Schöne Madonnen: Unterschied zwischen den Versionen
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'''Schöne Madonnen''' ist seit Wilhelm Pinder (1923) die Bezeichnung für eine Madonnenstatue mit den charakteristischen Stilmerkmalen der Internationalen Gotik um 1400 (auch Weicher oder Schöner Stil genannt). | '''Schöne Madonnen''' ist seit Wilhelm Pinder (1923) die Bezeichnung für eine Madonnenstatue mit den charakteristischen Stilmerkmalen der Internationalen Gotik um 1400 (auch Weicher oder Schöner Stil genannt). | ||
− | Erhalten sind etwa | + | Erhalten sind etwa fünfzig Skulpturen, 29 davon auf dem Gebiet der mittelalterlichen Salzburger Kirchenprovinz, von diesen wiederum 15 auf dem Boden des alten Erzstifts. Demnach war Salzburg neben Böhmen, wo der Bestand von hussitischen Bilderstürmern stark dezimiert wurde, ein Zentrum für die Kunst der Schönen Madonnen. Die Madonna von Altenmarkt aus Sandstein (vor 1393), ein Import aus Prag, vertritt den Idealtypus. |
− | Bezeichnend sind die | + | Bezeichnend sind die s-förmig geschwungene Körperhaltung, weich fließende Gewänder mit kaskadenartigen Röhrenfalten, die innige Beziehung von Mutter und Kind, ihr jugendlich schönes Antlitz, die naturnahe Gestalt und der weiche Körper des Kindes, in den sich die Finger der Mutter eindrücken, sowie die polychrome Fassung der Skulptur. Die sinnliche Schönheit Marias ist als Ausdruck ihrer seelischen Schönheit gemeint. |
Die Salzburger Produktion steht unter böhmischem Einfluss und kombiniert verschiedene Vorbilder. Die Madonna des Franziskanerklosters aus [[Steinguss]] (um 1410) gilt als typisch salzburgisch mit ihrer frontalen Ausrichtung, den seitlich rahmenden Faltenkaskaden, der schweren Gewandmasse und gedanklichen Schwere in der Bezogenheit auf den symbolträchtigen Apfel. „Das verinnerlicht Ruhende scheint zu dominieren“ (Wolfgang Steinitz). | Die Salzburger Produktion steht unter böhmischem Einfluss und kombiniert verschiedene Vorbilder. Die Madonna des Franziskanerklosters aus [[Steinguss]] (um 1410) gilt als typisch salzburgisch mit ihrer frontalen Ausrichtung, den seitlich rahmenden Faltenkaskaden, der schweren Gewandmasse und gedanklichen Schwere in der Bezogenheit auf den symbolträchtigen Apfel. „Das verinnerlicht Ruhende scheint zu dominieren“ (Wolfgang Steinitz). |
Aktuelle Version vom 7. Juni 2021, 11:43 Uhr
Schöne Madonnen ist seit Wilhelm Pinder (1923) die Bezeichnung für eine Madonnenstatue mit den charakteristischen Stilmerkmalen der Internationalen Gotik um 1400 (auch Weicher oder Schöner Stil genannt).
Erhalten sind etwa fünfzig Skulpturen, 29 davon auf dem Gebiet der mittelalterlichen Salzburger Kirchenprovinz, von diesen wiederum 15 auf dem Boden des alten Erzstifts. Demnach war Salzburg neben Böhmen, wo der Bestand von hussitischen Bilderstürmern stark dezimiert wurde, ein Zentrum für die Kunst der Schönen Madonnen. Die Madonna von Altenmarkt aus Sandstein (vor 1393), ein Import aus Prag, vertritt den Idealtypus.
Bezeichnend sind die s-förmig geschwungene Körperhaltung, weich fließende Gewänder mit kaskadenartigen Röhrenfalten, die innige Beziehung von Mutter und Kind, ihr jugendlich schönes Antlitz, die naturnahe Gestalt und der weiche Körper des Kindes, in den sich die Finger der Mutter eindrücken, sowie die polychrome Fassung der Skulptur. Die sinnliche Schönheit Marias ist als Ausdruck ihrer seelischen Schönheit gemeint.
Die Salzburger Produktion steht unter böhmischem Einfluss und kombiniert verschiedene Vorbilder. Die Madonna des Franziskanerklosters aus Steinguss (um 1410) gilt als typisch salzburgisch mit ihrer frontalen Ausrichtung, den seitlich rahmenden Faltenkaskaden, der schweren Gewandmasse und gedanklichen Schwere in der Bezogenheit auf den symbolträchtigen Apfel. „Das verinnerlicht Ruhende scheint zu dominieren“ (Wolfgang Steinitz).
Die Salzburger Schönen Madonnen sind überwiegend in Steinguss (eigentlich: Gussstein) ausgeführt, wie die Madonnen von Großgmain (um 1400), St. Peter (Maria Säul, um 1410), Bad Aussee (um 1410), die Colli-Madonna (um 1410/15, Frankfurt, Liebieghaus) und Radstadt (um 1430/35, heute: Dommuseum), letztere aus der Endphase des Weichen Stils.
Lit.:
- Geschichte der bildenden Kunst in Österreich, Bd. 2: Gotik. Hg. v. G. Brucher, München 2000, S. 312ff., 347 u. Katalogartikel.
- M.V. Schwarz: Die S.M als komplexe Bildform. In: Wiener Jb. für Kunstgesch., Bd. XLVI/XLVII, 1993/1994, S. 663ff.
- W. Steinitz: Die Salzburger Plastik um 1400. In: Spätgotik in Salzburg, Skulptur und Kunstgewerbe. Salzburg 1976, S. 43ff.
R.G.