Theater der Benediktineruniversität
Theater der Benediktineruniversität
Die Salzburger Benediktineruniversität war während des 17. und 18. Jahrhunderts eine der bedeutendsten Pflegestätten barocker Theaterkultur im süddeutsch-österreichischen Raum. Erste Aufführungsbelege reichen bis in die Zeit der Gründung und Eröffnung des Akademischen Gymnasiums (1617), also noch vor dessen Erhebung zur Universität (1622), zurück. 1620–1778 bildete das Theater der Benediktineruniversität eine künstlerische Einheit, während in der deutschen Literatur längst das Barock von Rokoko und Aufklärung abgelöst worden war. 1776 endete das Theater der Benediktineruniversität durch die von Erzbischof Hieronymus Graf Colloredo erlassene Schulordnung. Neben dem Theater der Benediktineruniversität gab es in Salzburg noch das fürsterzbischöfliche Hoftheater (Residenz und Steintheater in Hellbrunn) und das Volkstheater (Theater).
Das Theater der Benediktineruniversität war Bildungstheater, seine Hauptträger waren Professoren und Studenten der heimischen Universität, die vorherrschende Dramensprache war Latein. Trotz der Anklänge an das Jesuitendrama entstand eine eigene künstlerische Form, die auf zwei maßgebenden Faktoren beruhte: auf der geistigen Haltung des Ordens und auf dem speziellen landschaftlich-gesellschaftlichen Raum in Salzburg. Die Benediktiner waren stets weltoffen und keinesfalls militant-gegenreformatorisch wie die Jesuiten, sie waren eher realistisch als theoretisch. Das erklärt auch das Einsickern volkstümlicher Elemente in die hohe deklamatorische Barocktragödie.
Höhepunkt des Jahresspielplans war, wie überall im Bereich des Ordenstheaters, die meist aufwendig gestaltete und öffentlich zugängliche Final- oder Endkomödie. Als festlicher Abschluss des Studienjahres bot sich hier auch die Möglichkeit zur Prämienverteilung an die erfolgreichsten Absolventen. Ähnlich repräsentative Aufführungen fanden anlässlich festlicher Ereignisse (Fürstenbesuche, Jubiläen etc.) statt. Daneben lassen sich die auf ältere Traditionen zurückgehenden Weihnachts-, Fastnachts- und Osterspiele sowie die rein pädagogischen Zwecken dienenden Klassenspiele nachweisen, die meist nur schulintern aufgeführt wurden.
Die Stücke des Theaters der Benediktineruniversität stammten von Salzburger Autoren. Die Form hing zunächst eng mit pädagogischen Zielsetzungen zusammen: Theaterspiel gehörte zum festen Bestand des Unterrichts in den Fächern Poetik und Rhetorik. Die für diese Fächer zuständigen Professoren waren in der Regel auch die Verfasser der für schulische Zwecke, aber auch für offizielle Anlässe erforderlichen Dramen. Im Verlauf der Geschichte entwickelte das Salzburger Benediktinerdrama immer komplexere Formen. Feste Basis war das lateinische Sprechstück, das gemäß der Dramaturgie des Ordenstheaters an antike Traditionen anschloss.
Bereits im 17. Jahrhundert wurden den Aktschlüssen immer umfangreichere musikalische Szenen opernartigen Charakters, teils in lateinischer, teils in italienischer Sprache, angehängt. Auch deutschsprachige Schwankszenen finden sich schon gelegentlich. Im Lauf des 18. Jahrhunderts wuchsen opern- und komödienartige Einschübe immer mehr zu selbstständigen Nebenhandlungen zusammen, die parallel zur lateinischen Haupthandlung verliefen. In der Spätphase kam es durch Zusammenschluss von Opernhandlung und komischem Intermedium oft zu einer Einheit: den für das Salzburger Universitätstheater typischen Singspielen und Pantomimen.
Neben biblischen und kirchengeschichtlichen Stoffen bevorzugte man v.a. weltgeschichtliche Themen, was vermutlich mit der besonderen Pflege der Geschichtswissenschaften an der Salzburger Universität zusammenhängt. Mythologie, Allegorie, Parabel und Legende boten den Dichtern den nötigen Freiraum für aktuelle Bezüge. Das Eindringen von Komödien- und Schwankelementen ist vermutlich auf Publikumsinteressen zurückzuführen. Ab der Mitte des 18. Jahrhunderts waren Commedia-dell’arte-Szenen besonders beliebt.
Hauptquelle für das Salzburger Benediktinerdrama sind sogenannte Periochen, d.h. Programmhefte mit lateinisch-deutscher Inhaltsangabe und einem Verzeichnis aller Mitwirkenden, das meist auch den Namen des Komponisten, seltener den des Textdichters enthält. Zu den 592 nachweisbaren Dramen sind etwa die Hälfte der Periochen und weniger als ein Drittel der Textbücher (meist aus dem 18. Jahrhundert) erhalten geblieben. Am lückenhaftesten ist die musikalische Überlieferung: Partituren und Stimmenmaterial (ausschließlich aus dem 18. Jahrhundert) sind nur in sehr geringem Umfang vorhanden.
Die Zahl der mitwirkenden Studenten und Gymnasiasten wuchs im Verlauf der Geschichte beträchtlich und erreichte 1773 mit 250 Darstellern in Florian Reichssiegels Hermann den Höhepunkt. Durchschnittlich war rund ein Fünftel der immatrikulierten Studenten in den großen öffentlichen Aufführungen beschäftigt, als Solisten (Sprech- oder Gesangspartien), im Chor, als Tänzer oder Statisten. Unter den musikalischen Mitwirkenden fanden sich überdies Hofsänger, Kapellknaben und Domchorvikare. Weibliche Darstellerinnen waren bis weit ins 18. Jahrhundert von der Mitwirkung ausgeschlossen.
Unter den 79 nachweisbaren Autoren finden sich neben trockenen Schulpoeten auch erstaunlich begabte Dramatiker. Aus dem 17. Jahrhundert ist neben Thomas Weiß, Otto Guzinger, Otto Aicher (Lehrer von Abraham a Sancta Clara) und Wolfgang Rinswerger v.a. der aus Aigen bei Salzburg stammende Simon Rettenbacher zu nennen; aus dem 18. Jahrhundert sind das Alanus Ritter, Coelestin Leuthner, M. Wimmer (Ignaz Anton Weiser), Placidus Scharl und v.a. der dem Stift St. Peter angehörige Florian Reichssiegel. Über das Wirken der großen Salzburger Barockkomponisten Heinrich Ignaz Franz Biber und Georg Muffat für das Theater der Benediktineruniversität sind wir nur aus Sekundärquellen (Periochen, Textbücher) informiert. Auch von dem sehr produktiven Matthias Siegmund Biechteler ist keine Note erhalten. Erst aus dem späteren 18. Jahrhundert sind Kompositionen überliefert: Werke von Johann Ernst Eberlin, Anton Cajetan Adlgasser und des Hofbassisten Joseph Meissner (1725–95).
Die originellsten Beiträge zum Theater der Benediktineruniversität stammen jedoch von Michael Haydn; genannt seien das Singspiel Die Hochzeit auf der Alm (1768) sowie die bizarre Pantomime Der Traum (1768). Auch Wolfgang Amadeus Mozarts erste musikdramatische Versuche, Die Schuldigkeit des ersten Gebots, KV 35, und Apollo und Hyacinth, KV 38 (1767), sind für das Theater der Benediktineruniversität entstanden. Die nachweisbaren Spielorte (Theater-Spielorte) verfügten bereits im 17. Jahrhundert über ausgezeichnete bühnentechnische Einrichtungen, welche die für das Barocktheater typischen szenischen Effekte (Flug, Versenkung, Wind, Wellen etc.) ermöglichten. Sie sind ebenso wenig erhalten geblieben wie die Typendekorationen des 18. Jahrhunderts, von denen uns nur eine Serie von Stichen vorliegt. Anhaltspunkte für die Kostümierung finden sich in Templum virtutis, einem Salzburger Druck von 1707, der eine Serie allegorischer Figurinen enthält, sowie in den Kupferstichen Mathias Sillers zu Reichssiegels Der Schwätzer und der Leichtgläubige (1764).
Literatur:
- Heiner Boberski: Das Theater der Benediktiner an der alten Universität Salzburg (1617–1778). Wien 1978.
- Sibylle Dahms: Das Musiktheater des Salzburger Hochbarocks (1668–1709). Teil 1: Das Benediktinerdrama. Salzburg 1974.
- Artur Kutscher: Vom Salzburger Barocktheater zu den Salzburger Festspielen. Düsseldorf 1939.
A.Has.