Wallfahrt: Unterschied zwischen den Versionen

Aus Salzburger Kulturlexikon 3.0
Wechseln zu: Navigation, Suche
 
(18 dazwischenliegende Versionen von 5 Benutzern werden nicht angezeigt)
Zeile 1: Zeile 1:
'''Wallfahrt'''. ln der Erzdiözese Salzburg befinden sich viele W.-Orte von lokaler und überregionaler Bedeutung, die sich z. T. noch immer regen Zuspruchs erfreuen.
+
[[Datei:Wallfahrt, Dürrnberg-Königsee 1, Schatteiner, 03-1521.jpg|miniatur|x250px|Dürrnberg - Königsee]]
 +
'''Wallfahrt'''. In der Erzdiözese Salzburg befinden sich viele Wallfahrtsorte von lokaler und überregionaler Bedeutung, die sich zum Teil noch immer regen Zuspruchs erfreuen.
  
Vor den Verboten durch den Aufgeklärten Absolutismus um 1780 zählt G. Gugitz 73 Wallfahrtsorte in Salzburg. 1966 zählte D. Assmann 17 bestehende Wallfahrtsorte, von welchen drei bereits vor 1300 existierten, je sieben zwischen 1300 und 1600 bzw. erst nach 1600 entstanden sind. Unter den nach 1600 entstandenen Wallfahrten sind - entsprechend der Gegenreformation - die Marienwallfahrten die häufigsten. Dem katholischen Wallfahrtswesen seit dem frühen Mittelalter liegt die Voraussetzung zugrunde, dass bestimmte Orte besonders gnadenvoll seien, dass an ihnen Gott und die Heiligen den Menschen mit Gnadenkräften nahestehen würden; so ist Wallfahrt ein komplexes Integrationssystem. Auch schreibt die katholische Kirche Bildern als Mittel der sinnlichen Vergegenwärtigung große Wirkmächtigkeit zu (im Gegensatz zum byzantinischen Bilderstreit 730-843 und Luthers Ablehnung von Bildgebrauch und Heiligenverehrung (16.Jh.). Speziell während der so genannten Gegenreformation bzw. Katholischen Restauration im 17. Jh. erfolgten viele Gründungen wie Erweiterungen von Wallfahrtsorten und Wallfahrtszügen.  Wallfahrtsorte wurden auch zu Stätten der Kommunikation ebenso wie zu Anziehungspunkten von Bettelvolk, das auf die Barmherzigkeit der Gläubigen vertraute. (S. Veits-Falk)
+
Vor den Verboten durch den Aufgeklärten Absolutismus um 1780 zählt Gustav Gugitz 73 Wallfahrtsorte in Salzburg. 1966 zählte Dieter Assmann 17 bestehende Wallfahrtsorte, von welchen drei bereits vor 1300 existierten, sieben zwischen 1300 und 1600 sowie weitere sieben, die erst nach 1600 entstanden sind. In der letzten Gruppe sind entsprechend der Gegenreformation die Marienwallfahrtsorte die häufigsten.  
  
Um viele W.-Stätten ranken sich Gründungslegenden im Sinne einer Garantie für die Wirkmächtigkeit: so die Anschwemmungslegende (Bramberg, Bruck), Rastlegende (Maria Bruneck/Golling, Hollenstein/Ramingstein), Rückkehrlegende (St. Leonhard bei Tamsweg, Maria Kirchenthal, →Loretokindl in Salzburg), weisende Tiere (verlorene Schafe oder Vögel, z. B. Kleinkirchenthal bei Hallein). Oft sind auch »numinose Momente« ausschlaggebend, die sich im Stein-, Quell-, Baum- oder Traumkult manifestieren. Kultobjekte: →Gnadenbilder, d. h. Statuen aus Holz oder Stein (meist in alten marianischen W.-Orten), Bilder und Gemälde (die zumeist nachreformatorischen Gnadenbilder sind Kopien »bewährter« Kultobjekte, etwa Maria Plain, Maria Hilf, Ährenkleidmadonna, Mutter vom Guten Rat, Madonna von Cambrai u. a.) oder Reliquien (wie die Gräber der Bistumspatrone, hl. →Erentrudis im Stift →Nonnberg, hl. →Rupert und hl. →Virgil im →Dom bzw. in →St. Peter). Älteste, bis heute nie unterbrochene W. in Salzburg ist St. Leonhard bei Tamsweg; im Abstand folgen Mülln, Großgmain, →Franziskanerkirche; im Tiroler Anteil stehen St. Leonhard bei Kundl und Mariastein am Anfang.
+
Dem katholischen Wallfahrtswesen liegt die Voraussetzung zugrunde, dass bestimmte Orte besonders gnadenvoll seien, dass an ihnen Gott und die Heiligen den Menschen mit Gnadenkräften nahestehen würden. So ist Wallfahrt seit dem Frühmittelalter ein komplexes Integrationssystem. Weiters schreibt die katholische Kirche Bildern als Medien der sinnlichen Vergegenwärtigung große Wirkmächtigkeit zu – im Gegensatz zum byzantinischen Bilderstreit 730–843 und Luthers Ablehnung von Bildgebrauch und Heiligenverehrung (16. Jahrhundert). Speziell während der sogenannten Gegenreformation bzw. Katholischen Restauration im 17. Jahrhundert erfolgten viele Gründungen wie Erweiterungen von Wallfahrtsorten und Wallfahrtszügen. Wallfahrtsorte wurden auch zu Stätten der Kommunikation ebenso wie zu Anziehungspunkten von Bettelvolk, das auf die Barmherzigkeit der Gläubigen vertraute (Sabine Veits-Falk).
Rund um W.-kirchen sammelten sich Hersteller von Devotionalien und Votivbildern (G. Dohle), die "ex voto", um Erfüllung eines Wunsches gestiftet wurden. In ihnen, wie in den Anliegenbüchern manifestiert sich bis heute eine Ikonografie der Hilfsbedürftigkeit.
 
  
Das SpätMA. war von einer Welle von Sühne-, Bitt- und Dank-W., oft verordnete Fernw. in andere Länder, gekennzeichnet (z.B. St. Jakob in Compostela vgl. St. Jakob am Thurn; Hl. Drei Könige in Köln). Kreuztrachten (Wallfahrer aus Tochterpfarren) und Bittvölker aus dem ganzen Erzbistum (mit Ausnahme des Tiroler Anteils) pilgerten zur Ur- bzw. Mutterpfarre auf dem Nonnberg, St. Peter und in den Dom, meist vor Christi Himmelfahrt oder zu Pfingsten. Nach strengem Reglement wallten sie geschlossen von Mülln aus durch die Stadt zu ihren Zielen. Auch Pinzgauer Wallfahrer nahmen nach 20 Stunden Fußmarsch über die Tauern am Festgottesdienst teil. 1789 wurde nach 220jähriger Dauer diese W.- Tradition zur Haupt- und Mutterkirche verboten, lediglich das Spottlied auf die »Pinzgauer W. « lebt noch fort; es tauchte 1760 in Handschriften auf und war nach 1800 auch außerhalb der Alpenländer sehr verbreitet (auch →Goethes Mutter kannte es): »Dö Pinzgara soltn kirfartn gehn, widi wadi we, eleison!« Auch eine zweite Pinzgauer W., die noch heute stattfindet, reicht ins 15. Jh. zurück, die »Großglockner- W.« im Juni nach Heiligenblut, 40 km durch das Fuscher Tal über das Hochtor nach Kärnten. Die W. der Dürrnberger Knappen zum Königssee beschreibt J. Schatteiner.
+
Um viele Wallfahrtsstätten ranken sich Gründungslegenden im Sinne einer Garantie der Wirkmächtigkeit: so die Anschwemmungslegende (Bramberg, Bruck), Rastlegende (Maria Bruneck/Golling, Hollenstein/Ramingstein), Rückkehrlegende (St. Leonhard bei Tamsweg, Maria Kirchenthal, [[Loretokindl]] in Salzburg), weisende Tiere (z.B. Kleinkirchenthal bei Hallein). Oft sind auch „numinose Momente“ ausschlaggebend, die sich im Stein-, Quell-, Baum- oder Traumkult manifestieren. Kultobjekte: [[Gnadenbild|Gnadenbilder]], d.h. Statuen aus Holz oder Stein (meist in alten marianischen Wallfahrtsorten), Bilder und Gemälde (die zumeist nachreformatorischen Gnadenbilder sind Kopien „bewährter“ Kultobjekte, etwa Maria Plain, Maria Hilf, Ährenkleidmadonna, Mutter vom Guten Rat, Madonna von Cambrai u.a.) oder Reliquien (wie die Gräber der Bistumspatrone, hl. [[Erentrudis]] im Stift [[Nonnberg]], hl. [[Rupert]] und hl. [[Virgil]] im [[Dom]] bzw. in [[St. Peter]]).  
  
Mit der Gegenreformation (Konzil von Trient 1545-63) begann die Hochblüte der W. in Salzburg. Viele neue W. entstanden infolge von Notzeiten, Hungersnöten oder Seuchen. Nah-W. bestimmten das Geschehen. Große Bedeutung der Bruderschaften für barocke W. und Prangfreude. Zur Mozart-Zeit 37 W.-Orte allein in der Stadt (bedeutendste W. jene zum Loretokindl). Von den großen Barock-W. außerhalb der Grenzen erreichte Salzburg nur eine: Verehrung der Madonna von Genazzano (Maria vom Guten Rat); große Verbreitung unter Eb. Sigismund Schrattenbach (mehr als 250 Andachtsstätten).
+
Älteste, bis heute nie unterbrochene Wallfahrt in Salzburg ist St. Leonhard bei Tamsweg; im Abstand folgen Mülln, Großgmain, [[Franziskanerkirche]]; im Tiroler Anteil stehen St. Leonhard bei Kundl und Mariastein am Anfang. Rund um Wallfahrtskirchen sammelten sich Hersteller jener Devotionalien und Votivbilder (G. Dohle), die „ex voto“, um Erfüllung eines Wunsches gestiftet wurden. Votivbilder und Votivgaben (Identifikationsopfer, Krankheitsvotive, Eisenvotive, Amulette und Talismane) sind Teil der Wallfahrtsbräuche. In ihnen wie in den Anliegenbüchern manifestiert sich bis heute eine Ikonografie der Hilfsbedürftigkeit.
 +
Das Spätmittelalter war von einer Welle von Sühne-, Bitt- und Dank-Wallfahrten, oft von verordneten Fernwallfahrten in andere Länder, gekennzeichnet (z.B. St. Jakob in Compostela vgl. St. Jakob am Thurn; Hl. Drei Könige in Köln). Kreuztrachten (Wallfahrer aus Tochterpfarren) und Bittvölker aus dem ganzen Erzbistum (mit Ausnahme des Tiroler Anteils, welche nach Brixen im Tale gingen) pilgerten zur Ur- bzw. Mutterpfarre auf dem Nonnberg, St. Peter und in den Dom, meist vor Christi Himmelfahrt oder zu Pfingsten. Nach strengem Reglement wallten sie geschlossen von Mülln aus durch die Stadt zu ihren Zielen. Auch Pinzgauer Wallfahrer nahmen nach 20 Stunden Fußmarsch über die Tauern am Festgottesdienst teil. 1789 wurde nach 220-jähriger Dauer diese Wallfahrtstradition zur Haupt- und Mutterkirche verboten, lediglich das Spottlied auf die „Pinzgauer Wallfahrer“ lebt noch fort; es tauchte 1760 in Handschriften auf und war nach 1800 auch außerhalb der Alpenländer sehr verbreitet (auch [[Johann Wolfgang von Goethe|Goethes]] Mutter kannte es): „Dö Pinzgara soltn kirifartn gehn, widi wadi we, eleison!“ Auch eine zweite Pinzgauer Wallfahrt, die noch heute stattfindet, reicht ins 15. Jahrhundert zurück, die „Großglockner-Wallfahrt“ im Juni nach Heiligenblut, 40 km durch das Fuscher Tal über das Hochtor nach Kärnten. Die mehrtägige Wallfahrt der Dürrnberger Knappen zum Königssee beschreibt Johann F. Schatteiner.
  
Im 17. und 18. Jh. bes. Marienverehrung vor allem in →Maria Plain (»Maria Trost am Plain«, 16743 Weihe der W.-kirche), »Haus-W.« der Salzburger Fürsterzbischöfe; sie behielt bis heute die führende Stellung unter den Salzburger W.-Orten; Krönungswoche und Heimkehrer-W. stellen Höhepunkte im Jahreslauf dar. Maria Kirchenthal (→Pinzgauer Dom) erreichte im Barock rasch den zweiten Platz, 1783 zählte man 50 000 Kommunikanten, wobei 13 Priester gleichzeitig tätig waren. »Unsere Liebe Frau auf dem Dürrnberg« wies bes. an Bittagen vor Christi Himmelfahrt »Tage großen Gedränges« auf.
+
[[Datei:Wallfahrt, Wolfgangiflascherl aus St. Gilgen, A. Kloiber.jpg|miniatur|Wolfgangiflascherl aus St. Gilgen]]
 +
Mit der Gegenreformation (Konzil von Trient 1545–63) begann die Hochblüte der Wallfahrt in Salzburg. Viele neue Wallfahrten entstanden infolge von Notzeiten, Hungersnöten oder Seuchen. Nah-Wallfahrten bestimmten das Geschehen. Große Bedeutung der Bruderschaften für barocke Wallfahrten und Prangfreude. Zur [[Mozart, Wolfgang Amadeus|Mozart]]-Zeit 37 Wallfahrtsorte allein in der Stadt Salzburg (bedeutendste Wallfahrt jene zum Loretokindl). Unter Erzbischof Sigismund Schrattenbach (1698–1771) stieg die Anzahl auf 250 Andachtsstätten). Im 17. und 18. Jahrhundert Anstieg der Marienverehrung v.a. in Maria Plain („Maria Trost am Plain“, 1674 Weihe der Wallfahrtskirche), „Haus-Wallfahrt“ der Salzburger Fürsterzbischöfe; bis heute beliebtester Salzburger Wallfahrtsort; Krönungswoche (4. Juli 1751) und „Frauendreißiger“ (Höhepunkt 15. August) stellen Höhepunkte im Jahreslauf dar. [[Maria Kirchenthal|Maria Kirchental]] (Pinzgauer Dom) erreichte im Barock rasch den zweiten Platz, 1783 zählte man 50.000 Kommunikanten, wobei 13 Priester gleichzeitig tätig waren. „Unsere Liebe Frau auf dem Dürrnberg“ wies besonders an Bitttagen vor Christi Himmelfahrt „Tage großen Gedränges“ auf.
 +
Die [[Aufklärung]] unter Erzbischof [[Hieronymus Graf Colloredo]] schränkte mit Verboten das Wallfahrtswesen und die Bilderverehrung empfindlich ein (Hirtenbrief von 1782): u.a. Verbote der mehrtägigen Wallfahrten, jener über die Landesgrenzen hinaus (z.B. nach St. Wolfgang). Die Kirche förderte im Sinne der Aufklärung neue Andachtsformen, etwa in der Christenlehre.
  
Die →Aufklärung unter Eb. →Hieronymus Colloredo schränkte mit Verboten das W.-Wesen und die Bilderverehrung empfindlich ein (Hirtenbrief von 1782): u.a. Verbote der mehrtägigen W., jener über die Landesgrenzen hinaus (z.B. nach St. Wolfgang). Die Kirche förderte im Sinne der Aufklärung neue Andachtsformen, etwa in der Christenlehre.  
+
Im 19. und 20. Jahrhundert kamen neue Formen der Wallfahrt auf, etwa zu Kopien der „Unbefleckten Empfängnis von Lourdes“ und der „Madonna von Fatima“. Seit den 1960er-Jahren spielen gesellschaftliche (z.B. Wallfahrt der Kroaten nach Maria Plain) ebenso wie soziale und sportliche Aspekte eine Rolle. Manche Wallfahrten sind nach dem Zweiten Weltkrieg neu entstanden (Stadt-Wallfahrt nach Maria Plain, Nacht-Wallfahrt der Katholischen Studierenden Jugend zu verschiedenen Zielen oder die Wallfahrt des Tiroler Unterlandes nach Mariastein). Quellenmäßige Erschließung der Wallfahrten durch Mirakelbücher (ab der Mitte des 17. Jahrhunderts in 16 Wallfahrtsorten Salzburgs vorhanden), welche als „Leistungsausweise“ und Werbung zu verstehen sind.
  
Im 19. und 20. Jh. kamen neue W.-formen auf, etwa zu Kopien der »Unbefleckten Empfängnis von Lourdes« und der »Madonna von Fatima«. Seit den 1960er-Jahren spielen gesellschaftliche (z.B. W. der Kroaten nach Maria Plain) ebenso wie soziale und sportliche Aspekte eine Rolle. Manche W. sind nach dem 2. Weltkrieg neu entstanden (Stadt.-W. nach Maria Plain, Nacht-W. der Kath. Studierenden Jugend zu verschiedenen Zielen oder die W. des Tiroler Unterlandes nach Mariastein). Quellenmäßige Erschließung der W. durch Mirakelbücher (ab der Mitte des 17. Jh.s in 16 W.-Orten Salzburgs vorhanden), welche als Leistungsausweise und Werbung zu verstehen sind, durch Votivbilder und Votivgaben (Identifikationsopfer, Krankheitsvotive, Eisenvotive, Amulette und Talismane) sowie durch reichhaltige W.-Bräuche. →Gnadenbild.  
+
Lit.:
  
Literatur:
+
* Bergheim in Geschichte und Gegenwart. Red. M. Brunner-Gaurek. Bergheim 2009. Darin Beiträge zur W. von: A. Hahnl, U. Kammerhofer, J. Neuhardt, S. Veits-Falk.
 
 
* G. Gugitz: Österreichs Gnadenstätten in Kult und Brauch. Ein topograph. Handbuch zur relig. Volkskunde. Wien 1958, Bd 5, 362-376.
 
* D. Assmann: Die bedeutendsten Wallfahrtsorte Österreichs und Südtirols. In: ÖVA, Kommentar VI, Lfg.6/2, 1979, 1-36.
 
 
* Salzburgs Wallfahrten in Kult und Brauch. Kat. Dommuseum, Salzburg 1986.
 
* Salzburgs Wallfahrten in Kult und Brauch. Kat. Dommuseum, Salzburg 1986.
* L. Kriss-Rettenbeck, G. Möhler (Hg.):Wallfahrt kennt keine Grenzen. München- Zürich 1984.
+
* J. Neuhardt: W. im Erzbistum Salzburg. München–Zürich 1982.
* J. Neuhardt: W. im Erzbistum Salzburg. München-Zürich 1982.
+
* G. Gugitz: Österreichs Gnadenstätten in Kult und Brauch. Ein topograph. Handbuch zur relig. Volkskunde. Wien 1958, Bd 5, S. 362–376.
* Bergheim in Geschichte und Gegenwart. Red. M. Brunner-Gaurek. Bergheim 2009. Darin Beiträge zur W. von: A. Hahnl, U. Kammerhofer, J. Neuhardt, S. Veits-Falk.
 
  
R.A./U.K.
+
R.A., U.K.
  
 
{{Normdaten|TYP=s|GND=4064460-1}}
 
{{Normdaten|TYP=s|GND=4064460-1}}
Zeile 31: Zeile 30:
 
[[Kategorie:Volks- und Alltagskultur]]
 
[[Kategorie:Volks- und Alltagskultur]]
 
[[Kategorie:Freigabe Bereichsleitung]]
 
[[Kategorie:Freigabe Bereichsleitung]]
 +
[[Kategorie:Freigabe Autor]]

Aktuelle Version vom 24. Mai 2021, 19:43 Uhr

Dürrnberg - Königsee

Wallfahrt. In der Erzdiözese Salzburg befinden sich viele Wallfahrtsorte von lokaler und überregionaler Bedeutung, die sich zum Teil noch immer regen Zuspruchs erfreuen.

Vor den Verboten durch den Aufgeklärten Absolutismus um 1780 zählt Gustav Gugitz 73 Wallfahrtsorte in Salzburg. 1966 zählte Dieter Assmann 17 bestehende Wallfahrtsorte, von welchen drei bereits vor 1300 existierten, sieben zwischen 1300 und 1600 sowie weitere sieben, die erst nach 1600 entstanden sind. In der letzten Gruppe sind – entsprechend der Gegenreformation – die Marienwallfahrtsorte die häufigsten.

Dem katholischen Wallfahrtswesen liegt die Voraussetzung zugrunde, dass bestimmte Orte besonders gnadenvoll seien, dass an ihnen Gott und die Heiligen den Menschen mit Gnadenkräften nahestehen würden. So ist Wallfahrt seit dem Frühmittelalter ein komplexes Integrationssystem. Weiters schreibt die katholische Kirche Bildern als Medien der sinnlichen Vergegenwärtigung große Wirkmächtigkeit zu – im Gegensatz zum byzantinischen Bilderstreit 730–843 und Luthers Ablehnung von Bildgebrauch und Heiligenverehrung (16. Jahrhundert). Speziell während der sogenannten Gegenreformation bzw. Katholischen Restauration im 17. Jahrhundert erfolgten viele Gründungen wie Erweiterungen von Wallfahrtsorten und Wallfahrtszügen. Wallfahrtsorte wurden auch zu Stätten der Kommunikation ebenso wie zu Anziehungspunkten von Bettelvolk, das auf die Barmherzigkeit der Gläubigen vertraute (Sabine Veits-Falk).

Um viele Wallfahrtsstätten ranken sich Gründungslegenden im Sinne einer Garantie der Wirkmächtigkeit: so die Anschwemmungslegende (Bramberg, Bruck), Rastlegende (Maria Bruneck/Golling, Hollenstein/Ramingstein), Rückkehrlegende (St. Leonhard bei Tamsweg, Maria Kirchenthal, Loretokindl in Salzburg), weisende Tiere (z.B. Kleinkirchenthal bei Hallein). Oft sind auch „numinose Momente“ ausschlaggebend, die sich im Stein-, Quell-, Baum- oder Traumkult manifestieren. Kultobjekte: Gnadenbilder, d.h. Statuen aus Holz oder Stein (meist in alten marianischen Wallfahrtsorten), Bilder und Gemälde (die zumeist nachreformatorischen Gnadenbilder sind Kopien „bewährter“ Kultobjekte, etwa Maria Plain, Maria Hilf, Ährenkleidmadonna, Mutter vom Guten Rat, Madonna von Cambrai u.a.) oder Reliquien (wie die Gräber der Bistumspatrone, hl. Erentrudis im Stift Nonnberg, hl. Rupert und hl. Virgil im Dom bzw. in St. Peter).

Älteste, bis heute nie unterbrochene Wallfahrt in Salzburg ist St. Leonhard bei Tamsweg; im Abstand folgen Mülln, Großgmain, Franziskanerkirche; im Tiroler Anteil stehen St. Leonhard bei Kundl und Mariastein am Anfang. Rund um Wallfahrtskirchen sammelten sich Hersteller jener Devotionalien und Votivbilder (G. Dohle), die „ex voto“, um Erfüllung eines Wunsches gestiftet wurden. Votivbilder und Votivgaben (Identifikationsopfer, Krankheitsvotive, Eisenvotive, Amulette und Talismane) sind Teil der Wallfahrtsbräuche. In ihnen wie in den Anliegenbüchern manifestiert sich bis heute eine Ikonografie der Hilfsbedürftigkeit. Das Spätmittelalter war von einer Welle von Sühne-, Bitt- und Dank-Wallfahrten, oft von verordneten Fernwallfahrten in andere Länder, gekennzeichnet (z.B. St. Jakob in Compostela vgl. St. Jakob am Thurn; Hl. Drei Könige in Köln). Kreuztrachten (Wallfahrer aus Tochterpfarren) und Bittvölker aus dem ganzen Erzbistum (mit Ausnahme des Tiroler Anteils, welche nach Brixen im Tale gingen) pilgerten zur Ur- bzw. Mutterpfarre auf dem Nonnberg, St. Peter und in den Dom, meist vor Christi Himmelfahrt oder zu Pfingsten. Nach strengem Reglement wallten sie geschlossen von Mülln aus durch die Stadt zu ihren Zielen. Auch Pinzgauer Wallfahrer nahmen nach 20 Stunden Fußmarsch über die Tauern am Festgottesdienst teil. 1789 wurde nach 220-jähriger Dauer diese Wallfahrtstradition zur Haupt- und Mutterkirche verboten, lediglich das Spottlied auf die „Pinzgauer Wallfahrer“ lebt noch fort; es tauchte 1760 in Handschriften auf und war nach 1800 auch außerhalb der Alpenländer sehr verbreitet (auch Goethes Mutter kannte es): „Dö Pinzgara soltn kirifartn gehn, widi wadi we, eleison!“ Auch eine zweite Pinzgauer Wallfahrt, die noch heute stattfindet, reicht ins 15. Jahrhundert zurück, die „Großglockner-Wallfahrt“ im Juni nach Heiligenblut, 40 km durch das Fuscher Tal über das Hochtor nach Kärnten. Die mehrtägige Wallfahrt der Dürrnberger Knappen zum Königssee beschreibt Johann F. Schatteiner.

Wolfgangiflascherl aus St. Gilgen

Mit der Gegenreformation (Konzil von Trient 1545–63) begann die Hochblüte der Wallfahrt in Salzburg. Viele neue Wallfahrten entstanden infolge von Notzeiten, Hungersnöten oder Seuchen. Nah-Wallfahrten bestimmten das Geschehen. Große Bedeutung der Bruderschaften für barocke Wallfahrten und Prangfreude. Zur Mozart-Zeit 37 Wallfahrtsorte allein in der Stadt Salzburg (bedeutendste Wallfahrt jene zum Loretokindl). Unter Erzbischof Sigismund Schrattenbach (1698–1771) stieg die Anzahl auf 250 Andachtsstätten). Im 17. und 18. Jahrhundert Anstieg der Marienverehrung v.a. in Maria Plain („Maria Trost am Plain“, 1674 Weihe der Wallfahrtskirche), „Haus-Wallfahrt“ der Salzburger Fürsterzbischöfe; bis heute beliebtester Salzburger Wallfahrtsort; Krönungswoche (4. Juli 1751) und „Frauendreißiger“ (Höhepunkt 15. August) stellen Höhepunkte im Jahreslauf dar. Maria Kirchental (Pinzgauer Dom) erreichte im Barock rasch den zweiten Platz, 1783 zählte man 50.000 Kommunikanten, wobei 13 Priester gleichzeitig tätig waren. „Unsere Liebe Frau auf dem Dürrnberg“ wies besonders an Bitttagen vor Christi Himmelfahrt „Tage großen Gedränges“ auf. Die Aufklärung unter Erzbischof Hieronymus Graf Colloredo schränkte mit Verboten das Wallfahrtswesen und die Bilderverehrung empfindlich ein (Hirtenbrief von 1782): u.a. Verbote der mehrtägigen Wallfahrten, jener über die Landesgrenzen hinaus (z.B. nach St. Wolfgang). Die Kirche förderte im Sinne der Aufklärung neue Andachtsformen, etwa in der Christenlehre.

Im 19. und 20. Jahrhundert kamen neue Formen der Wallfahrt auf, etwa zu Kopien der „Unbefleckten Empfängnis von Lourdes“ und der „Madonna von Fatima“. Seit den 1960er-Jahren spielen gesellschaftliche (z.B. Wallfahrt der Kroaten nach Maria Plain) ebenso wie soziale und sportliche Aspekte eine Rolle. Manche Wallfahrten sind nach dem Zweiten Weltkrieg neu entstanden (Stadt-Wallfahrt nach Maria Plain, Nacht-Wallfahrt der Katholischen Studierenden Jugend zu verschiedenen Zielen oder die Wallfahrt des Tiroler Unterlandes nach Mariastein). Quellenmäßige Erschließung der Wallfahrten durch Mirakelbücher (ab der Mitte des 17. Jahrhunderts in 16 Wallfahrtsorten Salzburgs vorhanden), welche als „Leistungsausweise“ und Werbung zu verstehen sind.

Lit.:

  • Bergheim in Geschichte und Gegenwart. Red. M. Brunner-Gaurek. Bergheim 2009. Darin Beiträge zur W. von: A. Hahnl, U. Kammerhofer, J. Neuhardt, S. Veits-Falk.
  • Salzburgs Wallfahrten in Kult und Brauch. Kat. Dommuseum, Salzburg 1986.
  • J. Neuhardt: W. im Erzbistum Salzburg. München–Zürich 1982.
  • G. Gugitz: Österreichs Gnadenstätten in Kult und Brauch. Ein topograph. Handbuch zur relig. Volkskunde. Wien 1958, Bd 5, S. 362–376.

R.A., U.K.