Mönch von Salzburg: Unterschied zwischen den Versionen

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'''Mönch von Salzburg''', anon. Salzburger Dichter und Komponist des späten 14. Jh.s.
 
'''Mönch von Salzburg''', anon. Salzburger Dichter und Komponist des späten 14. Jh.s.
  
In zahlreichen Hs. des 15. und 16. Jh.s finden wir geistliche und weltliche Lieder eines »münch« oder »munch« aus Salzburg, dessen Existenz urk. bisher noch nicht belegt werden konnte. Nähere Angaben über seine Person erhalten wir lediglich aus Vorreden, Inhaltsverzeichnissen und Überschriften in den Hss. Dort ist sein Name mit »Hermann«, aber auch mit »Johann« bzw. »Hanns« angeführt. Er wird als Verfasser geistlicher und weltlicher Lieder in dt. Sprache bezeichnet, die er, zusammen mit einem Leutpriester namens Martin, auf Wunsch des damaligen Salzburger Eb. →Pilgrim II. von Puchheim (1365-96) erstellt hat, wofür dieser ihn mit einer Pfründe belohnte. Unklar ist, worauf sich das Pseudonym »Mönch« bezieht. Die Hs. bezeichnen ihn sowohl als Benediktiner wie auch als Dominikaner. Versuche, ihn mit uns bekannten Persönlichkeiten, wie dem damaligen Abt von →St. Peter, Johannes II. Rossez (1364-75), oder mit dem kunstsinnigen Eb. Pilgrim II. selbst zu identifizieren, mussten bisher unbestätigt bleiben.
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Anonymer Dichter und Komponist aus Salzburg, dessen Werke in über 100 Handschriften spätestens ab dem Beginn des 15. Jahrhunderts unter dem Pseudonym bzw. unter der Chiffre oder Code „Mönch“ (münch, munch) eine außergewöhnliche Verbreitung erfahren hat. Ihm werden 49 geistliche und 57 weltliche Lieder zugeschrieben. Der Mönch kann somit zu den bedeutendsten Musikern gezählt werden, die in Salzburg gewirkt haben und das Musikgeschehen in dieser Stadt prägten. Seine Lieder haben noch 100 Jahre später Oswald von Wolkenstein beeinflusst. Heute noch ist sein Weihnachtsled Joseph lieber nefe mein, eine Neudichtung der lateinischen Cantio Resonet in laudibus als Joseph, lieber Joseph mein bekannt. Es wurde mit verteilten Rollen (Maria, Josef, Chor) an Weihnachten zum „Kindelwiegen“ gesungen.
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Die ältesten Zeugnisse für Werke des Mönchs stammen aus dem Codex Engelberg 314 um 1380 (die Datierung ist nicht ganz sicher). Erstmalig erwähnt wird der Name „Mönch von Salzburg“ in der Sterzinger Miszellaneenhandschrift (zwischen 1410 und 1425). Acht Handschriften bringen ganze Sammlungen überwiegend oder ausschließlich von Liedern und Gesängen des Mönchs, vier davon mit notierten Melodien. Die älteste der Sammelhandschriften mit Noten ist die „Mondsee-Wiener Liederhandschrift“ A-Wn 2856 (Handschrift „D“ in der germanistischen Fachliteratur), das Liederbuch des Salzburger Goldschmieds Peter Spörl. Die Handschrift enthält die Hauptüberlieferung seines Gesamtwerkes, 28 geistliche und 56 weltliche Lieder daraus können dem Mönch zugeordnet werden. Sie entstand wahrscheinlich 1455/1456 in Salzburg. Allerdings sind nur zwei Lieder dem Mönch ausdrücklich zugewiesen. Bei 24 Liedern hat eine spätere Hand den Autorennamen nachgetragen. 42 Lieder enthält die Handschrift D-Mbs cgm 715 (Handschrift „A“), aus dem 3. Viertel des 15. Jahrhunderts. Weitere wichtige Handschriften sind D-Mbs cgm 1115 mit 16 Liedern (Handschrift „B“) aus dem 3. Viertel des 15. Jahrhunderts und die „Lambacher Liederhandschrift“ A-Wn 4696 (Handschrift „E“), ca. 1470–1485 mit 14 Liedern. Anscheinend sind alle vier Handschriften, jedenfalls aber A und E im gleichen Skriptorium, wenn nicht sogar vom gleichen Schreiber, abgefasst worden, doch ist der Entstehungsort unbekannt. 10 Lieder mit Melodien enthält die später (um 1460) entstandene Kolmarer Liederhandschrift“ D-cgm 4997 (Handschrift „K“). Von den Handschriften ohne Notation sei noch D-Mbs cgm 628 (Handschrift „C“) aus Tegernsee erwähnt.
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Wer der Mönch war, liegt im Dunkeln. Hinweise zu seiner Person lassen sich nur aus Anmerkungen zu den Liedern (Einleitungen, Angaben im Inhaltsverzeichnis) oder aus den Liedtexten selbst ziehen, deren Aufzeichnung allerdings mindestens eine Generation später erfolgte. Andere Quellen sind nicht bekannt. D als älteste der Corpushandschriften mit Noten enthält keine biographischen Angaben. Die übrigen Verfasser der Sammelhandschriften jedoch kannten den Mönch nicht mehr aus eigener Anschauung. Hinter „Mönch“ als Begriff scheint vielmehr eine damals allgemein bekannte Person zu stehen, die sich im Umfeld eines Kreises von Personen aufhielt, die nicht Mönche waren, so dass er diesen Namen als besonderes Kennzeichen erhielt; entweder, weil er wirklich ein Ordensmann war, oder, weil er sich wie ein Mönch verhielt. Auf jeden Fall dürfte er selbst Kleriker gewesen sein. Gesichert ist die Entstehung der Lieder im engeren Umfeld des Hofes von Erzbischof Pilgrim II. von Puchheim (Erzbischof 1365–96), eines Förderers der Künste, der sowohl zur Kurie in Avignon, wo er studiert hatte, als auch zu König Wenzel in Prag beste Kontakte pflegte und sich deren prunkvolle Hofhaltungen zum Vorbild nahm. Möglicherweise hat auch der Mönch zu Avignon Beziehungen unterhalten. Pilgrim wird im Marienlied „Plům gezartet, ros an doren“ mit einem Akrostichon ein Denkmal gesetzt, welches sich aus den Anfangsbuchstaben sämtlicher Halbstrophen zusammensetzt: „PYLGREIM ERCZPISCHOF LEGAT“. Der Erzbischof soll nach A dem Mönch den Auftrag erteilt haben, Sequenzen und Hymnen aus dem Lateinischen ins Deutsche zu übertragen, wofür er eine Pfründe erhielt. Dass hinter der Person des Mönchs Erzbischof Pilgrim selbst steht, wie vermutet wurde, gilt mittlerweile als eher unwahrscheinlich. Andere Angaben in den Handschriften widersprechen sich. Der Name des Mönchs wird mit „Herman“, einem Benediktiner (A) oder mit „Johanns“, beziehungsweise „Hanns“, (C und E), angegeben. C bezeichnet ihn als Dominikaner. Erwähnt ist auch Reicher, der Pfarrer von Radstadt mit dem Akrostichon „RICHERUS PLEBANUS IN RASTATT im Lied „Richer schatz der höchsten freuden“. Er ist 1384/85 als magister curiae – im heutigen Sinn ein Finanzreferent des Erzbischofs – in Salzburg bezeugt. A berichtet auch, dass die Lieder in Zusammenarbeit mit einem Laypriester Martin („Leutpriester“„Plebanus“, ein für die Seelsorge der Laien zuständiger Priester) entstanden sind. Es handelt sich wahrscheinlich um den 1370 bezeugten Martin Kuchlmeister, Pfarrer von Werfen und ein Günstling Pilgrims. In Liedüberschriften erwähnt wird des Weiteren der Priester Jakob von Mühldorf und ein nicht weiter bekannter Peter von Sachsen. Einige einleitende Liedüberschriften erwähnen historische Orte oder Ereignisse. Sie müssen allerdings mit Vorsicht gelesen werden, da sie nicht als authentisch sondern als spätere Zusätze zu gelten haben. Ob also im Lied „Dem allerlibsten schönsten weib im Frëudensal, frau Erengail, send ich den brif“, ein (wohl fiktiver) Brief Pilgrims an seine Geliebte in Salzburg mit der Datumsangabe 1392, mit „Frëudensal“ das Schloss Freisaal südlich der Salzburger Altstadt gemeint ist, wird daher kontrovers diskutiert.
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Die Lieder des Mönchs lassen sich strikt in geistliche und weltliche unterscheiden. Aufgrund ihrer großen stilistischen Unterschiede halten einige Forscher auch ein Autorenkollektiv und nicht eine Einzelperson für die Abfassung des Gesamtkorpus für möglich oder sogar wahrscheinlich. Grundlage der geistlichen Lieder ist die Salzburger diözesane Liturgie des Mittelalters. Sie bestehen aus zwei Gruppen: einerseits Gesänge, deren Melodien aus Hymnen und Sequenzen der mittelalterlichen Liturgie übernommen sind, mit wörtlicher oder freier Übersetzung oder auch als Kontrafaktur auf einen neuen Text, andererseits Lieder mit freien Melodien. Thematisch sind die Lieder in der Mehrzahl Mariengesänge. Die deutschen Texte sind von der Theologie des Thomas von Aquin beeinflusst; die komplizierten theologischen Inhalte sind meisterhaft in eine einfache Sprache übertragen und veranschaulicht ohne sie zu verfälschen. 15 der frei komponierten Lieder verwenden eine Kanzonenstrophe (Barform: Stollen – Gegenstollen – Abgesang: AAB), die als „Ton“ bezeichnet werden, also ein Melodiemodell, wie es die Minnesänger und Meistersinger benützt haben. Zwei dieser Töne fanden unter dem Namen „Langer Ton“ und „Chorweise“ Eingang in die Tradition des Meistersanges. Drei Lieder sind einfache Strophenlieder. Lediglich ein einziges Lied, nämlich O Maria pia ist umgekehrt eine lateinische Übertragung eines ursprünglich deutschen Liedes.
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Die geistlichen Lieder berücksichtigen alle wichtigen Feste des Kirchenjahres, ohne dass damit bewusst an ein projektiertes geistliches Liederbuch zu denken ist. Ob die Gesänge für eine Verwendung im Gottesdienst gedacht waren, ist zweifelhaft. Dagegen spricht bei manchen Gesängen die teilweise raffinierte künstlerische Ausgestaltung, wie zum Beispiel die Variation in den Strophenmelodien, die sie für einen Gebrauch in der Liturgie nicht geeignet erscheinen lassen.
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Die weltlichen Stücke sind neben einigen Fest- und Trinkliedern meist Liebeslieder Sie stehen in der Tradition des Minnesangs und zeigen deutlich frz. Einflüsse. Oft stehen den Liebenden die „Klaffer“ („Kläffer“, Verleumder) gegenüber, welche den Ruf der Liebenden schädigen wollen. Der Ort der Handlung ist nicht immer der Hof, sondern wird oft in den alpenländisch-bäuerlichen Kontext transferiert. Die Lieder ahmen dann auch volkstümliche Elemente wie alpenländische Melodiestrukturen (Dreiklangsmelodik) nach. Vier Kompositionen sind ausdrücklich für mehrere Stimmen in einfachen Grundformen polyphonen Musizierens (usuelle Mehrstimmigkeit) gesetzt. Mit der kunstvollen französischen Polyphonie dieser Zeit hat diese Mehrstimmigkeit aber nichts zu tun. Bei »Martein lieber herre«, bezeichnet als »Ain radel von drein stymmen« liegt der erste bekannte dt. Kanon vor. Die Verwendung von bestimmten Instrumenten ist sowohl durch Besetzungsangaben (pumhart, trumpet) als auch durch Liedüberschriften (nachthorn, taghorn, kchühorn) mit näherer Erläuterung (z. B. »und ist gut zu blasen«) belegt.
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Die Handschriften überliefern uns die Melodien in der in liturgischen Büchern gebrauchten sogenannten „Gotischen Choralnotation“, die der modernen Notenschrift schon sehr ähnlich ist, teilweise wie in der Gregorianik ohne genaue rhythmische Notenwerte für Lieder im freien Wortrhythmus, teilweise in der für jene Zeit üblichen semimensuralen Notation mit langen und kurzen Notenwerten (Doppelnote, Notenkopf als Raute ohne oder mit Hals). Manche Lieder beginnen mit einer kurzen textlosen Notengruppe. Wahrscheinlich handelt es sich um eine Intonation eines Begleitinstrumentes.
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Editionen:
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Franz V. Spechtler (Hrsg.), Die geistliche Lieder des Mönchs von Salzburg. Berlin/New York, 1972 bietet eine vollständige Textausgabe der geistlichen Lieder des Mönchs von Salzburg und führt die Zählung für die geistlichen Lieder des Mönchs ein: G + Nummer des Liedes.
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Christoph März, Die weltlichen Lieder des Mönchs von Salzburg, Tübingen, 1999 enthält Texte, Melodien und Kommentare zu den weltlichen Liedern und führt dafür die Zählung W + Nummer ein.
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Hans Waechter u. Franz V. Spechtler (Hrsg.), Der Mönch von Salzburg. Die Melodien der geistlichen und weltlichen Lieder, Göppingen, 2004 enthält alle Melodien des Mönchs mit ausführlichem Kommentar.
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Literatur:
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B. Wachinger: Der Mönch von Salzburg. Zur Überlieferung geistlicher Lieder im späten Mittelalter, Tübingen 1989.
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M. Payer: Das religiöse Weltbild des Mönchs von Salzburg. Göppingen 2000.
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Ch. Schneider: Hovezuht, Heidelberg 2008.
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StE
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Überliefert sind z. Z. 49 geistliche und 57 weltliche Gesänge. Zu den wichtigsten Quellen gehören u. a. die Tegernseer Hs. München, Bayer. Staatsbibl. cgm715 aus der Mitte des 15., Jh. und die nach ihrem Fundort und jetzigem Aufbewahrungsort benannte Mondsee- Wiener Liederhandschrift (Codex Vindobonensis 2856), die sich heute in der Österr. Nationalbibl. Wien befindet. Sie befand sich im Besitz des Salzburgers Peter Spörl und wurde in der 1. H. des 15. Jh.s angelegt. Die Gesänge sind in gotischer Choralnotation und semimensuraler Notation (mit Unterscheidung von langen und kurzen Noten) überliefert.
 
  
Die geistlichen Lieder des M. folgen inhaltlich den großen Festen des Kirchenjahres mit Texten aus dem Weihnachtsfestkreis, dem Osterfestkreis, dem Dreifaltigkeitssonntag und Fronleichnam sowie wichtigen Heiligenfesten, oder sie sind Marienlieder. Bisweilen finden sich Akrosticha, also Dichtungen, bei denen die Anfangsbuchstaben einer jeden Strophe, hintereinander gelesen, sinnvolle Wörter bilden. So lautet das Akrostichon des Liedes »Pl°um gezartet« PYLGREIM ERCZPISCHOF LEGAT, das des Liedes »Richer schatz der höchsten freuden« RICHERUS PLEBANUS JN RASTAT (Reicher war, wie Urkunden belegen, tatsächlich Priester in →Radstadt). Der Gesang »Ave, grüest pist, magtleich forme«, ein Abecedarium (jede Strophe beginnt der Reihe nach mit einem Buchstaben des Alphabets), ist eine Übertragung der lateinischen Sequenz »Ave virginalis forma« des Pfarrers Jakob von Mühldorf, mit dem der M. in Beziehung stand. Das einzige lat. Lied, »O Maria pia«, ist, wie aus der Überschrift hervorgeht, Peter von Sachsen, einem sonst unbekannten Dichter, gewidmet. Die geistlichen Gesänge sind oft wörtliche oder freiere Übertragungen lat. Hymnen und Sequenzen, deren urspr. gregorianische Melodie der Mönch übernahm. Unter diese vorgegebenen Melodien setzte er aber auch gerne neue Texte (Kontrafaktur). Ebenso verfuhr er mit den von ihm selbst geschaffenen Weisen (»Töne«). Inwiefern die volkssprachlichen Gesänge im Gottesdienst verwendet wurden, lässt sich nicht sagen, obwohl dt. Kirchengesänge (wie z. B. »Christ ist erstanden«) in der Liturgie Salzburgs seit dem 12. Jh. ihren festen Platz hatten. »Josef lieber nefemein«, eine Übertragung des lat. »Resonet in laudibus«, ist bis heute bekannt geblieben. Wie aus der detaillierten Beschreibung in cgm 715 hervorgeht, handelt es sich bei diesem Stück um einen deutschen Dialog zum lateinischen Tropus des Canticums »Nunc dimittis« der Komplet von Weihnachten. Handelnde Personen dieser szenischen Ausgestaltung sind Maria, Josef und der Chor.
 
  
Die weltlichen Stücke, inhaltlich meist Liebes- und Trinklieder, stehen in der Tradition des Minnesangs, zeigen deutlich frz. Einflüsse, verwenden aber ebenso alpenländische Melodiestrukturen (Dreiklangsmelodik). Vier Kompositionen sind ausdrücklich für mehrere Stimmen in einfachen Grundformen polyphonen Musizierens gesetzt, so der erste bekannte dt. Kanon »Martein lieber herre«, bezeichnet als »Ain radel von drein stymmen«. Die Verwendung von bestimmten Instrumenten ist sowohl durch Besetzungsangaben (pumhart, trumpet) als auch durch Liedüberschriften (nachthorn, taghorn, kchühorn) mit näherer Erläuterung (z. B. »und ist gut zu blasen«) belegt. Die Beliebtheit des M. zeigt sich daran, daß unter den ma. Lyrikern kein anderer eine derart breite Überlieferung (in über 80 Hss.) aufweisen kann.
 
  
Literatur:
 
  
* M. Payer: Das religiöse Weltbild des Mönchs von Salzburg. Göppingen 2000.
 
* Chr. März: Die weltlichen Lieder des Mönchs von Salzburg. Tübingen 1999.
 
* C.W. Aigner (Übersetzer), F. V. Spechtler (Hg.): DerMönch von Salzburg. Die weltliche Dichtung. (Neuhochdeutsche Nachdichtung). Salzburg 1995.
 
* B. Wachinger: Der Mönch von Salzburg. Zur Überlieferung geistlicher Lieder im späten Mittelalter, Tübingen 1989.
 
* M. Korth, F. V. Spechtler: Der Mönch von Salzburg. Lieder des Mittelalters. München 1980.
 
* F. V. Spechtler: Die geistlichen Lieder des Mönchs von Salzburg. Berlin-New York 1972.
 
* Mondsee-Wiener Liederhandschrift aus Codex Vindobonensis 2856. Wissenschaftlicher Kommentar H. Heger, Graz 1968 (Codices Selecti 19).
 
  
F.V.Sp., St.E.
 
  
 
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Version vom 6. Februar 2018, 00:00 Uhr

Mönch von Salzburg, anon. Salzburger Dichter und Komponist des späten 14. Jh.s.

Anonymer Dichter und Komponist aus Salzburg, dessen Werke in über 100 Handschriften spätestens ab dem Beginn des 15. Jahrhunderts unter dem Pseudonym bzw. unter der Chiffre oder Code „Mönch“ (münch, munch) eine außergewöhnliche Verbreitung erfahren hat. Ihm werden 49 geistliche und 57 weltliche Lieder zugeschrieben. Der Mönch kann somit zu den bedeutendsten Musikern gezählt werden, die in Salzburg gewirkt haben und das Musikgeschehen in dieser Stadt prägten. Seine Lieder haben noch 100 Jahre später Oswald von Wolkenstein beeinflusst. Heute noch ist sein Weihnachtsled Joseph lieber nefe mein, eine Neudichtung der lateinischen Cantio Resonet in laudibus als Joseph, lieber Joseph mein bekannt. Es wurde mit verteilten Rollen (Maria, Josef, Chor) an Weihnachten zum „Kindelwiegen“ gesungen. Die ältesten Zeugnisse für Werke des Mönchs stammen aus dem Codex Engelberg 314 um 1380 (die Datierung ist nicht ganz sicher). Erstmalig erwähnt wird der Name „Mönch von Salzburg“ in der Sterzinger Miszellaneenhandschrift (zwischen 1410 und 1425). Acht Handschriften bringen ganze Sammlungen überwiegend oder ausschließlich von Liedern und Gesängen des Mönchs, vier davon mit notierten Melodien. Die älteste der Sammelhandschriften mit Noten ist die „Mondsee-Wiener Liederhandschrift“ A-Wn 2856 (Handschrift „D“ in der germanistischen Fachliteratur), das Liederbuch des Salzburger Goldschmieds Peter Spörl. Die Handschrift enthält die Hauptüberlieferung seines Gesamtwerkes, 28 geistliche und 56 weltliche Lieder daraus können dem Mönch zugeordnet werden. Sie entstand wahrscheinlich 1455/1456 in Salzburg. Allerdings sind nur zwei Lieder dem Mönch ausdrücklich zugewiesen. Bei 24 Liedern hat eine spätere Hand den Autorennamen nachgetragen. 42 Lieder enthält die Handschrift D-Mbs cgm 715 (Handschrift „A“), aus dem 3. Viertel des 15. Jahrhunderts. Weitere wichtige Handschriften sind D-Mbs cgm 1115 mit 16 Liedern (Handschrift „B“) aus dem 3. Viertel des 15. Jahrhunderts und die „Lambacher Liederhandschrift“ A-Wn 4696 (Handschrift „E“), ca. 1470–1485 mit 14 Liedern. Anscheinend sind alle vier Handschriften, jedenfalls aber A und E im gleichen Skriptorium, wenn nicht sogar vom gleichen Schreiber, abgefasst worden, doch ist der Entstehungsort unbekannt. 10 Lieder mit Melodien enthält die später (um 1460) entstandene Kolmarer Liederhandschrift“ D-cgm 4997 (Handschrift „K“). Von den Handschriften ohne Notation sei noch D-Mbs cgm 628 (Handschrift „C“) aus Tegernsee erwähnt. Wer der Mönch war, liegt im Dunkeln. Hinweise zu seiner Person lassen sich nur aus Anmerkungen zu den Liedern (Einleitungen, Angaben im Inhaltsverzeichnis) oder aus den Liedtexten selbst ziehen, deren Aufzeichnung allerdings mindestens eine Generation später erfolgte. Andere Quellen sind nicht bekannt. D als älteste der Corpushandschriften mit Noten enthält keine biographischen Angaben. Die übrigen Verfasser der Sammelhandschriften jedoch kannten den Mönch nicht mehr aus eigener Anschauung. Hinter „Mönch“ als Begriff scheint vielmehr eine damals allgemein bekannte Person zu stehen, die sich im Umfeld eines Kreises von Personen aufhielt, die nicht Mönche waren, so dass er diesen Namen als besonderes Kennzeichen erhielt; entweder, weil er wirklich ein Ordensmann war, oder, weil er sich wie ein Mönch verhielt. Auf jeden Fall dürfte er selbst Kleriker gewesen sein. Gesichert ist die Entstehung der Lieder im engeren Umfeld des Hofes von Erzbischof Pilgrim II. von Puchheim (Erzbischof 1365–96), eines Förderers der Künste, der sowohl zur Kurie in Avignon, wo er studiert hatte, als auch zu König Wenzel in Prag beste Kontakte pflegte und sich deren prunkvolle Hofhaltungen zum Vorbild nahm. Möglicherweise hat auch der Mönch zu Avignon Beziehungen unterhalten. Pilgrim wird im Marienlied „Plům gezartet, ros an doren“ mit einem Akrostichon ein Denkmal gesetzt, welches sich aus den Anfangsbuchstaben sämtlicher Halbstrophen zusammensetzt: „PYLGREIM ERCZPISCHOF LEGAT“. Der Erzbischof soll nach A dem Mönch den Auftrag erteilt haben, Sequenzen und Hymnen aus dem Lateinischen ins Deutsche zu übertragen, wofür er eine Pfründe erhielt. Dass hinter der Person des Mönchs Erzbischof Pilgrim selbst steht, wie vermutet wurde, gilt mittlerweile als eher unwahrscheinlich. Andere Angaben in den Handschriften widersprechen sich. Der Name des Mönchs wird mit „Herman“, einem Benediktiner (A) oder mit „Johanns“, beziehungsweise „Hanns“, (C und E), angegeben. C bezeichnet ihn als Dominikaner. Erwähnt ist auch Reicher, der Pfarrer von Radstadt mit dem Akrostichon „RICHERUS PLEBANUS IN RASTATT im Lied „Richer schatz der höchsten freuden“. Er ist 1384/85 als magister curiae – im heutigen Sinn ein Finanzreferent des Erzbischofs – in Salzburg bezeugt. A berichtet auch, dass die Lieder in Zusammenarbeit mit einem Laypriester Martin („Leutpriester“„Plebanus“, ein für die Seelsorge der Laien zuständiger Priester) entstanden sind. Es handelt sich wahrscheinlich um den 1370 bezeugten Martin Kuchlmeister, Pfarrer von Werfen und ein Günstling Pilgrims. In Liedüberschriften erwähnt wird des Weiteren der Priester Jakob von Mühldorf und ein nicht weiter bekannter Peter von Sachsen. Einige einleitende Liedüberschriften erwähnen historische Orte oder Ereignisse. Sie müssen allerdings mit Vorsicht gelesen werden, da sie nicht als authentisch sondern als spätere Zusätze zu gelten haben. Ob also im Lied „Dem allerlibsten schönsten weib im Frëudensal, frau Erengail, send ich den brif“, ein (wohl fiktiver) Brief Pilgrims an seine Geliebte in Salzburg mit der Datumsangabe 1392, mit „Frëudensal“ das Schloss Freisaal südlich der Salzburger Altstadt gemeint ist, wird daher kontrovers diskutiert. Die Lieder des Mönchs lassen sich strikt in geistliche und weltliche unterscheiden. Aufgrund ihrer großen stilistischen Unterschiede halten einige Forscher auch ein Autorenkollektiv und nicht eine Einzelperson für die Abfassung des Gesamtkorpus für möglich oder sogar wahrscheinlich. Grundlage der geistlichen Lieder ist die Salzburger diözesane Liturgie des Mittelalters. Sie bestehen aus zwei Gruppen: einerseits Gesänge, deren Melodien aus Hymnen und Sequenzen der mittelalterlichen Liturgie übernommen sind, mit wörtlicher oder freier Übersetzung oder auch als Kontrafaktur auf einen neuen Text, andererseits Lieder mit freien Melodien. Thematisch sind die Lieder in der Mehrzahl Mariengesänge. Die deutschen Texte sind von der Theologie des Thomas von Aquin beeinflusst; die komplizierten theologischen Inhalte sind meisterhaft in eine einfache Sprache übertragen und veranschaulicht ohne sie zu verfälschen. 15 der frei komponierten Lieder verwenden eine Kanzonenstrophe (Barform: Stollen – Gegenstollen – Abgesang: AAB), die als „Ton“ bezeichnet werden, also ein Melodiemodell, wie es die Minnesänger und Meistersinger benützt haben. Zwei dieser Töne fanden unter dem Namen „Langer Ton“ und „Chorweise“ Eingang in die Tradition des Meistersanges. Drei Lieder sind einfache Strophenlieder. Lediglich ein einziges Lied, nämlich O Maria pia ist umgekehrt eine lateinische Übertragung eines ursprünglich deutschen Liedes. Die geistlichen Lieder berücksichtigen alle wichtigen Feste des Kirchenjahres, ohne dass damit bewusst an ein projektiertes geistliches Liederbuch zu denken ist. Ob die Gesänge für eine Verwendung im Gottesdienst gedacht waren, ist zweifelhaft. Dagegen spricht bei manchen Gesängen die teilweise raffinierte künstlerische Ausgestaltung, wie zum Beispiel die Variation in den Strophenmelodien, die sie für einen Gebrauch in der Liturgie nicht geeignet erscheinen lassen. Die weltlichen Stücke sind neben einigen Fest- und Trinkliedern meist Liebeslieder Sie stehen in der Tradition des Minnesangs und zeigen deutlich frz. Einflüsse. Oft stehen den Liebenden die „Klaffer“ („Kläffer“, Verleumder) gegenüber, welche den Ruf der Liebenden schädigen wollen. Der Ort der Handlung ist nicht immer der Hof, sondern wird oft in den alpenländisch-bäuerlichen Kontext transferiert. Die Lieder ahmen dann auch volkstümliche Elemente wie alpenländische Melodiestrukturen (Dreiklangsmelodik) nach. Vier Kompositionen sind ausdrücklich für mehrere Stimmen in einfachen Grundformen polyphonen Musizierens (usuelle Mehrstimmigkeit) gesetzt. Mit der kunstvollen französischen Polyphonie dieser Zeit hat diese Mehrstimmigkeit aber nichts zu tun. Bei »Martein lieber herre«, bezeichnet als »Ain radel von drein stymmen« liegt der erste bekannte dt. Kanon vor. Die Verwendung von bestimmten Instrumenten ist sowohl durch Besetzungsangaben (pumhart, trumpet) als auch durch Liedüberschriften (nachthorn, taghorn, kchühorn) mit näherer Erläuterung (z. B. »und ist gut zu blasen«) belegt. Die Handschriften überliefern uns die Melodien in der in liturgischen Büchern gebrauchten sogenannten „Gotischen Choralnotation“, die der modernen Notenschrift schon sehr ähnlich ist, teilweise wie in der Gregorianik ohne genaue rhythmische Notenwerte für Lieder im freien Wortrhythmus, teilweise in der für jene Zeit üblichen semimensuralen Notation mit langen und kurzen Notenwerten (Doppelnote, Notenkopf als Raute ohne oder mit Hals). Manche Lieder beginnen mit einer kurzen textlosen Notengruppe. Wahrscheinlich handelt es sich um eine Intonation eines Begleitinstrumentes.

Editionen: Franz V. Spechtler (Hrsg.), Die geistliche Lieder des Mönchs von Salzburg. Berlin/New York, 1972 bietet eine vollständige Textausgabe der geistlichen Lieder des Mönchs von Salzburg und führt die Zählung für die geistlichen Lieder des Mönchs ein: G + Nummer des Liedes. Christoph März, Die weltlichen Lieder des Mönchs von Salzburg, Tübingen, 1999 enthält Texte, Melodien und Kommentare zu den weltlichen Liedern und führt dafür die Zählung W + Nummer ein. Hans Waechter u. Franz V. Spechtler (Hrsg.), Der Mönch von Salzburg. Die Melodien der geistlichen und weltlichen Lieder, Göppingen, 2004 enthält alle Melodien des Mönchs mit ausführlichem Kommentar.

Literatur: B. Wachinger: Der Mönch von Salzburg. Zur Überlieferung geistlicher Lieder im späten Mittelalter, Tübingen 1989. M. Payer: Das religiöse Weltbild des Mönchs von Salzburg. Göppingen 2000. Ch. Schneider: Hovezuht, Heidelberg 2008.

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