Einleitung – Literatur

Aus Salzburger Kulturlexikon 3.0
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Denkmal für Stefan Zweig auf dem Kapuzinerberg
von Josef Zenzmaier

Musik und Architektur formen das Bild Salzburgs stärker als die Literatur. In mancher Salzburger Geschichtsepoche gewinnen aber Autorinnen und Autoren mit ihren literarischen Werken überregionale Bedeutung. Allerdings gibt es auch große Epochen der deutschsprachigen Literatur, an denen Salzburg nur bescheiden mitwirkte.

Als auf Bestreben Karls des Großen 798 Salzburg unter Bischof Arn(o) zum Erzbistum erhoben wurde, verlieh das dem Gebiet politisch, geistlich und kulturell eine Führungsposition. Das karolingische Schrifttum hatte hier aber kaum zu nennenswerten eigenständigen Dichtungen geführt. Erst aus der Literatur des späten Mittelalters ragt überregional der sogenannte Mönch von Salzburg hervor, der als Dichter und Komponist geistliche und weltliche Lieder schuf. Der kunstsinnige Erzbischof Pilgrim von Puchheim (1365–1396) ernannte ihn zum Hofdichter. Der Humanismus in Salzburg verband sich mit dem Katholizismus, Stätten seiner Pflege waren die Klöster. Aber selbst Kardinal Matthäus Lang (1519–1540) gelang es trotz seiner europäischen Kontakte nicht, Salzburg besondere literarische Bedeutung zu verschaffen. Wohl spielte man Schuldramen an der Domschule; wohl gründete man die erste Salzburger Buchdruckerei, die den Lobspruch auf Salzburg (1550) des Hans Sachs druckte; wohl erschienen da auch die Schriften des Naturforschers und Arztes Paracelsus (1493–1541); trotz allem entstand aber in Salzburg keine humanistische Literatur von überregionaler Bedeutung.

Dies wurde erst im Zeitalter des Barock möglich, in dem Salzburgs literarische und theatralische Kultur weit über die Grenzen des Landes hinausstrahlte. Vor allem die Erzbischöfe Wolf Dietrich von Raitenau (1587–1612) und Paris Graf von Lodron (1619–1653) schufen durch ihren landesfürstlichen Absolutismus die künstlerischen und politischen Voraussetzungen für eine repräsentative Barockliteratur.

Die Theatertradition der Benediktineruniversität (1622–1778) reichte über den Barockzeitraum hinaus in das deutsche Rokoko und die Aufklärung hinein. Ihr lateinisches Drama war neben dem fürsterzbischöflichen Hoftheater (Residenz und Hellbrunner Steintheater) und dem Volkstheater (Saalfeldner Passion, biblische Spiele der Halleiner und Oberndorfer Salzachschiffer) die bestimmende Form des Barocktheaters. Hauptträger dieses Bildungstheaters waren die heimische Universität, ihre Professoren (als Dichter und Regisseure) und ihre Studierenden (als Schauspieler). Über 370 verschiedene Stücke von 47 namentlich bekannten Dichtern sind uns als aufgeführt bezeugt, von etwa einem Drittel sind die Texte überliefert. Unter den Dichtern sind Otto Aicher (1628–1705), der Lehrer von Abraham a Sancta Clara, und Simon Rettenbacher (1634–1706) die bekanntesten. Unter Erzbischof Sigismund von Schrattenbach (1753–1771) löste die heitere Form des Singspiels die Barocktragödie zum Teil ab.

Florian Reichssiegels deutsches Singspiel Hochzeit auf der Alm hat Bernhard Paumgartner neu herausgegeben. Das letzte nachweisbare Spiel war 1778 eine Bearbeitung von Friedrich Gottlieb Klopstocks Abels Tod, wie Reichssiegels Singspiel mit Musik von Michael Haydn.

Die Theateraufführungen fanden als repräsentative öffentliche Semester- und Jahresschlussfeiern der Universität oder bei hohen Festen (Fürstenbesuchen) statt. Den lateinischen Stücken wurden schon bald komische deutsche Zwischenspiele eingefügt; die Narrenfigur darin trägt Lungauer Bauerntracht. Diesen regionalen bäuerlichen Hanswurst hat Joseph Anton Stranitzky (1676–1726), der selbst in Salzburg gespielt haben soll, in die Wiener Volkskomödie gebracht.

Die barocke Predigt wurde besonders von den Kapuzinern gepflegt, die Wolf Dietrich anstelle der Jesuiten ins Land gerufen hatte. Der Lyriker und Predigtschriftsteller Prokop von Templin (um 1609–1680), der volkstümliche deutsche Marienlieder schrieb, ist der bekannteste.

Im Zeitalter der Aufklärung bestimmten drei Akzente die Literatur Salzburgs: 1. die philosophisch-politisch-pädagogischen Reforminteressen der Salzburger Aufklärer, 2. die daraus erwachsende Publizistik und 3. das Jugendschrifttum.

In den letzten Jahrzehnten des Fürsterzbistums setzte Erzbischof Hieronymus Graf Colloredo (1772–1803) josephinische Gedanken durch. Die Salzburger Gebildeten und Gelehrten wandten sich einhellig gegen den Obskurantismus und artikulierten diese ihre Meinung so, dass man sogar von einer „Salzburger Aufklärung“ spricht, die durch publizistische Tätigkeit weit in den süddeutschen Raum hinauswirkte. Ihre führende Persönlichkeit war der Redakteur Lorenz Hübner (1751–1807), den der Erzbischof aus München berufen hatte, damit er die Salzburger Staatszeitung effektvoll reformierte. Überregionale Wirkung erreichte die Oberdeutsche Staatszeitung und später die ebenfalls von Lorenz Hübner herausgegebene Oberdeutsche Allgemeine Litteratur-Zeitung (1788–1811). Vom katholischen Standpunkt aus wurden hier die deutschsprachigen Neuerscheinungen auf philosophisch-historischem, theologischem, naturwissenschaftlichem und nicht zuletzt literarischem Gebiet rezensiert.

Obwohl der Aufklärer Hübner, der zwischen Aufklärung und Romantik stehende Reformpädagoge Franz Michael Vierthaler und andere selbst Dramen und erzählende Werke publizierten, wirkte die Salzburger Dichtung nicht über den engeren Raum hinaus. Der Jugendlektüre widmeten sich die Aufklärer auch in Salzburg, besonders zu nennen ist Ägidius Jais mit seinem Lesebuch für meine Schüler zur Bildung ihres Herzens (1784) und seiner Bearbeitung von Rochows Kinderfreund (1774). Diese Tradition der Jugendschriftstellerei setzte sich hier ins folgende Jahrhundert hinein fort. Heinrich Schwarz gründete im Jahre 1850 eine christliche Kinderzeitung, sie war als erste Jugendzeitschrift Österreichs unter dem Einfluss des deutschen Kinderbuchautors Christoph Schmid entstanden.

Klassik und Romantik haben sich in der Salzburger Dichtung nachhaltig niedergeschlagen; die von Franz Michael Vierthaler geleitete Literatur-Zeitung von Salzburg (später Süddeutschlands pragmatische Annalen der Literatur und Kultur) machte der hierher übersiedelte Naturphilosoph Johann Jakob Wagner zu einer Publikation der Romantik. Sie vermittelte den Lesern die neue romantische Poesie und die Philosophie Friedrich W.J. Schellings. Joseph Mohr und Franz Xaver Gruber schrieben das Weihnachtslied Stille Nacht, heilige Nacht, das heute weltbekannt ist. Der Realismus brachte wieder wenig mehr als regionale Schriftstellerei mit üblichem Heimatbezug. Dichtung in Salzburger Mundart, die bis heute lebhaft gepflegt wird, schrieben Sylvester Wagner und August Radnitzky, der „Fink von Mattsee“; beide hat der Oberösterreicher Franz Stelzhamer angeregt und beeinflusst.

Wenn Salzburg auch im 19. Jahrhundert keine besondere literarische Bedeutung erlangte, so lebten doch hier immer wieder Persönlichkeiten, die mit der Literatur ihrer Zeit Kontakte hatten und Autor*innen einluden. Ab 1870 war dies Julius Alexander Schindler, der sich als Autor Julius von der Traun nannte. Als Politiker des liberalen Bürgertums zog er sich auf Schloss Leopoldskron zurück, seiner Einladung folgten Theodor Storm, Adolf Wilbrandt, Franz Stelzhamer und andere; mit Friedrich Hebbel und Paul Heyse stand er in Briefverkehr, Ferdinand Sauters verstreute Gedichte gab er in einer ersten Sammlung (1855) heraus. In diese Zeit fällt auch, als eine Art Spätfrucht der lokalen Romantik, die Gründung der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde im Jahr 1860.

Um die Jahrhundertwende dachte man in Salzburg literarisch ziemlich traditionell, man betrachtete die Moderne skeptisch. Dieser Kontrast zwischen den modernen Künstlern und der konservativen Salzburger Bevölkerung akzentuiert immer wieder die örtliche Kunst- und Literaturentwicklung. Das bezeugt das Schicksal verschiedener Künstlervereinigungen, wie Pan (gegründet 1897), Der Wassermann (gegründet 1918), Sonderbund österreichischer Künstler in Salzburg und Literarische Gesellschaft. In der Pan-Runde saß neben Hans Seebach, Heinrich von Schullern, Irma von Troll-Borostyáni und anderen ein schweigsamer Jüngling: Georg Trakl (1887–1914), seine visionären Dichtungen sind deutsche Weltliteratur. Eine besondere Stellung nehmen bis heute die auf Initiative von Max Reinhardt und Hugo von Hofmannsthal 1920 gegründeten Salzburger Festspiele ein, die neben Autorinnen und Autoren alljährlich internationale Künstlerinnen und Künstler aller Sparten nach Salzburg bringen.

Aus der Salzburger Literaturszene zwischen den beiden Weltkriegen ragte der internationale Erfolgsautor Stefan Zweig (1881–1942) heraus, der sich 1920 auf dem Kapuzinerberg niedergelassen hatte und zur Kontaktperson für zahlreiche Repräsentanten der intellektuellen und künstlerischen Welt wurde; er wurde allerdings am vorläufigen Endpunkt der Demokratie 1934 ins Exil vertrieben. In den 1930er-Jahren lebte Carl Zuckmayer vorübergehend in Henndorf bei Salzburg, wo für einige Zeit ein kleines künstlerisches Zentrum entstand; er musste nach dem „Anschluss“ Österreichs an Nazi-Deutschland 1938 ebenfalls ins Exil flüchten. Während der nationalsozialistischen Herrschaft passten sich auch in Salzburg zahlreiche Autorinnen und Autoren an die neuen Machthaber an oder sympathisierten grundsätzlich mit ihnen; negativer Höhepunkt war die Bücherverbrennung am 30. April 1938. Nach dem Zweiten Weltkrieg produzierten Autoren wie Karl Heinrich Waggerl (1897–1973) und Georg Rendl (1903–1972) weiterhin traditionelle Literatur und fanden ihr Publikum. Waggerl war, trotz seiner einstigen Nähe zum Nationalsozialismus, der erfolgreichste unter ihnen. Den „Nachholbedarf“ an deutschsprachiger Exilliteratur und internationaler zeitgenössischer Moderne stillte Ernst Schönwiese mit seiner Zeitschrift das silberboot (1946), die Texte von Hermann Broch, Robert Musil, Franz Kafka, auch von Theodor Kramer und Ernst Waldinger brachte.

Die kreative Rezeption zeitgenössischer Literatur, die in Salzburg in den späten 1960er- und frühen 70er-Jahren begann, förderten und bewirkten zahlreiche Einrichtungen und Medien: der ORF Salzburg unter Intendant Rudolf Bayr und Hörspielabteilungsleiter Klaus Gmeiner; die Universität mit ihrer die Gegenwartsliteratur betonenden Germanistik durch Professoren wie Walter Weiss, Adolf Haslinger, Josef Donnenberg und Karlheinz Rossbacher; neue Institutionen für die Vermittlung von Literatur, z.B. das Salzburger Literaturforum Leselampe (gegründet 1968 von Josef Donnenberg) und die Literaturzeitschrift SALZ (gegründet 1975); international anerkannte Verlage wie der Residenz Verlag mit seinem zunehmend durch Werke österreichischer Autorinnen und Autoren angereicherten Literaturprogramm und der Otto Müller Verlag; literarische Großveranstaltungen wie die Rauriser Literaturtage (gegründet 1971 von Erwin Gimmelsberger); ein differenziertes System literarischer Auszeichnungen und Förderungen, wie z.B. der 1952 zum 65. Geburtstag Trakls vom Land Salzburg gestiftete Georg-Trakl-Preis für Lyrik u.v.a. Bedeutsam für die Salzburger Literaturszene ist auch Literatur und Kritik (gegründet 1966), eine Zeitschrift überregionalen Zuschnitts. Dem aktuellen Herausgeber Karl-Markus Gauß gelang es über viele Jahre, ihren Ruf als eine der bedeutendsten Kulturzeitschriften des deutschsprachigen Raums zu sichern. Regionale Salzburger Literaturzeitschriften waren bzw. sind u.a. Projekt-IL (1975–1980), erostepost (gegründet 1987), Prolit (1988–1993) und mosaik (gegründet 2011). Aus unterschiedlichen ästhetischen Richtungen kommend, bieten sie jungen Autorinnen und Autoren frühe Chancen zur Veröffentlichung.

Durch all diese Institutionen und Initiativen stieg das Interesse an Gegenwartsliteratur gewaltig an. Lesungen fast aller bekannten Autorinnen und Autoren deutscher Sprache luden zur persönlichen Begegnung und weiteren Beschäftigung mit diesen Künstlern ein. Bedeutende Autor*innen hatten Salzburg zum Ausgangspunkt bzw. lebten zeitweise hier. Die Salzburger Kriegs- und Nachkriegszeit thematisierte Thomas Bernhard (1931–1989), der hier Kindheit und Jugendjahre verlebte. Durch die Uraufführung von fünf seiner Theaterstücke zwischen 1972 und 1986 wurde er zum meistgespielten zeitgenössischen Autor der Salzburger Festspiele, deren Schauspielprogramm auch sonst immer wieder Produktionen aktueller deutschsprachiger Dramen aufweist (Fritz Hochwälder, Peter Handke, Elfriede Jelinek, Botho Strauß, Christoph Ransmayr u.a.). Peter Handke lebte von 1979 bis 1987 auf dem Mönchsberg. H.C. Artmann, Peter Rosei u.a. schrieben jahrelang in der Stadt, Ilse Aichinger in Großgmain bei Salzburg. Der Residenz Verlag ermöglichte die Debüts neuer Autorinnen und Autoren, wie Alois Brandstetter 1972 mit dem Erzählband Die Überwindung der Blitzangst und Franz Innerhofer 1974 mit dem Roman Schöne Tage, der viel Aufsehen erregte und auch ländliche Schichten zum Lesen fiktionaler Literatur bewegte. Dass der Verlag einen bemerkenswerten Rang im deutschsprachigen Raum erreichte, haben Rudolf Bayr, der Freund und Berater des Verlegers Wolfgang Schaffler, und, nach dem Verkauf des Residenz Verlags an den Bundesverlag, sein Nachfolger Jochen Jung bewirkt. Nach seinem Weggang vom Verlag gründete dieser selbst den Jung und Jung Verlag, der sich äußerst erfolgreich in der deutschsprachigen Literaturlandschaft etablieren konnte. Weitere Verlage wie z.B. Müry Salzmann kamen hinzu.

Zum aktivsten literarischen Zentrum innerhalb der Stadt ist das Literaturhaus Salzburg im historischen Eizenbergerhof geworden. Seit Anfang der 1990er-Jahre entfaltet es unter der Leitung von Tomas Friedmann vielfältige Veranstaltungsaktivitäten. Diese bringen, gemeinsam mit allen anderen Salzburger Literatureinrichtungen, der zeitgenössischen Literatur ein wachsendes Publikum. Die Rauriser Literaturtage entwickelten sich unter der mehr als 20-jährigen Leitung von Brita Steinwendtner zu einem Großfestival internationalen Zuschnitts, der Rauriser Literaturpreis erwies sich als Ausgangspunkt für zahlreiche Karrieren, darunter jene der Nobelpreisträgerin Herta Müller. 2008 entstand auch in der Stadt Salzburg ein Literaturfest, das an verschiedenen Orten jeweils mehrere Tage hindurch ein vielfältiges literarisches Programm anbietet. Zwei wichtige literarische Institutionen entstanden an der Universität Salzburg: 2008 wurde dort das Stefan Zweig Zentrum gegründet und bildet seither die Basis für ein reiches Angebot an Veranstaltungen und Publikationen. Der umfassenden Dokumentation Salzburger Literatur dient das in seiner heutigen Form 2012 eröffnete Literaturarchiv Salzburg, das – neben den eigenen Beständen – auch die Sammlung der (zu Ehren ihres 2013 verstorbenen Gründers benannten) Adolf Haslinger Literaturstiftung bewahrt und der Öffentlichkeit zugänglich macht. Daneben existiert bereits seit 1973 die Georg Trakl-Gedenkstätte im Geburtshaus des Dichters.

Stellvertretend für die zahlreichen Autorinnen und Autoren aus Salzburg, die in den letzten Jahrzehnten mit ihren literarischen Arbeiten hervorgetreten sind, seien die weit über Salzburg hinaus bekannten und erfolgreichen Karl-Markus Gauß, Wolf Haas, Walter Kappacher, Teresa Präauer und Kathrin Röggla genannt.


Adolf Haslinger; Aktualisierung: Manfred Mittermayer

Adolf Haslinger (1933-2013), Professor für Österreichische Literatur an der Universität Salzburg, betreute als Mitherausgeber der ersten beiden Auflagen des „Salzburger Kulturlexikons“ auch den Bereich „Literatur“. Seine Beiträge wurden in der Neuauflage in aktualisierter Form beibehalten.