Michael Haydn

Aus Salzburger Kulturlexikon 3.0
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(Johann) Michael Haydn, * 14. September 1737 in Rohrau (Niederösterreich), † 10. August 1806 in Salzburg; Komponist, Hofkonzertmeister, Domorganist und Lehrer am Kapellhaus.

Der „Salzburger Haydn“, fünf Jahre jüngerer Bruder von Joseph Haydn, neben Leopold Mozart († 1787) und (bis 1781) Wolfgang Amadeus Mozart maßgeblicher Exponent für die Musik in Salzburg in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Ausbildung am Kapellhaus von St. Stephan in Wien bei Domkapellmeister Georg Reutter dem Jüngeren. Danach in Wien und vermutlich in Temesvar tätig.

Namentlich wird Haydn 1757 (bis 1762) als Mitglied des Großwardeiner Orchesters genannt, im Frühjahr 1760 als Kapellmeister des Bischofs Adam Graf Patachich. Schon vor der ersten namentlichen Erwähnung in Salzburg (24. Juli 1763) hatte Haydn Kontakt mit dem Hof von Erzbischof Sigismund Graf Schrattenbach, vermutlich durch Lieferung von Kompositionen von Wien aus.

Haydns Protektor war Vinzenz Josef Graf Schrattenbach (Domherr 1762), ein Neffe des Erzbischofs. Im Anstellungsdekret (14. August 1763) wird Haydn „als Hofmusicus und Concertmeister“ die Offizierstafel gewährt, ein Privileg, das Leopold und W. A. Mozart verwehrt blieb. 1768 heiratete Haydn die „Hofsingerin“ Maria Magdalena Lipp, Tochter des Domorganisten Franz Lipp. Das einzige Kind dieser Ehe starb nach einem Jahr. Als Wohnung diente dem Ehepaar Haydn das „St. Petrische Haus am Friedhof“ (Ende 19. Jahrhundert abgerissen für Talstation der Festungsbahn, Gedenktafel).

1772 wurde Haydn Erster Konzertmeister, 1777 (nach dem Tod Anton Cajetan Adlgassers) Organist an der Dreifaltigkeitskirche, mit Dekret vom 30. Mai 1782 (als Nachfolger W. A. Mozarts) Erster Hof- und Domorganist und Lehrer am Kapellhaus, bei gleichzeitiger Entlastung als Konzertmeister. Schwer enttäuschte ihn eine nur geringe Gehaltserhöhung durch die neue Regierung nach der Säkularisation, nachdem er ein ehrenvolles und lukratives Angebot des Fürsten Esterházy abgelehnt hatte. Ansehen und Verehrung, die er in Salzburg genoss, v.a. als Lehrer und in einem großen Freundeskreis, bestärkten ihn jedoch in seiner Entscheidung.

In der schon zwei Jahre nach seinem Tod erschienenen Biographischen Skizze wird Haydn der „vielleicht größte Tonsetzer auf dem Gebiet der Kirchenmusik“ genannt und die Edition seiner Werke gefordert, als Muster für „den ächten Kirchenstyl“. Franz Schuberts Gedanken über den „ruhigen, klaren Geist“ des „guten Haydn“ angesichts des Haydn-Monuments in der Stiftskirche St. Peter (1825) bringen diese Verehrung, die das 19. Jahrhundert bewahrte, zum Ausdruck. Von seinen Zeitgenossen hat W. A. Mozart Haydn besonders geschätzt und viel von ihm gelernt, während Leopold Mozart zwar besondere Leistungen Haydns anerkannte (z.B. die Hieronymus-Messe, Schauspielmusik zu Voltaires Zaire), ihn aber auch als eigenen Rivalen und Konkurrenten seines Sohnes ansah und in schlechtes Licht zu setzen suchte.

Haydns Schaffen umfasst mit 843 Nummern nahezu alle Bereiche der Musik seiner Zeit. Die großen und mittleren Formen der Kirchenmusik stehen deutlich im Vordergrund (38 Messen, 111 Gradualien, 53 Offertorien, 14 Litaneien, fünf Vespern). Weiteste Verbreitung fand der Messzyklus Hier liegt vor deiner Majestät in der Fassung von Michael Haydn. Einen breiten Raum nehmen seine Bühnen- (Theater der Benediktineruniversität), Huldigungskompositionen (Applausus, Serenate teatrale) und Oratorien ein, während die italienische Opera buffa ausgespart blieb.

Mit Recht gilt er als einer der Schöpfer der (oft irreführend als „Männerchöre“ bezeichneten) Lieder für vier Männer- oder Frauenstimmen in solistischer Besetzung (ca. fünfzig Werke), bestimmt zum geselligen Musizieren im Freundes- und Schülerkreis, dem u.a. Anton Diabelli, Benedikt Hacker, Sigismund von Neukomm, Georg Schinn, Ernst Fürst Schwarzenberg, Carl Maria von Weber und Joseph Woelfl angehörten.

Haydns Instrumentalmusik (Sinfonien, Konzerte, Orchester-Serenaden, Tänze, Kammermusik) umfasst mit 147 Werken nur ca. ein Sechstel des Gesamtschaffens. Die authentische Überlieferung der Werke (ca. vier Fünftel als datierte oder datierbare Autografen) kann als ungewöhnlich gut bezeichnet werden; mehrere frühe Kataloge (einige aus Haydns Schülerkreis) erleichtern eine chronologische Ordnung. Mehrere seiner Werke sind auch unter dem Namen seines Bruders Joseph und umgekehrt überliefert. 1983 konstituierte sich in Salzburg eine Johann-Michael-Haydn-Gesellschaft, die sich der Musik in Salzburg in Geschichte und Gegenwart und im Besonderen dem Leben, Werk und der Edition von Werken des Salzburger Haydn widmet.

Lit.:

  • Biographische Skizze von M. Haydn Faksimile. Stuttgart 2006.
  • C. H. Sherman: J. M. Haydn A Chronological Thematic Catalogue of His Works. New York 1993.
  • G. Croll und K. Vössing: J. M. Haydn. Sein Leben, sein Schaffen, seine Zeit. Eine Bildbiographie. Wien 1987.
  • H. Jancik: M. Haydn: ein vergessener Meister. Wien 1952.

G.C., G.W