Thomas Bernhard: Unterschied zwischen den Versionen

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'''Bernhard, Thomas''', * Heerlen bei Maastricht (Holland) 9. 2. 1931, † Gmunden 12. 2. 1989. Schriftsteller.
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Thomas '''Bernhard''', * 9. Februar 1931 in Heerlen bei Maastricht, Niederlande, † 12. Februar 1989 in Gmunden; Schriftsteller.  
  
Seine Mutter ist die Tochter des Schriftstellers J. →Freumbichler, der Vater Alois Zuckerstätter, ein Bauernsohn aus Henndorf († 1943 in Frankfurt/ Oder). Seine Kindheit verlebte B. bei seinen Großeltern in Wien und ab 1937 in Seekirchen am Wallersee. Mit dem Großvater war er auch Gast bei C. →Zuckmayer in der »Wiesmühl« in Henndorf. 1943-44 lebte B. in einem Internat in Salzburg, 1945-46 im Johanneum in der Schrannengasse. Im ersten Band seiner Jugendautobiographie »Die Ursache. Eine Andeutung« (1975) stellte B. die Erlebnisse im nationalsozialistischen wie im kath. Schülerheim künstlerisch dar. Das Humanistische Gymnasium verließ er 1947, um bei einem Lebensmittelhändler in Lehen eine Kaufmannslehre zu beginnen (vgl. »Der Keller. Eine Entziehung«, 1976). Im feuchten Keller des Geschäfts holte er sich eine Rippenfellentzündung, 1949 eine Lungenentzündung und erhielt die »Letzte Ölung«. Zur gleichen Zeit starb sein Großvater (11. 2. 1949). Ergreifend beschreibt B. diese Grenzsituation in »Der Atem. Eine Entscheidung« (1977). Der Großvater war die formende Persönlichkeit seiner Jugend gewesen. Er hatte auf langen Spaziergängen die musische Entwicklung des Enkels gefördert und war ihm zum Künstler- Vorbild geworden. 1950 starb seine Mutter. »In der Lungenheilstätte Grafenhof (1950-51) begann ich, immer den Tod vor Augen, zu schreiben. Daran wurde ich vielleicht wieder hergestellt« (Lebenslauf 1954). Die weiteren Bände seiner Jugendautobiographie sind »Die Kälte. Eine Isolation« (1981), als Schilderung des Aufenthaltes in Grafenhof, und »Ein Kind« (1982), als Erzählung seiner frühesten Kindheit. B.s längst vergessene literarische Erstlinge sind in Salzburger Zeitungen erschienen: »Das rote Licht« im SV v. 19. 6. 1950 (Pseud.: Thomas Fabian) und »Vor eines Dichters Grab« im SV v. 12. 7. 1950 (Pseud.: Niklas van Heerlen). Ab 1952 veröffentlichte B. unter seinem bürgerlichen Namen, so z. B. mehrere Lyrikbände im Otto Müller Verlag. 1952 begann er ein Gesang- und Schauspiel-Studium am →Mozarteum, das er 1957 mit einer (verschollenen) Arbeit über Artaud und →Brecht abschloß. Neben dem Studium schrieb er Gerichtsreportagen und andere Beiträge für das sozialistische »Demokratische Volksblatt« in Salzburg. Seit 1957 lebte B. als freier Schriftsteller, seit 1965 wohnte er auf einem Bauernhof in Ohlsdorf (OÖ.). Daß vor allem »Die Ursache« sowohl Liebe für Salzburg als auch Hass gegen Salzburg enthält, hat die Kritik bald erkannt. B. empfindet vor allem die Unvereinbarkeit von höchster architektonischer Schönheit und enger Kleinbürgermentalität. Salzburg ist ihm ein »Todesmuseum «, das die Entwicklung junger Menschen behindert: »Meine Heimatstadt ist in Wirklichkeit eine Todeskrankheit.« Diese Salzburg-Beschimpfung hat zwei Seiten: die Betroffenheit der Salzburger über B.s Behauptungen und die Bewunderung dieser Bücher durch Nicht-Salzburger. Ernst Wendt trifft den Kern, wenn er meint, dass sich hinter der »grausamen, nichts verschonenden Vergangenheitsbewältigung, dem wütenden verletzten Autor womöglich unbewusst, auch eine Liebeserklärung verberge«. Und weiter: »Ich wüßte nicht, wo in der dt. Literatur das Angstklima der Bombennächte so nachdrücklich und wahrhaftig beschrieben worden wäre« wie hier (»Die Zeit« v. 29. 8. 1975). Diese Bücher stellen B. in die Reihe großer Salzburg Kritiker, zu denen auch W. A. →Mozart und G. →Trakl gehören. Ab 1969 schrieb B. in dichter Folge auch Dramen. Seine Zusammenarbeit mit den Salzburger →Festspielen begann mit der einmaligen (Ur-)Aufführung des Stückes »Der Ignorant und der Wahnsinnige« (29. 7. 1972). Das nicht gelöschte Notlicht in der letzten Szene führte zum Streit zwischen Regisseur und Festspieldirektion. Es gab keine weiteren Aufführungen mehr; der ORF hatte die Inszenierung jedoch aufgezeichnet (Regie: Claus Peymann, den »Doktor« spielte Bruno Ganz). 1974, nach der Versöhnung zwischen B. und J. →Kaut, wurde die Komödie »Die Macht der Gewohnheit« im Landestheater uraufgeführt (Regie: Dieter Dorn, den »Garibaldi« spielte Bernhard Minetti). Spannungen zwischen B. und den Festspielen störten nochmals die weitere Zusammenarbeit. Auf eine missverständliche Pressenotiz reagierte B. mit einem offenen Brief in der Hamburger Wochenzeitung »Die Zeit«: »Ich brauche die Festspiele nicht.« 1980 bot B. diesen Festspielen trotzdem wieder ein neues Stück an, das 1981 uraufgeführt wurde: »Am Ziel« (Regie: C. Peymann, die Hauptrolle spielte Marianne Hoppe). Inzwischen hatte sich die Beziehung zwischen B. und den Festspielen eingespielt: 1985 kam die Uraufführung des Stücks »Der Theatermacher« (Regie: C. Peymann, die Titelrolle spielte Traugott Buhre). Das Stück verarbeitete u. a. den Notlichtskandal von 1972. Schließlich folgte 1986 die Uraufführung von »Ritter, Dene, Voss«. Die Namen von drei Schauspielern aus dem Bochumer Ensemble bilden den Titel; die Anspielungen und Zitate auf Ludwig und Paul Wittgenstein verdichten das dramatische Spiel, in dem die Schauspieler einmal sich selbst, dann historische Figuren und schließlich fiktive Personen in einem spielen. Der Beitrag B.s und P. →Handkes zur Geschichte der Festspiele beweist die Wirksamkeit der dramatischen Gegenwartsliteratur in eben diesem Spielplan. Der Alleinerbe und Halbbruder Th. B.s, Dr. Peter Fabjan, gründete 1998 die Th.-B.- Privatstiftung in Wien. Dem Stiftungsrat gehören neben Peter Fabjan noch Wendelin Schmidt-Dengler und Jean-Marie Winkler an. Ein zwölfköpfiger Beirat unterstützt die Stiftung. Diese gründete wiederum die Internationale Th.-B.-Gesellschaft. Die konstituierende Versammlung fand am 11. 2. 1999 in Salzburg statt. Präsident: Adolf Haslinger, Vizepräsident: Peter Fabjan, Generalsekretär: Raimund Fellinger. Das Th.-B.-Archiv befindet sich in Gmunden.
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Bernhard war der uneheliche Sohn von Herta Bernhard, der Tochter des erfolglosen Salzburger Heimatschriftstellers [[Freumbichler, Johannes|Johannes Freumbichler]]; seinen Vater, den Tischler Alois Zuckerstätter, lernte er nie kennen. Nach ersten Lebenswochen in Pflegeunterkünften in den Niederlanden lebte er zunächst bei den Großeltern in Wien und verbrachte mit ihnen ab 1935 eine als glücklich erinnerte Zeit in Seekirchen am Wallersee (Salzburg). 1937 übersiedelte er mit der Mutter und dem Ziehvater Emil Fabjan, den sie 1936 geheiratet hatte, nach Traunstein (Oberbayern). 1944 trat Bernhard in eine Salzburger Hauptschule ein und wohnte zu dieser Zeit in einem nationalsozialistischen Schülerheim in der Schrannengasse. 1946 wechselte er ins Staatsgymnasium (heute: Akademisches Gymnasium); das Internat wurde jetzt unter dem Namen „Johanneum“ katholisch geführt und von ihm weiter als autoritärer Zwangsapparat erlebt. 1947 brach Bernhard die als quälend empfundene Schule ab und begann eine Kaufmannslehre in der am Salzburger Stadtrand gelegenen Scherzhauserfeldsiedlung für sozial Schwache, in deren Umgebung er sich erstmals sozial integriert fühlte.
  
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[[Datei:Thomas Bernhard (C) Erika Schmied.jpg|miniatur|rechts | Thomas Bernhard]]
  
* M. Mittermayer, S. Veits-Falk (Hg.): Th. B. und Salzburg. Salzburg 2001.
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Um die Jahreswende 1948/49 entwickelte sich aus einer schweren Erkältung eine lebensbedrohliche Krankheit; Bernhard wurde bereits ins Sterbezimmer des Salzburger Landeskrankenhauses gebracht. 1949–51 folgten mehrere Aufenthalte des mittlerweile an Lungentuberkulose Erkrankten in Heilstätten, v.a. in Grafenhof (St. Veit im Pongau). Zu dieser Zeit starben die wichtigsten Bezugspersonen: 1949 der Großvater, 1950 die Mutter; in St. Veit begegnete Bernhard aber auch ebenfalls 1950 der um fast 37 Jahre älteren Wiener Ministerialratswitwe Hedwig Stavianicek, mit der ihn bis zu ihrem Tod 1984 eine enge Freundschaft verband.
* J. Hoell: Th. B.München 2000. – M. Mittermayer: Th. B. Stuttgart 1995 (= Sammlung Metzler SM 291).
 
* H. Höller: Th. B. Reinbek b. Hamburg 1993 (= rm 504).
 
* R. K. Habringer: Th. B. als Journalist. Dokumentation eines Frühwerks, Magisterarbeit, Salzburg 1984.
 
* J. Dittmer (Hg.): Th. B. Werkgeschichte. Frankfurt/M. 1981.
 
  
A.Has.
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Zwischen 1952 und 1955 war Bernhard als freier Mitarbeiter bei diversen Zeitungen, v.a. beim sozialistischen ''Demokratischen Volksblatt'' (Salzburg) tätig und schrieb dabei Gerichtssaalberichte, Buch-, Theater- und Filmkritiken, aber auch kürzere Prosaveröffentlichungen und Gedichte; Chefredakteur war [[Kaut, Josef|Josef Kaut]], als späterer Festspielpräsident einer von Bernhards wichtigsten Förderern. 1955 begann er am Salzburger [[Universität Mozarteum Salzburg|Mozarteum]] zunächst ein Gesangs-, dann auch ein Regie- und Schauspielstudium; aus letzteren beiden bestand er 1957 die Abschlussprüfung. Zwischen 1957 und 1960 folgten längere Aufenthalte in Maria Saal (Kärnten) auf dem Tonhof des befreundeten Komponisten Gerhard Lampersberg und dessen Frau Maja Weis-Ostborn.
  
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1957/58 erschienen im Salzburger [[Otto Müller Verlag]] die ersten Gedichtbände Bernhards: ''Auf der Erde und in der Hölle'' und ''In hora mortis''. Nachdem der Verlag 1961 den 137 Gedichte umfassenden Band ''Frost'' abgelehnt hatte, gelang Bernhard 1963 mit dem gleichnamigen Debütroman im Insel Verlag der Durchbruch. Die polemische Beschreibung des Gebirgsorts Weng, der im Roman ''Frost'' zum Szenario eines fiktionalen Bewusstseinsprozesses wird, führte nach der Zuerkennung des Österreichischen Staatspreises für Romane (1967) zu Politikerprotesten im Salzburger Landtag (auch Bernhards Dankesrede erregte bei der Überreichung 1968 einen Skandal).
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1965 kaufte Bernhard in Obernathal bei Ohlsdorf (Oberösterreich) einen Vierseithof, den er in jahrelanger Arbeit restaurierte und bis zu seinem Tod zum Hauptwohnsitz hatte. Weitere Romane folgten: ''Verstörung'' (1967), ''Das Kalkwerk'' (1970) und ''Korrektur'' (1975). Bernhard erhielt zu dieser Zeit mehrere Literaturpreise, u.a. Bremer Literaturpreis 1965, Anton-Wildgans-Preis 1968, Georg-Büchner-Preis 1970; in den letzten Jahren nahm er keine Preise mehr an.
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1965/66 scheiterte ein erstes Projekt für die [[Salzburger Festspiele]] aufgrund der düsteren Anlage des als „Anti-Jedermann“ konzipierten Stücks; seine Endfassung wurde unter dem Titel ''Ein Fest für Boris'' als erstes von 18 abendfüllenden Dramen 1970 in Hamburg uraufgeführt; Regie führte (wie bei den meisten Bernhard-Uraufführungen) Claus Peymann. Die Produktion von Bernhards erstem Festspiel-Stück ''Der Ignorant und der Wahnsinnige'' endete 1972 mit dem sogenannten Notlicht-Skandal, weil die geforderte Abschaltung des Notlichts am Ende aus feuerpolizeilichen Gründen nicht erlaubt wurde. Dennoch folgte bereits 1974 mit der Komödie ''Die Macht der Gewohnheit'' eine weitere Festspiel-Uraufführung. Die Zusammenarbeit erfuhr zwar nach einem Konflikt um das Stück ''Die Berühmten'' (1976), das wegen befürchteter Anspielungen auf die Festspielprominenz nicht im Voraus akzeptiert und daraufhin von Bernhard zurückgezogen wurde, eine Unterbrechung, doch mit drei weiteren Uraufführungen. (''Am Ziel'', 1981; ''Der Theatermacher'', 1985; ''Ritter, Dene, Voss'', 1986) wurde Bernhard zum meistgespielten zeitgenössischen Dramatiker der Festspiele nach 1945.
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1975 erschien der erste Teil der 5-bändigen Reihe autobiografischer Erzählungen, die der 1967 zum Suhrkamp-Autor avancierte Bernhard im Salzburger [[Residenz Verlag]] herausbrachte. Zunächst löste er durch die polemische Darstellung der Stadt Salzburg und ihrer NS-Vergangenheit im Band ''Die Ursache. Eine Andeutung'' einen Skandal aus; ein Salzburger Stadtpfarrer erwirkte im Rahmen einer Klage die Streichung von gegen ihn gerichteten Passagen. 1976 folgte ''Der Keller. Eine Entziehung'', die Darstellung von Bernhards Kaufmannslehre, 1978 ''Der Atem. Eine Entscheidung'' und 1981 ''Die Kälte. Eine Isolation'', die Schilderung der Krankheitsphase, ehe 1982 in ''Ein Kind'' die Darstellung der frühesten Kindheitsjahre nachgereicht wurde.
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Der Roman ''Der Untergeher'' (1983), in dessen Mittelpunkt der kanadische Pianist Glenn Gould steht, ist eine fiktionale Auseinandersetzung mit Bernhards Mozarteums-Zeit. 1984 wurde der Roman ''Holzfällen. Eine Erregung'' aufgrund einer Klage Lampersbergs, der sich als literarische Figur verunglimpft sah, vorübergehend beschlagnahmt; mit dem Roman ''Auslöschung. Ein Zerfall'' (1986) fasste Bernhard nochmals seine wesentlichen Themen zusammen. Anlässlich des „Bedenkjahres“ 1988 (50 Jahre „Anschluss“ Österreichs an NS-Deutschland) provozierte er mit dem Stück ''Heldenplatz'' eine letzte öffentliche Auseinandersetzung.
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Bernhards letzte Prosaveröffentlichung erfolgte 1989 mit dem großteils Ende der 1950er-Jahre entstandenen Text ''In der Höhe. Rettungsversuch, Unsinn'' erneut im Residenz Verlag. Im Testament untersagte Bernhard die Veröffentlichung aller zu Lebzeiten unpubliziert gebliebenen Texte sowie die öffentliche Aufführung und den Druck aller seiner Werke in Österreich; ein Jahrzehnt nach seinem Tod wurde dieses Aufführungsverbot wieder aufgehoben. 1999 wurde in Salzburg die Internationale Thomas Bernhard Gesellschaft konstituiert (Gründungspräsident: Adolf Haslinger), 2013 erhielt die Schauspiel-Abteilung der [[Universität Mozarteum Salzburg|Universität Mozarteum]] den Namen „Thomas Bernhard Institut“.
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Literatur:
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* Martin Huber, Manfred Mittermayer (Hg.): Bernhard-Handbuch. Stuttgart 2018.
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* Manfred Mittermayer: Thomas Bernhard. Eine Biografie. Wien, Salzburg 2015.
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* Manfred Mittermayer, Sabine Veits-Falk (Hg.): Thomas Bernhard und Salzburg. 22 Annäherungen. Salzburg 2001.
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* Louis Huguet: Chronologie. Johannes Freumbichler – Thomas Bernhard. Weitra [1995].
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* Hans Höller: Thomas Bernhard. Reinbek bei Hamburg 1993.
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Ma.M.
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Aktuelle Version vom 11. Juli 2021, 11:49 Uhr

Thomas Bernhard, * 9. Februar 1931 in Heerlen bei Maastricht, Niederlande, † 12. Februar 1989 in Gmunden; Schriftsteller.

Bernhard war der uneheliche Sohn von Herta Bernhard, der Tochter des erfolglosen Salzburger Heimatschriftstellers Johannes Freumbichler; seinen Vater, den Tischler Alois Zuckerstätter, lernte er nie kennen. Nach ersten Lebenswochen in Pflegeunterkünften in den Niederlanden lebte er zunächst bei den Großeltern in Wien und verbrachte mit ihnen ab 1935 eine als glücklich erinnerte Zeit in Seekirchen am Wallersee (Salzburg). 1937 übersiedelte er mit der Mutter und dem Ziehvater Emil Fabjan, den sie 1936 geheiratet hatte, nach Traunstein (Oberbayern). 1944 trat Bernhard in eine Salzburger Hauptschule ein und wohnte zu dieser Zeit in einem nationalsozialistischen Schülerheim in der Schrannengasse. 1946 wechselte er ins Staatsgymnasium (heute: Akademisches Gymnasium); das Internat wurde jetzt unter dem Namen „Johanneum“ katholisch geführt und von ihm weiter als autoritärer Zwangsapparat erlebt. 1947 brach Bernhard die als quälend empfundene Schule ab und begann eine Kaufmannslehre in der am Salzburger Stadtrand gelegenen Scherzhauserfeldsiedlung für sozial Schwache, in deren Umgebung er sich erstmals sozial integriert fühlte.

Thomas Bernhard

Um die Jahreswende 1948/49 entwickelte sich aus einer schweren Erkältung eine lebensbedrohliche Krankheit; Bernhard wurde bereits ins Sterbezimmer des Salzburger Landeskrankenhauses gebracht. 1949–51 folgten mehrere Aufenthalte des mittlerweile an Lungentuberkulose Erkrankten in Heilstätten, v.a. in Grafenhof (St. Veit im Pongau). Zu dieser Zeit starben die wichtigsten Bezugspersonen: 1949 der Großvater, 1950 die Mutter; in St. Veit begegnete Bernhard aber auch ebenfalls 1950 der um fast 37 Jahre älteren Wiener Ministerialratswitwe Hedwig Stavianicek, mit der ihn bis zu ihrem Tod 1984 eine enge Freundschaft verband.

Zwischen 1952 und 1955 war Bernhard als freier Mitarbeiter bei diversen Zeitungen, v.a. beim sozialistischen Demokratischen Volksblatt (Salzburg) tätig und schrieb dabei Gerichtssaalberichte, Buch-, Theater- und Filmkritiken, aber auch kürzere Prosaveröffentlichungen und Gedichte; Chefredakteur war Josef Kaut, als späterer Festspielpräsident einer von Bernhards wichtigsten Förderern. 1955 begann er am Salzburger Mozarteum zunächst ein Gesangs-, dann auch ein Regie- und Schauspielstudium; aus letzteren beiden bestand er 1957 die Abschlussprüfung. Zwischen 1957 und 1960 folgten längere Aufenthalte in Maria Saal (Kärnten) auf dem Tonhof des befreundeten Komponisten Gerhard Lampersberg und dessen Frau Maja Weis-Ostborn.

1957/58 erschienen im Salzburger Otto Müller Verlag die ersten Gedichtbände Bernhards: Auf der Erde und in der Hölle und In hora mortis. Nachdem der Verlag 1961 den 137 Gedichte umfassenden Band Frost abgelehnt hatte, gelang Bernhard 1963 mit dem gleichnamigen Debütroman im Insel Verlag der Durchbruch. Die polemische Beschreibung des Gebirgsorts Weng, der im Roman Frost zum Szenario eines fiktionalen Bewusstseinsprozesses wird, führte nach der Zuerkennung des Österreichischen Staatspreises für Romane (1967) zu Politikerprotesten im Salzburger Landtag (auch Bernhards Dankesrede erregte bei der Überreichung 1968 einen Skandal).

1965 kaufte Bernhard in Obernathal bei Ohlsdorf (Oberösterreich) einen Vierseithof, den er in jahrelanger Arbeit restaurierte und bis zu seinem Tod zum Hauptwohnsitz hatte. Weitere Romane folgten: Verstörung (1967), Das Kalkwerk (1970) und Korrektur (1975). Bernhard erhielt zu dieser Zeit mehrere Literaturpreise, u.a. Bremer Literaturpreis 1965, Anton-Wildgans-Preis 1968, Georg-Büchner-Preis 1970; in den letzten Jahren nahm er keine Preise mehr an.

1965/66 scheiterte ein erstes Projekt für die Salzburger Festspiele aufgrund der düsteren Anlage des als „Anti-Jedermann“ konzipierten Stücks; seine Endfassung wurde unter dem Titel Ein Fest für Boris als erstes von 18 abendfüllenden Dramen 1970 in Hamburg uraufgeführt; Regie führte (wie bei den meisten Bernhard-Uraufführungen) Claus Peymann. Die Produktion von Bernhards erstem Festspiel-Stück Der Ignorant und der Wahnsinnige endete 1972 mit dem sogenannten Notlicht-Skandal, weil die geforderte Abschaltung des Notlichts am Ende aus feuerpolizeilichen Gründen nicht erlaubt wurde. Dennoch folgte bereits 1974 mit der Komödie Die Macht der Gewohnheit eine weitere Festspiel-Uraufführung. Die Zusammenarbeit erfuhr zwar nach einem Konflikt um das Stück Die Berühmten (1976), das wegen befürchteter Anspielungen auf die Festspielprominenz nicht im Voraus akzeptiert und daraufhin von Bernhard zurückgezogen wurde, eine Unterbrechung, doch mit drei weiteren Uraufführungen. (Am Ziel, 1981; Der Theatermacher, 1985; Ritter, Dene, Voss, 1986) wurde Bernhard zum meistgespielten zeitgenössischen Dramatiker der Festspiele nach 1945.

1975 erschien der erste Teil der 5-bändigen Reihe autobiografischer Erzählungen, die der 1967 zum Suhrkamp-Autor avancierte Bernhard im Salzburger Residenz Verlag herausbrachte. Zunächst löste er durch die polemische Darstellung der Stadt Salzburg und ihrer NS-Vergangenheit im Band Die Ursache. Eine Andeutung einen Skandal aus; ein Salzburger Stadtpfarrer erwirkte im Rahmen einer Klage die Streichung von gegen ihn gerichteten Passagen. 1976 folgte Der Keller. Eine Entziehung, die Darstellung von Bernhards Kaufmannslehre, 1978 Der Atem. Eine Entscheidung und 1981 Die Kälte. Eine Isolation, die Schilderung der Krankheitsphase, ehe 1982 in Ein Kind die Darstellung der frühesten Kindheitsjahre nachgereicht wurde.

Der Roman Der Untergeher (1983), in dessen Mittelpunkt der kanadische Pianist Glenn Gould steht, ist eine fiktionale Auseinandersetzung mit Bernhards Mozarteums-Zeit. 1984 wurde der Roman Holzfällen. Eine Erregung aufgrund einer Klage Lampersbergs, der sich als literarische Figur verunglimpft sah, vorübergehend beschlagnahmt; mit dem Roman Auslöschung. Ein Zerfall (1986) fasste Bernhard nochmals seine wesentlichen Themen zusammen. Anlässlich des „Bedenkjahres“ 1988 (50 Jahre „Anschluss“ Österreichs an NS-Deutschland) provozierte er mit dem Stück Heldenplatz eine letzte öffentliche Auseinandersetzung.

Bernhards letzte Prosaveröffentlichung erfolgte 1989 mit dem großteils Ende der 1950er-Jahre entstandenen Text In der Höhe. Rettungsversuch, Unsinn erneut im Residenz Verlag. Im Testament untersagte Bernhard die Veröffentlichung aller zu Lebzeiten unpubliziert gebliebenen Texte sowie die öffentliche Aufführung und den Druck aller seiner Werke in Österreich; ein Jahrzehnt nach seinem Tod wurde dieses Aufführungsverbot wieder aufgehoben. 1999 wurde in Salzburg die Internationale Thomas Bernhard Gesellschaft konstituiert (Gründungspräsident: Adolf Haslinger), 2013 erhielt die Schauspiel-Abteilung der Universität Mozarteum den Namen „Thomas Bernhard Institut“.


Literatur:

  • Martin Huber, Manfred Mittermayer (Hg.): Bernhard-Handbuch. Stuttgart 2018.
  • Manfred Mittermayer: Thomas Bernhard. Eine Biografie. Wien, Salzburg 2015.
  • Manfred Mittermayer, Sabine Veits-Falk (Hg.): Thomas Bernhard und Salzburg. 22 Annäherungen. Salzburg 2001.
  • Louis Huguet: Chronologie. Johannes Freumbichler – Thomas Bernhard. Weitra [1995].
  • Hans Höller: Thomas Bernhard. Reinbek bei Hamburg 1993.

Ma.M.