Richard Wolfram: Unterschied zwischen den Versionen
K (added Category:Freigabe Bereichsleitung using HotCat) |
|||
Zeile 2: | Zeile 2: | ||
Richard Angelus Albert W. entstammte einer bildungsbürgerlich protestantisch-großdeutsch orientierten Familie. Seine Kindheit beschrieb er als Idylle, geprägt durch die Germanen-Verklärung im nationalen elterlichen Milieu. Dazu kamen Einflüsse von seinem Südtiroler Onkel, dem Volksliedforscher Franz Friedrich Kohl (1851-1924) sowie seine Mitgliedschaft im »Wandervogel«, die ihn in Kontakt mit Brauch und Volkstanz brachte. Ab 1920 Studium der Germanistik und Neu-Skandinavistik an der Universität Wien, die bereits stark antisemitisch geprägt war; das »erwies sich als idealer Nährboden um seine deutschnationalen Prägungen weiter in das Korsett einer 'völkischen' Wissenschaft zu zwängen«. Gerade die Germanistik erhob den Anspruch »Kerndisziplin in der Kultur- und Sinnvermittlung« zu sein, in einem Verständnis von Philologie als »Zusammenschau von Sprachentwicklung, Literatur und Volkskunde [als] eine 'Wissenschaft vom Deutschen'« (Höck). 1924/25 Studienaufenthalt in Kiel und zahlreiche Skandinavienreisen u.a. für seine Dissertation. Auch seine Dissertation (1926) über den politischen Schriftsteller Ernst Moritz Arndt war ethnografisch ausgelegt im Sinne seiner germanophilen Suche nach Geschichtsmythologie wie der Zusammengehörigkeit der »germanischen Völker«; Arndt galt seit 1918 als Identifikationsfigur für die völkische Rechte. Seine Arbeit wurde 1933 in Weimar gedruckt und Otto Höfler, W.s Studienkollege und lebenslanger Freund rezensierte sie in der Berliner NS-Zeitschrift »Nordische Welt« als äußerst wichtig. Höfler hatte ab 1934 ein Extraordinariat in Kiel inne und wurde zum ideologischen Ideengeber des »Ahnenerbe der SS« in dessen Rangstreitigkeiten mit dem »Amt Rosenberg«, das sich in den 1920er Jahren aus der »Mondmythologischen Wiener Schule« gebildet hatte. 1928 wurde W. Lektor und erhielt danach Lehraufträge für Schwedisch an der Universität Wien. Ab 1928 Suche nach »volkskundlichen Quellströmen« unter Einfluss von Rudolf Much und zunehmende Radikalisierung gegen Andersdenkende in scharfer politischer Polemik. Für Otto Höfler und W. »wurde das Auffinden germanischer Kontinuität zur Obsession«. Die »Wiener Much-Schule« wurde daher auch als »die Ritualisten« bzw. die »Männerbund-Schule« bezeichnet. Dazu zählten auch Eberhard Kranzmayer (1897-1975), Lily Weiser (1898-1987) u.a. 1932-1934 und ab 1937-1945 Mitglied der NSDAP; 1934-38 »zeitweilig Wiener Zeitungskorrespondent« in Skandinavien. Begründer und Vorstand der ebenfalls politisch tätigen Gesellschaft »Svea«. 1934 Habilitation für germanische Volkskunde über »Schwerttanz und Männerbund« bei Much, die aber wegen seiner politischen Tätigkeit erst 1936 angenommen wurde. Lehrtätigkeit ab 1937/38. Der so genannte »Anschluß« wurde für W. zum Karrierebeschleuniger; er wurde von 1938-45 Leiter der am 1938 begründeten »Lehr- und Forschungsstätte für germanisch-deutsche Volkskunde« zugehörig zur »Außenstelle Süd-Ost« des »Ahnenerbe des Reichsführers SS Heinrich Himmler« in Salzburg, die weltanschauliche Grundlagenforschung im Sinne der nationalsozialistischen Wissenschaft zu leisten hatte. W. widmete sich der »Erforschung des Jahreslaufbrauchtums, der volkslichen (!) Gemeinschaftsordnungen, sowie der rassischen und volkslichen (!) Bedingtheiten von Musik, Lied, Tanz, Hausformen, Gefäßformen und Sachgüter«, die Wiedereinführung der Perchtenbräuche und der Schwerttanz standen im Zentrum seiner Interessen. Die Außenstelle sollte der »katholischen Tradition bewußt die nationalsozialistische Wissenschaft entgegenstellen«, sie übernahm Teilbestände des von der SS aufgelösten und geplünderten Instituts für religiöse Volkskunde der Theologischen Fakultät. Das Inst. wurde im »Germanischen Wissenschaftseinsatz« eingesetzt. Als ständige, kurzfristige und freie Mitarbeiter fungierten u. a. F. →Prodinger, Luise Hess, K. →Adrian, T. →Reiser, K. →Brandauer und Romuald Pramberger. Ein weiterer Mitarbeiter, Hans Ernst Schneider, 1940-45 »Einsatzstab Niederlande«, machte ab 1945 Karriere als Universitätsprofessor für Germanistik u. a. in Salzburg und Universitätsrektor in Aachen unter dem Namen Hans Werner Schwerte. W.s Stelle stand in ständiger Konkurrenz zur »Arbeitsgemeinschaft für deutsche Volkskunde« des »Amtes Rosenberg« in Salzburg, dem Landesschulrat und Gauschulungsleiter K. →Springenschmid, H. Amanshauser als Leiter der Gauarbeitsgemeinschaft und K. Ruprecht (Hauptstellenleiter Volkskunde) sowie K. →Fiala (Rassenpolitik) angehörten. 1939 übernahm W. das Extraordinariat des neugegründeten Universitätsinst. für germanisch-deutsche Volkskunde in Wien. Bis 1944 hielt er volkskundliche Vorlesungen, darunter pro Semester eine für Lehramtskandidaten, die die Studierenden auf »die verpflichtende Gemeinschaft des Blutes und des Geistes, die wir Volk nennen« einschworen. Diese Vorlesungen, die er von 1948 bis 1969 weiterführen konnte, stellen neben dem Vereinswesen die Ursache für das breite Fortwirken der Ideologie W.s bis heute dar. Mit Kriegsausbruch wurde Wolfram in den »Sonderstab des Reichsführers SS« übernommen und im Zuge des »Hitler-Mussolini-Abkommens« entwarf W. aktiv Umsiedlungspläne und wurde ab 1940 Teil der »Kulturkommission« in Südtirol, mit Sitz in Bozen, als Leiter der Arbeitsgruppe »Brauchtum und Volkstanz«. 1941 und 1942 begann Wolfram mit eben solchen Aufnahmen in der deutschen Sprachinsel Gottschee/Slowenien, die kriegsbedingt eingestellt wurden. 1943 wurde W. »für die großgermanische Arbeit in den deutschen Randstaaten« nach Norwegen versetzt und der »Stabsabteilung der Waffen-SS beim Persönlichen Stab Reichsführer SS - Abteilung Germanischer Wissenschaftseinsatz« der Außenstelle Oslo zugeteilt. Anfang 1944 wurden die »Kundfahrten« abgebrochen und W. hielt im Elsass im Lager Sennheim Umerziehungs-Vorlesungen, die verschleppte norwegische Studierende motivieren sollten, sich zur SS »Legion Norwegen« zu melden; Kriegsverdienstkreuz 2. Klasse. | Richard Angelus Albert W. entstammte einer bildungsbürgerlich protestantisch-großdeutsch orientierten Familie. Seine Kindheit beschrieb er als Idylle, geprägt durch die Germanen-Verklärung im nationalen elterlichen Milieu. Dazu kamen Einflüsse von seinem Südtiroler Onkel, dem Volksliedforscher Franz Friedrich Kohl (1851-1924) sowie seine Mitgliedschaft im »Wandervogel«, die ihn in Kontakt mit Brauch und Volkstanz brachte. Ab 1920 Studium der Germanistik und Neu-Skandinavistik an der Universität Wien, die bereits stark antisemitisch geprägt war; das »erwies sich als idealer Nährboden um seine deutschnationalen Prägungen weiter in das Korsett einer 'völkischen' Wissenschaft zu zwängen«. Gerade die Germanistik erhob den Anspruch »Kerndisziplin in der Kultur- und Sinnvermittlung« zu sein, in einem Verständnis von Philologie als »Zusammenschau von Sprachentwicklung, Literatur und Volkskunde [als] eine 'Wissenschaft vom Deutschen'« (Höck). 1924/25 Studienaufenthalt in Kiel und zahlreiche Skandinavienreisen u.a. für seine Dissertation. Auch seine Dissertation (1926) über den politischen Schriftsteller Ernst Moritz Arndt war ethnografisch ausgelegt im Sinne seiner germanophilen Suche nach Geschichtsmythologie wie der Zusammengehörigkeit der »germanischen Völker«; Arndt galt seit 1918 als Identifikationsfigur für die völkische Rechte. Seine Arbeit wurde 1933 in Weimar gedruckt und Otto Höfler, W.s Studienkollege und lebenslanger Freund rezensierte sie in der Berliner NS-Zeitschrift »Nordische Welt« als äußerst wichtig. Höfler hatte ab 1934 ein Extraordinariat in Kiel inne und wurde zum ideologischen Ideengeber des »Ahnenerbe der SS« in dessen Rangstreitigkeiten mit dem »Amt Rosenberg«, das sich in den 1920er Jahren aus der »Mondmythologischen Wiener Schule« gebildet hatte. 1928 wurde W. Lektor und erhielt danach Lehraufträge für Schwedisch an der Universität Wien. Ab 1928 Suche nach »volkskundlichen Quellströmen« unter Einfluss von Rudolf Much und zunehmende Radikalisierung gegen Andersdenkende in scharfer politischer Polemik. Für Otto Höfler und W. »wurde das Auffinden germanischer Kontinuität zur Obsession«. Die »Wiener Much-Schule« wurde daher auch als »die Ritualisten« bzw. die »Männerbund-Schule« bezeichnet. Dazu zählten auch Eberhard Kranzmayer (1897-1975), Lily Weiser (1898-1987) u.a. 1932-1934 und ab 1937-1945 Mitglied der NSDAP; 1934-38 »zeitweilig Wiener Zeitungskorrespondent« in Skandinavien. Begründer und Vorstand der ebenfalls politisch tätigen Gesellschaft »Svea«. 1934 Habilitation für germanische Volkskunde über »Schwerttanz und Männerbund« bei Much, die aber wegen seiner politischen Tätigkeit erst 1936 angenommen wurde. Lehrtätigkeit ab 1937/38. Der so genannte »Anschluß« wurde für W. zum Karrierebeschleuniger; er wurde von 1938-45 Leiter der am 1938 begründeten »Lehr- und Forschungsstätte für germanisch-deutsche Volkskunde« zugehörig zur »Außenstelle Süd-Ost« des »Ahnenerbe des Reichsführers SS Heinrich Himmler« in Salzburg, die weltanschauliche Grundlagenforschung im Sinne der nationalsozialistischen Wissenschaft zu leisten hatte. W. widmete sich der »Erforschung des Jahreslaufbrauchtums, der volkslichen (!) Gemeinschaftsordnungen, sowie der rassischen und volkslichen (!) Bedingtheiten von Musik, Lied, Tanz, Hausformen, Gefäßformen und Sachgüter«, die Wiedereinführung der Perchtenbräuche und der Schwerttanz standen im Zentrum seiner Interessen. Die Außenstelle sollte der »katholischen Tradition bewußt die nationalsozialistische Wissenschaft entgegenstellen«, sie übernahm Teilbestände des von der SS aufgelösten und geplünderten Instituts für religiöse Volkskunde der Theologischen Fakultät. Das Inst. wurde im »Germanischen Wissenschaftseinsatz« eingesetzt. Als ständige, kurzfristige und freie Mitarbeiter fungierten u. a. F. →Prodinger, Luise Hess, K. →Adrian, T. →Reiser, K. →Brandauer und Romuald Pramberger. Ein weiterer Mitarbeiter, Hans Ernst Schneider, 1940-45 »Einsatzstab Niederlande«, machte ab 1945 Karriere als Universitätsprofessor für Germanistik u. a. in Salzburg und Universitätsrektor in Aachen unter dem Namen Hans Werner Schwerte. W.s Stelle stand in ständiger Konkurrenz zur »Arbeitsgemeinschaft für deutsche Volkskunde« des »Amtes Rosenberg« in Salzburg, dem Landesschulrat und Gauschulungsleiter K. →Springenschmid, H. Amanshauser als Leiter der Gauarbeitsgemeinschaft und K. Ruprecht (Hauptstellenleiter Volkskunde) sowie K. →Fiala (Rassenpolitik) angehörten. 1939 übernahm W. das Extraordinariat des neugegründeten Universitätsinst. für germanisch-deutsche Volkskunde in Wien. Bis 1944 hielt er volkskundliche Vorlesungen, darunter pro Semester eine für Lehramtskandidaten, die die Studierenden auf »die verpflichtende Gemeinschaft des Blutes und des Geistes, die wir Volk nennen« einschworen. Diese Vorlesungen, die er von 1948 bis 1969 weiterführen konnte, stellen neben dem Vereinswesen die Ursache für das breite Fortwirken der Ideologie W.s bis heute dar. Mit Kriegsausbruch wurde Wolfram in den »Sonderstab des Reichsführers SS« übernommen und im Zuge des »Hitler-Mussolini-Abkommens« entwarf W. aktiv Umsiedlungspläne und wurde ab 1940 Teil der »Kulturkommission« in Südtirol, mit Sitz in Bozen, als Leiter der Arbeitsgruppe »Brauchtum und Volkstanz«. 1941 und 1942 begann Wolfram mit eben solchen Aufnahmen in der deutschen Sprachinsel Gottschee/Slowenien, die kriegsbedingt eingestellt wurden. 1943 wurde W. »für die großgermanische Arbeit in den deutschen Randstaaten« nach Norwegen versetzt und der »Stabsabteilung der Waffen-SS beim Persönlichen Stab Reichsführer SS - Abteilung Germanischer Wissenschaftseinsatz« der Außenstelle Oslo zugeteilt. Anfang 1944 wurden die »Kundfahrten« abgebrochen und W. hielt im Elsass im Lager Sennheim Umerziehungs-Vorlesungen, die verschleppte norwegische Studierende motivieren sollten, sich zur SS »Legion Norwegen« zu melden; Kriegsverdienstkreuz 2. Klasse. | ||
− | In der Zeit seines Berufsverbotes nach 1945/46 führte W. seine »Brauchtumsaufnahmen im Lande Salzburg« in Zusammenarbeit mit dem Salzburger Landesschulrat durch und aktivierte sein altes Salzburger Netzwerk. Mitarbeit am Salzburg-Atlas Egon Lendls, der in der NS-Zeit begonnen worden war. 1948, noch mit Berufsverbot belegt, bereits 2. Vorstand des Salzburger Heimatwerks; 1951 offiziell entsandter Vertreter Salzburgs am Volkskundekongress in Jungenheim/D. 1951 korrespondierendes Mitglied im »International Folk Music Council«. 1953 Mitbegründer, 1958-81 (Arbeitsende) bzw. 1991 (Auflösung) Leiter der Gesellschaft für den Österr. Volkskundeatlas an der Österr. Akademie der Wissenschaften. 1954 venia legendi für Volkskunde, 1956 Titel, 1959 Amt des a. o. Prof. für Volkskunde, 1963-71 Ordinarius für Volkskunde an der Univ. Wien. Seine über 250 Publikationen blieben dem »Kanon der Volkskunde«, der Wiener Mythologischen Schule verhaftet; Sein zentraler Gedanke, die »germanische Kontinuität« aufzuspüren, blieb »ein jeglicher wissenschaftlicher Untersuchung vorgeschalteter Glaubenssatz«. Sein gesamtes Werk blieb stets der nationalen ahistorischen Reliktforschung verhaftet, basierend auf einem in sich geschlossenen Referenzsystem von theoretischen Vorannahmen. Es ist daher nur unter quellen- und zeitkritischer Bearbeitung im Kontext seiner Feldforschungen, Ton- und Bilddokumentationen zu verwenden. Sein 1951 ganz im Tonfall der Rassentheorie einer idealisierten Volksgemeinschaft veröffentlichtes Volkstanzbuch wird bis heute von einem großen Leserkreis rezipiert. Auf dem Gebiet des Volkstanzes, in Kreisen der Erwachsenenbildung und Brauchtumspflege erlangte W. europaweites Ansehen, was nicht unproblematisch ist und postfaktisch weiterwirkt. Ab den 1950er Jahren, besonders 1958, kam W. mit dem für Südtirolfragen zuständigen Staatssekretär und über diesen mit dem zuständigen Tiroler Landesrat in Kontakt; er erhielt Förderungen für weitere Aufzeichnungen über Südtiroler Brauchtum; tatsächlich erschien erst 1986 sein Buch über die Volksschauspiele Südtirols. W. wurde mit zahlreichen Auszeichnungen Schwedens, der Republik Österreich und der österr. Bundesländer und Vereinigungen bedacht. Ab 1981 betrieb er die Schenkung seines wissenschaftlichen Nachlasses und seiner Fachbibliothek an das Land Salzburg (Legat auf den Todesfall 1986, Übergabe 1996/97), was 1983 zur Gründung des Salzburger Landesinstituts für →Volkskunde führte. | + | In der Zeit seines Berufsverbotes nach 1945/46 führte W. seine »Brauchtumsaufnahmen im Lande Salzburg« in Zusammenarbeit mit dem Salzburger Landesschulrat durch und aktivierte sein altes Salzburger Netzwerk. Mitarbeit am Salzburg-Atlas Egon Lendls, der in der NS-Zeit begonnen worden war. 1948, noch mit Berufsverbot belegt, bereits 2. Vorstand des Salzburger Heimatwerks; 1951 offiziell entsandter Vertreter Salzburgs am Volkskundekongress in Jungenheim/D. 1951 korrespondierendes Mitglied im »International Folk Music Council«. 1953 Mitbegründer, 1958-81 (Arbeitsende) bzw. 1991 (Auflösung) Leiter der Gesellschaft für den Österr. Volkskundeatlas an der Österr. Akademie der Wissenschaften. 1954 venia legendi für Volkskunde, 1956 Titel, 1959 Amt des a. o. Prof. für Volkskunde, 1963-71 Ordinarius für Volkskunde an der Univ. Wien. Seine über 250 Publikationen blieben dem »Kanon der Volkskunde«, der Wiener Mythologischen Schule verhaftet; Sein zentraler Gedanke, die »germanische Kontinuität« aufzuspüren, blieb »ein jeglicher wissenschaftlicher Untersuchung vorgeschalteter Glaubenssatz«. Sein gesamtes Werk blieb stets der nationalen ahistorischen Reliktforschung verhaftet, basierend auf einem in sich geschlossenen Referenzsystem von theoretischen Vorannahmen. Es ist daher nur unter quellen- und zeitkritischer Bearbeitung im Kontext seiner Feldforschungen, Ton- und Bilddokumentationen zu verwenden. Abschottung gegen alle Änderungen und Innovationen im Fach. Sein 1951 ganz im Tonfall der Rassentheorie einer idealisierten Volksgemeinschaft veröffentlichtes Volkstanzbuch wird bis heute von einem großen Leserkreis rezipiert. Auf dem Gebiet des Volkstanzes, in Kreisen der Erwachsenenbildung und Brauchtumspflege erlangte W. europaweites Ansehen, was nicht unproblematisch ist und postfaktisch weiterwirkt. Ab den 1950er Jahren, besonders 1958, kam W. mit dem für Südtirolfragen zuständigen Staatssekretär und über diesen mit dem zuständigen Tiroler Landesrat in Kontakt; er erhielt Förderungen für weitere Aufzeichnungen über Südtiroler Brauchtum; tatsächlich erschien erst 1986 sein Buch über die Volksschauspiele Südtirols. 1968 korrespondierendes, 1971 wirkliches Mitglied der Österr. Akademie der Wissenschaften. W. wurde mit zahlreichen Auszeichnungen Schwedens, der Republik Österreich (u.a. Österr. Ehrenkreuz erster Klasse für Wissenschaft und Kunst) und der österr. Bundesländer und Vereinigungen bedacht. Ab 1981 betrieb er die Schenkung seines wissenschaftlichen Nachlasses und seiner Fachbibliothek an das Land Salzburg (Legat auf den Todesfall 1986, Übergabe 1996/97), was 1983 zur Gründung des Salzburger Landesinstituts für →Volkskunde führte. |
Version vom 7. August 2018, 18:01 Uhr
Wolfram, Richard, * Wien 16. 9. 1901, † Traismauer/NÖ. 30. 5. 1995, Volkskundler.
Richard Angelus Albert W. entstammte einer bildungsbürgerlich protestantisch-großdeutsch orientierten Familie. Seine Kindheit beschrieb er als Idylle, geprägt durch die Germanen-Verklärung im nationalen elterlichen Milieu. Dazu kamen Einflüsse von seinem Südtiroler Onkel, dem Volksliedforscher Franz Friedrich Kohl (1851-1924) sowie seine Mitgliedschaft im »Wandervogel«, die ihn in Kontakt mit Brauch und Volkstanz brachte. Ab 1920 Studium der Germanistik und Neu-Skandinavistik an der Universität Wien, die bereits stark antisemitisch geprägt war; das »erwies sich als idealer Nährboden um seine deutschnationalen Prägungen weiter in das Korsett einer 'völkischen' Wissenschaft zu zwängen«. Gerade die Germanistik erhob den Anspruch »Kerndisziplin in der Kultur- und Sinnvermittlung« zu sein, in einem Verständnis von Philologie als »Zusammenschau von Sprachentwicklung, Literatur und Volkskunde [als] eine 'Wissenschaft vom Deutschen'« (Höck). 1924/25 Studienaufenthalt in Kiel und zahlreiche Skandinavienreisen u.a. für seine Dissertation. Auch seine Dissertation (1926) über den politischen Schriftsteller Ernst Moritz Arndt war ethnografisch ausgelegt im Sinne seiner germanophilen Suche nach Geschichtsmythologie wie der Zusammengehörigkeit der »germanischen Völker«; Arndt galt seit 1918 als Identifikationsfigur für die völkische Rechte. Seine Arbeit wurde 1933 in Weimar gedruckt und Otto Höfler, W.s Studienkollege und lebenslanger Freund rezensierte sie in der Berliner NS-Zeitschrift »Nordische Welt« als äußerst wichtig. Höfler hatte ab 1934 ein Extraordinariat in Kiel inne und wurde zum ideologischen Ideengeber des »Ahnenerbe der SS« in dessen Rangstreitigkeiten mit dem »Amt Rosenberg«, das sich in den 1920er Jahren aus der »Mondmythologischen Wiener Schule« gebildet hatte. 1928 wurde W. Lektor und erhielt danach Lehraufträge für Schwedisch an der Universität Wien. Ab 1928 Suche nach »volkskundlichen Quellströmen« unter Einfluss von Rudolf Much und zunehmende Radikalisierung gegen Andersdenkende in scharfer politischer Polemik. Für Otto Höfler und W. »wurde das Auffinden germanischer Kontinuität zur Obsession«. Die »Wiener Much-Schule« wurde daher auch als »die Ritualisten« bzw. die »Männerbund-Schule« bezeichnet. Dazu zählten auch Eberhard Kranzmayer (1897-1975), Lily Weiser (1898-1987) u.a. 1932-1934 und ab 1937-1945 Mitglied der NSDAP; 1934-38 »zeitweilig Wiener Zeitungskorrespondent« in Skandinavien. Begründer und Vorstand der ebenfalls politisch tätigen Gesellschaft »Svea«. 1934 Habilitation für germanische Volkskunde über »Schwerttanz und Männerbund« bei Much, die aber wegen seiner politischen Tätigkeit erst 1936 angenommen wurde. Lehrtätigkeit ab 1937/38. Der so genannte »Anschluß« wurde für W. zum Karrierebeschleuniger; er wurde von 1938-45 Leiter der am 1938 begründeten »Lehr- und Forschungsstätte für germanisch-deutsche Volkskunde« zugehörig zur »Außenstelle Süd-Ost« des »Ahnenerbe des Reichsführers SS Heinrich Himmler« in Salzburg, die weltanschauliche Grundlagenforschung im Sinne der nationalsozialistischen Wissenschaft zu leisten hatte. W. widmete sich der »Erforschung des Jahreslaufbrauchtums, der volkslichen (!) Gemeinschaftsordnungen, sowie der rassischen und volkslichen (!) Bedingtheiten von Musik, Lied, Tanz, Hausformen, Gefäßformen und Sachgüter«, die Wiedereinführung der Perchtenbräuche und der Schwerttanz standen im Zentrum seiner Interessen. Die Außenstelle sollte der »katholischen Tradition bewußt die nationalsozialistische Wissenschaft entgegenstellen«, sie übernahm Teilbestände des von der SS aufgelösten und geplünderten Instituts für religiöse Volkskunde der Theologischen Fakultät. Das Inst. wurde im »Germanischen Wissenschaftseinsatz« eingesetzt. Als ständige, kurzfristige und freie Mitarbeiter fungierten u. a. F. →Prodinger, Luise Hess, K. →Adrian, T. →Reiser, K. →Brandauer und Romuald Pramberger. Ein weiterer Mitarbeiter, Hans Ernst Schneider, 1940-45 »Einsatzstab Niederlande«, machte ab 1945 Karriere als Universitätsprofessor für Germanistik u. a. in Salzburg und Universitätsrektor in Aachen unter dem Namen Hans Werner Schwerte. W.s Stelle stand in ständiger Konkurrenz zur »Arbeitsgemeinschaft für deutsche Volkskunde« des »Amtes Rosenberg« in Salzburg, dem Landesschulrat und Gauschulungsleiter K. →Springenschmid, H. Amanshauser als Leiter der Gauarbeitsgemeinschaft und K. Ruprecht (Hauptstellenleiter Volkskunde) sowie K. →Fiala (Rassenpolitik) angehörten. 1939 übernahm W. das Extraordinariat des neugegründeten Universitätsinst. für germanisch-deutsche Volkskunde in Wien. Bis 1944 hielt er volkskundliche Vorlesungen, darunter pro Semester eine für Lehramtskandidaten, die die Studierenden auf »die verpflichtende Gemeinschaft des Blutes und des Geistes, die wir Volk nennen« einschworen. Diese Vorlesungen, die er von 1948 bis 1969 weiterführen konnte, stellen neben dem Vereinswesen die Ursache für das breite Fortwirken der Ideologie W.s bis heute dar. Mit Kriegsausbruch wurde Wolfram in den »Sonderstab des Reichsführers SS« übernommen und im Zuge des »Hitler-Mussolini-Abkommens« entwarf W. aktiv Umsiedlungspläne und wurde ab 1940 Teil der »Kulturkommission« in Südtirol, mit Sitz in Bozen, als Leiter der Arbeitsgruppe »Brauchtum und Volkstanz«. 1941 und 1942 begann Wolfram mit eben solchen Aufnahmen in der deutschen Sprachinsel Gottschee/Slowenien, die kriegsbedingt eingestellt wurden. 1943 wurde W. »für die großgermanische Arbeit in den deutschen Randstaaten« nach Norwegen versetzt und der »Stabsabteilung der Waffen-SS beim Persönlichen Stab Reichsführer SS - Abteilung Germanischer Wissenschaftseinsatz« der Außenstelle Oslo zugeteilt. Anfang 1944 wurden die »Kundfahrten« abgebrochen und W. hielt im Elsass im Lager Sennheim Umerziehungs-Vorlesungen, die verschleppte norwegische Studierende motivieren sollten, sich zur SS »Legion Norwegen« zu melden; Kriegsverdienstkreuz 2. Klasse. In der Zeit seines Berufsverbotes nach 1945/46 führte W. seine »Brauchtumsaufnahmen im Lande Salzburg« in Zusammenarbeit mit dem Salzburger Landesschulrat durch und aktivierte sein altes Salzburger Netzwerk. Mitarbeit am Salzburg-Atlas Egon Lendls, der in der NS-Zeit begonnen worden war. 1948, noch mit Berufsverbot belegt, bereits 2. Vorstand des Salzburger Heimatwerks; 1951 offiziell entsandter Vertreter Salzburgs am Volkskundekongress in Jungenheim/D. 1951 korrespondierendes Mitglied im »International Folk Music Council«. 1953 Mitbegründer, 1958-81 (Arbeitsende) bzw. 1991 (Auflösung) Leiter der Gesellschaft für den Österr. Volkskundeatlas an der Österr. Akademie der Wissenschaften. 1954 venia legendi für Volkskunde, 1956 Titel, 1959 Amt des a. o. Prof. für Volkskunde, 1963-71 Ordinarius für Volkskunde an der Univ. Wien. Seine über 250 Publikationen blieben dem »Kanon der Volkskunde«, der Wiener Mythologischen Schule verhaftet; Sein zentraler Gedanke, die »germanische Kontinuität« aufzuspüren, blieb »ein jeglicher wissenschaftlicher Untersuchung vorgeschalteter Glaubenssatz«. Sein gesamtes Werk blieb stets der nationalen ahistorischen Reliktforschung verhaftet, basierend auf einem in sich geschlossenen Referenzsystem von theoretischen Vorannahmen. Es ist daher nur unter quellen- und zeitkritischer Bearbeitung im Kontext seiner Feldforschungen, Ton- und Bilddokumentationen zu verwenden. Abschottung gegen alle Änderungen und Innovationen im Fach. Sein 1951 ganz im Tonfall der Rassentheorie einer idealisierten Volksgemeinschaft veröffentlichtes Volkstanzbuch wird bis heute von einem großen Leserkreis rezipiert. Auf dem Gebiet des Volkstanzes, in Kreisen der Erwachsenenbildung und Brauchtumspflege erlangte W. europaweites Ansehen, was nicht unproblematisch ist und postfaktisch weiterwirkt. Ab den 1950er Jahren, besonders 1958, kam W. mit dem für Südtirolfragen zuständigen Staatssekretär und über diesen mit dem zuständigen Tiroler Landesrat in Kontakt; er erhielt Förderungen für weitere Aufzeichnungen über Südtiroler Brauchtum; tatsächlich erschien erst 1986 sein Buch über die Volksschauspiele Südtirols. 1968 korrespondierendes, 1971 wirkliches Mitglied der Österr. Akademie der Wissenschaften. W. wurde mit zahlreichen Auszeichnungen Schwedens, der Republik Österreich (u.a. Österr. Ehrenkreuz erster Klasse für Wissenschaft und Kunst) und der österr. Bundesländer und Vereinigungen bedacht. Ab 1981 betrieb er die Schenkung seines wissenschaftlichen Nachlasses und seiner Fachbibliothek an das Land Salzburg (Legat auf den Todesfall 1986, Übergabe 1996/97), was 1983 zur Gründung des Salzburger Landesinstituts für →Volkskunde führte.
Literatur:
- A. W. Höck: Richard Wolfram (1901–1995). „Wir haben einen Stern, dem wir gefolgt sind“. In: K. Hruza (Hg.): Österreichische Historiker. Band 1945 ff. Veröff. der ÖAW, Wien erscheint Dez. 2018.
- A. W. Höck: „Der Volkskundler Richard Wolfram und der lange Schatten der deutsch-völkischen Mythenwelt". In: W. Froihofer (Hg.): Volkstanz zwischen den Zeiten. Zur Kulturgeschichte des Volkstanzes in Österreich und Südtirol. o.O. o.J. (Weitra 2012), 227-239. (Kurztext im Buch, Langtext auf beiliegender DVD).
- O. Bockhorn: Die Angelegenheit Dr. Wolfram, Wien. Zur Besetzung der Professur für germanisch-deutsche Volkskunde an der Universität Wien. In: M. G. Ash u.a. (Hg): Geisteswissenschaften im Nationalsozialismus. Das Beispiel der Universität Wien. Göttingen 2010, 199–224.
- Ders.: Der Kampf um die „Ostmark“. Ein Beitrag zur Geschichte der nationalsozialistischen Volkskunde in Österreich. In: G. Heiss u.a. (Hg.): Willfährige Wissenschaft. Die Universität Wien 1938 bis 1945. (= Österr. Texte zur Gesellschaftskritik 43), Wien 1989, 17–38.
- E. Wallnöfer: Die wissenschaftliche Legitimierung des Volkstanzes: Richard Wolfram. In: Wie Anm. 7, Froihofer 2012, 654–671. –
- Konrad Köstlin: Richard Wolfram 1901–1995. (= ÖZV 98), 480–483.
- W. Haas (Hg.): Volkskunde und Brauchtumspflege im Nationalsozialismus in Salzburg (=SBzVK 8). Salzburg 1996.
- W. Jacobeit, H. Lixfeld, O. Bockhorn (Hg.): Völkische Wissenschaft. Gestalten und Tendenzen der deutschen und österreichischen Volkskunde in der ersten Hälfte des 20. Jh., Wien 1994.
U.K.