbayern); zwei Halbgeschwister: Peter (geb. 1938), Susanne (geb. 1940, verehel. Kuhn).  
  
Dass vor allem »Die Ursache« sowohl Liebe für Salzburg als auch Hass gegen Salzburg enthält, hat die Kritik bald erkannt. B. empfindet vor allem die Unvereinbarkeit von höchster architektonischer Schönheit und enger Kleinbürgermentalität. Salzburg ist ihm ein »Todesmuseum«, das die Entwicklung junger Menschen behindert: »Meine Heimatstadt ist in Wirklichkeit eine Todeskrankheit.« Diese Salzburg-Beschimpfung hat zwei Seiten: die Betroffenheit der Salzburger über B.s Behauptungen und die Bewunderung dieser Bücher durch Nicht-Salzburger. Ernst Wendt trifft den Kern, wenn er meint, dass sich hinter der »grausamen, nichts verschonenden Vergangenheitsbewältigung, dem wütenden verletzten Autor womöglich unbewusst, auch eine Liebeserklärung verberge«. Und weiter: »Ich wüßte nicht, wo in der dt. Literatur das Angstklima der Bombennächte so nachdrücklich und wahrhaftig beschrieben worden wäre« wie hier (»Die Zeit« v. 29. 8. 1975). Diese Bücher stellen B. in die Reihe großer Salzburg Kritiker, zu denen auch W. A. →Mozart und G. →Trakl gehören.
+
1944 trat B. in eine Salzburger Hauptschule ein und wohnte zu dieser Zeit in einem nationalsozialistischen Schülerheim in der Schrannengasse. 1946 wechselte er ins Staatsgymnasium (heute: Akad. Gymnasium): das Internat wurde jetzt als katholisches „Johanneum“ geführt und von ihm weiterhin als autoritärer Zwangsapparat erlebt. 1947 brach B. die stets als quälend empfundene Schule ab und begann eine Kaufmannslehre in der am Salzburger Stadtrand gelegenen „Scherzhauserfeldsiedlung“.  
  
Ab 1969 schrieb B. in dichter Folge auch Dramen. Seine Zusammenarbeit mit den Salzburger →Festspielen begann mit der einmaligen (Ur-)Aufführung des Stückes »Der Ignorant und der Wahnsinnige« (29. 7. 1972). Das nicht gelöschte Notlicht in der letzten Szene führte zum Streit zwischen Regisseur und Festspieldirektion. Es gab keine weiteren Aufführungen mehr; der ORF hatte die Inszenierung jedoch aufgezeichnet (Regie: Claus Peymann, den »Doktor« spielte Bruno Ganz). 1974, nach der Versöhnung zwischen B. und J. →Kaut, wurde die Komödie »Die Macht der Gewohnheit« im Landestheater uraufgeführt (Regie: Dieter Dorn, den »Garibaldi« spielte Bernhard Minetti). Spannungen zwischen B. und den Festspielen störten nochmals die weitere Zusammenarbeit. Auf eine missverständliche Pressenotiz reagierte B. mit einem offenen Brief in der Hamburger Wochenzeitung »Die Zeit«: »Ich brauche die Festspiele nicht.« 1980 bot B. diesen Festspielen trotzdem wieder ein neues Stück an, das 1981 uraufgeführt wurde: »Am Ziel« (Regie: C. Peymann, die Hauptrolle spielte Marianne Hoppe). Inzwischen hatte sich die Beziehung zwischen B. und den Festspielen eingespielt: 1985 kam die Uraufführung des Stücks »Der Theatermacher« (Regie: C. Peymann, die Titelrolle spielte Traugott Buhre). Das Stück verarbeitete u. a. den Notlichtskandal von 1972. Schließlich folgte 1986 die Uraufführung von »Ritter, Dene, Voss«. Die Namen von drei Schauspielern aus dem Bochumer Ensemble bilden den Titel; die Anspielungen und Zitate auf Ludwig und Paul Wittgenstein verdichten das dramatische Spiel, in dem die Schauspieler einmal sich selbst, dann historische Figuren und schließlich fiktive Personen in einem spielen. Der Beitrag B.s und P. →Handkes zur Geschichte der Festspiele beweist die Wirksamkeit der dramatischen Gegenwartsliteratur in eben diesem Spielplan.
+
Um die Jahreswende 1948/49 entwickelte sich aus einer schweren Erkältung eine lebensbedrohliche Erkrankung; B. wurde bereits ins Sterbezimmer des Salzburger Landeskrankenhauses gebracht, von 1949 bis 1951 folgten mehrere Aufenthalte des mittlerweile an Lungentuberkulose Erkrankten in Heilstätten, v.a. in Grafenhof (St. Veit im Pongau). Zu dieser Zeit starben die wichtigsten Bezugspersonen: 1949 der Großvater, 1950 die Mutter; im selben Jahr begegnete Bernhard in St. Veit aber auch seinem „Lebensmenschen“ Hedwig Stavianicek, einer um fast 37 Jahre älteren Wiener Ministerialratswitwe, mit der ihn bis zu deren Tod 1984 eine enge Freundschaft verband.
  
Der Alleinerbe und Halbbruder Th. B.s, Dr. Peter Fabjan, gründete 1998 die Th.-B.-Privatstiftung in Wien. Dem Stiftungsrat gehören neben Peter Fabjan noch Wendelin Schmidt-Dengler und Jean-Marie Winkler an. Ein zwölfköpfiger Beirat unterstützt die Stiftung. Diese gründete wiederum die Internationale Th.-B.-Gesellschaft. Die konstituierende Versammlung fand am 11. 2. 1999 in Salzburg statt. Präsident: Adolf Haslinger, Vizepräsident: Peter Fabjan, Generalsekretär: Raimund Fellinger. Das Th.-B.-Archiv befindet sich in Gmunden.
+
Zwischen 1952 und 1955 war Bernhard als freier Mitarbeiter beim sozialistischen Demokratischen Volksblatt (Salzburg) tätig und verfasste dabei vorwiegend Gerichtssaalberichte, Buch-, Theater- und Filmkritiken, aber auch kürzere Prosaveröffentlichungen und Gedichte. 1955 begann er an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst „Mozarteum“ in Salzburg zunächst ein Gesangs-, später auch ein Regie- und Schauspielstudium. 1957 schloss er die Ausbildung als Regisseur und Schauspieler mit der Bühnenreifeprüfung ab. Zwischen 1957 und 1960 folgten längere Aufenthalte in Maria Saal (Kärnten) auf dem Tonhof des befreundeten Komponisten Gerhard Lampersberg und dessen Frau Maja Weis-Ostborn.
 +
 +
1957/58 erschienen im Salzburger Otto Müller Verlag die ersten Gedichtbände B.s: #Auf der Erde und in der Hölle# und #In hora mortis#. Nachdem der Verlag 1961 den 140 Gedichte umfassenden Band #Frost# abgelehnt hatte, gelang B. 1963 mit dem ebenso benannten Roman #Frost# (Insel Verlag) der literarische Durchbruch. Die polemische Beschreibung des Gebirgsorts Weng, die im Roman zum Szenario eines fiktionalen Bewusstseinsprozesses wird, führte nach der Zuerkennung des Österr. Staatspreises für Roman (1967) zu Protesten von Politikern im Salzburger Landtag (auch B.s Dankrede anlässlich der Preisverleihung verursachte 1968 einen Skandal). 1965 erwarb B. in Obernathal bei Ohlsdorf (OÖ.) einen Vierkanthof, den er in jahrelanger Arbeit restaurierte und bis zu seinem Tod zum Wohnsitz hatte; in den folgenden Jahren kaufte er zwei weitere Häuser bei Reindlmühl und Ottnang. Weitere Romane folgten: #Verstörung# (1967), #Das Kalkwerk# (1970) und #Korrektur# (1975). B. erhielt zu dieser Zeit mehrere angesehene Preise, u.a. Bremer Literaturpreis 1965, Anton-Wildgans-Preis 1968, Georg-Büchner-Preis 1970; in späteren Jahren nahm er hingegen keine Preise mehr an.
  
Literatur:
+
1965/66 scheiterte das Projekt einer ersten Zusammenarbeit mit den Salzburger Festspielen aufgrund der düsteren Anlage des als „Anti-Jedermann“ konzipierten Stücks; seine Endfassung wurde unter dem Titel #Ein Fest für Boris# als erstes von insges. 18 abendfüllenden Dramen 1970 in Hamburg uraufgeführt. Die Produktion von B.s erstem Festspiel-Stück #Der Ignorant und der Wahnsinnige# endete 1972 mit dem sogenannten ‚Notlicht-Skandal‘, weil die geforderte Abschaltung des Notlichts am Ende aus feuerpolizeilichen Gründen nicht erlaubt wurde. Dennoch wurde bereits 1974 B.s Komödie #Die Macht der Gewohnheit# erfolgreich bei den Festspielen gespielt. Die Zusammenarbeit erfuhr zwar nach einem Konflikt wegen des Stücks #Die Berühmten# (1986), das wegen befürchteter Anspielungen auf die Festspielprominenz nicht im Voraus akzeptiert und daraufhin von B. zurückgezogen wurde, eine Unterbrechung, doch mit drei weiteren Uraufführungen (#Am Ziel#, 1981, #Der Theatermacher#, 1985, und #Ritter, Dene, Voss#, 1986) avancierte B. zum meistgespielten zeitgenössischen Dramatiker des Festspiele nach 1945.
  
* M. Mittermayer, S. Veits-Falk (Hg.): Th. B. und Salzburg. Salzburg 2001.
+
1975 die insgesamt fünfbändige Reihe autobiograph. Erzählungen, die der mittlerweile zum Suhrkamp-Autor avancierte B. im Residenz Verlag herausbrachte. Zunächst löste er mit dem Band #Die Ursache. Eine Andeutung# einen Skandal aus, weil er darin die Stadt Salzburg als „katholisch-nationalsozialistischen Todesboden“ bezeichnete; der Salzburger Stadtpfarrer erwirkte im Rahmen einer Klage die Streichung von gegen ihn gerichteten Passagen. 1976 folgte #Der Keller. Eine Entziehung#, die Darstellung von B.s Kaufmannslehre, 1978 #Der Atem. Eine Entscheidung# und 1981 #Die Kälte. Eine Isolation#, die Schilderung der Krankheitsphase, ehe 1982 in #Ein Kind# die Darstellung der frühesten Kindheitsjahre nachgereicht wurde.
* J. Hoell: Th. B.München 2000.
+
* M. Mittermayer: Th. B. Stuttgart 1995 (= Sammlung Metzler SM 291).
+
Im Mittelpunkt des Romans #Der Untergeher# (1983) steht der Pianist Glenn Gould; der Text ist eine fiktionale Auseinandersetzung mit B.s Mozarteums-Zeit. 1984 löste die Veröffentlichung des Romans #Holzfällen. Eine Erregung# aufgrund der vorübergehenden Beschlagnahmung nach einer Klage Lampersbergs, der sich in einer Romanfigur verunglimpft sah, den bis dahin größten Skandal um B.s Werk aus. 1986 erschien der Roman #Auslöschung. Ein Zerfall#, der allgemein als eine Art „opus magnum“ wahrgenommen wurde. Im „Bedenkjahr“ 1988 (50 Jahre Anschluss Österreichs an NS-Deutschland) verursachte B. mit seinem letzten Theaterstück #Heldenplatz# nochmals eine intensive öffentliche Auseinandersetzung.
* H. Höller: Th. B. Reinbek b. Hamburg 1993 (= rm 504).
+
* R. K. Habringer: Th. B. als Journalist. Dokumentation eines Frühwerks, Magisterarbeit, Salzburg 1984.
+
Seine letzte Prosaveröffentlichung erfolgte 1989 erneut im Residenz Verlag; es handelte sich um den im Wesentlichen Ende der 1950er-Jahre entstandenen Text #In der Höhe. Rettungsversuch, Unsinn#. In seinem Testament untersagte B. die Veröffentlichung aller zu Lebzeiten unpubliziert gebliebenen Texte sowie die öffentliche Aufführung und den Druck aller seiner Werke in Österreich; etwa ein Jahrzehnt nach seinem Tod wurde dieses Aufführungsverbot nach der Gründung einer T. B. Privatstiftung, die sich der öffentl. Repräsentanz von B.s Werk widmen sollte, wieder aufgehoben. 1999 wurde in Salzburg die Internationale T. B. Gesellschaft konstituiert, Gründungspräsident: Adolf Haslinger.
* J. Dittmer (Hg.): Th. B. Werkgeschichte. Frankfurt/M. 1981.
+
 
 +
 
 +
Lit.:
 +
* M. Huber, M. Mittermayer (Hg.): B. Handbuch. Stuttgart 2018.
 +
* M. Mittermayer: T.B. Eine Biografie. Wien, Salzburg 2015.
 +
* M. Mittermayer, S. Veits-Falk (Hg.): T.B. und Salzburg. 22 Annäherungen. Salzburg 2001.
 +
* L. Huguet: Chronologie. Johannes Freumbichler – T.B. Weitra [1995].  
 +
* H. Höller: T.B. Reinbek bei Hamburg 1993.
 +
 
 +
Ma.M.
  
A.Has.
 
  
 
{{Normdaten|TYP=p|GND=118509861|LCCN=n/50/7084|NDL=00433110|VIAF=12305044}}
 
{{Normdaten|TYP=p|GND=118509861|LCCN=n/50/7084|NDL=00433110|VIAF=12305044}}

Version vom 8. März 2018, 02:48 Uhr

Bernhard, Thomas, * Heerlen bei Maastricht (Niederlande) 9.2.1931, † Gmunden 12.2.1989, Schriftsteller.

B. war der uneheliche Sohn von Herta Bernhard, der Tochter des erfolglosen Salzburger Heimatschriftstellers Johannes Freumbichler; seinen Vater, den Tischler Alois Zuckerstätter, lernte er nie kennen. Nach ersten Lebenswochen in Pflegeunterkünften in den Niederlanden lebte er bis 1935 bei den Großeltern unter ökonomisch schwierigen Bedingungen in Wien. Ab 1935 verbrachte er mit den Großeltern eine als glücklich erinnerte Zeit in Seekirchen am Wallersee (Salzburg). 1937 übersiedelte er mit der Mutter und dem Ziehvater Emil Fabjan, den sie 1936 geheiratet hatte, nach Traunstein (Oberbayern); zwei Halbgeschwister: Peter (geb. 1938), Susanne (geb. 1940, verehel. Kuhn).

1944 trat B. in eine Salzburger Hauptschule ein und wohnte zu dieser Zeit in einem nationalsozialistischen Schülerheim in der Schrannengasse. 1946 wechselte er ins Staatsgymnasium (heute: Akad. Gymnasium): das Internat wurde jetzt als katholisches „Johanneum“ geführt und von ihm weiterhin als autoritärer Zwangsapparat erlebt. 1947 brach B. die stets als quälend empfundene Schule ab und begann eine Kaufmannslehre in der am Salzburger Stadtrand gelegenen „Scherzhauserfeldsiedlung“.

Um die Jahreswende 1948/49 entwickelte sich aus einer schweren Erkältung eine lebensbedrohliche Erkrankung; B. wurde bereits ins Sterbezimmer des Salzburger Landeskrankenhauses gebracht, von 1949 bis 1951 folgten mehrere Aufenthalte des mittlerweile an Lungentuberkulose Erkrankten in Heilstätten, v.a. in Grafenhof (St. Veit im Pongau). Zu dieser Zeit starben die wichtigsten Bezugspersonen: 1949 der Großvater, 1950 die Mutter; im selben Jahr begegnete Bernhard in St. Veit aber auch seinem „Lebensmenschen“ Hedwig Stavianicek, einer um fast 37 Jahre älteren Wiener Ministerialratswitwe, mit der ihn bis zu deren Tod 1984 eine enge Freundschaft verband.

Zwischen 1952 und 1955 war Bernhard als freier Mitarbeiter beim sozialistischen Demokratischen Volksblatt (Salzburg) tätig und verfasste dabei vorwiegend Gerichtssaalberichte, Buch-, Theater- und Filmkritiken, aber auch kürzere Prosaveröffentlichungen und Gedichte. 1955 begann er an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst „Mozarteum“ in Salzburg zunächst ein Gesangs-, später auch ein Regie- und Schauspielstudium. 1957 schloss er die Ausbildung als Regisseur und Schauspieler mit der Bühnenreifeprüfung ab. Zwischen 1957 und 1960 folgten längere Aufenthalte in Maria Saal (Kärnten) auf dem Tonhof des befreundeten Komponisten Gerhard Lampersberg und dessen Frau Maja Weis-Ostborn.

1957/58 erschienen im Salzburger Otto Müller Verlag die ersten Gedichtbände B.s: #Auf der Erde und in der Hölle# und #In hora mortis#. Nachdem der Verlag 1961 den 140 Gedichte umfassenden Band #Frost# abgelehnt hatte, gelang B. 1963 mit dem ebenso benannten Roman #Frost# (Insel Verlag) der literarische Durchbruch. Die polemische Beschreibung des Gebirgsorts Weng, die im Roman zum Szenario eines fiktionalen Bewusstseinsprozesses wird, führte nach der Zuerkennung des Österr. Staatspreises für Roman (1967) zu Protesten von Politikern im Salzburger Landtag (auch B.s Dankrede anlässlich der Preisverleihung verursachte 1968 einen Skandal). 1965 erwarb B. in Obernathal bei Ohlsdorf (OÖ.) einen Vierkanthof, den er in jahrelanger Arbeit restaurierte und bis zu seinem Tod zum Wohnsitz hatte; in den folgenden Jahren kaufte er zwei weitere Häuser bei Reindlmühl und Ottnang. Weitere Romane folgten: #Verstörung# (1967), #Das Kalkwerk# (1970) und #Korrektur# (1975). B. erhielt zu dieser Zeit mehrere angesehene Preise, u.a. Bremer Literaturpreis 1965, Anton-Wildgans-Preis 1968, Georg-Büchner-Preis 1970; in späteren Jahren nahm er hingegen keine Preise mehr an.

1965/66 scheiterte das Projekt einer ersten Zusammenarbeit mit den Salzburger Festspielen aufgrund der düsteren Anlage des als „Anti-Jedermann“ konzipierten Stücks; seine Endfassung wurde unter dem Titel #Ein Fest für Boris# als erstes von insges. 18 abendfüllenden Dramen 1970 in Hamburg uraufgeführt. Die Produktion von B.s erstem Festspiel-Stück #Der Ignorant und der Wahnsinnige# endete 1972 mit dem sogenannten ‚Notlicht-Skandal‘, weil die geforderte Abschaltung des Notlichts am Ende aus feuerpolizeilichen Gründen nicht erlaubt wurde. Dennoch wurde bereits 1974 B.s Komödie #Die Macht der Gewohnheit# erfolgreich bei den Festspielen gespielt. Die Zusammenarbeit erfuhr zwar nach einem Konflikt wegen des Stücks #Die Berühmten# (1986), das wegen befürchteter Anspielungen auf die Festspielprominenz nicht im Voraus akzeptiert und daraufhin von B. zurückgezogen wurde, eine Unterbrechung, doch mit drei weiteren Uraufführungen (#Am Ziel#, 1981, #Der Theatermacher#, 1985, und #Ritter, Dene, Voss#, 1986) avancierte B. zum meistgespielten zeitgenössischen Dramatiker des Festspiele nach 1945.

1975 die insgesamt fünfbändige Reihe autobiograph. Erzählungen, die der mittlerweile zum Suhrkamp-Autor avancierte B. im Residenz Verlag herausbrachte. Zunächst löste er mit dem Band #Die Ursache. Eine Andeutung# einen Skandal aus, weil er darin die Stadt Salzburg als „katholisch-nationalsozialistischen Todesboden“ bezeichnete; der Salzburger Stadtpfarrer erwirkte im Rahmen einer Klage die Streichung von gegen ihn gerichteten Passagen. 1976 folgte #Der Keller. Eine Entziehung#, die Darstellung von B.s Kaufmannslehre, 1978 #Der Atem. Eine Entscheidung# und 1981 #Die Kälte. Eine Isolation#, die Schilderung der Krankheitsphase, ehe 1982 in #Ein Kind# die Darstellung der frühesten Kindheitsjahre nachgereicht wurde.

Im Mittelpunkt des Romans #Der Untergeher# (1983) steht der Pianist Glenn Gould; der Text ist eine fiktionale Auseinandersetzung mit B.s Mozarteums-Zeit. 1984 löste die Veröffentlichung des Romans #Holzfällen. Eine Erregung# aufgrund der vorübergehenden Beschlagnahmung nach einer Klage Lampersbergs, der sich in einer Romanfigur verunglimpft sah, den bis dahin größten Skandal um B.s Werk aus. 1986 erschien der Roman #Auslöschung. Ein Zerfall#, der allgemein als eine Art „opus magnum“ wahrgenommen wurde. Im „Bedenkjahr“ 1988 (50 Jahre Anschluss Österreichs an NS-Deutschland) verursachte B. mit seinem letzten Theaterstück #Heldenplatz# nochmals eine intensive öffentliche Auseinandersetzung.

Seine letzte Prosaveröffentlichung erfolgte 1989 erneut im Residenz Verlag; es handelte sich um den im Wesentlichen Ende der 1950er-Jahre entstandenen Text #In der Höhe. Rettungsversuch, Unsinn#. In seinem Testament untersagte B. die Veröffentlichung aller zu Lebzeiten unpubliziert gebliebenen Texte sowie die öffentliche Aufführung und den Druck aller seiner Werke in Österreich; etwa ein Jahrzehnt nach seinem Tod wurde dieses Aufführungsverbot nach der Gründung einer T. B. Privatstiftung, die sich der öffentl. Repräsentanz von B.s Werk widmen sollte, wieder aufgehoben. 1999 wurde in Salzburg die Internationale T. B. Gesellschaft konstituiert, Gründungspräsident: Adolf Haslinger.


Lit.:

  • M. Huber, M. Mittermayer (Hg.): B. Handbuch. Stuttgart 2018.
  • M. Mittermayer: T.B. Eine Biografie. Wien, Salzburg 2015.
  • M. Mittermayer, S. Veits-Falk (Hg.): T.B. und Salzburg. 22 Annäherungen. Salzburg 2001.
  • L. Huguet: Chronologie. Johannes Freumbichler – T.B. Weitra [1995].
  • H. Höller: T.B. Reinbek bei Hamburg 1993.

Ma.M.