Leopold Mozart: Unterschied zwischen den Versionen

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'''Mozart, Johann Georg Leopold''', * Augsburg 14. 11. 1719, † Salzburg 28. 5. 1787, Komponist und Pädagoge.
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'''Mozart, Johann Georg Leopold''', * Augsburg 14. 11. 1719, † Salzburg 28. 5. 1787, Komponist und Pädagoge, Vater von M. A. →M. und W. A. →M.
  
Vater von W. A. →Mozart; studierte in Augsburg, frühe instrumentale Ausbildung (Violine und Orgel); 1737 Immatrikulation an der →Univ. Salzburg. 1738 Baccalaureus der Philosophie, 1739 wegen unregelmäßigen Kollegbesuchs von der Univ. ausgeschlossen. 1740 als Geiger im Dienst des Grafen Thurn-Valsassina, seit 1743 Mitglied der Salzburger →Hofmusikkapelle, Violinlehrer am →Kapellhaus, 1757 Hofkomponist, 1763 Vizekapellmeister, seit 1777 auch Klavierlehrer am Kapellhaus. 1747 heiratete er A. M. →Pertl - sie galten als das hübscheste Paar in Salzburg - und bezog mit ihr Wohnung im 3. Stock des Hauses Nr. 225 am Löchelplatz, heute Getreidegasse 9 (→Mozarts Geburtshaus).
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Über die musikalische Ausbildung (Violine und Klavierinstrumente) von L. M. liegen keine verlässlichen Informationen vor. Nach der Schulzeit in Augsburg 1737 Immatrikulation an der →Univ. Salzburg; dort 1738 Baccalaureus der Philosophie, 1739 aber wegen unregelmäßigen Besuchs von Lehrveranstaltungen von der Univ. ausgeschlossen. 1740 als Geiger im Dienst des Grafen Johann Baptist Thurn-Valsassina, seit 1743 Mitglied der Salzburger →Hofmusikkapelle, seit 1744 auch Violinlehrer am →Kapellhaus, 1757 Hofkomponist, 1763 Vizekapellmeister, seit 1777 zudem Klavierlehrer am Kapellhaus. 1747 heiratete er Anna MariaPertl ( A. M. →M.)und bezog mit ihr eine Wohnung im 3. Stock des Hauses Nr. 225 am Löchlplatz, heute Getreidegasse 9 (→Mozarts Geburtshaus). Die Familie M. übersiedelte 1773 in das «Tanzmeisterhaus» am Hannibalplatz (heute Makartplatz; →Mozart-Wohnhaus). Von den sieben Kindern aus dieser Ehe blieben nur M. A. →M. («Nannerl») und W. A. →M. am Leben.
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L. M. bewies großes pädagogisches und organisatorisches Geschick; sein «Versuch einer gründlichen Violinschule» (Augsburg 1756; bis nach 1800 mehrfach aufgelegt und auch ins Holländische, Französische und Russische übertragen) gehört zu den fundamentalen, bis heute beachteten Lehrwerken des 18. Jh.s. Von 1762 an widmete sich L. M. mit ganzer Kraft der Erziehung und musikalischen Ausbildung seiner Kinder und unternahm mit der Familie ausgedehnte Reisen zu Studien- und Konzertzwecken (1761 München, 1762 Wien, 1763-66 große Teile Mittel- und Westeuropas). Zwischen 1768 und 1773 begleitete L. M. seinen Sohn auf Reisen nach Wien und Italien; Urlaub für eine Reise nach Mannheim und Paris mit W. A. M. wurde ihm aber 1777 vom Fe. →Hieronymus Graf Colloredo verwehrt.
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L. M. war maßgeblich für die Erziehung seiner beiden hochbegabten musikalischen Kinder verantwortlich; zu Unrecht hat die Nachwelt hierin lange Zeit einseitig einen überehrgeizigen Vater sehen wollen. L. M. versuchte, das Leben beider Kinder zu lenken, wovon sich W. A. M. ab 1778 zunehmend emanzipierte. Verstimmungen zwischen Vater und Sohn, insbesondere wegen dessen Heirat mit Constanze →M., waren nur vorübergehend. Das Frühstadium der musikalischen Ausbildung W. A. M.s ist durch das sogenannte Nannerl-Notenbuch gut dokumentiert; auch M. A. →M. erhielt von L. M. nicht nur Instrumental-, sondern auch Theorie- und Kompositionsunterricht. Zwar finden sich noch weit bis in 1770er-Jahre Zeugnisse für gemeinsame musikalische Studien von Vater und Sohn, L. M. hat aber spätestens seit 1768 kaum noch in die Kompositionen seines Sohns eingegriffen; etwa um diese Zeit scheint er das Komponieren eingestellt zu haben.
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L. M. war, wie aus der von ihm herrührenden «Nachricht von dem gegenwärtigen Zustande der Musik […] in Salzburg im Jahr 1757» (in: «F. W. Marpurg, Historisch-Kritische Beyträge zur Aufnahme der Musik», III) hervorgeht, ein vielseitiger Komponist. Außer Kirchenmusik (Litaneien, Messen) und Schuldramen für die Benediktineruniversität Salzburg handelt es sich überwiegend um instrumentale Gelegenheitskompositionen, die in Süddeutschland und Österreich weite Verbreitung fanden, darunter als heute bekannteste Kompositionen Programmmusiken wie «Die Schlittenfahrt» oder «Die Bauernhochzeit». Zu den wenigen gedruckten Werken gehören 6 Trios «per chiesa e da camera» im Eigenverlag, deren Stich L. M. 1740 selbst übernahm. Unter den gedruckten Klavierwerken sind die zwölf Stücke (teilweise von J. E. →Eberlin) «Der Morgen und der Abend» für das →Hornwerk der Festung Hohensalzburg hervorzuheben, die L. M. 1759 bei Lotter in Augsburg publizierte.
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L. M. leitete als Vizekapellmeister nicht nur bei Vakanzen im Kapellmeisteramt faktisch die Hofmusik bei vielfältigen liturgischen Verpflichtungen und war für die Beschaffung von Noten und Instrumenten zuständig; er unterstützte vielfach Kapellmitglieder in dienstlichen und privaten Anliegen. L. M. galt als kritische, dabei außerordentlich gebildete, geistvolle, sprachfertige und weltmännische Persönlichkeit. Er unterhielt auswärtige Korrespondenzen mit Dichtern (u. a. Christian Fürchtegott Gellert) und Musiktheoretikern (wie Friedrich Wilhelm Marpurg und Lorenz Christoph Mizler); Verbindung nach Augsburg hielt er vor allem über seinen Verleger Johann Jakob Lotter. Nach dem Tod seiner Frau (1778), der Übersiedlung von W. A. M. nach Wien (1781) und der Heirat von M. A. M. (1784) lebte L. M. zunehmend zurückgezogen im «Tanzmeisterhaus». Er widmete sich bis in die letzten Lebensjahre seinen Schülern und hatte zeitweilig auch seinen gleichnamigen Enkel Leopold, den 1785 geborenen Sohn von M. A. M., bei sich in Salzburg.
  
Von den sieben Kindern aus dieser Ehe blieben nur M. A. →M. (»Nannerl«) und W. A. →M. am Leben. Bis 1760 entfaltete L. M. eine rege kompositorische und pädagogische Tätigkeit - sein »Versuch einer gründlichen Violinschule« (Augsburg 1756) gehört zu den fundamentalen Lehrwerken des 18. Jh.s. Danach widmete er sich mit ganzer Kraft der Erziehung und Ausbildung seiner Kinder und unternahm mit ihnen seit 1762 ausgedehnte Reisen in Europa zu Studien- und Konzertzwecken. Zu Unrecht hat die Nachwelt einseitig den ehrgeizigen Vater herausgestellt, der die Erfolge seiner Kinder als eigene Erfolge verbuchen wollte. Nach 1773 verließ er Salzburg nur noch selten, unterhielt jedoch mit dem Sohn einen ausführlichen Briefwechsel, wenn dieser nicht in Salzburg war. Dieser Briefwechsel gibt Zeugnis vom engen menschlichen und künstlerischen Einverständnis zwischen Vater und Sohn, das erst durch die vom Vater nicht gutgeheißene Heirat Wolfgangs getrübt wurde.
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Lit.:
  
L. M. war in Salzburg sehr geschätzt, er galt als kritische, außerordentlich gebildete, geistvolle undweltmännische Persönlichkeit, korrespondierte u. a. mit Christian Fürchtegott Gellert, war Mitglied der Mizlerschen »Societät der musikalischen Wissenschaften« und Mitarbeiter von Friedrich Wilhelm Marpurgs »Historisch-kritischen Beyträgen zur Aufnahme der Musik«. Nach dem Tod seiner Frau (1778) und Wolfgangs Übersiedlung nach Wien (1781) lebte er zurückgezogen im »Tanzmeisterhaus« (→Mozarts Wohnhaus), widmete sich seinen Schülern und ließ sich von Nannerl bis zu deren Heirat den Haushalt führen.
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* A. Morgenstern: Das Verhältnis von L. M. und Fürsterzbischof Hieronymus Colloredo. Neue Quellenfunde zu Mozarts Tätigkeiten als Vizekapellmeister. In: Keine Chance für Mozart? Fürsterzbischof Hieronymus Colloredo und sein letzter Hofkapellmeister Luigi Gatti. Lucca 2013.
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* R. Buland: L. M. Prototyp des aufgeklärten Bürgers. In: Acta Mozartiana 58 (2011).
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* C. Eisen: L. M.-Werkverzeichnis (LMV). Augsburg 2010.
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* Salzburger Mozart-Lexikon. Bad Honnef 2005, S. 309-12.
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* C. Broy/J. Fenner: L. M.-Bibliographie. In: Mozart-Jb. 2005.
  
Von seinen Kompositionen (Messen, Litaneien, Vespern, Oratorien, Kantaten, kleineren geistlichen Werken, Sinfonien, Klavier- und Kammermusikwerken) werden heute bevorzugt die Divertimenti »Die Bauernhochzeit«, »Die musikalische Schlittenfahrt« und die lange Zeit Joseph Haydn zugeschriebene »Kindersinfonie« aufgeführt, von den Klavierwerken die zwölf Stücke »Der Morgen und der Abend«, die L. M. und J. E. →Eberlin 1759 für das →Hornwerk der Festung Hohensalzburg publizierten.
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U.L.
 
 
Literatur:
 
 
 
* F. Langegger: M. Vater und Sohn. Zürich 1978.
 
* J. Mancal, W. Plath: L. M. Augsburg 1994.
 
 
 
G.W.
 
  
 
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Version vom 19. Februar 2018, 16:13 Uhr

Mozart, Johann Georg Leopold, * Augsburg 14. 11. 1719, † Salzburg 28. 5. 1787, Komponist und Pädagoge, Vater von M. A. →M. und W. A. →M.

Über die musikalische Ausbildung (Violine und Klavierinstrumente) von L. M. liegen keine verlässlichen Informationen vor. Nach der Schulzeit in Augsburg 1737 Immatrikulation an der →Univ. Salzburg; dort 1738 Baccalaureus der Philosophie, 1739 aber wegen unregelmäßigen Besuchs von Lehrveranstaltungen von der Univ. ausgeschlossen. 1740 als Geiger im Dienst des Grafen Johann Baptist Thurn-Valsassina, seit 1743 Mitglied der Salzburger →Hofmusikkapelle, seit 1744 auch Violinlehrer am →Kapellhaus, 1757 Hofkomponist, 1763 Vizekapellmeister, seit 1777 zudem Klavierlehrer am Kapellhaus. 1747 heiratete er Anna MariaPertl ( A. M. →M.)und bezog mit ihr eine Wohnung im 3. Stock des Hauses Nr. 225 am Löchlplatz, heute Getreidegasse 9 (→Mozarts Geburtshaus). Die Familie M. übersiedelte 1773 in das «Tanzmeisterhaus» am Hannibalplatz (heute Makartplatz; →Mozart-Wohnhaus). Von den sieben Kindern aus dieser Ehe blieben nur M. A. →M. («Nannerl») und W. A. →M. am Leben. L. M. bewies großes pädagogisches und organisatorisches Geschick; sein «Versuch einer gründlichen Violinschule» (Augsburg 1756; bis nach 1800 mehrfach aufgelegt und auch ins Holländische, Französische und Russische übertragen) gehört zu den fundamentalen, bis heute beachteten Lehrwerken des 18. Jh.s. Von 1762 an widmete sich L. M. mit ganzer Kraft der Erziehung und musikalischen Ausbildung seiner Kinder und unternahm mit der Familie ausgedehnte Reisen zu Studien- und Konzertzwecken (1761 München, 1762 Wien, 1763-66 große Teile Mittel- und Westeuropas). Zwischen 1768 und 1773 begleitete L. M. seinen Sohn auf Reisen nach Wien und Italien; Urlaub für eine Reise nach Mannheim und Paris mit W. A. M. wurde ihm aber 1777 vom Fe. →Hieronymus Graf Colloredo verwehrt. L. M. war maßgeblich für die Erziehung seiner beiden hochbegabten musikalischen Kinder verantwortlich; zu Unrecht hat die Nachwelt hierin lange Zeit einseitig einen überehrgeizigen Vater sehen wollen. L. M. versuchte, das Leben beider Kinder zu lenken, wovon sich W. A. M. ab 1778 zunehmend emanzipierte. Verstimmungen zwischen Vater und Sohn, insbesondere wegen dessen Heirat mit Constanze →M., waren nur vorübergehend. Das Frühstadium der musikalischen Ausbildung W. A. M.s ist durch das sogenannte Nannerl-Notenbuch gut dokumentiert; auch M. A. →M. erhielt von L. M. nicht nur Instrumental-, sondern auch Theorie- und Kompositionsunterricht. Zwar finden sich noch weit bis in 1770er-Jahre Zeugnisse für gemeinsame musikalische Studien von Vater und Sohn, L. M. hat aber spätestens seit 1768 kaum noch in die Kompositionen seines Sohns eingegriffen; etwa um diese Zeit scheint er das Komponieren eingestellt zu haben. L. M. war, wie aus der von ihm herrührenden «Nachricht von dem gegenwärtigen Zustande der Musik […] in Salzburg im Jahr 1757» (in: «F. W. Marpurg, Historisch-Kritische Beyträge zur Aufnahme der Musik», III) hervorgeht, ein vielseitiger Komponist. Außer Kirchenmusik (Litaneien, Messen) und Schuldramen für die Benediktineruniversität Salzburg handelt es sich überwiegend um instrumentale Gelegenheitskompositionen, die in Süddeutschland und Österreich weite Verbreitung fanden, darunter als heute bekannteste Kompositionen Programmmusiken wie «Die Schlittenfahrt» oder «Die Bauernhochzeit». Zu den wenigen gedruckten Werken gehören 6 Trios «per chiesa e da camera» im Eigenverlag, deren Stich L. M. 1740 selbst übernahm. Unter den gedruckten Klavierwerken sind die zwölf Stücke (teilweise von J. E. →Eberlin) «Der Morgen und der Abend» für das →Hornwerk der Festung Hohensalzburg hervorzuheben, die L. M. 1759 bei Lotter in Augsburg publizierte. L. M. leitete als Vizekapellmeister nicht nur bei Vakanzen im Kapellmeisteramt faktisch die Hofmusik bei vielfältigen liturgischen Verpflichtungen und war für die Beschaffung von Noten und Instrumenten zuständig; er unterstützte vielfach Kapellmitglieder in dienstlichen und privaten Anliegen. L. M. galt als kritische, dabei außerordentlich gebildete, geistvolle, sprachfertige und weltmännische Persönlichkeit. Er unterhielt auswärtige Korrespondenzen mit Dichtern (u. a. Christian Fürchtegott Gellert) und Musiktheoretikern (wie Friedrich Wilhelm Marpurg und Lorenz Christoph Mizler); Verbindung nach Augsburg hielt er vor allem über seinen Verleger Johann Jakob Lotter. Nach dem Tod seiner Frau (1778), der Übersiedlung von W. A. M. nach Wien (1781) und der Heirat von M. A. M. (1784) lebte L. M. zunehmend zurückgezogen im «Tanzmeisterhaus». Er widmete sich bis in die letzten Lebensjahre seinen Schülern und hatte zeitweilig auch seinen gleichnamigen Enkel Leopold, den 1785 geborenen Sohn von M. A. M., bei sich in Salzburg.

Lit.:

  • A. Morgenstern: Das Verhältnis von L. M. und Fürsterzbischof Hieronymus Colloredo. Neue Quellenfunde zu Mozarts Tätigkeiten als Vizekapellmeister. In: Keine Chance für Mozart? Fürsterzbischof Hieronymus Colloredo und sein letzter Hofkapellmeister Luigi Gatti. Lucca 2013.
  • R. Buland: L. M. Prototyp des aufgeklärten Bürgers. In: Acta Mozartiana 58 (2011).
  • C. Eisen: L. M.-Werkverzeichnis (LMV). Augsburg 2010.
  • Salzburger Mozart-Lexikon. Bad Honnef 2005, S. 309-12.
  • C. Broy/J. Fenner: L. M.-Bibliographie. In: Mozart-Jb. 2005.

U.L.