Prozessionen: Unterschied zwischen den Versionen

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'''Prozessionen'''.
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Prozessionen. Das Prozessionswesen der katholischen Kirche übernahm bereits in den ersten Jahrhunderten n. Chr. Formen antiker Herrscher- und Gottesgeleite sowie Triumphzüge. Die Umtragung der Heiltümer durch das Gemeinwesen bzw. als Verstärkung, die Umgürtung des Gemeinwesens durch den Segen mit dem Heiltum standen im Mittelpunkt. Von den Reliquientranslationen ausgehend (Höhepunkt im frühen Mittelalter) entwickelten sich festliche Umzüge für die großen Kirchenfeste, die vielfach seit dem 4. Jahrhundert belegt sind.
  
Das Prozessionswesen der katholischen Kirche übernahm bereits in den ersten Jh.en  n. Chr. Formen antiker Herrscher- und Gottesgeleite sowie Triumphzüge. Die Umtragung der Heiltümer durch das Gemeinwesen bzw. als Verstärkung, die Umgürtung des Gemeinwesens durch den Segen mit dem Heiltum standen im Mittelpunkt. Von den Reliquientranslationen ausgehend (Höhepunkt im frühen Mittelalter) entwickelten sich festliche Umzüge für die großen Kirchenfeste, die vielfach seit dem 4. Jh. belegt sind. Dazu kamen die mittelalterlichen Benediktionen, unter denen speziell die Flursegnungen Formen des Umzugs und die Krankensegnungen Rituale des öffentlichen Geleits für das Altarsakrament hervorbrachten. Mit der Fronleichnamsprozession (Transsubstantiationsfest 1264, Prozession 1311) erfuhr das Prozessionswesen eine erneute Steigerung. Während die Fronleichnamsprozession im ländlichen Raum den Grünprang der Bitt- und Flurumgänge erweiterte, erfuhr diese im städtischen Milieu unter Anleitung speziell der Jesuiten und Kapuziner reiche Ausgestaltung in Kombination mittelalterlicher Spiel- und Darstellungsformen mit spanischen Sakramentsgeleiten. Dazu kam die zeitspezifische Darstellung der ständischen Hierarchie (Reihung der Zünfte), die Prozessionsordnungen zu einem Spiegel der jeweiligen lokalen Gesellschaft macht. Bekenntnischarakter und sieghafte Glaubensdemonstration prägten die Fronleichnamsprozession besonders in der Gegenreformation bis zum 18. Jh. (Dagegen wird seit den 1970er-Jahren die Bedeutung als freudiges Gemeindefest betont.) Neben zünftischen Bruderschaften präsentierten sich die vielfach in jener Zeit neu gegründeten Standes- und Titelbruderschaften in Prozessionsmänteln, mit Fahnen, tragbaren Statuen (Fercula), Schaubühnen, Figurationen, Spielszenen, Bruderschaftsstangen (mit Aufsatzfiguren oder als Leuchter) und Vortragkreuzen. Wechselseitig beeinflussten sich Fronleichnamsprozession, Karwochenprozessionen, Bittprozessionen im Frühsommer und Prangtage im Sommer. Aus Bruderschaftsrechnungen sind die Gestaltungsformen und Ordnungen der Salzburger Fronleichnamsprozession und der Karwochenprozessionen erhalten. Bestens dokumentiert ist die feierliche Reliquienprozession am 24.9.1628, zur Domweihe und Übertragung der Rupertusreliquien vom Stift St. Peter in den Salzburger Dom. Ein Stich der Salzburger Domprozession von 1683 von C. →Lederwasch aus dem 17. Jh. (im →SMCA) zeigt die gesamte Salzburger Bürgerschaft in Prozessionsmänteln mit ihren Ausstattungen. Die Reformen Kaiser Josefs II. »In publico ecclesiasticis« und die damit in enger Verbindung stehenden Salzburger Reformen durch Eb. →Hieronymus Colloredo zwischen 1782 und 1784 verboten aus religiösem wie sozioökonomischem Reformwillen viele kosten- und zeitaufwendige Ausformungen dieser Prozessionen, ihre Termine und Anlässe (u. a. Reduktion der Feiertage, Wallfahrten zu entfernten Zielen, Verbot der Spiele, Bühnen, bekleideten Tragfiguren, Vortragstangen; Einschränkung der Fackeln, Kerzen, des Blumenaufwandes, etc.). Wenige Schaustücke überlebten die Vernichtung bzw. Einziehung und wurden vielfach in unserem Jahrhundert wiederentdeckt (z. B. Halleiner Palmesel in Puch; Lungauer Samson).
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Dazu kamen die mittelalterlichen Benediktionen, unter denen v.a. die Flursegnungen Formen des Umzugs und die Krankensegnungen Rituale des öffentlichen Geleits für das Altarsakrament hervorbrachten. Mit der Fronleichnamsprozession (Transsubstantiationsfest 1264, Prozession 1311) erfuhr das Prozessionswesen eine erneute Steigerung. Während die Fronleichnamsprozession im ländlichen Raum den Grünprang der Bitt- und Flurumgänge erweiterte, erfuhr diese im städtischen Milieu unter Anleitung speziell der Jesuiten und Kapuziner reiche Ausgestaltung in Kombination von mittelalterlichen Spiel- und Darstellungsformen mit spanischen Sakramentsgeleiten. Dazu kam die zeitspezifische Darstellung der ständischen Hierarchie (Reihung der Zünfte), die Prozessionsordnungen zu einem Spiegel der jeweiligen lokalen Gesellschaft macht. Bekenntnischarakter und sieghafte Glaubensdemonstration prägten die Fronleichnamsprozession v.a. in der Gegenreformation bis zum 18. Jahrhundert (dagegen wird seit den 1970er-Jahren die Bedeutung als freudiges Gemeindefest betont).
  
Im 19. Jh. erlebte das Prozessionswesen unter kirchlicher Leitung eine vereinfachende Beschränkung auf die Gebetsinhalte, die hierarchische Gliederung nach Berufsständen entfiel großteils zugunsten der natürlichen Stände (Frauen, Männer - Ledige und Verheiratete –, Kinder). In ländlichen Regionen wurde vereinzelt auf Relikte barocken Prozessionsprunks zurückgegriffen. Dabei stellen heute als volkstümlich angesehene Ausstattungsformen oft die Spielarten barocker Prozessionsbräuche einfacher Bevölkerungsschichten dar (u. a. Prangerschützen, Tragstatuen, →Prangstangen, →Himmelbrotschutzen). Im Zuge der Braucherneuerungen leben seit der Jahrhundertwende 1900 einzelne Spielformen der Prozessionen, vielfach mißgedeutet, wieder auf (u. a. Lungauer →Samsonumzug, Jakobischützen am Thurn, →Flurumritte). Seit den 1970er Jahren nehmen Fußwallfahrten (in die Umgebung wie zu internationalen Heiligtümern, mit und ohne geistliche Begleitung, zu.  
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Neben zünftischen Bruderschaften präsentierten sich die vielfach in jener Zeit neu gegründeten Standes- und Titelbruderschaften in Prozessionsmänteln, mit Fahnen, tragbaren Statuen (Fercula), Schaubühnen, Figurationen, Spielszenen, Bruderschaftsstangen (mit Aufsatzfiguren oder als Leuchter) und Vortragkreuzen. Wechselseitig beeinflussten sich Fronleichnamsprozession, Karwochenprozession, Bittprozession im Frühsommer und Prangtage im Sommer. Aus Bruderschaftsrechnungen sind die Gestaltungsformen und Ordnungen der Salzburger Fronleichnamsprozessionen und der Karwochenprozessionen erhalten. Bestens dokumentiert ist die feierliche Reliquienprozession am 24. September 1628, zur Domweihe und Übertragung der Rupertusreliquien vom Stift [[St. Peter]] in den Salzburger [[Dom]].
  
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Ein Stich der Salzburger Domprozession von 1683 von [[Lederwasch|Christoph Lederwasch]] aus dem 17. Jahrhundert (im [[Salzburg Museum]]) zeigt die gesamte Salzburger Bürgerschaft in Prozessionsmänteln mit ihren Ausstattungen. Die Reformen Kaiser Josefs II. „In publico ecclesiasticis“ und die damit in enger Verbindung stehenden Salzburger Reformen durch Erzbischof [[Hieronymus Graf Colloredo|Hieronymus Graf Colloredo]] zwischen 1782 und 1784 verboten aus religiösem wie sozioökonomischem Reformwillen viele kosten- und zeitaufwendige Ausformungen dieser Prozessionen, ihre Termine und Anlässe (u.a. Reduktion der Feiertage, Wallfahrten zu entfernten Zielen, Verbot der Spiele, Bühnen, bekleideten Tragfiguren, Vortragstangen, Einschränkung der Fackeln, Kerzen, des Blumenaufwandes etc.). Wenige Schaustücke überlebten die Vernichtung bzw. Einziehung und wurden vielfach später wiederentdeckt (z.B. Halleiner Palmesel in Puch, Lungauer Samson).
  
* U. Kammerhofer-Aggermann: Die Entwicklung der Fronleichnamsprozession. In: L. Luidold, Dies.(Hg.): Bräuche im Salzburger Land, CD-ROM 2. (= SBzVK 14) Salzburg 2003, 26 Sn.
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Im 19. Jahrhundert erlebte das Prozessionswesen unter kirchlicher Leitung eine vereinfachende Beschränkung auf die Gebetsinhalte, die hierarchische Gliederung nach Berufsständen entfiel großteils zugunsten der natürlichen Stände (Frauen, Männer – Ledige und Verheiratete –, Kinder). In ländlichen Regionen wurde vereinzelt auf Relikte barocken Prozessionsprunks zurückgegriffen. Dabei stellen heute als volkstümlich angesehene Ausstattungsformen oft die Spielarten barocker Prozessionsbräuche einzelner Bevölkerungsschichten dar (u.a. Prangerschützen, Tragstatuen, [[Prangstangen]], [[Himmelbrotschutzen]]).
* F. Zaisberger, U. Engelsberger (Hg.): Einzüge der Fürsterzbischöfe vom 16. bis 19. Jahrhundert. Katalog. (= Schriftenreihe d. SLA 11) Salzburg 1995.
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* H. Finkenstaedt (u. a.): Prozessionsstangen. Ein Kat. (=Veröffentlichungen zur Volkskunde und Kulturgeschichte, Bd. 36), Würzburg 1989.
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Im Zuge der Braucherneuerungen leben seit der Wende zum 20. Jahrhundert einzelne Spielformen der Prozession, vielfach missgedeutet, wieder auf (u.a. Lungauer [[Samsonumzug]], Jakobischützen am Thurn, [[Flurumritt|Flurumritte]]). Seit den 1970er-Jahren nehmen Fußwallfahrten (in die Umgebung wie zu internationalen Heiligtümern, mit und ohne geistliche Begleitung) zu.
* Wallfahrt kennt keine Grenzen. Bayerisches Nationalmuseum, München (1984).
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* U. Kammerhofer-Aggermann: Die Entwicklung der Fronleichnamsprozession. In: L. Luidold u.a.(Hg.): Bräuche im Salzburger Land, CD-ROM 2. Salzburg 2003.
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* F. Zaisberger, U. Engelsberger (Hg.): Einzüge der Fürsterzbischöfe vom 16. bis 19. Jahrhundert. Salzburg 1995.
  
 
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Aktuelle Version vom 26. Mai 2021, 14:55 Uhr

Prozessionen. Das Prozessionswesen der katholischen Kirche übernahm bereits in den ersten Jahrhunderten n. Chr. Formen antiker Herrscher- und Gottesgeleite sowie Triumphzüge. Die Umtragung der Heiltümer durch das Gemeinwesen bzw. als Verstärkung, die Umgürtung des Gemeinwesens durch den Segen mit dem Heiltum standen im Mittelpunkt. Von den Reliquientranslationen ausgehend (Höhepunkt im frühen Mittelalter) entwickelten sich festliche Umzüge für die großen Kirchenfeste, die vielfach seit dem 4. Jahrhundert belegt sind.

Dazu kamen die mittelalterlichen Benediktionen, unter denen v.a. die Flursegnungen Formen des Umzugs und die Krankensegnungen Rituale des öffentlichen Geleits für das Altarsakrament hervorbrachten. Mit der Fronleichnamsprozession (Transsubstantiationsfest 1264, Prozession 1311) erfuhr das Prozessionswesen eine erneute Steigerung. Während die Fronleichnamsprozession im ländlichen Raum den Grünprang der Bitt- und Flurumgänge erweiterte, erfuhr diese im städtischen Milieu unter Anleitung speziell der Jesuiten und Kapuziner reiche Ausgestaltung in Kombination von mittelalterlichen Spiel- und Darstellungsformen mit spanischen Sakramentsgeleiten. Dazu kam die zeitspezifische Darstellung der ständischen Hierarchie (Reihung der Zünfte), die Prozessionsordnungen zu einem Spiegel der jeweiligen lokalen Gesellschaft macht. Bekenntnischarakter und sieghafte Glaubensdemonstration prägten die Fronleichnamsprozession v.a. in der Gegenreformation bis zum 18. Jahrhundert (dagegen wird seit den 1970er-Jahren die Bedeutung als freudiges Gemeindefest betont).

Neben zünftischen Bruderschaften präsentierten sich die vielfach in jener Zeit neu gegründeten Standes- und Titelbruderschaften in Prozessionsmänteln, mit Fahnen, tragbaren Statuen (Fercula), Schaubühnen, Figurationen, Spielszenen, Bruderschaftsstangen (mit Aufsatzfiguren oder als Leuchter) und Vortragkreuzen. Wechselseitig beeinflussten sich Fronleichnamsprozession, Karwochenprozession, Bittprozession im Frühsommer und Prangtage im Sommer. Aus Bruderschaftsrechnungen sind die Gestaltungsformen und Ordnungen der Salzburger Fronleichnamsprozessionen und der Karwochenprozessionen erhalten. Bestens dokumentiert ist die feierliche Reliquienprozession am 24. September 1628, zur Domweihe und Übertragung der Rupertusreliquien vom Stift St. Peter in den Salzburger Dom.

Ein Stich der Salzburger Domprozession von 1683 von Christoph Lederwasch aus dem 17. Jahrhundert (im Salzburg Museum) zeigt die gesamte Salzburger Bürgerschaft in Prozessionsmänteln mit ihren Ausstattungen. Die Reformen Kaiser Josefs II. „In publico ecclesiasticis“ und die damit in enger Verbindung stehenden Salzburger Reformen durch Erzbischof Hieronymus Graf Colloredo zwischen 1782 und 1784 verboten aus religiösem wie sozioökonomischem Reformwillen viele kosten- und zeitaufwendige Ausformungen dieser Prozessionen, ihre Termine und Anlässe (u.a. Reduktion der Feiertage, Wallfahrten zu entfernten Zielen, Verbot der Spiele, Bühnen, bekleideten Tragfiguren, Vortragstangen, Einschränkung der Fackeln, Kerzen, des Blumenaufwandes etc.). Wenige Schaustücke überlebten die Vernichtung bzw. Einziehung und wurden vielfach später wiederentdeckt (z.B. Halleiner Palmesel in Puch, Lungauer Samson).

Im 19. Jahrhundert erlebte das Prozessionswesen unter kirchlicher Leitung eine vereinfachende Beschränkung auf die Gebetsinhalte, die hierarchische Gliederung nach Berufsständen entfiel großteils zugunsten der natürlichen Stände (Frauen, Männer – Ledige und Verheiratete –, Kinder). In ländlichen Regionen wurde vereinzelt auf Relikte barocken Prozessionsprunks zurückgegriffen. Dabei stellen heute als volkstümlich angesehene Ausstattungsformen oft die Spielarten barocker Prozessionsbräuche einzelner Bevölkerungsschichten dar (u.a. Prangerschützen, Tragstatuen, Prangstangen, Himmelbrotschutzen).

Im Zuge der Braucherneuerungen leben seit der Wende zum 20. Jahrhundert einzelne Spielformen der Prozession, vielfach missgedeutet, wieder auf (u.a. Lungauer Samsonumzug, Jakobischützen am Thurn, Flurumritte). Seit den 1970er-Jahren nehmen Fußwallfahrten (in die Umgebung wie zu internationalen Heiligtümern, mit und ohne geistliche Begleitung) zu.

Lit.:

  • U. Kammerhofer-Aggermann: Die Entwicklung der Fronleichnamsprozession. In: L. Luidold u.a.(Hg.): Bräuche im Salzburger Land, CD-ROM 2. Salzburg 2003.
  • F. Zaisberger, U. Engelsberger (Hg.): Einzüge der Fürsterzbischöfe vom 16. bis 19. Jahrhundert. Salzburg 1995.

U.K.