Wallfahrt: Unterschied zwischen den Versionen

Aus Salzburger Kulturlexikon 3.0
Wechseln zu: Navigation, Suche
(Wikifizierung)
Zeile 1: Zeile 1:
 
'''Wallfahrt'''. In der Erzdiözese Salzburg befinden sich viele Wallfahrtsorte von lokaler und überregionaler Bedeutung, die sich z.T. noch immer regen Zuspruchs erfreuen.
 
'''Wallfahrt'''. In der Erzdiözese Salzburg befinden sich viele Wallfahrtsorte von lokaler und überregionaler Bedeutung, die sich z.T. noch immer regen Zuspruchs erfreuen.
  
Vor den Verboten durch den Aufgeklärten Absolutismus um 1780 zählt G. Gugitz 73 Wallfahrtsorte in Salzburg. 1966 zählte D. Assmann 17 bestehende Wallfahrtsorte, von welchen drei bereits vor 1300 existierten, sieben zwischen 1300 und 1600 sowie weitere sieben, die erst nach 1600 entstanden sind. In der letzten Gruppe sind – entsprechend der Gegenreformation – die Marienwallfahrtsorte die häufigsten. Dem katholischen Wallfahrtswesen liegt die Voraussetzung zugrunde, dass bestimmte Orte besonders gnadenvoll seien, dass an ihnen Gott und die Heiligen den Menschen mit Gnadenkräften nahestehen würden. So ist Wallfahrt seit dem Frühmittelalter ein komplexes Integrationssystem. Weiters schreibt die katholische Kirche Bildern als Medien der sinnlichen Vergegenwärtigung große Wirkmächtigkeit zu (im Gegensatz zum byzantinischen Bilderstreit 730–843 und Luthers Ablehnung von Bildgebrauch und Heiligenverehrung (16. Jahrhundert). Speziell während der sogenanten Gegenreformation bzw. Katholischen Restauration im 17. Jahrhundert erfolgten viele Gründungen wie Erweiterungen von Wallfahrtsorte und Wallfahrtszügen. Wallfahrtsorte wurden auch zu Stätten der Kommunikation ebenso wie zu Anziehungspunkten von Bettelvolk, das auf die Barmherzigkeit der Gläubigen vertraute (S. Veits-Falk).
+
Vor den Verboten durch den Aufgeklärten Absolutismus um 1780 zählt Gustav Gugitz 73 Wallfahrtsorte in Salzburg. 1966 zählte D. Assmann 17 bestehende Wallfahrtsorte, von welchen drei bereits vor 1300 existierten, sieben zwischen 1300 und 1600 sowie weitere sieben, die erst nach 1600 entstanden sind. In der letzten Gruppe sind – entsprechend der Gegenreformation – die Marienwallfahrtsorte die häufigsten. Dem katholischen Wallfahrtswesen liegt die Voraussetzung zugrunde, dass bestimmte Orte besonders gnadenvoll seien, dass an ihnen Gott und die Heiligen den Menschen mit Gnadenkräften nahestehen würden. So ist Wallfahrt seit dem Frühmittelalter ein komplexes Integrationssystem. Weiters schreibt die katholische Kirche Bildern als Medien der sinnlichen Vergegenwärtigung große Wirkmächtigkeit zu (im Gegensatz zum byzantinischen Bilderstreit 730–843 und Luthers Ablehnung von Bildgebrauch und Heiligenverehrung (16. Jahrhundert). Speziell während der sogenanten Gegenreformation bzw. Katholischen Restauration im 17. Jahrhundert erfolgten viele Gründungen wie Erweiterungen von Wallfahrtsorte und Wallfahrtszügen. Wallfahrtsorte wurden auch zu Stätten der Kommunikation ebenso wie zu Anziehungspunkten von Bettelvolk, das auf die Barmherzigkeit der Gläubigen vertraute (S. Veits-Falk).
  
 
Um viele Wallfahrtsstätten ranken sich Gründungslegenden im Sinne einer Garantie der Wirkmächtigkeit: so die Anschwemmungslegende (Bramberg, Bruck), Rastlegende (Maria Bruneck/Golling, Hollenstein/Ramingstein), Rückkehrlegende (St. Leonhard bei Tamsweg, Maria Kirchenthal, [[Loretokindl]] in Salzburg), weisende Tiere (z.B. Kleinkirchenthal bei Hallein). Oft sind auch „numinose Momente“ ausschlaggebend, die sich im Stein-, Quell-, Baum- oder Traumkult manifestieren. Kultobjekte: [[Gnadenbild|Gnadenbilder]], d.h. Statuen aus Holz oder Stein (meist in alten marianischen Wallfahrtsorten), Bilder und Gemälde (die zumeist nachreformatorischen Gnadenbilder sind Kopien „bewährter“ Kultobjekte, etwa Maria Plain, Maria Hilf, Ährenkleidmadonna, Mutter vom Guten Rat, Madonna von Cambrai u.a.) oder Reliquien (wie die Gräber der Bistumspatrone, hl. [[Erentrudis]] im Stift [[Nonnberg]], hl. [[Rupert]] und hl. [[Virgil]] im [[Dom]] bzw. in [[St. Peter]]).  
 
Um viele Wallfahrtsstätten ranken sich Gründungslegenden im Sinne einer Garantie der Wirkmächtigkeit: so die Anschwemmungslegende (Bramberg, Bruck), Rastlegende (Maria Bruneck/Golling, Hollenstein/Ramingstein), Rückkehrlegende (St. Leonhard bei Tamsweg, Maria Kirchenthal, [[Loretokindl]] in Salzburg), weisende Tiere (z.B. Kleinkirchenthal bei Hallein). Oft sind auch „numinose Momente“ ausschlaggebend, die sich im Stein-, Quell-, Baum- oder Traumkult manifestieren. Kultobjekte: [[Gnadenbild|Gnadenbilder]], d.h. Statuen aus Holz oder Stein (meist in alten marianischen Wallfahrtsorten), Bilder und Gemälde (die zumeist nachreformatorischen Gnadenbilder sind Kopien „bewährter“ Kultobjekte, etwa Maria Plain, Maria Hilf, Ährenkleidmadonna, Mutter vom Guten Rat, Madonna von Cambrai u.a.) oder Reliquien (wie die Gräber der Bistumspatrone, hl. [[Erentrudis]] im Stift [[Nonnberg]], hl. [[Rupert]] und hl. [[Virgil]] im [[Dom]] bzw. in [[St. Peter]]).  

Version vom 19. September 2020, 17:41 Uhr

Wallfahrt. In der Erzdiözese Salzburg befinden sich viele Wallfahrtsorte von lokaler und überregionaler Bedeutung, die sich z.T. noch immer regen Zuspruchs erfreuen.

Vor den Verboten durch den Aufgeklärten Absolutismus um 1780 zählt Gustav Gugitz 73 Wallfahrtsorte in Salzburg. 1966 zählte D. Assmann 17 bestehende Wallfahrtsorte, von welchen drei bereits vor 1300 existierten, sieben zwischen 1300 und 1600 sowie weitere sieben, die erst nach 1600 entstanden sind. In der letzten Gruppe sind – entsprechend der Gegenreformation – die Marienwallfahrtsorte die häufigsten. Dem katholischen Wallfahrtswesen liegt die Voraussetzung zugrunde, dass bestimmte Orte besonders gnadenvoll seien, dass an ihnen Gott und die Heiligen den Menschen mit Gnadenkräften nahestehen würden. So ist Wallfahrt seit dem Frühmittelalter ein komplexes Integrationssystem. Weiters schreibt die katholische Kirche Bildern als Medien der sinnlichen Vergegenwärtigung große Wirkmächtigkeit zu (im Gegensatz zum byzantinischen Bilderstreit 730–843 und Luthers Ablehnung von Bildgebrauch und Heiligenverehrung (16. Jahrhundert). Speziell während der sogenanten Gegenreformation bzw. Katholischen Restauration im 17. Jahrhundert erfolgten viele Gründungen wie Erweiterungen von Wallfahrtsorte und Wallfahrtszügen. Wallfahrtsorte wurden auch zu Stätten der Kommunikation ebenso wie zu Anziehungspunkten von Bettelvolk, das auf die Barmherzigkeit der Gläubigen vertraute (S. Veits-Falk).

Um viele Wallfahrtsstätten ranken sich Gründungslegenden im Sinne einer Garantie der Wirkmächtigkeit: so die Anschwemmungslegende (Bramberg, Bruck), Rastlegende (Maria Bruneck/Golling, Hollenstein/Ramingstein), Rückkehrlegende (St. Leonhard bei Tamsweg, Maria Kirchenthal, Loretokindl in Salzburg), weisende Tiere (z.B. Kleinkirchenthal bei Hallein). Oft sind auch „numinose Momente“ ausschlaggebend, die sich im Stein-, Quell-, Baum- oder Traumkult manifestieren. Kultobjekte: Gnadenbilder, d.h. Statuen aus Holz oder Stein (meist in alten marianischen Wallfahrtsorten), Bilder und Gemälde (die zumeist nachreformatorischen Gnadenbilder sind Kopien „bewährter“ Kultobjekte, etwa Maria Plain, Maria Hilf, Ährenkleidmadonna, Mutter vom Guten Rat, Madonna von Cambrai u.a.) oder Reliquien (wie die Gräber der Bistumspatrone, hl. Erentrudis im Stift Nonnberg, hl. Rupert und hl. Virgil im Dom bzw. in St. Peter).

Älteste, bis heute nie unterbrochene Wallfahrt in Salzburg ist St. Leonhard bei Tamsweg; im Abstand folgen Mülln, Großgmain, Franziskanerkirche; im Tiroler Anteil stehen St. Leonhard bei Kundl und Mariastein am Anfang. Rund um Wallfahrtskirchen sammelten sich Hersteller jener Devotionalien und Votivbilder (G. Dohle), die „ex voto“, um Erfüllung eines Wunsches gestiftet wurden. Votivbilder und Votivgaben (Identifikationsopfer, Krankheitsvotive, Eisenvotive, Amulette und Talismane) sind Teil der Wallfahrtsbräuche. In ihnen, wie in den Anliegenbüchern manifestiert sich bis heute eine Ikonografie der Hilfsbedürftigkeit. Das Spätmittelalter war von einer Welle von Sühne-, Bitt- und Dank-Wallfahrten, oft verordnete Fernwallfahrten in andere Länder, gekennzeichnet (z.B. St. Jakob in Compostela vgl. St. Jakob am Thurn; Hl. Drei Könige in Köln). Kreuztrachten (Wallfahrer aus Tochterpfarren) und Bittvölker aus dem ganzen Erzbistum (mit Ausnahme des Tiroler Anteils, welche nach Brixen im Tale gingen) pilgerten zur Ur- bzw. Mutterpfarre auf dem Nonnberg, St. Peter und in den Dom, meist vor Christi Himmelfahrt oder zu Pfingsten. Nach strengem Reglement wallten sie geschlossen von Mülln aus durch die Stadt zu ihren Zielen. Auch Pinzgauer Wallfahrer nahmen nach 20 Stunden Fußmarsch über die Tauern am Festgottesdienst teil. 1789 wurde nach 220-jähriger Dauer diese Wallfahrtstradition zur Haupt- und Mutterkirche verboten, lediglich das Spottlied auf die „Pinzgauer Wallfahrer“ lebt noch fort; es tauchte 1760 in Handschriften auf und war nach 1800 auch außerhalb der Alpenländer sehr verbreitet (auch Goethess Mutter kannte es): „Dö Pinzgara soltn kirifartn gehn, widi wadi we, eleison!“ Auch eine zweite Pinzgauer Wallfahrt, die noch heute stattfindet, reicht ins 15. Jahrhunert zurück, die „Großglockner-Wallfahrt“ im Juni nach Heiligenblut, 40 km durch das Fuscher Tal über das Hochtor nach Kärnten. Die mehrtägige Wallfahrt der Dürrnberger Knappen zum Königssee beschreibt Johann F. Schatteiner.

Mit der Gegenreformation (Konzil von Trient 1545–63) begann die Hochblüte der Wallfahrt in Salzburg. Viele neue Wallfahrten entstanden infolge von Notzeiten, Hungersnöten oder Seuchen. Nah-Wallfahrten bestimmten das Geschehen. Große Bedeutung der Bruderschaften für barocke Wallfahrten und Prangfreude. Zur Mozart-Zeit 37 Wallfahrtsorte allein in der Stadt Salzburg (bedeutendste Wallfahrt jene zum Loretokindl). Unter Erzbischof Sigismund Schrattenbach (1698–1771) stieg die Anzahl auf 250 Andachtsstätten). Im 17. und 18. Jahrhundert Anstieg der Marienverehrung v.a. in Maria Plain („Maria Trost am Plain“, 1674 Weihe der Wallfahrtskirche), „Haus-Wallfahrt“ der Salzburger Fürsterzbischöfe; bis heute beliebtester Salzburger Wallfahrtsort; Krönungswoche (4. Juli 1751) und „Frauendreissiger“ (Höhepunkt 15. August) stellen Höhepunkte im Jahreslauf dar. Maria Kirchenthal (Pinzgauer Dom) erreichte im Barock rasch den zweiten Platz, 1783 zählte man 50.000 Kommunikanten, wobei 13 Priester gleichzeitig tätig waren. „Unsere Liebe Frau auf dem Dürrnberg“ wies besonders an Bitttagen vor Christi Himmelfahrt „Tage großen Gedränges“ auf. Die Aufklärung unter Erzbischof Hieronymus Graf Colloredo schränkte mit Verboten das Wallfahrtswesen und die Bilderverehrung empfindlich ein (Hirtenbrief von 1782): u.a. Verbote der mehrtägigen Wallfahrten, jener über die Landesgrenzen hinaus (z.B. nach St. Wolfgang). Die Kirche förderte im Sinne der Aufklärung neue Andachtsformen, etwa in der Christenlehre.

Im 19. und 20. Jahrhundert kamen neue Formen der Wallfahrt auf, etwa zu Kopien der „Unbefleckten Empfängnis von Lourdes“ und der „Madonna von Fatima“. Seit den 1960er Jahren spielen gesellschaftliche (z.B. Wallfahrt der Kroaten nach Maria Plain) ebenso wie soziale und sportliche Aspekte eine Rolle. Manche Wallfahrten sind nach dem Zweiten Weltkrieg neu entstanden (Stadt-Wallfahrt nach Maria Plain, Nacht-Walllfahrt der Katholischen Studierenden Jugend zu verschiedenen Zielen oder die Wallfahrt des Tiroler Unterlandes nach Mariastein). Quellenmäßige Erschließung der Wallfahrten durch Mirakelbücher (ab der Mitte des 17. Jahrhunderts in 16 Wallfahrtsorten Salzburgs vorhanden), welche als „Leistungsausweise“ und Werbung zu verstehen sind.

Lit.:

  • Bergheim in Geschichte und Gegenwart. Red. M. Brunner-Gaurek. Bergheim 2009. Darin Beiträge zur W. von: A. Hahnl, U. Kammerhofer, J. Neuhardt, S. Veits-Falk.
  • Salzburgs Wallfahrten in Kult und Brauch. Kat. Dommuseum, Salzburg 1986.
  • J. Neuhardt: W. im Erzbistum Salzburg. München–Zürich 1982.
  • G. Gugitz: Österreichs Gnadenstätten in Kult und Brauch. Ein topograph. Handbuch zur relig. Volkskunde. Wien 1958, Bd 5, S. 362–376.

R.A., U.K.